Herpes-simplex-Enzephalitis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Herpes-simplex-Enzephalitis (kurz auch HSV-Enzephalitis) ist eine Entzündung des Gehirns, die von Herpes-simplex-Viren ausgelöst wird. Nach einer Phase mit unspezifischen grippeähnlichen Beschwerden zeigt der Patient im Verlauf der Erkrankung charakteristische neurologische und neuropsychologische Symptome. Bei frühzeitiger Behandlung ist die Prognose gut.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Herpes-simplex-Enzephalitis?

Eine Herpes-simplex-Enzephalitis verläuft schnell und in mehreren Stadien. Zunächst zeigt der Patient über einige Tage hinweg unspezifische grippeähnliche Symptome wie starke Kopfschmerzen und hohes Fieber.
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Bei einer Herpes-simplex-Enzephalitis handelt es sich um eine Gehirnentzündung (Enzephalitis), die durch eine Infektion mit Herpes-simplex-Viren entsteht. Meist handelt es sich um das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (oraler Stamm), sehr selten um Herpes simplex Typ 2 (genitaler Stamm). Die Erkrankung betrifft Frauen gleichermaßen wie Männer.

Sie tritt am häufigsten zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr und weltweit auf. Die Viren sind meist schon seit der Kindheit latent im Körper vorhanden. Bei einer Herpes-simplex-Enzephalitis gelangen sie über Nervenstränge ins Gehirn. Dort führen sie zu Einblutungen, Nekrosen (Absterben von Gewebe) und Schwellungen.

Die Folge sind charakteristische neurologische und neuropsychologische Symptome, die vom jeweiligen Infektionsherd ausgehen (sogenannte „Herdsymptome“). Bei frühzeitiger Behandlung ist die Prognose gut. Betrifft die Entzündung auch die Hirnhäute (Meningen), sprechen die Ärzte von einer Herpes-simplex-Meningoenzephalitis.

Ursachen

Der Herpes-simplex-Enzephalitis liegt eine Infektion mit Herpes-simplex-Viren (meist Typ 1) zugrunde. Die Erstinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 findet meist bereits in der Kindheit statt. Der Erreger verbleibt über lange Zeit unbemerkt im Körper. Er kann aber jederzeit wieder aktiv werden und den für ihn typischen Bläschenausschlag um die Lippen herum auslösen.

Bei schwacher Immunabwehr können die Viren durch die Nase über die Riechschleimhaut und die Riechnerven ins zentrale Nervensystem wandern. Von dort gelangen sie in den Frontallappen und den Temporallappen des Gehirns. Dies geschieht meist erst auf der einen, im weiteren Verlauf auch auf der anderen Seite.

In den betroffenen Hirnregionen kommt es zu Einblutungen und Nekrosen sowie zu einer Schwellung um den betroffenen Hirnbereich herum (Hirnödem). Dies führt zu den charakteristischen neurologischen und neuropsychologischen Symptomen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Herpes-simplex-Enzephalitis verläuft schnell und in mehreren Stadien. Zunächst zeigt der Patient über einige Tage hinweg unspezifische grippeähnliche Symptome wie starke Kopfschmerzen und hohes Fieber.

Nach einer vorübergehenden Besserung zeigt der Betroffene psychomotorische und psychische Veränderungen. Es können Verhaltensänderungen, Verwirrtheit, Desorientiertheit und Wahrnehmungsstörungen auftreten. Häufig kann der Patient nach einiger Zeit nicht mehr sprechen (Aphasie).

Möglicherweise entwickelt sich eine leichte halbseitige Lähmung. In über der Hälfte der Fälle kommt es zu epileptischen Anfällen. Diese beschränken sich zunächst auf ein Hirnareal (fokale Anfälle), können sich dann jedoch auf beide Hirnhälften ausbreiten (generalisierte Anfälle).

Hinzu kommen können eine schmerzhafte Nackensteifigkeit und Bewusstseinseintrübung. Ohne Behandlung kann es zum Koma kommen. Steigt der Hirndruck zu stark an, kann der Patient daran sterben.

