Polymyalgia rheumatica

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Polymyalgia rheumatica (PMR), oder kurz Polymyalgie, handelt es sich um eine rheumatische Entzündungskrankheit, die von heftigen Schmerzen in Nacken und Schultern sowie in Oberschenkeln und im Beckenbereich begleitet ist. Vorwiegend ältere Menschen erkranken an der Polymyalgia rheumatica.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Polymyalgia rheumatica?

Das Leitsymptom der Autoimmunerkrankung Polymyalgia rheumatica sind Schmerzen in der Muskulatur der Extremitäten. Dabei treten diese Schmerzen stets symmetrisch auf, sodass immer beide Seiten betroffen sind.
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Die Muskelschmerzen bei der Polymyalgia rheumatica treten vor allem morgens und schubweise auf. Die Beweglichkeit des Körpers kann schmerzbedingt massiv eingeschränkt sein. Ähnlich einem grippalen Infekt klagen die Erkrankten über ein schlechtes Allgemeinbefinden.

In einigen Fällen entzünden sich bei Polymyalgia rheumatica zusätzlich auch große Blutgefäße insbesondere des Kopfes, wie z. B. die Schläfenarterie. Bei nicht rechtzeitiger Behandlung kann es zu einem Verschluss der entzündeten Adern kommen. Ist die Blutversorgung des Auges betroffen, erblindet der Erkrankte. Im Gegensatz zu anderen Muskelerkrankungen schränkt die Polymyalgia rheumatica die Kraft der Muskeln dagegen nicht ein.

Jährlich erkranken in Deutschland bis zu 40.000 Menschen neu an der Polymyalgia rheumatica, darunter 80 % Frauen. Menschen unter 50 Jahren sind seltener, über 60-Jährige besonders stark betroffen.

Ursachen

Die Ursachen der Polymyalgia rheumatica sind noch weitgehend ungeklärt. Allerdings wird offenbar wie auch bei anderen Rheumaerkrankungen das Immunsystem fehlgeleitet.

Wahrscheinlich führen altersbedingt auftretende Fehlfunktionen der körpereigenen Immunzellen dazu, dass sogenannte Zytokine (aus bestimmten Eiweißen bestehende Botenstoffe) produziert werden, die sich gegen den eigenen Körper richten und auf diese Weise Entzündungen ausgelöst werden. Bei der Polymyalgia rheumatica handelt es sich daher um eine sog. Autoimmunerkrankung.

Auch die zusätzliche Entzündung von Blutgefäßen, die Vaskulitis genannt wird, ist unter Umständen auf ein nicht mehr ordnungsgemäß funktionierendes Immunsystem zurückzuführen, welches irrtümlich Zellen des eigenen Körpers angreift. Die Entzündung von Blutgefässen am Kopf trägt den Namen Arteriitis cranialis, die bei der Hälfte der Polymyalgia rheumatica-Erkrankten ebenfalls auftritt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Leitsymptom der Autoimmunerkrankung Polymyalgia rheumatica sind Schmerzen in der Muskulatur der Extremitäten. Dabei treten diese Schmerzen stets symmetrisch auf, sodass immer beide Seiten betroffen sind. Bevorzugt zeigt sich die Schmerzsymptomatik bei Patienten mit Polymyalgia rheumatica im Bereich der Hüftmuskulatur, der Schulter- und der Nackenmuskulatur. Charakteristischerweise sind die Muskelschmerzen in der Nacht deutlich stärker als am Tag.

Häufig berichten Patienten ferner über eine plötzlich einsetzende, deutlich spürbare Morgensteifigkeit. Die schmerzhafte Steifigkeit der Muskulatur im Beckengürtelbereich und/oder im Schulterbereich kann bis zur kompletten Bewegungsunfähigkeit führen. Einige Menschen mit Polymyalgia rheumatica klagen zudem über ein allgemeines Krankheitsgefühl wie es beispielsweise auch bei einer Grippe oder einer Erkältung auftreten kann.

Bei einem Teil der Patienten entwickelt sich im Krankheitsverlauf eine Anämie (Blutarmut). Diese geht mit Beschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwäche oder Infektanfälligkeit einher. Anämische Patienten sind ferner auffallend blass, auch die Lederhäute des Auges (Skleren) sind blass.

Zu den selteneren Beschwerden gehören Nachtschweiß, Appetitverlust und depressive Verstimmungen. Bei einem Fünftel der Betroffenen kommt es zudem zu einer Synovitis. Diese Entzündung der Gelenkschleimhäute (Membrana synovialis) tritt ebenfalls symmetrisch auf und geht mit Gelenkschmerzen und Bewegungseinschränkungen einher.

Diagnose & Verlauf

Der behandelnde Arzt wird seiner Polymyalgia rheumatica-Diagnose eine körperliche Untersuchung des Patienten, die Krankengeschichte sowie die Ergebnisse der Laboruntersuchung zugrunde legen.

