Pitt-Hopkins-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Pitt-Hopkins-Syndrom wird eine äußerst seltene genetische Erkrankung bezeichnet, die nicht heilbar ist. Der Gendefekt hat unter anderem motorische und geistige Behinderungen zur Folge.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Pitt-Hopkins-Syndrom?

Leidet ein Mensch unter dem Pitt-Hopkins-Syndrom, liegt die Gefahr, die Erbkrankheit an Nachkommen weiterzugeben, bei rund 50 Prozent.
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Beim Pitt-Hopkins-Syndrom (PHS) handelt es sich um eine genetische Erkrankung, die mit geistiger Behinderung, einer unzureichenden oder komplett fehlenden Lautsprache, Epilepsie und Atemregulationsstörungen einhergeht. Darüber hinaus kommt es zu typischen Gesichtsauffälligkeiten.

Die Erkrankung zeigt sich nur sehr selten. So sind auf der ganzen Welt bislang lediglich 150 Fälle bekannt, die beim männlichen und weiblichen Geschlecht gleichermaßen vorkommen. Mediziner vermuten jedoch eine höhere Dunkelziffer, weil sich die Erkrankung erst seit wenigen Jahren sicher diagnostizieren lässt. Die Bezeichnung Pitt-Hopkins-Syndrom geht auf die beiden australischen Mediziner D. Pitt und I. Hopkins zurück, die die Erkrankung zum ersten Mal im Jahr 1978 beschrieben.

Die Entdeckung des ursächlichen Gens fand erst 2007 statt. Dabei stellten zwei Forschungsgruppen in Erlangen und Paris zur selben Zeit Mutationen im TCF4-Gen fest. Dadurch ist mittlerweile eine klare Diagnose des Pitt-Hopkins-Syndroms möglich. Schätzungen zufolge zeigt sich die Erbkrankheit bei einer von 34.000 bis 41.000 Geburten.

Ursachen

Das Pitt-Hopkins-Syndrom wird autosomal-dominant vererbt. Ursächlich für die Erbkrankheit sind heterozygote Neumutationen innerhalb des TCF4-Gens. Dieses codiert für einen ubiquitären b-HLH-Transkriptionsfaktor. Das TCF4-Gen befindet sich auf Chromosom 18. Das Gen mutiert entweder auf einem der Exonen 1 bis 20 oder wird komplett gestrichen.

Leidet ein Mensch unter dem Pitt-Hopkins-Syndrom, liegt die Gefahr, die Erbkrankheit an Nachkommen weiterzugeben, bei rund 50 Prozent. Normalerweise haben die meisten Patienten jedoch keine Kinder. In den meisten Fällen tritt die Erkrankung auf, obwohl beide Eltern gesund sind und keinerlei Mutationen im TCF4-Gen aufweisen. Das PHS-Wiederholungsrisiko wird bei weiteren Schwangerschaften mit einem Prozent als sehr gering eingestuft.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Pitt-Hopkins-Syndrom weist eine Vielzahl an unterschiedlichen Symptomen auf. Diese zeigen sich jedoch nie vollständig bei einem Patienten. Bei den meisten Betroffenen prägen sich die charakteristischen Merkmale des Syndroms erst im Laufe der Zeit aus, sodass sie schließlich deutlich erkennbar werden.

Unmittelbar nach der Geburt sowie in den ersten Lebensmonaten treten in der Regel keine prägnanten Beschwerden auf. Im weiteren Verlauf bemerken die Eltern eine unnormal langsame Entwicklung ihres Kindes. Zum Beispiel greift es nur selten nach Spielzeug, dreht sich nicht von selbst oder schielt. Außerdem kann es zu einer mittelschweren bis schweren geistigen Retardierung, einer postnatalen Wachstumsretardierung, beschränkten Gehfähigkeiten, Störungen der Bewegungskoordination und Muskelhypotonie kommen.

