Karzinoid (neuroendokriner Tumor)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Karzinoid (neuroendokriner Tumor)
Hilfreiche Videos: MedLexi.de auf YouTube

Ein Karzinoid oder neuroendokriner Tumor ist eine langsam wachsende Tumorerkrankung, dessen Ursprung in den Zellen des neuroendokrinen Systems zu finden ist und sich üblicherweise im Magen-Darm-Trakt (Blinddarm, Magen, Dünndarm, Dickdarm, Mastdarm) und in der Lunge bildet.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Karzinoid?

Wenn das Karzinoid verstärkt das Hormon Gastrin erzeugt, kommt es zu einer vermehrten Bildung von Magensäure mit Sodbrennen sowie wiederholten Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren.
© Kateryna_Kon – stock.adobe.com

Ein Karzinoid ist die häufigste Form eines bösartigen Tumors des Wurmfortsatzes im Blinddarm, wird meistens jedoch mit dem Dünndarm, Rektum oder Magen assoziiert.

In der Leber auftretende Metastasen sind in der Regel eine Manifestation eines Karzinoides an anderer Stelle des Körpers. Am zweithäufigsten sind die Atemwege betroffen. Im Vergleich zu anderen bösartigen Tumoren wächst ein Karzinoid sehr langsam und verursacht bis spät in die Krankheit keine Symptome.

Erst ab einer Größe von einem Zentimeter entfaltet ein Karzinoid malignen (bösartigen) Charakter. Es kann Hormone (Serotonin) produzieren und im Körper freisetzen, wodurch Symptome wie Durchfall oder Hautrötungen auftreten (Karzinoid-Syndrom).

Ursachen

Krebs entsteht, wenn eine Zelle eine Mutation in ihrer DNA entwickelt. Dadurch wird ein anormales Zellwachstum veranlasst. Ein Karzinoid entwickelt sich in neuroendokrinen Zellen - Nervenzellen oder hormonproduzierenden endokrinen Zellen in verschiedenen Organen des Körpers.

Ein Faktor, der das Risiko für ein Karzinoid erhöht, ist neben dem Alter oder einer Familiengeschichte multipler endokriner Neoplasie Typ I (MEN I) auch das Rauchen. Vorerkrankungen wie Gastritis oder das Zollinger-Ellison-Syndrom können zu einem erhöhten Risiko für ein gastrointestinales Karzinoid führen.

Die vermehrte Produktion von Serotonin durch ein Karzinoid verursacht einen Abbau von Tryptophan und führt zu Niacin–Mangel (Pellagra), der mit Dermatitis, Demenz und Durchfall einhergehen kann.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein Karzinoid (neuroendokriner Tumor) ruft keine einheitlichen Symptome hervor. Diese hängen bei funktionell aktiven Tumoren davon ab, welches Hormon vermehrt gebildet wird. Bei funktionell inaktiven Tumoren treten am Anfang keine Symptome auf. Erst nach einer langen Zeit machen diese sich aufgrund ihrer zunehmenden Größe durch Verdrängungserscheinungen bemerkbar.

Es kann je nach Lage des Tumors zu Bauchschmerzen, Gelbsucht, Gewichtsverlust oder Atemnot kommen. Wenn der Tumor jedoch funktionell aktiv ist, treten schon viel früher die von den jeweilig verstärkt gebildeten Hormonen abhängigen Symptome auf. Von einem sogenannten Insulinom wird vermehrt Insulin produziert. Das führt zu ständigen Unterzuckerungen mit Heißhungerattacken, Schwitzen, Zittern und Bewusstseinsstörungen.

Wenn das Karzinoid verstärkt das Hormon Gastrin erzeugt, kommt es zu einer vermehrten Bildung von Magensäure mit Sodbrennen sowie wiederholten Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren. Bildet der neuroendokrine Tumor das sogenannte VIP-Hormon (vasointestinales Peptid) im Überschuss, leidet der Patient an chronischen Durchfällen und ständigem Harndrang. Die vermehrte Bildung von Serotonin wiederum führt zum sogenannten Karzinoidsyndrom, welches durch Herzrasen, Schweißausbrüche, anfallsartige Rötung des Gesichts, kolikartige Bauchschmerzen, Atembeschwerden und Durchfälle gekennzeichnet ist.