Diagnose & Verlauf

Teil der Basisdiagnostik ist eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor), das im Rahmen einer Lumbalpunktion gewonnen wird. Das Nervenwasser wird auf bestimmte Werte hin untersucht, die bei Abweichung auf eine Herpes-simplex-Enzephalitis hinweisen können. Gegebenenfalls wird es außerdem auf die Erbsubstanz des Virus hin untersucht. Bis das Ergebnis vorliegt, vergehen allerdings meist einige Tage.

Nach etwa einer Woche produziert der Körper Antikörper gegen den Herpes-simplex-Virus Typ 1. Diese können daraufhin im Blut und ebenfalls im Nervenwasser nachgewiesen werden. Zusätzlich zur Nervenwasseruntersuchung wird ein CT (Computertomografie) oder ein MRT (Magnetresonanztomografie) des Schädels durchgeführt. Im MRT sind Nekrosen und Schwellungen zu erkennen.

Ein CT ist innerhalb der ersten Tage, an denen Symptome auftreten, meist noch unauffällig. In einem EEG (Elektroenzephalografie) können sich Hinweise auf Schädigungen in den betroffenen Hirnregionen zeigen. Differenzialdiagnostisch sind eine septische Sinusthrombose (Blutgerinnsel im Gehirn), ein Hirninfarkt und eine intrazerebrale Blutung (Blutung im Gehirn mit Blutungsquelle im Gehirngewebe) mit Begleitinfektion auszuschließen.

Die Herpes-simplex-Enzephalitis verläuft rasch in mehreren Stadien. Da sie unbehandelt häufig tödlich verläuft, muss noch vor der endgültigen Diagnose die Behandlung eingeleitet werden. Wird die Erkrankung frühzeitig behandelt, überleben etwa 80 Prozent der Patienten.

Bei ungefähr der Hälfte der Überlebenden bleiben neurologische Folgeschäden wie Gedächtnisstörungen oder Paresen (Lähmungen). Des Weiteren besteht ein erhöhtes Risiko für bleibende Anfallsleiden, die von der Hirnregion ausgehen, die von der Herpes-simplex-Enzephalitis betroffen war.

Komplikationen

Durch die Herpes-simplex-Enzephalitis kommt es in der Regel zu einer Entzündung im Gehirn. Diese Entzündung wird erst spät erkannt, da die ersten Beschwerden und Symptome nicht besonders charakteristisch für die Krankheit sind. Im weiteren Verlauf kann es zu psychischen und neurologischen Einschränkungen des Patienten kommen, wenn die Herpes-simplex-Enzephalitis nicht umgehend behandelt wird.

Der Betroffene leidet dabei in erster Linie an Fieber und Kopfschmerzen. Weiterhin führt die Entzündung im Gehirn zu einer starken Versiertheit und zu Änderungen des Verhaltens. Es kommt zu Denkstörungen und zu Orientierungsstörungen. Auch das Handeln des Patienten wird stark eingeschränkt. Weiterhin treten Sprachstörungen auf und der Betroffene kann im Lauf der Krankheit nicht mehr sprechen. Die Lebensqualität wird durch die Herpes-simplex-Enzephalitis extrem verringert.

In der Regel ist der Patient durch die Krankheit auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Ohne Behandlung kommt es dabei zu einem Bewusstseinsverlust und weiterhin auch zu einem Koma. Der Betroffene verstirbt, falls der Hirndruck nicht reduziert wird. Nicht in jedem Fall ist eine Behandlung der Herpes-simplex-Enzephalitis möglich. In den meisten Fällen versterben die Patienten an der Krankheit. Möglicherweise ist allerdings die Behandlung mit Hilfe von Antibiotika möglich, allerdings kann der Krankheitsverlauf nicht vorausgesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bereits eine klassische Herpes-Infektion sollte medizinisch behandelt werden. Der typische Bläschenausschlag im Bereich der Lippen bedarf einer Diagnose und Therapie, um die Entstehung einer Herpes-simplex-Enzephalitis zu vermeiden.

