Parinaud-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Parinaud-Syndrom ist eine vertikale Blicklähmung. Lähmungen der Augenmuskeln werden durch Läsionen des Mittelhirns und der dort gelegenen Nervenkerne verursacht, wie sie durch Tumore, Schlaganfälle und Entzündungen vorliegen können. Die Behandlung des Symptomkomplexes richtet sich nach der auslösenden Erkrankung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Parinaud-Syndrom?

Das Parinaud-Syndrom ist vor allem durch eine Blicklähmung nach oben gekennzeichnet. Im Rahmen des Puppenkopfeffekts sind reflektorische Bewegungen in die gelähmte Richtung möglich.
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Beim Parinaud-Syndrom liegt in Kombination mit weiteren neurologischen Symptomen eine vertikale Blicklähmung durch eine Schädigung der Hirnnerven vor. Der Symptomkomplex wird auch als dorsales Mittelhirnsyndrom bezeichnet und wurde im 19. Jahrhundert erstmals von Parinaud beschrieben. Konvergenzbewegungen der Augen sind bei diesem Phänomen nur noch eingeschränkt möglich. Kommandobewegungen nach oben lassen sich überhaupt nicht mehr ausführen.

Vom Parinaud-Syndrom ist die Parinaud-Krankheit zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um eine Infektionskrankheit durch das Bakterium Francisella tularensis. Im Rahmen dieser Erkrankung kann sich das sogenannte okuloglanduläre Syndrom Parinaud einstellen. Damit ist eine Bindehautentzündung mit geschwollenen Lymphknoten unter dem Kiefer und vor dem Ohr gemeint. Dieses Phänomen tritt nicht nur im Rahmen der Parinaud-Krankheit, sondern auch im Kontext von Tuberkulose, Pilzinfektionen oder Syphilis auf.

Ursachen

Eine Schädigung der Hirnnerven ist die Ursache für eine vertikale Blicklähmung in Form des Parinaud-Syndroms. Genauer gesagt sind die Hirnnervenkerne beschädigt. Meist handelt es sich um Läsionen im Bereich des Mittelhirns, also des Hirnstamms zwischen Pons und Diencephalon. Vom Mittelhirn aus werden die meisten Augenmuskeln gesteuert. In der Regel liegt die ursächliche Läsion des Parinaud-Syndroms ventrokaudal der Vierhügelplatte.

Für Läsionen dieser Art ist am häufigsten ein Pinealistumor verantwortlich. Diese Tumore sind Geschwulste der Zirbeldrüse und kommen meist im Kindesalter vor. Auch ein Schlaganfall im Bereich des Mittelhirns kann Läsionen nahe der Vierhügelplatte hervorrufen. Neben diesen Ursachen kommen außerdem entzündliche Erkrankungen des Gehirns in Frage, so zum Beispiel eine Hirnentzündung oder Multiple Sklerose.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Parinaud-Syndrom ist vor allem durch eine Blicklähmung nach oben gekennzeichnet. Im Rahmen des Puppenkopfeffekts sind reflektorische Bewegungen in die gelähmte Richtung möglich. Die Pupillen der Patienten sind meist erweitert und zeigen keine Reflexe. Eine Naheinstellung ist nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich.

In der Regel sind die Pupillen lichtstarr, aber auch andere Pupillenstörungen können auftreten. Außerdem liegen Konvergenzstörungen der Bulbi vor. Zusätzlich kann sich Nystagmus einstellen, also ein unwillkürliches Zittern der Augen. Die parallele Augenbewegung muss beim Parinaud-Syndrom nicht zwingend eingeschränkt sein. Eine einheitliche Definition der Symptome lässt sich für das Parinaud-Syndrom nur schwer gegeben. Die Ursache der auslösenden Mittelhirnläsion für die tatsächlich auftretenden Symptome eine Rolle spielt. Bei einem Tumor an der Zirbeldrüse staut sich zum Beispiel Liquor auf und der Hirndruck steigt an.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Symptome werden von einem Neurologen einschlägig begutachtet und unter anderem durch Prüfungen der Augenmotorik eingeschätzt. Nach dieser ersten Begutachtung wird in der Regel ein bildgebendes Verfahren veranlasst. Dabei kann es sich entweder um ein CT oder ein MRT handeln. Hirndruckmessungen ergänzen die Bildgebung. Die Grunderkrankung hinter dem Parinaud-Syndrom muss bei der Diagnose aufgeklärt werden.

Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems lassen sich durch eine Analyse des Liquors detektieren. Tumore wie der Pinealistumor treten im MRT relativ typisch in Erscheinung und sind dementsprechend leicht von entzündlichen Erkrankungen abzugrenzen. Außerdem finden sich für einige Tumortypen Tumormarker in der Hirnflüssigkeit. Die Prognose variiert beim Parinaud-Syndrom je nachdem, was die Läsionen im Mittelhirn ausgelöst hat.

