Muskelhypotonie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter Muskelhypotonie versteht der Mediziner eine zu geringe Muskelspannung bei gleichzeitiger Schwäche der Muskulatur, die sich bereits im Kindesalter bemerkbar macht. Sie tritt stets als Symptom einer Grunderkrankung auf und wird mit physiotherapeutischen Maßnahmen behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Muskelhypotonie?

Ein Muskelhypotonie äußert sich zunächst durch Gleichgewichtsstörungen, Muskelverhärtungen und Lähmungserscheinungen. Langfristig kommt es zu Entwicklungsverzögerungen des Bewegungsapparates, woraus Fehlstellungen und Muskelschmerzen resultieren können.
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Der Begriff Muskelhypotonie setzt sich zusammen aus Muskeln und dem lateinischen Wort "hypoton", was so viel bedeutet wie "verminderte Kraft oder Spannung" und ist in sich schon eine sehr genaue Beschreibung der Symptome.

Betroffene leiden unter einer stark verminderten Kraft insbesondere der quergestreiften Muskulatur. Zu dieser Muskelgruppe gehören Herz- und Skelettmuskeln, also vor allem die Muskeln des Körpers, die für willkürliche, aktiv gesteuerte Bewegungen zuständig sind.

Eine Muskelhypotonie wird auffällig, weil die Betroffenen sich sehr wenig bewegen und sich bei gemachten Bewegungen weit über das normale Maß hinaus anstrengen müssen. Im Kindesalter fällt Eltern beispielsweise die anormale Anstrengung des Kindes beim Stillen auf.

Ursachen

Die Ursachen der Muskelhypotonie sind vielseitig, da sie stets als Symptom anderer Grunderkrankungen, aber nie als eigenständige Erkrankung, auftritt.

Im Regelfall sind bereits Kleinkinder betroffen, man spricht dann von einer infantilen Muskelhypotonie. Zu den häufigsten Grunderkrankungen gehören Stoffwechselstörungen, die angeborene neuromuskuläre Erkrankung Nemalin-Myopathie und neurologische Erkrankungen, eine Alkoholembryopathie und verschiedene andere angeborene Erkrankungen. Im Folgenden sollen die wichtigsten kurz vorgestellt werden.

Die Alkoholembryopathie ist eine Störung, die durch erheblichen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft, in der Regel bei Kindern alkoholabhängiger Mütter, auftritt. Die Symptome sind verringertes Wachstum, geistige Behinderung, Verhaltensauffälligkeiten und die Muskelhypotonie. Auch bei den angeborener Trisomie 13 (Pätau-Syndrom), Edwards-Syndrom und dem Down-Syndrom, gehört die Muskelhypotonie zum Beschwerdebild.

In seltenen Fällen erfolgt die Erstmanifestation der Muskelhypotonie erst im fortgeschrittenen Lebensalter, als Auslöser können dann Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson oder traumatisch erworbene Schädigungen des Zentralnervensystems ausgemacht werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein Muskelhypotonie äußert sich zunächst durch Gleichgewichtsstörungen, Muskelverhärtungen und Lähmungserscheinungen. Langfristig kommt es zu Entwicklungsverzögerungen des Bewegungsapparates, woraus Fehlstellungen und Muskelschmerzen resultieren können. Die Muskelschwäche wirkt sich auch auf Atemwege und Lunge aus.

Mögliche Symptome sind Sprach- und Schluckstörungen sowie Atemnot. Bei einigen Patienten verändert sich die Stimmfarbe oder es tritt ein vollständiger Stimmverlust auf. Wenn die Muskelhypotonie weiter voranschreitet, stellt sich ein Erschöpfungssyndrom ein. Das Kind klagt dann nach körperlicher Anstrengung über Schmerzen und Müdigkeit, oft begleitet von einer zunehmenden Lustlosigkeit.

