KGB-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei dem KGB-Syndrom , das auch als Hermann-Pallister-Syndrom bekannt ist, handelt es sich um eine sehr selten auftretende Erberkrankung, die sämtliche Körpersysteme erfasst. Charakteristisch für die genetische Erkrankung sind ungewöhnliche Gesichtszüge, Skelettanomalien und eine verzögerte Entwicklung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das KGB-Syndrom?

Grundsätzlich beruht das KGB-Syndrom auf einer Mutation am Gen ANKRD11, das sich am Chromosom 16 befindet. Das Protein, das aus diesem Gen hergestellt wird, ermöglicht die Interaktion anderer Proteine untereinander.
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Die Bezeichnung KGB-Syndrom geht auf die Anfangsbuchstaben der Familiennamen der ersten Patienten mit dieser Erkrankung zurück, die 1975 von Jürgen Herrmann, Philip David Pallister und John Marius Opitz in der medizinischen Literatur beschrieben wurden. Das KGB-Syndrom gehört zu den seltenen genetischen Erkrankungen. Bislang wurde es mehr als 200 Personen beschrieben.

Aus noch unbekannten Gründen ist die Krankheit bei männlichen Patienten prävalent. Mediziner nehmen an, dass die Diagnose aufgrund der leichten Verlaufsformen selten gestellt wird und die Symptome anderen Erkrankungen zugeordnet werden. Zu den typischen Merkmalen gehören vor allem die faszialen und cost-vertebralen Dysmorphien. Die Diagnose wird klinisch gestellt.

Ursachen

Grundsätzlich beruht das KGB-Syndrom auf einer Mutation am Gen ANKRD11, das sich am Chromosom 16 befindet. Das Protein, das aus diesem Gen hergestellt wird, ermöglicht die Interaktion anderer Proteine untereinander. Es kommt unter anderem in den Neuronen im Gehirn vor. Neben der Entwicklung des Gehirns, ist es auch an den Lernprozessen und Gedächtnisvorgängen beteiligt.

Daneben kann es aber auch in anderen Zellen aktiv werden, wo es unter anderem an der normalen Knochenentwicklung mitwirkt. Die Mutationen am ANKRD11-Gen führen zu einem außergewöhnlich kurzen Protein, das seine Funktion kaum oder gar nicht erfüllen kann. Die Verminderung der Wirkung des Proteins liegt damit den Symptomen des KGB-Syndroms zugrunde. Das KGB-Syndrom wird in Form eines autosomal-dominanten Musters vererbt.

Manche Fälle deuten auf eine direkte Vererbung von einem Elternteil, wobei es sich dabei meistens um die Mutter handelt, hin. In anderen hingegen scheint sich die Mutation spontan gebildet zu haben, wodurch auch jene Personen betroffen waren, deren familiäre Krankheitsgeschichte keine Hinweise auf genetische Störungen enthielt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eines der charakteristischen Merkmale des KGB-Syndroms stellen die außergewöhnlich großen oberen mittleren Schneidezähne dar (Makrodontie). Zu den weiteren Gesichtsdysmorphien zählt ein breiter, kurzer Schädel mit einer dreieckigen Gesichtsform und einer hohen Nasenbrücke. Die Augen liegen weit auseinander und werden von buschigen, oft zusammengewachsenen Augenbrauen überdeckt.

Der Raum zwischen der Nase und der dünnen Oberlippe ist auffallend groß. Auch der Haaransatz kann abnorm ausgebildet sein. Die Skelettanomalien der Erkrankten gehen auf eine verlangsamte Mineralisierung der Knochen zurück. Primär äußert sich das in einem Kleinwuchs. Eine Verformung der Wirbelsäule und der Rippen können oft beobachtet werden. Daneben können Anomalien an den Händen auftreten, wobei hier vor allem der kleine Finger sehr kurz oder gebogen sein kann.

