Kongenitale Spondyloepiphysäre Dysplasie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Kongenitale Spondyloepiphysäre Dysplasie bedeutet ins Deutsche übersetzt in etwa „angeborene Missbildung der langen Röhrenknochen und Wirbelkörper“ und beschreibt eine Form des Zwergenwuchses, der genetisch bedingt ist. Weitere Synonyme für die kongenitale Spondyloepiphysäre Dsyplasie sind SEDC und SED kongenitaler Typ. Die Erstbeschreibung der Erkrankung erfolgte durch die deutschen Kinderärzte Jürgen W. Spranger und Hans-Rudolf Wiedemann im Jahre 1966. Man bezeichnet die SEDC deswegen auch als SED Typ Spranger-Wiedemann.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Kongenitale Spondyloepiphysäre Dysplasie?

Die Kongenitale Spondyloepiphysäre Dysplasie ist eine Skelettdysplasie und definiert sich durch eine abnorme Entwicklung der Wirbelkörper und der Epiphyse der langen Röhrenknochen. Sie stellt eine seltene Form der SED dar und wird autosomal-dominat vererbt.

Ursachen

Ursächlich für die Erkrankung ist eine Mutation im COL2A1- Gen, das für die Kodierung des Proteins Kollagen Typ II zuständig ist. Durch die Mutation wird eine inkorrekte Substitution der zuständigen Aminosäure ausgelöst, was zu dem vorliegenden Krankheitsbild führt.

Die Mutation wird autosomal-dominant vererbt. Es reicht also ein betroffenes Allel um eine kongenitale SED auszulösen. Eine Weitergabe an die Nachkommen liegt bei einem heterozygot, also mit einem Allel, betroffenen Elternteil bei 50 Prozent. Bei zwei heterozygot betroffenen Elternteilen bei 75 Prozent. Bei einem oder beiden homozygot betroffenen Elternteilen liegt eine Weitergabe der Erkrankung bei 100 Prozent.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Menschen mit einer kongenitalen spondyloepiphysealen Dysplasie sind von Geburt an kleinwüchsig.
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Kollagen Typ II ist ein wichtiges Strukturprotein für den hyalinen und elastischen Knorpel bei Säugetieren und eine Mutation hat deswegen eine umfassende Symptomatik zur Folge. Die orthopädische Symptomatik steht zunächst im Vordergrund:

Menschen mit einer kongenitalen spondyloepiphysealen Dysplasie sind von Geburt an kleinwüchsig. Auffällig sind vor allem der verkürzte Oberkörper und die kurzen Gliedmaßen. Hände, Füße und Gesicht weisen hingegen keine auffälligen Wachstumsstörungen auf. Das Rückgrat hat in Bezug zu den Oberschenkelknochen betrachtet, eine normale Größe.

Menschen mit einer kongenitalen SED werden 0,9 bis 1,4 Meter groß. Eine pathologische Krümmung der Wirbelsäule besteht und entwickelt sich vom anfänglichen Hohlkreuz (Hyperlordose) zu einem Rundrücken (Kyphose) und/oder einer seitlichen Verdrehung (Seitabweichung/Skoliose) der Wirbelsäule. Eine Verflachung der Wirbelknochen und andere Deformationen insbesondere im Nackenbereich erhöhen das Risiko einer Rückenmarksschädigung.

Weitere orthopädische Missbildungen wie die coxa vara, eine Fehlstellung des Oberschenkelknochens oder der Klumpfuß sind ebenfalls häufig vorhanden. Eine abnehmende Mobilität der Gliedmaßen entwickelt sich sehr häufig bereits in früher Kindheit. Hinzu kommen oft arthritische Beschwerden.

Eine Deformation der Gesichtsknochen ist nicht bestätigt, die Wangenknochen werden jedoch häufig als verflacht beschrieben. Diese Beobachtung konnte durch Statistiken jedoch nicht fundiert werden. Eine Instabilität des Dens axis, dem Dorn des zweiten Halswirbels kann auftreten und weiterhin auch extraskelettale Beschwerden auslösen.