Die verringerte Aktivität ist meist mit Appetitlosigkeit und seelischen Verstimmungen verbunden. Wird die Ursache der Muskelhypotonie nicht behandelt, schreiten die Beschwerden weiter voran. Dies führt rasch zu einer Abnahme der Lebensqualität und des Wohlbefindens. Zudem stellen sich als Folge der Schwäche Fehlhaltungen ein, welche mit weiteren gesundheitlichen Risiken verbunden sind.

Mögliche Folgen einer andauernden Fehlhaltung sind Gelenkverschleiß, Muskelschmerzen und Verspannungen. Die Muskelschwäche kann außerdem Durchblutungsstörungen und Sensibilitätsstörungen begünstigen. Auch die Gefäße werden durch die verringerte Muskelaktivität belastet. Bei einer frühzeitigen Diagnose klingen die Symptome der Hypotonie schnell wieder ab. Der Großteil der Patienten ist spätestens ein bis zwei Monate nach Behandlung der Ursache beschwerdefrei.

Diagnose & Verlauf

Einen Verdacht auf Muskelstörungen erheben bei Kleinkindern zumeist die Eltern. Eine Muskelhypotonie fällt durch im Vergleich mit der Altersgruppe sehr geringe Bewegung, große Anstrengung beispielsweise beim Stillen und verringerte Fähigkeiten zur Kopfhebung auf.

Der Besuch eines Kinderarztes ist in diesem Fall dringend anzuraten. Dieser wird sich in einer ausführlichen Anamnese über die von den Eltern beobachteten Symptome und mögliche Risikofaktoren informieren, ehe er das Kind eingehend körperlich untersucht.

Die Diagnose erfolgt altersabhängig verschieden, relevant sind die Körperhaltung des Patienten beim Stehen und Gehen, Liegen und Sitzen, seine Bewegungsfähigkeiten und die motorische Ausdauer. Letztlich muss auch diagnostiziert werden, welcher Muskelgruppen am stärksten betroffen sind.

Die Prognose der Muskelhypotonie richtet sich nach der vorliegenden Grunderkrankung, es lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen.

Komplikationen

In der Regel handelt es sich bei der Muskelhypotonie selbst schon um eine Komplikation. Aus diesem Grund wird vor allem die Grunderkrankung behandelt, die zu Muskelhypotonie führt. Die Beschwerde selbst kann dabei den Alltag des Betroffenen deutlich einschränken und zu Beschwerden bei der Bewegung und bei verschiedenen Tätigkeiten führen. Ebenso ist die Entwicklung des Kindes durch die Krankheit deutlich eingeschränkt.

Die Patienten leiden dabei an einer starken Muskelschwäche und damit auch an einer deutlich verringerten Belastbarkeit. Auch die Körperhaltung des Patienten ist nicht gerade und kann sich damit negativ auf das Erwachsenenalter auswirken und gegebenenfalls zu irreversiblen Folgeschäden führen. Die Muskeln wirken sehr schwach, sodass auch die Ausübung verschiedener Sportarten für den Betroffenen in der Regel nicht mehr möglich ist.

Die Behandlung selbst erfolgt in Form der Behandlung der Grunderkrankung. Ob es dabei eventuell zu Komplikationen kommt, kann in der Regel nicht universell vorausgesagt werden. Mit Hilfe verschiedener Therapien können die meisten Beschwerden gelindert und eingeschränkt werden, sodass es nicht zu Folgeschäden im Erwachsenenalter kommt. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Muskelhypotonie in der Regel nicht eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Störungen der Muskulatur gelten als ungewöhnlich. Halten sie an oder nehmen die Beschwerden an Intensität zu, wird ein Arzt benötigt. Vermindert sich die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit, sollte ärztlicher Rat gesucht werden. Bei Schmerzen der Muskulatur, Lähmungen oder Einschränkungen der natürlichen Bewegungsmöglichkeiten sollte ein Arzt konsultiert werden. Kommt es zu einer Entwicklungsverzögerung bei Kindern, Störungen des Schluckaktes oder Problemen bei der Lautbildung, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Eine Apathie, Teilnahmslosigkeit oder ein vermindertes Wohlbefinden sind Anzeichen einer bestehenden Unregelmäßigkeit.