Die geistige Entwicklung der betroffenen Patienten ist verzögert. Zumeist werden leichte bis mittlere geistige Behinderungen diagnostiziert. Oft gehen diese mit emotionalen Störungen, wie Hyperaktivität oder Angststörungen einher. Selten werden beim Vorliegen des KGB-Syndroms Hörverlust, Strabismus oder Herzfehler diagnostiziert. Krampfanfälle kommen hingegen relativ häufig vor (bei etwa 50% aller Fälle). Sie treten bei einigen Patienten schon mit 10 Monaten auf und äußern sich hierbei meist als Blitz-Nick-Anfälle.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose des KGB-Syndroms erfolgt nach einer gründlichen klinischen Evaluation, einer detaillierten Patienten- und Familienanamnese und der Identifikation der charakteristischen physischen Befunde. Diese wird zumeist klinisch gestellt. Gentests auf das KGB-Syndrom sind zudem seit einigen Jahren verfügbar.

Die endgültige Diagnose steht erst mit sieben bis acht Jahren fest, wenn sich das Gebiss endgültig ausgebildet hat und die Makrodontie deutlich zu erkennen ist. Um die absolute Sicherheit zu erlangen kann auf eine Gen-Panel-Analyse oder eine Sequenzierungstechnik zurückgegriffen werden, mittels derer die genetische Fehlbildung lokalisiert werden kann.

Bei dem KGB-Syndrom handelt es sich um keine lebensbedrohliche Erkrankung. Die günstige Prognose kann durch eine engmaschige und fachübergreifende ärztliche Betreuung zusätzlich unterstützt werden.

Komplikationen

Durch das KGB-Syndrom können sich beim Patienten eine Reihe verschiedener Symptome und Beschwerden bemerkbar machen. In erster Linie leiden die meisten Patienten an relativ ungewöhnlichen Gesichtszügen und weiterhin auch an Anomalien des Skeletts. Dabei kann es vor allem im Kindesalter zu Mobbing und zu Hänseleien kommen, woraus sich nicht selten psychische Beschwerden und Depressionen entwickeln.

Die Betroffenen leiden auch an einer stark verzögerten geistigen Entwicklung, sodass es in den meisten Fällen zu einer Retardierung und einer Unterentwicklung kommt. Nicht selten sind die Betroffenen dabei auf die Hilfe anderer Menschen im Alltag angewiesen und können verschiedene Dinge des Alltages nicht mehr eigenständig ausführen.

Die Lebensqualität wird durch das KGB-Syndrom erheblich eingeschränkt. Weiterhin leiden die meisten Patienten an Kleinwuchs und an einer Verkrümmung der Wirbelsäule. Dadurch kann es zu Einschränkungen in der Bewegung kommen. Durch eine Hyperaktivität kommt es nicht selten zu Konzentrationsstörungen. Ebenso können die Patienten an einem Hörverlust leiden, wobei es im schlimmsten Falle zu einer kompletten Taubheit kommen kann.

Auch Herzfehler können durch das KGB-Syndrom auftreten und die Lebenserwartung verringern. Eine kausale Behandlung des KGB-Syndroms ist nicht möglich. Die einzelnen Beschwerden und Symptome können allerdings mit Hilfe von verschiedenen Eingriffen korrigiert und behandelt werden, sodass der Alltag für den Betroffenen erleichtert wird.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Patienten, die am KGB-Syndrom leiden, erhalten eine umfassende ärztliche Behandlung. Die Therapie beginnt im Kindesalter und setzt sich meist bis ins Erwachsenenalter fort. Eltern, die bei ihrem Kind Anzeichen der Erkrankung bemerken, sollten zeitnah mit dem Kinderarzt sprechen. Begleitend dazu müssen die Symptome behandelt werden. Das KGB-Syndrom ruft oft chronische Muskel- oder Knochenschmerzen hervor, die frühzeitig behandelt werden müssen. Bei vielen Betroffenen treten daneben auch psychische Beschwerden auf, die einer therapeutischen Beratung bedürfen.