Meist lässt sich ein Karzinoid gut behandeln, weil er sehr langsam wächst. Unbehandelt bilden sich jedoch Metastasen in verschiedenen Organen wie Leber und Knochen sowie seltener in der Augenhöhle, im Herzmuskel oder in der Brust. Große Tumoren können auch einen lebensbedrohlichen Darmverschluss hervorrufen.

Diagnose & Verlauf

Ein Karzinoid ist während seiner Lebensdauer in den meisten Fällen asymptomatisch und wird eher zufällig bei aus anderen Gründen veranlassten Operationen entdeckt. Ein malignes Potential trägt jedoch jedes Karzinoid in sich, auch wenn es keine Symptome verursacht.

Treten Beschwerden auf, so sind diese sehr in der Regel eher vage und abhängig von der Lage des Tumors. Dies umfasst Bauchschmerzen, Darmverschluss, Schmerzen in der Brust, Husten oder Bluthusten, Keuchen, Kurzatmigkeit oder erhöhten Herzschlag. Insbesondere Durchfall, rektale Blutungen oder Schmerzen können auf ein Karzinoid im Bereich des Rektrums hinweisen.

Um ein Karzinoid zu diagnostizieren, bestehen mehrere Möglichkeiten. Durch die vermehrte Freisetzung von Hormonen im Blut eignet sich ein Bluttest. Zerfallen diese Hormone, bilden sich erhöhte Konzentrationen bestimmter Inhaltsstoffe, weshalb ein Urintest ebenfalls anwendbar ist.

Um die genaue Lage von einem Karzinoid festzustellen, werden bildgebende Untersuchungen einschließlich Computertomografie (CT), Kernspintomographie (MRT), Positronen-Emissions-Tomographie (PET), Ultraschall, Octreotid-Scan und Röntgen angewandt. Ein Karzinoid kann ebenso durch eine Endoskopie, Bronchoskopie oder eine Koloskopie lokalisiert werden. Zur Bestätigung der Diagnose wird in der Regel eine Biopsie veranlasst.

Komplikationen

Durch das Karzinoid kommt es zu den typischen Beschwerden und Komplikationen einer Krebserkrankung. Dabei kann auch die Lebenserwartung des Betroffenen deutlich verringert werden, falls sich der Tumor in andere Bereiche des Körpers ausbreitet oder erst spät erkannt wird. Die Betroffenen leiden dabei an einer starken Atemnot und auch an einem Husten.

Weiterhin kommt es zu einem Geschwür im Magen und damit nicht selten zu Bauchschmerzen und zu einem Gewichtsverlust. Auch eine Gelbsucht kann auftreten und dabei auf Beschwerden der Leber hindeuten. Die Lebensqualität des Patienten wird im Allgemeinen durch das Karzinoid deutlich verringert und eingeschränkt. Ebenso kann es zu einem sogenannten Darmverschluss oder zu einem verstärkten Herzschlag kommen.

Auch Schmerzen in der Brust können durch die Kurzatmigkeit auftreten und dabei den Alltag des Betroffenen erschweren. Die Behandlung erfolgt in der Regel durch eine Chemotherapie oder mittels Bestrahlung. Dabei können die meisten Tumore entfernt werden. Der weitere Krankheitsverlauf hängt allerdings von der Streuung der Krebserkrankung ab, sodass keine allgemeine Voraussage möglich ist. In den meisten Fällen ist die Lebenserwartung durch das Karzinoid allerdings deutlich verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Anzeichen wie Herzrasen, Beschwerden der Atmung oder Krämpfe weisen auf eine schwerwiegende gesundheitliche Problematik hin. Ein Arztbesuch ist notwendig, damit die Ursache der Unregelmäßigkeiten geklärt und behandelt werden kann. Bei Bauchschmerzen, Durchfall oder einem Verlust des Gewichts, ist ein Arzt aufzusuchen. Kommt es zu anhaltenden und nicht nachvollziehbaren Hustenanfällen, Schluckbeschwerden, einem Auswurf oder Atemnot, muss ein Arzt konsultiert werden. Ein Zittern des Körpers, eine blasse Haut oder eine Verfärbung des Hautbildes sollten medizinisch näher untersucht werden. Insbesondere bei einer Gelbfärbung der Haut besteht Anlass zur Besorgnis.