Wenn Kopfschmerzen, hohes Fieber und weitere grippeähnliche Symptome bemerkt werden, hat sich der Virus womöglich schon bis in das zentrale Nervensystem ausgebreitet. In diesem Fall muss umgehend der Hausarzt konsultiert werden. Falls die Symptome nach einer vorübergehenden Besserung wiederkehren, meist begleitet von psychischen Beschwerden, liegt der Verdacht einer Herpes-simplex-Enzephalitis nahe.

Ein Arztbesuch ist angezeigt, wenn Verhaltensauffälligkeiten, Wahrnehmungsstörungen oder Orientierungsstörungen bemerkt werden. Typisch für die Gehirnentzündung ist eine halbseitige Lähmung, die oft von epileptischen Anfällen begleitet wird. Bei diesen Beschwerden muss der Notarzt gerufen werden. Spätestens, wenn eine Versteifung des Nackens bemerkt wird, muss die Erkrankung ärztlich abgeklärt und behandelt werden.

Eine Herpes-simplex-Enzephalitis ist eine schwerwiegende Erkrankung, die ohne medizinische Versorgung tödlich verlaufen kann. Deshalb sind die genannten Warnzeichen rasch abzuklären. Vor allem Risikogruppen wie Menschen mit einer geschwächten Immunabwehr sollten mit den Anzeichen HSV-Enzephalitis sofort zum Arzt gehen.

Behandlung & Therapie

Da unbehandelt 70 Prozent der Patienten sterben, muss bei begründetem Verdacht auf eine Herpes-simplex-Enzephalitis sofort eine Therapie mit Aciclovir eingeleitet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Erreger zu diesem Zeitpunkt noch nicht zweifelsfrei identifiziert ist. Aciclovir stoppt die Vermehrung der Herpes-simplex-Viren.

Für den Fall, dass die Hirnenzündung nicht auf Herpes-simplex-Viren zurückgeht, sondern eine bakterielle Erkrankung vorliegt, wird zunächst auch ein Breitspektrumpenicillin gegeben. Das Hirnödem wird mit Osmotherapie behandelt. Dabei wird dem Patienten eine hochkonzentrierte Zuckerlösung zugeführt, die aufgrund von Osmose Wasser aus dem Ödem bindet.

Auch die epileptischen Anfälle werden medikamentös behandelt. Weitere Therapiemaßnahmen hängen vom Zustand des Patienten ab, davon, unter welchen sonstigen Symptomen er leidet und welche weiteren Befunde die Untersuchungen ergeben.

Aussicht & Prognose

Im Gegensatz zu der bakteriell bedingten Meningitis ist eine Hirninfektion durch Viren tendenziell mit einer niedrigeren Mortalität verbunden. Allerdings besteht die Gefahr von erneuten Rückfällen, da das betroffene Virus sich im Körper einnisten und nach einer Ruhephase erneut ausbrechen kann.

Eine möglichst rasche Behandlung entscheidet über die Heilungsaussichten der Enzephalitis. Das recht aggressive Herpes-simplex-Virus stellt unbehandelt eine große Gefahr für Leib und Leben dar. Statistisch erliegen ungefähr 70 Prozent der Patienten den Folgen der Krankheit, sofern keine rechtzeitige Therapie erfolgt. Eine exakte Identifikation des Erregers und angemessene Medikation erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit beträchtlich. Zwar erholen sich ungefähr 80 von 100 Patienten, doch die Gefahr von Folgeschäden ist dadurch nicht gebannt.

Das Risiko durch FSME-Viren fällt mit 98 Prozent Heilungswahrscheinlichkeit wesentlich geringer aus. Folgen einer Enzephalitis durch Herpes-Viren beeinträchtigen ehemalige Patienten oft in ihrer alltäglichen Lebensführung. Besonders oft vertreten sind bei schweren Verläufen kognitive Einschränkungen und eine sich manifestierende Muskelschwäche.

Kinder neigen zur Ausbildung eines Wasserkopfes und erleiden zusätzliche Hörschäden. Abhängig vom betroffenem Areal zeichnen sich Persönlichkeitsveränderungen bei Betroffenen ab. Ein besonders riskanter Verlauf steht bei einer permanenten Krampfneigung (Status epilepticus) aus. Ebenfalls lebensbedrohlich ist das spontane Auftreten eines Hirnödems.