Auch Hyperventilationsanfälle, Schlafstörungen, schwere Verstopfung, Skoliose und Genitalanomalien sind bei diesem Krankheitsbild verzeichnet worden. Darüber hinaus ist die Sprachentwicklung schlecht oder bleibt sogar vollständig aus. Als typisch für das Pitt-Hopkins-Syndrom gelten zudem sichtbare faziale Anomalien wie dicke herzförmige Lippen, ein breiter, flacher Gaumen mit einem großen Mund, eine Makrostomie mit großen Abständen zwischen den Zähnen sowie hervorstehende Zähne.

Darüber gelten erweiterte Nasenlöcher, tiefliegende Augen, die Ausprägung einer Rinne zwischen Lippe und Nase, das Ausbleiben einer Flexion von Daumen oder Fingern sowie schmale Hände, die über breite Fingerspitzen verfügen als äußere Erkennungsmerkmale. Grundsätzlich haben die meisten PHS-Patienten jedoch eine fröhliche Grundstimmung, sodass sie häufig lachen. Außerdem brauchen sie viel Liebe und körperlichen Kontakt.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose des Pitt-Hopkins-Syndroms erfolgt zumeist durch eine klinische Untersuchung. Als wichtige Untersuchungsmethode gilt zudem die Elektroenzephalographie (EEG), durch die sich Veränderungen erkennen lassen. Des Weiteren können bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) zur Anwendung gelangen.

Diese können auf Veränderungen an den Temporallappen sowie eine Veränderung des Hippocampus hinweisen. In manchen Fällen ist auch der Nachweis von erweiterten Ventrikeln oder einem hypoplastischen Corpus callosum (Gehirnbalken) möglich.

Ist die Genmutation bereits bekannt, lässt sich eine Pränataldiagnostik vornehmen. Das bedeutet, dass sich die Erberkrankung schon vor der Geburt feststellen lässt. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Differentialdiagnose, da die Symptome einiger Erkrankungen denen des Pitt-Hopkins-Syndroms ähneln. Dazu gehören das Goldberg-Syndrom, das Angelman-Syndrom, das Mowat-Wilson-Syndrom sowie das Rett-Syndrom.

Weil das Pitt-Hopkins-Syndrom einen Gendefekt darstellt, ist es nicht heilbar. In den meisten Fällen ist mit dauerhaften geistigen Behinderungen zu rechnen. Außerdem sind die meisten PHS-Patienten nicht in der Lage zu sprechen. Die Lebenserwartung der Betroffenen richtet sich nach dem Ausmaß von gesundheitlichen Problemen und Fehlbildungen. In der Regel benötigen sie ihr Leben lang Unterstützung durch andere Personen.

Komplikationen

Durch das Pitt-Hopkins-Syndrom leiden die meisten Betroffenen in der Regel an verschiedenen motorischen und geistigen Einschränkungen und Behinderungen. Die Patienten sind damit in ihrem Leben in der Regel auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und können den Alltag nicht mehr alleine ohne Weiteres bewältigen. Die Betroffenen leiden dabei an Schielen und an einer erhöhten Retardierung.

Auch Sprachfehler und Beschwerden der Koordination können durch das Pitt-Hopkins-Syndrom auftreten und dabei die Lebensqualität des Patienten deutlich verringern. Ebenso kommt es dabei zu Verstopfung und zu Schlafstörungen. Die gesamte Entwicklung des Kindes wird durch das Pitt-Hopkins-Syndrom deutlich negativ beeinflusst, sodass es auch im Erwachsenenalter zu Komplikationen kommt.

Vor allem bei Kindern kann es durch die Symptome des Pitt-Hopkins-Syndroms zu Hänseleien oder zu Mobbing kommen. Eine kausale Behandlung des Pitt-Hopkins-Syndroms ist nicht möglich, sodass die Betroffenen auf verschiedene Therapien angewiesen sind, die den Alltag erleichtern können. Mitunter benötigen auch die Angehörigen und Eltern eine psychologische Behandlung. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch diese Krankheit in der Regel nicht beeinflusst. Weiterhin sollten die Eltern eine genetische Beratung in Erwägung ziehen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es sich beim Pitt-Hopkins-Syndrom um eine angeborene Erkrankung handelt, bei welcher keine Selbstheilung eintritt, muss das Syndrom in jedem Fall durch einen Arzt behandelt werden. Eine vollständige Heilung ist allerdings nicht möglich, sodass der Betroffene sein ganzes Leben lang auf ärztliche Behandlungen angewiesen ist.