Da ohne eine Behandlung ein Organversagen sowie das frühzeitige Ableben des Betroffenen drohen, ist ein Arztbesuch bereits bei den ersten Hinweisen der Erkrankung anzuraten. Halten bestehende Beschwerden an oder nehmen sie an Intensität zu, sollte unverzüglich ein Kontrollbesuch bei einem Arzt stattfinden. Bei einer anfallsartigen nicht erklärbaren Rötung des Gesichts, des Halses sowie des Dekolletees ist einem Arzt von den Beobachtungen zu berichten. Der sogenannte Flush ist ein besonderes Symptom, das auf das Vorhandensein des Karzinoids hindeutet. In seltenen Fällen kommt es zu einem Verlust des Bewusstseins und damit zu einer Ohnmacht. Ein Notarzt muss kontaktiert werden, damit schnellstmöglich eine intensivmedizinische Behandlung eingeleitet werden kann.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung eines Karzinoides hängt von der Lage des Tumors, der Streuung, des allgemeinen Gesundheitszustandes und des Krankheitsstadiums ab.

Die einzige kurative Therapie bei einem Karzinoid ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem ein Karzinoid vollständig entfernt werden kann. Hat das Karzinoid Metastasen gebildet, werden Behandlungsformen, wie zum Beispiel radioaktiv markiertes Octreotid oder das Radiopharmakon 131I-MIBG (Meta-Iod-Benzyl Guanidin) zur Arretierung des Wachstums der Krebszellen sowie Embolisationstechniken eingesetzt.

Mittels Radiofrequenzablation werden Wärmebehandlungen erzeugt, die ein Karzinoid absterben lassen. Eine Chemotherapie ist bei einem streuenden Karzinoid von geringem Nutzen und wird in der Regel nicht veranlasst. Die Gabe von Octreotid oder Lanreotid (Somatostatin-Analoga) kann die sekretorische Aktivität von einem Karzinoid verringern und hat gleichermaßen einen wachstumshemmenden Effekt.

Alternative Therapien können dabei helfen, eine Krebsbehandlung zu bewältigen und Kontrolle über verursachten Stress zu erlangen sowie den Umgang mit der Diagnose Karzinoid zu bewältigen. Dazu gehören Massage, Meditation oder Entspannungstechniken wie Tai-Chi und Yoga.

Hilfreiche Videos für Ihre Gesundheit: MedLexi.de auf YouTube
Hier klicken

Aussicht & Prognose

Bei einem Karzinoid handelt es sich meist um einen gut-differenzierten neuroendokrinen Tumor. Da dieser nur langsam wächst, ist bei einer frühzeitigen Erkennung mit einer guten Prognose zu rechnen. Ferner hängt der Krankheitsverlauf eines Karzinoids maßgeblich von der Art und Lage des Tumors ab. Neuroendokrine Tumoren des Wurmfortsatzes bilden häufig keine Tochtergeschwülste aus. Aufgrund dessen haben sie günstigere Prognosen als andere Karzinoide des Magen-Darm-Trakts.

Voraussetzung ist jedoch eine adäquate Behandlung, die eine Entfernung des Wurmfortsatzes sowie eine medikamentöse Therapie mit einschließt. Bei erfolgreicher Behandlung dürfen Patienten mit einer Heilung rechnen. Im Allgemeinen wird die 5-Jahres-Überlebensrate in diesem Fall mit 75% angegeben. Unbehandelte oder spät erkannte Karzinoide können allerdings einen bösartigen Verlauf nehmen. Die maligne Erscheinungsform zeichnet sich dabei unter anderem durch das Bilden von Metastasen aus. Betroffene mit schlecht-differenzierten oder bösartigen Karzinoiden weisen überdies eine deutlich verminderte Lebenserwartung auf.

