Minderwertigkeitskomplexe

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Begriff Minderwertigkeitskomplex wurde von Alfred Adler aus der Literatur übernommen und beschreibt heute ernst zu nehmende psychische Probleme. Leider häufig als Vorurteil genutzt, sind Komplexe eine psychische Störung, bei der sich der Betroffene minderwertig und unzureichend fühlt. Die Therapie erfolgt mit psychotherapeutischer Intervention.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Minderwertigkeitskomplexe?

Mit Minderwertigkeitsgefühlen belastete Personen leiden parallel unter einem negativen Selbstbild. Eine Therapie erfolgt mit psychotherapeutischer Intervention.

Mit Minderwertigkeitsgefühlen belastete Personen leiden parallel unter einem negativen Selbstbild. Ihre Leistungen und Erfolge scheinen ihnen nie genug zu sein, denn sie stellen unerfüllbare Ansprüche an sich.

Betroffene neigen zum Perfektionismus, hängen sich an vermeintlichen charakterlichen Schwächen auf und reagieren depressiv, wenn ihr Tun nicht ihren hohen Forderungen an sich selbst genügt. Dies spornt sie zu immer neuen, immer extremeren Höchstleistungen an, die jedoch einhergehen mit psychischen und physischen Erkrankungen.

Viele Betroffene sind suizidgefährdet und leiden unter geschlechtsabhängigen Symptomen wie Aggressivität bei Kritik, Essstörungen und Süchten. Wer an Minderwertigkeitskomplexen leidet, zieht sich häufig in sich selbst zurück, um die Konfrontation mit Anderen zu vermeiden.Ein Mangel an sozialen Kontakten und Einsamkeit sind die Folgen und verstärken die Minderwertigkeitskomplexe weiter.

Ursachen

Die Ursachen für Minderwertigkeitskomplexe sind, wie bei allen psychischen Störungen, in der Kindheit zu suchen.

Betroffene litten, so die Forschungsergebnisse von Sigmund Freud, von klein auf unter mangelnder elterlicher Liebe und Fürsorge und unzureichender Anerkennung ihrer Leistungen. Laut Freud sind typische elterliche Fehler wie ausbleibendes Stillen, zu wenig Zeit für das Kind und ausbleibende empathische Unterstützung die Ursachen der Minderwertigkeitskomplexe. Betroffene wurden als Kinder häufig kritisiert und nur selten gelobt.

Paul Häberlin ergänzt Freuds Theorien um die Aussage, dass auch eine zu starke Verwöhnung der Kinder spätere Minderwertigkeitskomplexe begünstigen. Denn bliebe die Verwöhnung aus, so sei das Kind und der Erwachsene später stets auf der Suche nach dieser, in gesunden Beziehungen unmöglichen, Anerkennung.

Noch im Erwachsenenalter und trotz häufig beachtlichen Karrieren suchen die Betroffenen beider Ursachen beständig Anerkennung und können Erfolge nicht genießen. Ihre beständige Unsicherheit und die fast schon zwangartige Angewohnheit, sich bei allem Tun mit anderen zu vergleichen, machen Betroffene zu depressiven Außenseitern.


Krankheiten mit diesem Symptom

Diagnose & Verlauf

Wichtig ist die Unterscheidung normaler Zweifel an den eigenen Leistungen von einem übersteigert negativen Selbstbild und krankhaften Minderwertigkeitskomplexen.

Die Diagnose pathologischer Minderwertigkeitskomplexe kann nur erfolgen, wenn der Betroffene sich selbst Hilfe sucht. Ein Besuch bei einem Psychologen oder in einer psychiatrischen Ambulanz mit der Bitte um Hilfe gibt Aufschluss über ein Vorliegen einer psychischen Auffälligkeit und den Schweregrad der Minderwertigkeitskomplexe.

Die professionelle Diagnose der Minderwertigkeitsgefühle erfolgt in einer oder zwei mehrstündigen Sitzungen mit der Ausfüllung standardisierter Fragebögen und mehreren Gesprächen mit Psychiatern oder Psychotherapeuten. Anhand der so festgestellten Ergebnisse wird eine Therapie eingeleitet.

In manchen Fällen sind Minderwertigkeitskomplexe Symptom einer Persönlichkeitsstörung wie beispielsweise Borderline. Treten Minderwertigkeitskomplexe als eigenständige Probleme auf, so versprechen Selbsthilfe und Psychotherapie gute Aussichten.