Komplikationen

Durch das Parinaud-Syndrom leiden die Betroffenen an Sehbeschwerden. Der weitere Verlauf dieser Krankheit ist sehr stark von ihrer Ursache abhängig, sodass eine allgemeine Voraussage der Komplikationen ebenso nicht allgemein möglich ist. In vielen Fällen ist allerdings keine Behandlung mehr möglich, falls die Nerven irreversibel geschädigt wurden.

Die Patienten können dabei nicht mehr richtig in eine bestimmte Richtung sehen. Auch die Scharfstellung von nahen Objekten ist durch das Parinaud-Syndrom in der Regel nicht mehr möglich, sodass es zu deutlichen Einschränkungen im Alltag des Betroffenen kommt. In vielen Fällen kommt es durch das Parinaud-Syndrom auch zu einem deutlich erhöhten Druck im Gehirn. Durch diesen kommt es nicht selten zu starken Kopfschmerzen oder zu unangenehmen Druckgefühlen im Kopf und in den Ohren.

Die Behandlung des Parinaud-Syndroms richtet sich nach der Grunderkrankung, wobei es allerdings nicht in jedem Falle zu einem positiven Krankheitsverlauf kommt. Ohne Behandlung kann es auch zu einer Entzündung der Hirnhaut kommen, die für den Betroffenen tödlich verlaufen kann. Eventuell wird durch das Parinaud-Syndrom auch die Lebenserwartung des Patienten verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Parinaud-Syndrom ist ein seltenes Leiden, das unter anderem im Zusammenhang mit Parkinson auftritt. Menschen, die an einer Erkrankung des Nervensystems leiden, sollten den Arzt einschalten, wenn die typische Blicklähmung nach oben oder unten auftritt. Ein reduzierter Pupillenreflex sowie Nystagmus sind Begleitsymptome, die untersucht werden müssen. Selbiges gilt für eine erweiterte Pupille oder ungewöhnliche Augenbewegungen wie Schielen oder Exophorie. Besonders gefährdet sind Menschen, die an Multiple Sklerose, Parkinson, Enzephalitis oder einer neurologischen Störung leiden.

Auch im Zusammenhang mit einem Hirntumor oder einem Hirninfarkt kommt es gehäuft zum Parinaud-Syndrom. Personen, die genannte Symptome bemerken und gleichzeitig unter einer dieser Erkrankungen leiden, sollten umgehend mit dem zuständigen Arzt sprechen. Je nach ursächlicher Erkrankung ist entweder der Neurologe, der Allgemeinarzt oder ein Internist zuständig. Auch Onkologen und Psychologen können in die Behandlung einbezogen werden. Das Parinaud-Syndrom wird abhängig von der Ursache behandelt und bedarf meist einer medikamentösen Behandlung. Augentraining sowie eine spezielle Brille können die Therapie unterstützen.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung des Parinaud-Syndroms richtet sich nach der ursächlichen Erkrankung. Ein Pinealistumor muss zum Beispiel operativ entfernt werden. Falls sich im Rahmen dieser Erkrankung Liquor aufgestaut wird, ist zuerst eine Regulierung des erhöhten Hirndrucks notwendig. Vor der Operation wird dazu Liquor abgelassen. Dieses Ziel erreicht der Arzt zum Beispiel im Rahmen einer endoskopischen Ventrikulozisternostomie, bei der der dritte Hirnventrikel am Boden geöffnet wird.

Danach führt der Arzt vor allem bei Karzinomen, Chorionkarzinomen und Teratomen bevorzugt eine mikrochirurgische Entfernung des Tumors durch. Das umliegende Gewebe muss bei diesem Eingriff so gut wie möglich geschont werden. Bei einem bösartigen Tumor muss darauf geachtet werden, dass Tumorzellen bei der Operation nicht in andere Gewebeteile vertragen werden. Beim Germinoma findet keine Operation, sondern eine primäre Bestrahlung statt.

Bei anderen bösartigen Tumoren werden der Kopf und die Wirbelsäule nach der mikrochirurgischen Entfernung des Tumors bestrahlt, um eine Metastasierung durch das Hirnwasser zu vermeiden. Bei entzündlichen Ursachen wird dem Patienten intravenös in der Regel Kortison gegeben. Falls Multiple Sklerose als Ursache vermutet wird, schließt sich an die Akut-Behandlung mit Kortison in der Regel eine Dauerbehandlung mit immunsuppressiven Medikamenten an.

Bei Gehirnhautentzündungen durch Bakterien wird in der Akut-Phase statt Kortison Antibiotikum verabreicht. Abhängig von den begleitenden Symptomen kann die Behandlung des Parinaud-Syndroms unter Umständen variieren.