Ein Arzt ist beim Pitt-Hopkins-Syndrom dann aufzusuchen, wenn das Kind eine deutlich verlangsamte Entwicklung aufzeigt. Ebenfalls kann es zu Schielen kommen, wobei viele Kinder auch Störungen der Koordination aufweisen. Auch bei Deformationen oder Anomalien im Gesicht sollte immer ein Arzt aufgesucht werden. Je früher diese erkannt und behandelt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit auf einen positiven Krankheitsverlauf.

Ebenfalls können Anomalien an den Händen und Füßen des Kindes auf das Pitt-Hopkins-Syndrom hindeuten und müssen durch einen Arzt untersucht werden. Die Diagnose des Syndroms selbst kann durch einen Kinderarzt oder durch einen Allgemeinarzt durchgeführt werden. Bei der weiteren Behandlung ist jedoch ein Facharzt notwendig, wobei sich die Behandlung nach der genauen Ausprägung des Syndroms richtet. Ob es durch die Krankheit zu einer verringerten Lebenserwartung des Patienten kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden. Da das Syndrom häufig auch zu psychischen Beschwerden bei den Eltern und den Angehörigen führt, kann auch ein Psychologe aufgesucht werden.

Behandlung & Therapie

Da sich das Pitt-Hopkins-Syndrom nicht heilen lässt, beschränkt sich die Therapie auf die Behandlung der Symptome, was wiederum individuell von den jeweiligen Beschwerden abhängt. In jedem Fall ist es wichtig, so früh wie möglich mit der Behandlung der Erbkrankheit zu beginnen.

Als geeignete Therapieformen kommen in erster Linie physiotherapeutische Maßnahmen, eine Logopädie, eine Ergotherapie, eine Reittherapie (Hippotherapie) oder eine Musiktherapie in Betracht. Im Falle von Schielen ist eine Okklusionstherapie wichtig, bei der ein Auge mit einem speziellen Augenpflaster abgeklebt wird, um der Sehstörung entgegenzuwirken.

Als sinnvoll gilt zudem eine medikamentöse Behandlung mit dem Carboanhydrasehemmer Acetazolamid, der zum Absenken von Blutdruck und Hirndruck dient. Einigen Patienten werden außerdem Arzneimittel gegen Schlafstörungen, Verstopfung und Epilepsie verabreicht. Ein großes Problem des Pitt-Hopkins-Syndroms ist ein Mangel oder das Fehlen der Lautsprache. Aus diesem Grund sollten die betroffenen Kinder lernen, durch Gebärdensprache zu kommunizieren. Für die Eltern gilt eine genetische Beratung als empfehlenswert.


Aussicht & Prognose

Die Aussichten auf Heilung oder Besserung für das erbliche Pitt-Hopkins-Syndrom sind nicht besonders gut. Das genetisch verursachte Syndrom tritt nur sehr selten auf. Mehr als 400 Fälle sind weltweit nicht dokumentiert.

Das Pitt-Hopkins-Syndrom zieht eine ganze Reihe schwerer bis mittelschwerer Funktionsstörungen, und geistiger Beeinträchtigungen nach sich. Unter anderem entwickeln sich Kleinwuchs oder Epilepsien. Die Kinder können nicht sprechen. Problematisch ist für die Eltern solcher Kinder, dass die korrekte Diagnose meist erst nach mehreren Jahren erfolgt. Wichtig ist dann die Abgrenzung des Pitt-Hopkins-Syndroms zu anderen Syndromen mit ähnlichen Symptomatiken.