Derartige Folgen erschweren die erfolgreiche Therapie immens und erfordern eine langfristige Nachsorge für den Patienten. Je früher die Krankheit erkannt wird, desto eher bleiben langfristige Komplikationen aus. Eine vollkommene Genesung ohne Hirnschäden liegt dann im Bereich des Möglichen.


Vorbeugung

Während gegen viele andere Erreger einer Enzephalitis geimpft werden kann, ist dies bei Herpes-simplex-Viren nicht möglich. Ebenso wenig gibt es eine andere medikamentöse Behandlung, die das Wiederausbrechen des Virus nach der Erstinfektion verhindern kann. Ein starkes Immunsystem gilt als bester Schutz. Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung und sportlicher Aktivität unterstützt dies.

Nachsorge

Entscheidend bei der Nachsorge ist, dass diese frühestmöglich beginnt. In der Anfangsphase ist der Patient noch sehr schwach und kraftlos und hat bereits große Mühe selbst zu sitzen. Die Übungen durch Ergo- und Physiotherapeuten werden auf diese Situation angepasst und der Patient gezielt und langsam gefördert. Mit steigender Mobilität des Betroffenen wird dann auch die Intensität und die Dauer der Übungen gesteigert.

Wichtig ist, dass der Patient selbst auch außerhalb der Therapiesitzungen kleine Übungen durchführt und sich nicht durch die fehlende Kraft entmutigen lässt. Unter Umständen kann eine zusätzliche Psychotherapie dabei helfen die nötige Geduld für sich selbst und seinen Körper aufzubringen und mit viel Achtsamkeit und eisernem Willen zu agieren.

Auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus müssen sowohl Physio- als auch Ergotherapie fortgeführt werden, mit dem Ziel, dass der Patient seinen eigenen Alltag möglichst bald wieder alleine bewältigen kann. Sobald dieses Zwischenziel erreicht ist, kann im nächsten Schritt an der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gearbeitet werden, um auch die finanzielle Unabhängigkeit des Patienten wieder zu erreichen.

Einen festen Zeitplan für die Rehabilitation gibt es nicht. Der Patient entscheidet gemeinsam mit dem behandelnden Arzt, wann die gesteckten persönlichen Ziele erreicht sind und der Betroffene auch ohne fremde Hilfe auskommen kann.

Das können Sie selbst tun

Im Falle einer Herpes-simplex-Enzephalitis existieren keine Selbsthilfemöglichkeiten abseits der medizinischen Möglichkeiten für Therapien. Es gibt bei dieser Erkrankung keine Alternativen zu einer unverzüglichen ärztlichen Behandlung. Dennoch kann die Lebensqualität der Überlebenden nach einer Herpes-simplex-Enzephalitis durch gewisse Maßnahmen signifikant gesteigert werden.

Hilfe finden Betroffene hierbei vor allem in Selbsthilfegruppen, die es in verschiedenen größeren Städten, aber auch in sozialen Netzwerken gibt. Auch gibt es zum Thema Herpes-simplex-Enzephalitis und dem Leben mit den Spätfolgen einer solchen Erkrankung eine Reihe von Büchern, die zumeist von Betroffenen verfasst wurden. Hilfreiche Erfahrungsberichte finden sich auch in verschiedenen Internetforen.

In vielen Fällen leiden die Überlebenden einer Herpes-simplex-Enzephalitis unter kognitiven Defiziten wie etwa Gedächtnisstörungen oder auch unter Verhaltensauffälligkeiten. Familienangehörige der Betroffenen müssen in dieser Situation besonderes Verständnis aufbringen.

Sie können helfen, indem sie die Betroffenen in den Alltag miteinbeziehen und körperlich sowie kognitiv im Rahmen des Möglichen fordern. Abseits der weiteren Behandlung und Therapie der Spätfolgen einer Herpes-simplex-Enzephalitis kann auch noch psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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