Als Symptome der Polymyalgia rheumatica können neben Nacken-, Schulter-, Oberarm- und Beckenschmerzen auch Gewichtsverlust, Schweißausbrüche, Gelenkschmerzen sowie Depressionen auftreten. Klagt ein Polymyalgia rheumatica-Patient über ein gestörtes Sehvermögen oder Kopfschmerzen, deutet dies möglicherweise bereits auf eine Entzündung von Blutgefäßen am Kopf hin.

Die Symptome der Polymyalgia rheumatica sind allerdings sehr veränderlich. Die Beschwerden der Krankheit können auch bereits längere Zeit vorhanden sein, bevor sie von Laboruntersuchungen bestätigt werden. Blutuntersuchungen zeigen bei Polymyalgia rheumatica die Anzeichen einer deutlichen entzündlichen Veränderung wie z. B. eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit.

Dagegen ist das bei anderen Muskelerkrankungen verstärkt zu messende Muskelenzym CK, das eine Zerstörung von Muskelgewebe anzeigt, bei Polymyalgia rheumatica nicht auffällig.

Ein deutliches Indiz für eine vorliegende Polymyalgia rheumatica ist die Krankheitssymptome durch die Verabreichung von Cortison kurzfristig zu beseitigen. Wird dies aber nicht erreicht, erfolgen weitere Untersuchungen zur Differantialdiagnostik mit vergleichbaren Symptomen (u. a. Tumorkrankheiten). Bei Verdacht auf eine durch Polymyalgia rheumatica ausgelöste Gefäßentzündung, kann ein Stück der Schläfenarterie entfernt und auf Entzündlichkeit untersucht werden.

Komplikationen

In erster Linie leiden die Betroffenen aufgrund der Polymyalgia rheumatica an sehr starken Schmerzen. Diese Schmerzen treten vor allem im Bereich der Schultern und der Nacken auf und verringern die Lebensqualität damit enorm. Ebenso kommt es zu Schmerzen im Bereich des Beckens und weiterhin auch in den Oberschenkeln. Auch die Muskeln können dabei schmerzen, sodass verschiedene Bewegungen oder sportliche Betätigungen in der Regel nicht mehr ohne Weiteres durchgeführt werden können.

Die Muskeln verkrampfen nicht selten und es kommt zu einer dauerhaften Müdigkeit und Abgeschlagenheit beim Patienten. Die meisten Betroffenen leiden dabei auch an Depressionen und - damit verbunden - an einem Gewichtsverlust. Der Gewichtsverlust wirkt sich sehr negativ auf die allgemeine Gesundheit des Patienten aus und kann zu Mangelerscheinungen oder zu psychischen Verstimmungen führen.

Auch Schweißausbrüche treten als Begleiterscheinung der Polymyalgia rheumatica auf. Die Betroffenen können an Kopfschmerzen und auch an Einschränkungen des Sehvermögens leiden. Die Behandlung der Polymyalgia rheumatica erfolgt mit Hilfe von Medikamenten. Dabei kommt es meistens nicht zu besonderen Komplikationen. Ebenso wirkt sich auch eine gesunde Lebensweise positiv auf diese Erkrankung aus.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Polymyalgia rheumatica sollte immer von einem Arzt behandelt werden. Es kommt bei dieser Krankheit nicht zu einer Selbstheilung und in den meisten Fällen auch zu einer Verschlechterung der Beschwerden, falls keine Behandlung eingeleitet wird. Eine frühzeitige Behandlung und Diagnose wirken sich immer positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus. Ein Arzt ist bei der Polymyalgia rheumatica dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an starken Schmerzen in den Muskeln leidet. Die Schmerzen können an unterschiedlichen Muskeln auftreten, sind allerdings nicht mit einer bestimmten Tätigkeit verbunden. Sie können auch nachts auftreten. In einigen Fällen kann auch eine Konzentrationsschwäche oder eine sehr starke Müdigkeit auf die Erkrankung hindeuten. Ebenfalls leiden die Patienten häufig an Depressionen oder an anderen psychischen Verstimmungen, die ebenso auf die Polymyalgia rheumatica hindeuten können.

Die Erkrankung kann durch einen Orthopäden oder durch einen Allgemeinarzt behandelt werden. Eine vollständige Heilung ist jedoch nicht immer möglich. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird in der Regel nicht negativ beeinflusst.

Behandlung & Therapie

Mit der Verabreichung Kortison-haltiger Medikamente lassen sich die vom Körper nicht mehr kontrollierbaren Entzündungen effektiv und mit kurzfristig positiver Wirkung behandeln.