Die Abklärung durch einen Arzt ist notwendig, sobald die Beschwerden über mehrere Wochen anhalten oder zunehmende Tendenz zeigen. Nimmt der Betroffene nicht mehr an gewohnten sozialen Aktivitäten teil, kommt es zu Stimmungsschwankungen oder anderen Verhaltensauffälligkeiten, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Bei einer Appetitlosigkeit, einer ungewollten Abnahme des Körpergewichts oder einem erhöhten Schlafbedarf liegt eine Beeinträchtigung des Organismus vor.

Stellen sich Schlafstörungen ein, gibt es Auffälligkeiten der Stimmgebung oder kommt es zu Veränderungen des Skelettsystems, wird ein Arzt benötigt. Bei einer dauerhaften Fehlhaltung oder einer schiefen Körperhaltung während der Fortbewegung muss eine rechtzeitige Korrektur erfolgen, damit es zu keinen lebenslangen Störungen kommt. Kann der Betroffene aufgrund der Beeinträchtigungen nicht mehr an gewohnten sportlichen Aktivitäten teilnehmen, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der Muskelhypotonie erfolgt in zwei Wegen: Einerseits muss die Grunderkrankung möglichst gut behandelt werden, andererseits wird mit physiotherapeutischen Maßnahmen versucht, die Beweglichkeit zu erweitern.

Die Grunderkrankungen sind je nach Ausprägung und genauem Syndrom unterschiedlich behandelbar: Während es weder für das Edwards-Syndrom noch für das Pätau-Syndrom eine wirksame Therapie gibt und Kinder mit diesen Trisomien eine grundsätzlich geringe Lebenserwartung haben, stehen die Chancen für Betroffene des Down-Syndroms besser.

Betroffene haben bei guter Frühförderung mit heilpädagogischen, ergotherapeutischen, krankengymnastischen und psychomotorischen Verfahren Aussichten auf ein fast normales Bewegungsverhalten. Auch die durch Alkoholembryopathie ausgelöste Muskelhypotonie ist so gut behandelbar, dass betroffene Kinder ein fast normales Bewegungsverhalten erreichen können.

Physiotherapeutische Maßnahmen zielen auf eine verbesserte Haltungskontrolle, bewusste feinmotorische Bewegungen und eine dosierte Kraftaufwendung ab. Die zu erlernenden Übungen und die Dauer der Behandlung richten sich individuell nach den betroffenen Muskelgruppen und der Stärke der Symptome.

Die Übungen können auf Geräten, beispielsweise in einer Rolltonne oder auf dem sogenannten Pferd, und ohne Hilfsmittel erfolgen und müssen täglich durchgeführt werden.

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Aussicht & Prognose

Patienten haben bei rechtzeitiger Frühförderung und ergotherapeutischen sowie krankengymnastischen Therapien gute Aussichten auf ein Leben mit fast normalem Bewegungsverhalten. Die Therapiemaßnahmen zielen dabei auf verbesserte Haltungskontrolle, sowie bewusstere feinmotorische Bewegungen mit dosierter Kraftaufwendung ab. Das Erlernen der Übungen sowie die Dauer der Therapie richten sich dabei individuell nach betroffenen Muskelpartien und den auftretenden Symptomen. Diese Übungen können auf speziellen Geräten und auch ohne jegliche Hilfsmittel erfolgen. Die Übungen sollten Betroffene täglich durchführen. Die Krankheit kann dabei den Alltag der Patienten erheblich einschränken.

Die Muskelhypotonie führt bei Betroffenen vor allem zu Beschwerden beim Bewegen sowie beim ausführen verschiedener Tätigkeiten. Auch ist die Entwicklung von erkrankten Kindern durch die Muskelhypotonie sehr deutlich eingeschränkt. Die Betroffenen leiden an einer sehr starken Muskelschwäche und somit auch an einer stark verringerten Belastbarkeit. Auch ist die Körperhaltung der Betroffenen nicht gerade und wirkt sich damit negativ auf die spätere Entwicklung aus. Die falsche Körperhaltung kann sogar zu unheilbaren Folgeschäden führen.

