Selenose

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Selenosen sind Vergiftungserscheinungen, die durch eine erhöhte Zufuhr des Spurenelements Selen ausgelöst werden. Zu einer zu hohen Selenkonzentration kann es durch Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel oder selenbelastetes Wasser kommen. Die Therapie entspricht in aller Regel einer symptomatischen Behandlung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Selenose?

Selenosen können durch den übermäßigen Konsum selenhaltiger Produkte sowie die Inhalation von Selenstaub auftreten. Eine akute Vergiftung wird durch den Konsum von drei bis sieben Milligramm Selen innerhalb eines einzigen Tages ausgelöst.
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Die Selenose ist eine Vergiftung mit Selen. Der Selengehalt im Vollblut liegt normalerweise zwischen 73 und 169. Bei einer Selenvergiftung überschreitet er der Wert die Grenze von 169 Einheiten. Das Gegenteil wird als Selenmangel bezeichnet und entspricht folglich einer Unterschreitung der angegebenen Normwerte. Selen ist ein Spurenelement, das vom Körper in geringen Mengen als Baustein für Eiweiße, im Immunsystem, zum Zellschutz und zur Aktivierung verschiedener Hormone benötigt.

Zwischen rund 10 und 20 Milligramm Selen werden im Körper eines Erwachsenen gespeichert. Ein Großteil davon wird in den Nieren, der Leber, der Muskulatur und dem Skelett eingelagert. Der tägliche Bedarf an Selen liegt für einen erwachsenen Menschen vermutlich bei rund 0,03 bis 0,07 Milligramm. Diese empfohlene Tagesdosis wird durch eine ausgewogene Ernährung in der Regel abgedeckt. Die Nahrungsergänzung mit dem Spurenelement führt daher häufig zu einer Selenose. Es gibt Selenosen als akute und chronische Vergiftungen.

Ursachen

Selenosen können durch den übermäßigen Konsum selenhaltiger Produkte sowie die Inhalation von Selenstaub auftreten. Eine akute Vergiftung wird durch den Konsum von drei bis sieben Milligramm Selen innerhalb eines einzigen Tages ausgelöst. Wenn chronische Vergiftungen vorliegen, hängen diese Erscheinungen in der Regel mit einer langfristig eingenommenen Tagesdosis über 0,6 Milligramm zusammen. Neben selenhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln zählen selenhaltige Tabletten und Medikamente zu den häufigsten Ursachen.

Auch die regelmäßige Inhalation von größeren Mengen Selen kann auf Dauer aber eine Vergiftung auslösen. Da Selen eingelagert wird, wirken sich zuweilen auch geringfügige, aber regelmäßig stattfindende Überschreitungen der Tagesdosis als Vergiftungen aus. Selenvergiftungen durch Nahrungsmittel sind eher selten und betreffen nur Nahrung mit mehr als zwei µg Selen pro Gramm. Vergiftungen durch das Trinkwasser betreffen ausschließlich Gebiete mit belastetem Wasser, das mehr als zehn µg Selen pro Liter enthält.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Selenvergiftungen haben eher unspezifische Frühsymptome. So tritt zum Beispiel Übelkeit auf, die von Durchfällen oder Erbrechen begleitet werden kann. Die Stuhlkonsistenz verändert sich zu einer wässrigen Qualität. Wegen der hohen Wasserverluste kann so eine Dehydrierung auftreten. Im Rahmen der Dehydrierung stellt sich ein Schwächegefühl ein.

Häufig macht sich eine Selenvergiftung zusätzlich in Symptomen des Bewegungsapparats bemerkbar. Muskelschwächen und Muskelschmerzen sind zum Beispiel verbreite Symptome. Auch eine allgemeine Müdigkeit kann im Rahmen einer Selenose auftreten. Im Verlauf kommen neurologische Symptome hinzu. So kann beispielsweise eine Neuropathie des peripheren Nervensystems entstehen, die sich in Empfindungsstörungen äußert.

Im Zusammenhang mit dem zentralen Nervensystem können Geschmacksstörungen oder Sehstörungen auftreten. In einem späten Stadium fallen den Betroffenen oft die Fuß- und Fingernägel aus. Auch die Haare können ausfallen. Zusätzlich stellen sich als Spätsymptome dermatologische Beschwerden, wie Hautausschläge ein.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei Verdacht auf Selenose bestimmt der Arzt im Serum den Selengehalt. Werte über 169 gelten als diagnosesichernd. Die Anamnese gibt ihm Hinweise auf die möglichen Ursachen der Vergiftung. Die Prognose für Selenvergiftungen ist in der Regel günstig. Letale Vergiftungen mit Selen können durch die Gefahr des Herzversagens und des Lungenödems zwar vorkommen, stellen sich innerhalb Europas aber nur selten ein und erfordern eine deutliche Überschreitung der empfohlenen Tagesdosis.