Komplikationen

Minderwertigkeitsgefühle können mit verschiedenen psychischen Störungen einhergehen oder sich zu größeren Problemen entwickeln, wenn sie nicht behandelt werden. Möglich ist zum Beispiel, dass aus den Minderwertigkeitsgefühlen eine soziale Angst wird. Menschen mit Bewertungsangst befürchten, von anderen Personen schlecht beurteilt zu werden. Selbst wenn sie wissen, dass diese Angst übertrieben oder unbegründet ist, können sie sich oft nicht davon lösen.

Soziale Ängste führen häufig dazu, dass Betroffene sich zurückziehen und Situationen vermeiden, in denen andere sie bewerten könnten. Gefühle von Wertlosigkeit oder Schuld können darüber hinaus die Leistungsfähigkeit im Beruf, in der Schule oder generell vor anderen Menschen beeinträchtigen. In einigen Fällen kann die Leistung lediglich im entscheidenden Moment (zum Beispiel in einer Prüfung) nicht abgerufen werden, obwohl die Person in anderen Situationen durchaus in der Lage ist, die entsprechende Leistung zu erbringen.

Auch andere psychische Störungen sind infolge von Minderwertigkeitsgefühlen oder als ihre Ursache möglich. Dazu gehören unter anderem die depressiven Störungen sowie verschiedene Persönlichkeitsstörungen. Hier sind ggf. weitere Komplikationen wie Antriebslosigkeit oder Suizidalität möglich.

Personen mit Minderwertigkeitsgefühlen empfinden sich selbst oder ihre Probleme zum Teil als zu unwichtig. Für Betroffene ist es deshalb wichtig, die eigenen Probleme und Beschwerden ernst zu nehmen sich zu erlauben, einen Arzt oder Therapeuten darauf anzusprechen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei Minderwertigkeitskomplexen ist es schwierig vorauszusagen, wann eine medizinische Behandlung notwendig ist. Oft können Außenstehende und Freunde des Betroffenen die Situation gut beurteilen und dem Patienten einen Rat geben. Falls die Minderwertigkeitskomplexe vor allem im Teenager-Alter auftreten und mit der Pubertät zusammenhängen, ist in der Regel kein Besuch beim Doktor notwendig. In diesem Alter ist es gewöhnlich, dass Jugendliche an Minderwertigkeitskomplexen leiden. Falls sich diese in Grenzen halten und zum Beispiel mit einer schlechten Haut zusammenhängen, wird keine ärztliche Behandlung benötigt.

Ein Arzt sollte bei Minderwertigkeitskomplexen dann aufgesucht werden, wenn es aufgrund der Krankheit zu starken Einschränkungen im Leben kommt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich der Patient aufgrund der Minderwertigkeitskomplexe zurückzieht und nicht mehr an sozialen Treffen teilnimmt. Auch bei psychischen Beschwerden oder Depressionen ist eine Behandlung durch einen Psychologen notwendig, um die Minderwertigkeitskomplexe zu behandeln.

Eine dringende ärztliche Behandlung ist dann erforderlich, wenn sich der Patient selbst Schmerzen hinzufügt. Ein selbstverletzendes Verhalten kann zu schwerwiegenden Folgen führen und sollte daher schnellstmöglich behandelt werden. Bei einer allgemeinen Unzufriedenheit lohnt sich in der Regel der Besuch beim Arzt, um die Ursache der Minderwertigkeitskomplexe herauszufinden und zu behandeln.

Behandlung & Therapie

Die Säulen der Behandlung von Minderwertigkeitskomplexen sind Psychotherapie und Selbsthilfe.

Die Selbsthilfe besteht im Austausch mit anderen Betroffenen und der Zu-Rate-Ziehung einer Vertrauensperson, die neutrale und objektive Einschätzungen zu den beruflichen Leistungen geben könnte. Eine Aussage über die Leistung der Betroffenen sollte neutral und gut begründet sein.

Da die Patienten zumeist Probleme damit haben, Andere um eine Einschätzung ihrer Leistungen zu bitten und die Objektivität dieser Aussage anzunehmen, sollten vor diesem Schritt erste psychotherapeutische Gespräche stehen.

Bei Minderwertigkeitskomplexen ist eine Verhaltenstherapie meist die beste Wahl. Zunächst werden die Ursachen ergründet und in einem langsamen Denkprozess realistisch hinterfragt. Im Anschluss stehen Aufgaben, um ein neues Verhalten zu erlernen und das Erlernte im Alltag zu erleben. Ziel der Psychotherapie ist der Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins.