Sie kann nach der Geburt als auch im weiteren Verlauf der Kindheit zu respiratorischen Störungen führen, die sich in kurzen Atempausen bis hin zum Atemstillstand manifestieren. Kollagen TypII wird neben dem Knochenbau auch im Glaskörper des Auges benötigt, weswegen hier ebenfalls häufig Beschwerden vorliegen.

Kurzsichtigkeit (Myopie) und Netzhautablösung (Ablatio retinae) sind deshalb weitere Folgen der COL2A1- Mutation. Es besteht zudem häufig ein erhöhter Augenabstand (Hypertelorismus).Ein weiterer betroffener Bereich ist das Innenohr, weshalb die Betroffenen zur Schwerhörigkeit neigen. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Durch die Mutation sind die Erkrankten also nicht nur orthopädisch, sondern auch extraskelettal betroffen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose erfolgt über eine humangenetische Untersuchung. Durch eine gezielte Mutationssuche im COL2A1-Gen kann eine labortechnische Untersuchung den Verdacht bestätigen. Es werden aus der genomischen DNA alle 54 Exons des COL2A1-Gens einschließlich der Spleißstellen sequenziert. Eine schriftliche Einwilligungserklärung für dieses Verfahren ist hierfür vom Patienten beziehungsweise von den Eltern des Patienten erforderlich, da die Richtlinien des Gendiagnostikgesetzes gelten.

Komplikationen

Bei dieser Krankheit kommt es zu verschiedenen Fehlbildungen und Missbildungen am Körper des Patienten. Die Patienten leiden dabei an einem starken Kleinwuchs und ebenfalls an Wachstumsstörungen der anderen Körperregionen. Ebenso kann es zu Fehlbildungen im Gesicht oder an den Händen und Ohren kommen. Auch der Rücken ist stark gekrümmt und es kommt zu einem sogenannten Klumpfuß.

Die Lebensqualität des Betroffenen wird durch diese Krankheit erheblich eingeschränkt und verringert. Ebenso können die Fehlbildungen im Gesicht zu starken Minderwertigkeitskomplexen oder zu einem verringerten Selbstwertgefühl führen. Ebenso leiden viele Patienten nicht selten an Atembeschwerden, wobei es im schlimmsten Falle zu einem vollständigen Atemstillstand kommen kann.

Auch die Augen sind von dieser Krankheit betroffen, sodass es zu Sehbeschwerden oder zu einer vollständigen Erblindung kommt. Ebenfalls sind die Ohren von einer Schwerhörigkeit betroffen. Oft können die Betroffenen den Alltag nicht mehr alleine meistern und sind dabei auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.

Die Behandlung kann mit Hilfe von Therapien oder durch verschiedene Eingriffe ausgeführt werden. Dabei können allerdings nicht alle Beschwerden gelindert werden. Gegebenenfalls ist die Lebenserwartung des Betroffenen verringert. Weiterhin benötigen nicht selten auch die Eltern der Patienten eine psychologische Betreuung.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine KSD ist erblich bedingt und wird deshalb meist direkt nach der Geburt festgestellt. Eltern, die bei ihrem Kind Kleinwuchs, Wachstumsstörungen oder Fehlhaltungen bemerken, sollten den Kinderarzt einschalten. Auch arthritische Beschwerden oder ein allgemeines Krankheitsgefühl sind deutliche Warnzeichen, die bestenfalls sofort abgeklärt werden. Die Behandlung findet meist in einer Fachklinik statt und umfasst verschiedene medikamentöse und chirurgische Maßnahmen. Während der Behandlung muss der Patient engmaschig von einem Arzt überwacht und regelmäßig untersucht werden. Erfolgt keine ärztliche Behandlung, nimmt die KSD einen schwerwiegenden Verlauf.