Allgemein sind die Muskeln sehr schwach, sodass die Ausübung unterschiedlicher Sportarten für die Betroffenen meist nicht mehr möglich ist. Mit Hilfe der verschiedenen Behandlungsmethoden können aber die meisten Beschwerden gelindert werden, sodass es nicht zu späteren Folgeschäden im kommt. Die Lebenserwartung ist im Regelfall nicht eingeschränkt.

Vorbeugung

Da die Ursachen der Muskelhypotonie vielfältig sind und nicht alle Grunderkrankungen beeinflussbar sind, gibt es keine Präventionsmöglichkeiten. Empfehlenswert ist es, in der Schwangerschaft auf eine gesunde, dem Kind nicht schadende, Ernährung zu achten.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei einer Muskelhypotonie in der Regel nur sehr wenige und oft nur eingeschränkte Maßnahmen der direkten Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene sollte aus diesem Grund schon möglichst früh einen Arzt kontaktieren, damit es nicht zu anderen Beschwerden oder Komplikationen kommt. Je früher dabei ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf dieser Erkrankung.

Eine frühe Diagnose wirkt sich in der Regel positiv auf den weiteren Verlauf der Muskelhypotonie aus. Die Betroffenen selbst sind in der Regel auf die Maßnahmen einer Physiotherapie und einer Krankengymnastik angewiesen. Dabei können auch viele der Übungen im eigenen Zuhause durchgeführt werden, um die Heilung zu beschleunigen. Ebenso sollten Eltern bei ihren Kindern auf eine richtige Körperhaltung achten, um die Beschwerden zu lindern.

Häufig sind die Betroffenen der Muskelhypotonie auch auf die Hilfe und die Unterstützung der eigenen Familie im Alltag angewiesen. Dadurch können auch Depressionen und andere psychische Verstimmungen verhindert werden. Der Kontakt zu anderen Patienten der Erkrankung kann sehr sinnvoll sein, da es dabei nicht selten zu einem Austausch an Informationen kommt. Die Krankheit verringert meist nicht die Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Eine Muskelhypotonie bedarf einer umfassenden ärztlichen Behandlung und Überwachung. Die wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme besteht darin, die medikamentöse und physiotherapeutische Therapie regelmäßig an den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten anzupassen. Auf diese Weise kann der Behandlungsfortschritt optimiert und langfristig auch die Lebensqualität und das Wohlbefinden des Betroffenen verbessert werden.

Eine gute Frühförderungen mit krankengymnastischen und psychomotorischen Verfahren sowie ergotherapeutischen Maßnahmen vorausgesetzt, besteht die Aussicht auf eine Normalisierung des Bewegungsverhaltens. Der Patient muss hierfür allerdings täglich Übungen zur Stärkung der Muskeln durchführen. Begleitend dazu ist eine Umstellung bzw. Anpassung der Lebensgewohnheiten angezeigt. Sportliche Betätigung und eine gesunde und ausgewogene Diät stellen wichtige Grundpfeiler der Behandlung einer Muskelhypotonie dar.

Ergänzend dazu wird der Arzt dem Patienten eine therapeutische Beratung empfehlen. Im Gespräch mit einem Fachmann können die vielfältigen Probleme, die mit einer Muskelhypotonie einhergehen, besprochen werden. Der Therapeut kann auf Wunsch auch den Kontakt zu anderen Betroffenen herstellen oder den Patienten an eine Selbsthilfegruppe verweisen. Die regelmäßige Einnahme der verordneten Medikamente ist ebenso wichtig. Eine optimal eingestellte Medikation reduziert die typischen Schmerzen und verhindert dadurch auch etwaige Folgeerkrankungen wie einen vorzeitigen Gelenkverschleiß oder Fehlhaltungen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011

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