Aussicht & Prognose

Minderwertigkeitskomplexe ohne fremde Hilfe zu überwinden, ist schwierig, aber nicht unmöglich. In der Regel sind sie auf Erziehungsfehler in der frühen Kindheit zurückzuführen. Ist der Leidensdruck sehr stark, sollte die Hilfe eines Psychotherapeuten in Anspruch genommen werden.

Dennoch können Betroffene lernen, besser mit ihrem geringen Selbstwertgefühl umzugehen. Am leichtesten können Minderwertigkeitskomplexe überwunden werden, wenn sich Leidende ihren Ängsten stellen. Diese Methode wird auch in der Konfrontationstherapie angewendet. Das Gefühl des eigenen Wertes lässt sich mit psychologischen Tricks steigern. Positive Affirmationen, also regelmäßig aufgesagte, positive Glaubenssätze, helfen bei der Überwindung und machen zufriedener. Durch stetige Wiederholung werden diese Sätze im Unterbewusstsein fest verankert. Das Aufsagen kann durch Aufschreiben in ein Tagebuch unterstützt werden.

Es ist hilfreich zu wissen, dass kein Mensch von Geburt an einen bestimmten Wert hat. Sich mit anderen zu vergleichen, führt in der Regel in eine Negativspirale. Ein Pessimist findet immer etwas an sich auszusetzen. Wer solche Gedanken grundsätzlich unterlässt, lebt leichter und freier. Minderwertigkeitskomplexe und der Hang zum Perfektionismus treten häufig gemeinsam auf. Wer auch einmal Fehler zulässt und auf vermeintlich selbst verursachte Hindernisse nicht sofort mit Rückzug reagiert, kann sich von vielen Problemen befreien.

Gehen Minderwertigkeitsgefühle mit einer psychischen Krankheit einher, müssen sie jedoch ärztlich behandelt werden.


Vorbeugung

Eltern schützen ihre Kinder vor Minderwertigkeitskomplexen, indem sie ihnen ein gesundes Selbstbewusstsein vermitteln, im Umgang mit ihnen liebevoll sind und ihre Gefühle ernst nehmen. Ein gesundes Maß an Lob und Kritik sind die Schlüssel zu einer gesunden Psyche.

Das können Sie selbst tun

Bei Minderwertigkeitskomplexen muss nicht sofort ein Psychologe aufgesucht werden. In den meisten Fällen helfen klärende Gespräche mit den eigenen Freunden, der Familie oder mit einer anderen vertrauten Person. Der Betroffene darf sich auf keinen Fall einschließen und sollte offen und ehrlich über sein Problem berichten. Hier können auch Selbsthilfegruppen aufgesucht werden, die die Minderwertigkeitskomplexe behandeln können.

Der Betroffene sollte keine Tätigkeiten mehr ausführen, die zu den Minderwertigkeitskomplexen führen. Dazu gehört zum Beispiel das Ansehen von Sendungen im Fernsehen, in welchen unechte Wunschmaße präsentiert werden. Diese wirken sich besonders auf Kinder und Jugendliche negativ aus und können zu falschen Vorstellungen führen. Ebenso sollte der Kontakt zu den Menschen unterbrochen werden, welche zu den Minderwertigkeitskomplexen beigetragen haben.

In vielen Fällen helfen Bücher und der Austausch von Erfahrungen, um das Symptom zu beseitigen. Ebenso ist es immer hilfreich, sich an einem gesunden Lebensrhythmus zu orientieren. Dazu gehören vor allem eine gesunde Ernährung und viele sportliche Betätigungen. Der Austausch an Erfahrungen kann auch anonym im Internet erfolgen und kann ebenso dazu beitragen, die Minderwertigkeitskomplexe zu lösen. Erwachsene sollten Kindern immer ein vernünftiges Selbstwertgefühl beibringen und diese damit vor den Minderwertigkeitskomplexen schützen.

Quellen

  • Davison, G.C., Neale, J.M., Hautzinger, M.: Klinische Psychologie. Beltz PVU, München 2007
  • Gleixner, C., Müller, M., Wirth, S.: Neurologie und Psychiatrie. Für Studium und Praxis 2015/16. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2015
  • Klingelhöfer, J., Rentrop, M.: Klinikleitfaden Neurologie und Psychiatrie. Urban & Fischer, München 2009

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