Das Kortison wird als Tablette eingenommen oder injiziert. In der Regel beginnt die täglich vorzunehmende Kortison-Behandlung mit einer hohen Dosis, die dann über einen Zeitraum von Wochen oder Monaten allmählich verringert wird. Die erreichte niedrige Dosierung wird dann für einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren beibehalten. Die einzunehmende Dosis bestimmt sich nach der Schwere der Krankheitssymptome und danach, ob bereits Blutgefäße entzündet sind.

Auf keinen Fall darf eine begonnene Kortison-Behandlung der Polymyalgia rheumatica abrupt unterbrochen werden, da dann Schlaganfall-auslösende Gefäßverengungen auftreten können. Ziel ist es, dass der Patient nicht mehr Kortison aufnimmt, als er unbedingt zur Erreichung von Schmerzfreiheit benötigt.

Als Nebenwirkungen können eine Gewichtszunahme und Knochenschwund (Osteoporose) auftreten. Wird eine Kortison-Behandlung bei Polymyalgia rheumatica nicht rechtzeitig vorgenommen, können die Patienten z. B. erblinden oder einen Schlaganfall erleiden.


Vorbeugung

Es gibt keine vorbeugenden Maßnahmen gegen die Polymyalgia rheumatica. Wichtig ist aber, Folgeschädigungen durch eine rechtzeitige Kortison-Therapie zu vermeiden. Nebenwirkungen lassen sich angesichts der bei der Therapie eingesetzten, erheblichen Kortison-Mengen nicht vollständig ausschließen. Zur Verhütung von Osteoporose eignet sich die Einnahme von Vitamin D und Kalzium.

Werden im Einzelfall besonders große Kortison-Dosen zur Herstellung von Schmerzfreiheit benötigt, können zusätzlich zur Unterdrückung des Immunsystems geeignete Präparate ergänzend verabreicht werden, um die sonst zur Behandlung der Polymyalgia rheumatica erforderliche Kortison-Menge zu verringern.

Nachsorge

Von der rheumatischen Polymyalgie sind vorwiegend ältere Patienten betroffen. Die meisten erkranken in einem Durchschnittsalter von 60 Jahren. Unterhalb dieser Altersgrenze tritt die Polymyalgia rheumatica selten auf. Die Krankheit geht mit Schmerzen in den Gelenken einher und kann den Patienten im Alltag sehr belasten. Neben der Behandlung ist eine Nachsorge sinnvoll, um die Lebensqualität des Betroffenen zu erhalten. Die Beschwerden sollen gelindert und die Krankheit beseitigt werden.

Die Therapie erfolgt in Form von Medikamenten. In regelmäßigen Abständen kontrolliert der Hausarzt oder Orthopäde die Heilungsfortschritte. Bei Bedarf wird die Dosis variiert oder andere Medizin verabreicht. Gegen die Beschwerden empfiehlt sich zudem die Vergabe von Schmerzmitteln. Bei leichten Verläufen stellt sich kurz danach eine deutliche Besserung ein.

Die Behandlung von Polymyalgia rheumatica kann sich auch über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren erstrecken, dies ist bei einer parallelen Vaskulitis der Fall. Anschließend setzt die Nachsorge ein. Der stabile Zustand nach der Therapie soll im Rahmen der Nachsorge beibehalten werden. Eine gesunde Ernährung sowie der Verzicht auf zu süße und fettige Speisen tragen zu einer günstigen Entwicklung bei. Auch nach beendeter Therapie sollte der Patient eine Überlastung der Gelenke vermeiden.

Das können Sie selbst tun

Die Möglichkeiten zur Selbsthilfe sind bei der Polymyalgia rheumatica relativ stark eingeschränkt. Die Beschwerden können durch die Einnahme von Kortison gelindert werden, wobei die Betroffenen auf eine lebenslange Therapie angewiesen sind. Ebenso müssen die Blutgefäße auf Entzündungen überprüft werden, um einen Schlaganfall zu vermeiden.

Da die Einnahme dieser Medikamente häufig mit einer Gewichtszunahme zusammenhängt, ist der Betroffene auf eine gesunde Ernährung und auf eine aktive Lebensweise angewiesen. Dabei wirken sich Kalzium und Vitamin D sehr positiv auf die Beschwerden der Erkrankung aus. Eine direkte Vorbeugung der Polymyalgia rheumatica ist in der Regel nicht möglich.

Weiterhin kann auch der Kontakt zu anderen Patienten der Polymyalgia rheumatica sinnvoll sein, da es dabei zu einem Austausch an Informationen kommt, sodass gewisse Lebensbereiche einfacher werden können. Dieser Austausch kann auch psychische Beschwerden lindern. Im Falle von psychischen Verstimmungen oder bei Depressionen eigenen sich auch Gespräche mit engen Freunden und mit der Familie. Da die Erkrankung nicht selten zu einer sehr blassen Haut führt, sollte der Betroffene übermäßiges Sonnenbaden vermeiden, um die Haut nicht zu beschädigen.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

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