Um zu verhindern, dass die Fehlstellungen und Organstörungen die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, muss die Krankheit frühzeitig behandelt werden. Wenn im späteren Leben Symptome einer kongenitalen spondyloepiphysären Dysplasie auftreten, empfiehlt sich ein Arztbesuch. Dann liegt womöglich nur eine leicht ausgeprägte KSD zugrunde, die allerdings ebenfalls ärztlich zu behandeln ist. Der richtige Ansprechpartner ist der Hausarzt, ein Orthopäde und verschiedene Internisten. Die einzelnen Symptome werden von Logopäden, Ohren- und Augenärzten sowie Therapeuten behandelt.

Behandlung & Therapie

Die orthopädische Problematik stellt bei den Erkrankten das Hauptaugenmerk der Behandlung dar. Regelmäßige Trainingseinheiten in Form von Krankengymnastik zur Stabilisierung der Wirbelsäule werden empfohlen. Die weiteren extraskelettalen Symptome sind ebenfalls nicht zu vernachlässigen, da diese gravierende Folgeschäden verursachen können.

Gerade da im zeitlichen Verlauf eine Verschlechterung der extraskelettalen Symptomatik zu erwarten ist, sind regelmäßige augenärztliche und HNO-ärztliche Kontrolluntersuchungen ein wichtiger Bestandteil der Betreuung von Kindern mit SEDC. Eine HWS-Röntgenaufnahme zur Überprüfung beziehungsweise Ausschließung des Verdachts einer SED ist innerhalb der ersten sechs Lebensmonate des Säuglings dringend notwendig.

Weiterhin werden Funktionsaufnahmen, insbesondere ein MRT des kraniozervikalen Übergangs, also dem Übergang von den oberen Halswirbeln zum Schädel empfohlen. Bei einer Not- und Unfalloperation sollte insbesondere der Anästhesist über eine mögliche atlantoaxiale Instabilität, also eine Instabilität zwischen den ersten beiden Halswirbeln Atlas und Axis, frühstmöglich aufgeklärt werden. Da es gerade bei der Intubation von kongenitalen SED- Patienten zu schweren Komplikationen kommen kann, ist eine Absprache im Vorfeld unerlässlich.


Aussicht & Prognose

Die kongenitale spondyloepiphysäre Dysplasie zeichnet sich durch eine ungünstige Prognose aus. Die Erkrankung entwickelt sich aufgrund einer Genmutation im Entstehungsprozess des Menschen. Rechtliche Vorgaben verhindern, dass Ärzte und Mediziner das Genmaterial des menschlichen Organismus verändern dürfen. Daher liegt das Hauptaugenmerk der Forscher auf der Entwicklung von Behandlungsmethoden, die zu einer Linderung der Symptome führen. Die Fehlbildungen werden von Ärzten in operativen Eingriffen bestmöglich korrigiert. Trotz aller Bemühungen und mehrfacher Korrekturen kann kein natürlicher Gesundheitszustand des Patienten erreicht werden.

Ziel ist es, Beschwerden zu lindern und eine optimale Funktionsfähigkeit des Körpers herzustellen. Jede Operation ist mit verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Diese sind bei der Stellung einer Prognose zu berücksichtigen. Darüber hinaus führt die Dysplasie bei vielen Menschen zu einer starken emotionalen Belastung. Bei einem ungünstigen Krankheitsverlauf kann es zur Entwicklung von psychischen Erkrankungen kommen. Diese verschlechtern die Lebensqualität sowie den allgemeinen Gesundheitszustand des Betroffenen um ein weiteres.

Die Symptome der Dysplasie sind bei jedem Patienten in einer anderen Intensität ausgeprägt. Je mehr Beschwerden auftreten, desto schlechter fällt die Prognose aus. Darüber hinaus kann in schweren Fällen ein Atemstillstand und damit ein vorzeitiges Ableben des Patienten eintreten. Bei einer vollständigen Erblindung sind die Betroffenen auf die tägliche Unterstützung anderer Menschen angewiesen.