Selenvergiftungen von einem gewissen Ausmaß können das Herz und vor allem die Leber aber zumindest schädigen. Außerdem kann Selen in größeren Mengen vermutlich bösartigen Krebs auslösen und die Lungenfunktion beeinträchtigen.

Komplikationen

Die Komplikationen und Beschwerden bei einer Selenose hängen sehr stark von der zugeführten Menge an Selen ab. Nicht in jedem Fall kommt es dabei zu einer schwerwiegenden Vergiftung, sodass auch nicht in jedem Fall eine Behandlung notwendig ist. In der Regel leiden die Patienten an einer Übelkeit und auch an Erbrechen.

Weiterhin kommt es zu Durchfall und damit auch zu einem Wasserverlust. Wird der Wasserverlust nicht ausgeglichen, leiden die Betroffenen an einer Dehydration. Im weiteren Verlauf führt die Selenose zu starken Schmerzen an den Muskeln und auch zu Krämpfen. Die Patienten wirken dabei müde und abgeschlagen und nehmen nicht mehr aktiv am Alltag teil. Auch Lähmungserscheinungen oder andere Gefühlsstörungen können aufgrund der Selenose auftreten und sich sehr negativ auf den Alltag des Patienten auswirken.

Sollte die Selenose nicht behandelt werden, so führt sie zu Sehstörungen oder zu einem Haarausfall. Eine Behandlung der Selenose kann nur in Form eines Verzichtes auf das Element ausgeführt werden. Komplikationen treten dabei nicht auf. Die einzelnen Beschwerden können dabei in der Regel symptomatisch behandelt werden. In den meisten Fällen kommt es dabei zu einem stets positiven Krankheitsverlauf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es sich bei einer Selenose um eine schwerwiegende Vergiftung handelt, sollte diese immer umgehend von einem Arzt behandelt werden. Es kann im schlimmsten Fall zum Tod des Betroffenen kommen, falls die Selenose gar nicht oder erst spät durch einen Arzt behandelt wird. Je früher die Selenose erkannt und behandelt wird, desto besser ist meistens der weitere Verlauf dieser Erkrankung. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene eine hohe Menge an Selen eingenommen hat. Dabei leiden die Patienten meistens an einer starken Übelkeit oder an starken Durchfällen und auch an Erbrechen. Weiterhin kommt es zu einem hohen Verlust an Wasser und damit auch zu einer Dehydration.

Treten diese Beschwerden auf, so muss umgehend ein Arzt aufgesucht werden. Bei einer höheren Menge an Selen kommt es weiterhin auch zu einer Muskelschwäche und in einigen Fällen auch zu Störungen der Empfindung oder zu Geschmacksstörungen. Treten diese nach der Einnahme von Selen auf, so muss in der Regel das Krankenhaus aufgesucht werden. Die Selenose kann in Abhängigkeit von der eingenommenen Menge durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Notarzt behandelt werden. Eventuell ist durch die Selenose auch die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.

Behandlung & Therapie

Eine kausale Therapie gibt es gegen die Selenose nicht. Gegenmittel zur Inaktivierung des Stoffes sind nicht bekannt. Auch die Ausleitung von Selen aus dem Körper kommt in der Regel nicht infrage. Die Behandlung besteht weitestgehend aus einem Verzicht auf die weitere Zufuhr des Spurenelements. Die jeweiligen Symptome der Selenose werden einzeln und abhängig vom Fall behandelt. Bei einer Dehydrierung muss zum Beispiel der Wasserhaushalt im Organismus künstlich wiederhergestellt werden.

Die Flüssigkeitszufuhr ist im Rahmen dessen ein entscheidender Therapieschritt. Diese Zufuhr kann intravenös erfolgen, falls der Patient zum Erbrechen neigt. Diese Wiederherstellung des Wasserhaushalts sorgt dafür, dass der Patient das überschüssige Selen schnellstmöglich ausscheidet. Atembeschwerden durch eine Selenose werden in der Regel medikamentös behandelt. Seltener wird der Patient mit Sauerstoff beatmet.