Aussicht & Prognose

Die Aussicht und Prognose des Parinaud-Syndroms hängt von der ursächlichen Erkrankung ab. Bei einem schweren Verlauf kommt es zu beidseitigen Schädigungen der Augen und schließlich zur Erblindung. Schwere Verläufe sind etwa infolge von Hirntumoren, Hirninfarkt oder Multiple Sklerose zu erwarten.

Besser ist die Prognose, wenn dem Parinaud-Syndrom ein gesteigerter Hirndruck zugrunde liegt. Wird dieser frühzeitig behandelt, ist eine Genesung wahrscheinlich. Auch Aquäduktstenosen und die Enzephalitis bieten bei rascher Behandlung eine gute Prognose. Die Lebenserwartung kann durch das Parinaud-Syndrom eingeschränkt sein. Viele Patienten versterben frühzeitig an den Begleiterscheinungen der ursächlichen Erkrankung.

Das Parinaud-Syndrom selbst wirkt sich nicht negativ auf die Lebenserwartung aus. Die Lebensqualität ist durch das eingeschränkte Sehvermögen und die Begleiterscheinungen jedoch eingeschränkt. Die Aussicht und Prognose stellt der zuständige Facharzt. Meist ist ein Internist oder Neurologe zuständig. Das Parinaud-Syndrom selbst wird im Rahmen der Grunderkrankung bewertet und die Prognose muss entsprechend an den Verlauf der Erkrankung angepasst werden. Die vertikale Blicklähmung kann zu Unfällen und Stürzen im Alltag führen. In der Regel sind die Betroffenen auf Hilfe angewiesen und können auch ihren Beruf nicht mehr wie zuvor ausüben.

Vorbeugung

Gegen manche Hirnentzündungen durch Infektion sind Impfstoffe verfügbar. Schlaganfällen lässt sich durch eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und den Verzicht auf Zigaretten und Alkohol vorbeugen. Der multiplen Sklerose lässt sich dagegen nicht vorbeugen, da die Ursachen für diese Erkrankung bislang unklar sind. Auch Mittelhirntumore lassen sich kaum vorbeugen.

Nachsorge

In den meisten Fällen stehen Betroffenen beim Parinaud-Syndrom nur eingeschränkte und wenige Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Da es sich um eine Lähmung der Augen handelt, die in der Regel nicht mehr vollständig behandelt werden kann, sind Betroffene in erster Linie auf ein frühzeitige und schnelle Diagnose der Erkrankung angewiesen. Nur so ist es möglich, weiteren Komplikationen oder anderen Beschwerden vorzubeugen.

Je früher ein Arzt kontaktiert wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung. Betroffene sind auf verschiedene Eingriffe angewiesen, um den Tumor zu entfernen, welcher für diese Erkrankung verantwortlich ist. Dabei sollte sich Betroffene nach einem solchen Eingriff auf jeden Fall schonen und sich ausruhen.

Von Anstrengungen ist dabei abzusehen. Ebenso sind regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt sehr wichtig, um weitere Tumore schon früh zu erkennen. Bei der Einnahme von Antibiotika ist immer auf eine regelmäßige Einnahme und auch auf die richtige Dosierung zu achten. Diese sollten auch nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden. In vielen Fällen verringert das Parinaud-Syndrom die Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Kinder und Jugendliche, die am Parinaud-Syndrom erkrankt sind, leiden meist an bleibenden Schäden. Das Ausmaß der Sehstörung kann eingegrenzt werden, indem umgehend ein Arzt konsultiert wird.

Nach der Diagnose muss sichergestellt werden, dass sich das Auge gut erholen kann. Dies gelingt, indem eine spezielle Brille getragen wird, die den Blick korrigiert. Bei einigen Patienten helfen Sehübungen, wie sie auch bei der Behandlung von Schielen zum Einsatz kommen. Die betroffenen Kinder sollten unter Beobachtung der Eltern bleiben, damit es nicht zu einem Unfall oder Sturz kommt. Bei chronischen Beschwerden müssen Umbauten im Haushalt vorgenommen werden. Da das Kind nicht richtig sehen kann, müssen die Treppen gesichert werden. Bei einem leicht ausgeprägten Parinaud-Sydnrom genügt es, dem Kind in den ersten Monaten bei alltäglichen Aufgaben zu helfen. Nach einiger Zeit können Tätigkeiten wie Radfahren oder Treppensteigen auch alleine durchgeführt werden.

Das Parinaud-Syndrom muss darüber hinaus nicht weiter behandelt werden. Die Erkrankten können mit der notwendigen Unterstützung ein normales Leben führen, ohne dass weitere Therapiemaßnahmen vonnöten sind. Sollten die Beschwerden allerdings zunehmen, muss der zuständige Augenarzt konsultiert werden.

Quellen

  • Augustin, A.J.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2007
  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014

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