Vorbeugung

Da es im Laufe der Erkrankung zu erheblichen orthopädischen Beschwerden kommt, ist eine regelmäßige ärztliche Behandlung unerlässlich. Insbesondere der häufig auftretenden starken Fehlstellung der Wirbelsäule kann mit einer kompetenten Krankengymnastik häufig entgegen gewirkt werden.

Eine Anleitung zur Selbsthilfe, also zu den regelmäßigen und richtigen gymnastischen Übungen, ist unabdingbar für ein selbstbestimmtes Leben der Erkrankten. Bei weiteren Behandlungsfeldern wie der Schwerhörigkeit und der Kurzsichtigkeit ist das Ausmaß der Erkrankung sehr unterschiedlich. Daher muss bei den Betroffenen individuell abgewogen werden, inwiefern eine kontinuierliche Behandlung lohnenswert beziehungsweise lebenseinschränkend für den Patienten ist.

Nachsorge

Betroffenen stehen bei dieser Krankheit in den meisten Fällen entweder gar keine oder nur sehr wenige Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. In erster Linie sollte bei dieser Krankheit schon früh ein Arzt aufgesucht und eine Diagnose durchgeführt werden, da es dabei auch nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen kann. Im Fall eines Kinderwunsches kann auch eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um das erneute Auftreten der Krankheit zu verhindern.

Eine vollständige Heilung ist allerdings nicht möglich. Die meisten Betroffenen sind aufgrund der Erkrankung auf die Maßnahmen einer Physiotherapie oder einer Krankengymnastik angewiesen. Dabei können auch viele der Übungen im eigenen Zuhause wiederholt werden, wodurch die Behandlung beschleunigt wird.

Dabei sind auch regelmäßige Kontrollen durch einen Arzt sehr sinnvoll und wichtig, um andere Schäden frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Dabei sind einige Betroffene in ihrem Alltag auch auf die Hilfe und die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen, wobei sich auch liebevolle Gespräche positiv auf den Verlauf der Krankheit und auch auf den psychischen Zustand des Betroffenen auswirken können. In der Regel ist die Lebenserwartung des Betroffenen durch diese Erkrankung nicht verringert.

Das können Sie selbst tun

Die Patienten mit Kongenitaler Spondyloepiphysärer Dysplasie entwickeln zusammen mit den behandelnden Ärzten einen Plan zur Selbsthilfe im Alltag. Die Patienten leiden bedingt durch den Kleinwuchs an Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit, sodass bestimmte alltägliche Aktivitäten nur mit Schwierigkeiten ausführbar sind. Die Wohnung der Patienten lässt sich entsprechend der Bedürfnisse und Anforderungen der Erkrankten umbauen, sodass die Betroffenen wenigstens zu Hause nicht unter starken Bewegungseinschränkungen leiden.

Durch die Fehlbildungen der Wirbelsäule und der damit einhergehenden Belastung des Rückens ist es enorm wichtig, dass Betroffene regelmäßig krankengymnastische Übungen mit einem Physiotherapeuten ausführen. Bestimmte Trainingseinheiten sind auch zu Hause durchführbar, wenn dies vom Patienten gewünscht ist. Dadurch kräftigt der Betroffene die Muskulatur und wirkt bestenfalls einem weiteren Abbau der Bewegungsfähigkeit entgegen.

Patienten finden sich regelmäßig zu ärztlichen Routineuntersuchungen ein, auch wenn keine neuen Beschwerden auftreten. Denn die Betroffenen sind prädestiniert für Augenerkrankungen und Schwerhörigkeit. Auch die Atemwege sind unter Umständen von der Kongenitalen Spondyloepiphysären Dysplasie beeinträchtigt, sodass Kontrollen notwendig sind. Einige Patienten leiden unter Minderwertigkeitskomplexen, die von einem Psychologen zu betreuen sind. Auch die Eltern benötigen in manchen Fällen psychotherapeutische Behandlungen.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014
  • Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015

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