Eltern von betroffenen Kindern benötigen oft ebenfalls die Hilfe eines Psychologen. Der Arzt kann den Kontakt zu einem Fachmann herstellen und die Angehörigen auf Wunsch an eine Selbsthilfegruppe verweisen. Die eigentliche ärztliche Behandlung dauert meist viele Jahre an und involviert eine Vielzahl von Ärzten. Je nach Art und Ausprägung des KGB-Syndroms müssen Kardiologen, Ohrenärzte, Logopäden und Neurologen hinzugezogen werden. Betroffene Personen sollten bei einer Schwangerschaft eine klinische Untersuchung veranlassen, um eine Vererbung an das Kind frühzeitig festzustellen.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung des KGB-Syndroms richtet sich in erster Linie gegen die spezifischen körperlichen und geistigen Symptome, die jedoch individuell sehr stark divergieren können. Beim Vorliegen dieser genetischen Erkrankung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinderärzten, Kieferorthopäden, Neurologen, Logopäden und vielen anderen notwendig.

Im Zuge dieser Zusammenarbeit ist es nötig, diese Bemühungen sorgfältig zu koordinieren und möglichst frühzeitig einen gemeinsamen Behandlungsplan zu erstellen. Mittels einer zahnärztlichen Behandlung, die die Makrodontie mittels kieferchirurgischer Maßnahmen in Ordnung bringt, kann das Äußere des betroffenen Patienten einem Normalbild angenähert werden.

Orthopädische Chirurgen korrigieren die Anomalien der Wirbelsäule, der Hüfte und der Rippen, um späteren Problemen aufgrund einer Fehlhaltung und damit einhergehenden Fehlbelastung vorzubeugen. Eine vollständige neurologische Evaluierung hilft bei der Diagnostizierung der Entwicklungsverzögerungen. Bereits ab dem Säuglingsalter sollte eine frühzeitige Stimulation erfolgen.

Eine frühe Sprachtherapie und spezielle inklusive Bildungsprogramme sorgen für eine Abmilderung der geistigen Defekte. Bei schweren Verhaltensstörungen können psychopharmakologische Medikamente Abhilfe schaffen.


Aussicht & Prognose

Inwieweit Betroffene ihre Lebensqualität selbsttätig bessern können ist von den individuellen Symptomen und Beschwerden abhängig. Treten Zahnfehlstellungen verschiedener Ausprägung auf, kann die Sprachqualität nicht nur durch eine operative Behandlung, sondern auch durch Therapie bei einem Logopäden verbessert werden. Die erlernten Übungen lassen sich auch im privaten Umfeld fortführen und so intensivieren.

Bei leichten Handanomalien und damit verbundenen Schwierigkeiten Gegenstände zu greifen oder zu halten helfen gezielte Übungen. Hierbei werden beispielsweise Stifte oder kleinere Gegenstände vom Tisch aufgesammelt, in eine Schale gelegt und so die Feinmotorik der Finger trainiert. Eine intensive Physiotherapie sowohl beim Therapeuten als auch mit selbst anwendbaren Übungen hilft, die Beschwerden von Haltungsschäden zu minimieren und im Idealfall auch soweit in den Griff zu bekommen, dass auf weitergehende Hilfsmittel wie Krücke oder Rollstuhl langfristig verzichtet werden kann.

Sofern all diese Therapien bereits im frühen Kindesalter eingesetzt und von den Angehörigen auch im privaten Umfeld gefördert werden, besteht für die betroffenen Kinder die Chance mögliche Spätfolgen weitestgehend zu verringern und ihnen ein möglichst normales Leben zu ermöglichen. Darüber hinaus hilft der Besuch von Selbsthilfegruppen. Beim Gespräch mit anderen Betroffenen werden eine Vielzahl Anregungen und Tipps zur Lebenserleichterung geboten und es kann sich gleichzeitig über Sorgen und Nöte austauschen werden.