Um die Prognose des malignen neuroendokrinen Tumors zu verbessern, ist eine zeitnahe Entfernung des Primärtumors das Mittel der Wahl. Ferner kann die Lebenserwartung durch eine anschließende Chemotherapie weiter erhöht werden. Durch diese und zusätzliche Maßnahmen lässt sich das Voranschreiten der Erkrankung oftmals über mehrere Jahre aufhalten.

Vorbeugung

Eine gezielte Prophylaxe gegen ein Karzinoid kann derzeit noch nicht empfohlen werden. Mediziner verweisen daher auf eine gesunde Lebensweise mit viel frischem Obst und Gemüse sowie einem geringen Stresslevel. Ist ein Karzinoid diagnostiziert, sollte auf serotoninreiche Lebensmittel verzichtet werden.

Nachsorge

An die Therapie einer Krebserkrankung schließt sich regelmäßig die Nachsorge an. Durch diese soll das Wiederauftreten möglichst früh erkannt werden, woraus sich Ärzte bessere Behandlungsoptionen versprechen. Metastasen können sich etwa an benachbarten Organen bilden. Dieses Anliegen gilt auch für Karzinoide.

Nachuntersuchungen finden zumeist in der Klinik statt, in der die Ersttherapie aufgenommen wurde. Der Arzt vereinbart mit seinem Patienten einen Rhythmus zur Nachsorge. Diese verläuft im ersten Jahr engmaschig und weitet sich dann von Jahr zu Jahr. Vierteljährliche Kontrollen sind anfangs mindestens einzuhalten. Nach dem fünften Jahr reicht meist eine jährliche Nachsorge aus. Die Wahrscheinlichkeit eines Tumorwiederauftritts ist zu diesem Zeitpunkt immens gesunken.

Die Art der Nachsorge richtet sich bei einem Karzinoid nach der spezifischen Erkrankung. In Frage kommen Blut- und Urinuntersuchungen sowie bildgebende Verfahren. Zu den letzten zählen die Sonographie, die Endoskopie, das CT und das MRT. Weiterhin zielt die Nachsorge auch auf eine Unterstützung des Patienten. So werden soziale, psychische und körperliche Beschwerden, die sich aus der Erkrankung ergeben, in einer Therapie behandelt. Rehabilitationseinrichtungen versprechen auf Grund ihrer professionellen Ausrichtung eine vergleichsweise schnelle Rückkehr in den Alltag.

Das können Sie selbst tun

Je nachdem wo der Tumor lokalisiert ist und wie der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten ist, können zur Behandlung verschiedene Maßnahmen ergriffen werden.

Zunächst sollten sich Tumor-Patienten schonen und Stress nach Möglichkeit vermeiden. Die Chemo- oder Strahlentherapie kann unter Umständen durch eine Umstellung der Ernährung unterstützt werden. Welche diätetischen Maßnahmen sinnvoll und notwendig sind, hängt ganz von dem Krankheitsstadium ab. Der Erkrankte sollte gemeinsam mit dem Arzt einen individuellen Ernährungsplan ausarbeiten. Nach der initialen Behandlung empfiehlt sich moderate Bewegung. Durch Sport wird das Immunsystem gestärkt und das Wohlbefinden verbessert. Begleitend dazu kann auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe sinnvoll sein. Nicht nur die Erkrankten selbst, auch die Angehörigen benötigen oft seelischen Beistand. Dieser kann auch durch einen Therapeuten geleistet werden.

Gegen den Stress, den eine Krebsbehandlung mit sich bringt, helfen alternative Therapie. Dazu zählen zum Beispiel Massagen, Meditation, Entspannungstechniken wie Yoga sowie Akupunktur. Um den Umgang mit der Diagnose Karzinoid zu erleichtern, kann es auch helfen, möglichst viele Informationen über die Erkrankung in Erfahrung zu bringen. Der Arzt kann dem Patienten weitere Möglichkeiten nennen, um die Erkrankung und die Beschwerden, die damit verbunden sind, zu überstehen.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Pfeifer, B., Preiß, J., Unger, C. (Hrsg.): Onkologie integrativ. Urban & Fischer, München 2006
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014

Das könnte Sie auch interessieren