Gegen Muskelbeschwerden werden schmerzlindernde Medikamente verabreicht. Falls das Nervensystem durch die Selenose geschädigt wurde, können physiotherapeutische Maßnahmen erforderlich werden. Wenn Organschäden entstehen, kann unter Umständen eine Insuffizienz des entsprechenden Organs eintreten, die gesondert bekämpft werden muss und in seltenen Fällen eine Transplantation erforderlich macht. Patienten müssen sich dauerhaft selenarm ernähren, damit es zukünftig nicht zu einer weiteren Selenose kommt.


Vorbeugung

Der Selenose lässt sich durch selenarme Ernährung und den Verzicht auf selenhaltige Nahrungsergänzungsmittel sowie Medikamente und Inhalationskuren vorbeugen. In selenbelasteten Gebieten kommt das Trinkwasser als Ursache für eine Selenose infrage. Daher kann in solchen Gebieten auch der Verzicht aus dem Konsum von Leitungswasser eine Vorbeugemaßnahme sein.

Nachsorge

Eine Selenose erfordert eine intensive Nachsorgebehandlung, da Folgeerkrankungen oder das erneute Entstehen einer Selenose ansonsten nicht ausgeschlossen werden können. Am Wichtigsten sind regelmäßige Blutuntersuchungen mit Messungen der Selen- und anderer Nährstoffwerte. Treten erneut zu hohe Selenwerte auf, muss eine selenarme Diät eingehalten werden. Diese besteht aus dem Verzicht auf Reis, Lachs, Spargel, Pilze, Paranüsse und Blaukraut.

Sobald wieder normale Selenwerte gemessen werden, sollte allerdings eine Umstellung auf eine normale Ernährung erfolgen, da ansonsten ein Selenmangel auftreten kann. Da häufig selenhaltige Nahrungsergänzungsmittel Auslöser für eine Selenose sind, sollte die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nur in Absprache mit dem betreuenden Arzt stattfinden. Hat die Selenose bereits zu neurologischen Symptomen wie Gedächtnisschwierigkeiten, Müdigkeit, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Benommenheit und/oder dem Einschlafen von Gliedmaßen geführt, müssen diese gesondert behandelt werden, sofern sie bei Normalisierung der Selenwerte im Blut nicht verschwinden.

Hierzu sollte eine neurologische Vorstellung mit anschließenden neurologischen Untersuchungen (MRT, EEG, Lumbalpunktion) erfolgen. Sind die Nerven dauerhaft geschädigt, kann es erforderlich sein, lebenslang Medikamente einzunehmen. Falls einmal eine Selenose durchlebt wurde und neuartige Muskelprobleme, Haar- und/oder Nagelausfall, Durchfall und/oder neurologische Symptome auftreten, sollte außerdem umgehend ein Arzt aufgesucht und eine Selenwertuntersuchung im Blut durchgeführt werden, da dies Zeichen für eine erneute Selenose sein können.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Selen-Vergiftung muss zunächst der Arzt konsultiert werden. Nachdem die Erkrankung diagnostiziert und ärztlich versorgt wurde, gilt Schonung. Bei Übelkeit und Erbrechen muss eine Schonkost gewählt werden, damit der Magen-Darm-Trakt keinen weiteren Belastungen ausgesetzt ist. Sollte eine Muskelschwäche auftreten, darf nicht Auto gefahren werden. Erkrankte Personen müssen sich krank schreiben lassen und mindestens ein bis zwei Wochen im Bett bleiben.

Bei Haarausfall kann der Hausarzt weitere Mittel verordnen. Normalerweise sollte der Haarausfall jedoch von alleine abklingen, sobald das Selen ausgeschieden wurde. Gegen die Hautläsionen helfen außerdem Mittel aus der Homöopathie. Bewährt haben sich das schmerzlindernde Aloe Vera und Salben aus Johanniskraut, die ebenfalls gegen die Schmerzen helfen. Sollte der Durchfall über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben, muss der Arzt informiert werden. Daneben sollte ausreichend Wasser getrunken werden. Andernfalls kann es zu einer Dehydration kommen. Betroffene Personen trinken am besten gesunde Tees wie Kamille oder Melisse. In Rücksprache mit dem Hausarzt können homöopathische Tees probiert werden.

Wenn diese Maßnahmen befolgt werden, sollten die Beschwerden nach kurzer Zeit abklingen. Der Arzt muss informiert werden, wenn nach Wochen noch Anzeichen einer Selen-Vergiftung bestehen. Dann liegt möglicherweise ein Organschaden zugrunde, der abgeklärt werden muss.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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