Vorbeugung

Da die Ursache für das Auftreten des KGB-Syndroms nicht bekannt ist und es zudem in einer Reihe der dokumentierten Fälle zu spontanen Mutaationen gekommen ist, kann diesem nicht wirksam vorgebeugt werden. Da es jedoch in manchen Fällen zu einer autosomalen Vererbung kommt, sollten betroffene Personen bei Eintritt der Schwangerschaft eine sorgfältige klinische Untersuchung beim Arzt veranlassen, um eine Vererbung möglichst frühzeitig auszuschließen. Ein Gentest ist leider noch nicht für das KGB-Syndrom verfügbar.

Nachsorge

Die Nachsorge kann nicht das Ziel verfolgen, ein Wiederauftreten des KGB-Syndroms zu verhindern. Die Entstehung hat erbliche Gründe. Entweder die Erkrankung liegt vor oder nicht. Damit kommen planmäßigen Nachuntersuchungen andere Aufgaben zu, als sie beispielsweise bei Krebserkrankungen anzutreffen sind. Es geht Ärzten vor allem darum, Komplikationen möglichst gering zu halten und Patienten einen beschwerdefreien Alltag zu ermöglichen.

Dazu arbeiten viele Experten eng zusammen. Therapien bilden einen wesentlichen Baustein der Nachsorge. Wie oft und wie intensiv Behandlungen in Anspruch genommen werden, hängt vom individuellen Krankheitsbild ab. Allgemeine Angaben zu Terminabständen lassen sich nur schwer vornehmen. Grundsätzlich nimmt die Erfordernis für Korrekturmaßnahmen mit dem Alter ab, weil der Körper nach der Wachstumsphase nicht mehr so stark veränderbar ist.

Die Nachsorge besteht aus einer lebenslangen Dauerbehandlung. Patienten können zwar bei frühzeitiger Therapieaufnahme meist ein selbstständiges Leben führen; Beschwerden bleiben aber bestehen. Dazu gehören nicht selten psychosoziale Belastungen. Sie lassen sich am besten in regelmäßigen Gesprächskreisen und Therapien bewältigen. Auch kann es vorkommen, dass Betroffene lebenslang auf Hilfsmittel wie Krücken oder einen Rollstuhl angewiesen sind. Ärzte verschreiben diese genauso wie Medikamente zur Schmerzbewältigung.

Das können Sie selbst tun

Welche Maßnahmen Patienten, die am KGB-Syndrom erkrankt sind, selbst ergreifen können, hängt von den individuellen Symptomen und Beschwerden ab.

Bei Fehlstellungen im Bereich der Zähne ist begleitend zur operativen Behandlung eine Sprachtherapie angezeigt, die von den Betroffenen Zuhause durch regelmäßiges Üben unterstützt werden kann. Bei Haltungsschäden oder Fehlhaltungen müssen Hilfsmittel wie Krücken oder ein Rollstuhl verwendet werden. Die Betroffenen können die Beschwerden lindern, indem sie eine physiotherapeutische Beratung in Anspruch nehmen und bewusst auf eine gerade Haltung achten. Bei Anomalien in den Händen ist meist eine Operation vonnöten. In weniger schweren Fällen helfen auch hier gezielte Übungen, um das Greifen und Halten von Gegenständen zu trainieren.

Falls die äußerlichen Auffälligkeiten eine seelische Belastung darstellen, empfiehlt sich der Besuch einer Selbsthilfegruppe. Im Gespräch mit anderen Betroffenen lernen die Erkrankten Tipps und Tricks im Umgang mit der Erkrankung und können dadurch besser mit den kosmetischen Makeln umgehen. Begleitend zu diesen Maßnahmen ist immer auch eine ärztliche Überwachung vonnöten. Dadurch können etwaige Beschwerden frühzeitig erkannt und behandelt werden, bevor sich schwerwiegende Komplikationen einstellen.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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