Angesichts der Vielzahl an Fehlentwicklungen und Folgeerscheinungen kann von der Medizin nur symptomatisch eingegriffen werden. Die Betroffenen sind oft im Krankenhaus zu finden, weil sie schwerwiegende Atemprobleme haben können. Die fächerübergreifende Behandlung der Betroffenen ist Standard. Die Prognose auf positive Entwicklungen für die Betroffenen ist angesichts der Vielzahl an Störungen nicht besonders gut. Auch operative Maßnahmen können am Grad der Behinderung nichts ändern. Die Betroffenen benötigen dauerhaft Pflege.

Für die Eltern solcher Kinder ist diese Prognose ein relevanter Faktor. Zwar sind die Chancen, ein weiteres Kind mit dieser Behinderung zu bekommen, eher klein. Sie sind jedoch gegeben. Daher empfiehlt sich bei einer weiteren Schwangerschaft eine Fruchtwasseruntersuchung. Gegebenenfalls muss ein Schwangerschaftsabbruch empfohlen werden.

Vorbeugung

Maßnahmen zur Vorbeugung des Pitt-Hopkins-Syndroms gibt es nicht. So handelt es sich um eine bereits angeborene Erbkrankheit.

Nachsorge

Beim Pitt-Hopkins-Syndrom sind die Maßnahmen einer Nachsorge in den meisten Fällen deutlich eingeschränkt. Es handelt sich um eine genetisch bedingte Krankheit, die nicht vollständig geheilt werden kann, daher steht im Vordergrund bei dieser Krankheit die frühzeitige Erkennung und Behandlung, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden kommt.

Je früher das Syndrom von einem Arzt erkannt und behandelt wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf. Bei einem Kinderwunsch sollte eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, damit das erneute Auftreten des Pitt-Hopkins-Syndroms verhindert werden kann. Die betroffenen Kinder sind in ihrem Leben auf regelmäßige Kontrollen durch verschiedene Ärzte angewiesen.

Dabei ist auch die Pflege und die Unterstützung durch die eigene Familie sehr wichtig, da dadurch vor allem die Entstehung von Depressionen oder anderen psychischen Verstimmungen verhindert werden kann. Auch in der Schule ist eine intensive Förderung der betroffenen Kinder sehr wichtig.

Einige Beschwerden des Pitt-Hopkins-Syndroms werden mit Hilfe von Medikamenten behandelt. Dabei ist immer auf eine richtige Dosierung und auch auf die regelmäßige Einnahme der Arzneimittel zu achten. Eventuell verringert das Pitt-Hopkins-Syndrom die Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Menschen, die am Pitt-Hopkins-Syndrom leiden, sind meist nicht ohne Hilfe lebensfähig. Die Angehörigen müssen dem Erkrankten die notwendige Unterstützung geben und auf gesundheitliche Beschwerden achten. Neben regelmäßigen Arztbesuchen gehören auch therapeutische Maßnahmen wie Atemübungen und regelmäßige Gespräche zur Selbsthilfe.

Das mangelnde Sprachvermögen kann durch gezieltes Sprachtraining kompensiert werden. Bei äußerlichen Fehlbildungen ist unter Umständen auch eine Gesprächstherapie vonnöten. Nach einer Operation gilt Bettruhe. Der Arzt kann geeignete Haus- und Naturheilmittel gegen die Schmerzen empfehlen und bei Bedarf einen Alternativmediziner hinzuziehen. Bei einem akuten Atemnotfall muss der Notarzt alarmiert werden. Bis ärztliche Hilfe eintrifft, sollte man dem Erkrankten Erste Hilfe leisten und sicherstellen, dass dieser ruhig bleibt.

Das Pitt-Hopkins-Syndrom kann durch eine umfassende Betreuung gut behandelt werden. Die Patienten sollten zu Hause durch einen ambulanten Pflegedienst betreut werden und müssen im späteren Leben einen Sonderkindergarten und eine besondere Schule besuchen. Der damit verbundene Stress belastet den Erkrankten ebenso wie die Eltern, die mit dem Arzt über ihre Ängste und Probleme sprechen sollten. Eine begleitende Therapie kann das Wohlbefinden verbessern und den Betroffenen eine neue Lebensperspektive eröffnen.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Wassermann, K., Rohde, A.: Pränataldiagnostik und psychosoziale Beratung. Schattauer, Stuttgart 2009

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