Hypertrophe Kardiomyopathie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die hypertrophe Kardiomyopathie ist eine erbliche Herzmuskelerkrankung. Die Medizin unterscheidet eine obstruktive und eine nicht-obstruktive Form. Patienten der nicht-obstruktiven Form sind oft lange oder sogar lebenslang asymptomatisch.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine hypertrophe Kardiomyopathie?

Ein Viertel der Patienten leidet an einer Herzmuskelverdickung des linken Ventrikels, der sich im Ausflusstrakt befindet. So entsteht bei Belastung, aber auch in Ruhe eine Obstruktion.
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Die Gruppe der Kardiomyopathien fasst Erkrankungen des Herzmuskels zusammen. Kardiomyopathien gehen mit mechanischen oder elektrischen Funktionseinschränkungen des Herzens einher. Sie müssen allerdings nicht zwingend mit pathologisch veränderten Herzkammern in Zusammenhang stehen. Die hypertrophe Kardiomyopathie wird auch hypertroph familiäre Kardiomyopathie genannt. Diese Erkrankung ist eine angeborene Krankheit des Herzmuskels.

Neben einer asymmetrischen Verdickung des linken Ventrikels liegt bei der Krankheit eine Ausweitung der Herzkammern vor. Bei einer Prävalenz von 1:500 ist die familiär hypertrophe Kardiomyopathie eine vergleichsweise häufige Herzerkrankung. Die Vererbung findet im autosomal-dominanten Erbgang statt. Zwei Formen der Herzerkrankung werden unterschieden: die hypertrophe Kardiomyopathie mit dynamischer Obstruktion und eine Form ohne dynamische Obstruktion.

Laut der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind alle familiär hypertrophen Kardiomyopathien den genetisch bedingt primären Kardiomyopathien zuzurechnen. Die Krankheit wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Liouville und Hallopeau beschrieben. Seit einer Beschreibung durch Brock im 20. Jahrhundert ist sie als klinische Entität anerkannt.

Ursachen

Hypertrophe Kardiomyopathien werden durch das Erbgut verursacht. Mehr als 200 Gendefekte auf zehn verschiedenen Genen sind als mögliche Ursachen bekannt. Die ursächlichen Gene kodieren allesamt für die Proteine im kardialen Sarkomer. In mehr als 50 Prozent der Fälle liegt der genetische Defekt im Aufbau der sogenannten beta-myosin heavy chain. Die so entstehenden Strukturveränderungen des β-Myosins und des α-Tropomyosins ergeben sich aus zahlreichen Punktmutationen der Strukturproteine im Sarkomer, so zum Beispiel des myosinbinding protein C oder des Troponin-T.

Die hypertrophe Kardiomyopathie wird daher auch Krankheit des Sarkomers genannt. Ein Großteil der Punktmutationen betrifft den Genlokus MYH7 auf Chromosom 14. So entsteht im Sarkomer eine Verzweigungsstörung hypertrophierter Herzmuskelzellen. Durch vermehrt seitliche Verzweigung fehlt die parallele Anordnung. Das Interstitium ist bindegewebig umgebaut. Die phänotypische Ausprägung hängt weniger von den einzelnen Mutation ab, als dass sie von Umgebungsfaktoren und Modifier-Genen bestimmt wird. Bis zu einem Alter von 13 Jahren verläuft die Erkrankung meist still.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein Viertel der Patienten leidet an einer Herzmuskelverdickung des linken Ventrikels, der sich im Ausflusstrakt befindet. So entsteht bei Belastung, aber auch in Ruhe eine Obstruktion. Daraus ergibt sich eine Aortenstenose mit hoher Druckbelastung auf die linke Herzkammer. Bei etwa zehn Prozent der Patienten liegt die Obstruktion mitventrikulär. Die Muskelverdickung verursacht außerdem eine Muskelversteifung. Die Herzkammer füllt sich in der Erschlaffungsphase so nur eingeschränkt und Blut staut sich in die Venen der Lungen zurück, wodurch Atemnot entsteht.

Dieses Phänomen ist als diastolische Herzinsuffizienz bekannt. Die Muskelversteifung nimmt durch die forcierte Pumpleistung im Verlauf der Krankheit zu. Im Bezirk der verengten Ausflussbahn entsteht ein Sog, der auch als Venturi-Effekt bekannt ist. So treten oft Undichtigkeiten im Sinne einer Mitralinsuffizienz auf. Unter Belastung treten Herzrhythmusstörungen auf, die kurze Bewusstlosigkeit oder sogar einen plötzlichen Herztod hervorrufen können. Vielen plötzlichen Todesfällen von jungen Erwachsenen liegt eine hypertrophe Kardiomyopathie zugrunde. Patienten der nicht obstruktiven Form sind oft asymptomatisch. Wenn doch Symptome vorliegen, handelt es sich um unspezifische Symptome wie Luftnot, Schwindel oder Angina pectoris.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei der Diagnostik der hypertrophen Kardiomyopathie muss vor allem eine reaktive Herzmuskelhypertrophie durch Sport (Athletenherz) oder durch Bluthochdruck ausgeschlossen werden. Auch Erkrankungen der Aortenklappe sind differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen. Bei der körperlichen Untersuchung der Patienten tritt ein Systolikum in Erscheinung, das belastungsbedingt zunimmt. Dieses Symptom lässt sich im Rahmen des Valsalva-Manövers beobachten.

Das EKG gibt idealerweise Hinweise auf eine linksventrikuläre Hypertrophie, indem es Q-Zacken und eine Repolarisationsstörung zeigt. Bei der Echokardiographie lässt sich neben einer Septumhypertrophie eine Verlagerung des Mitralklappensegels beobachten, das den Ausflusstrakt einengt. Der Ruhe-Gradient im Sinne eines Drucksprungs zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader wird gemessen. Eine Kernspintomographie stellt atypische Verteilungsformen dar und zeigt unter Umständen fleckig angelegte Narben im Myokard.

Außerdem lassen sich so die Flussbeschleunigung und eventuell Hinweise auf zurückliegende Septumembolisationen darstellen. Eine Herzkatheteruntersuchung misst den Druck im Herzen, um die Herzmuskelversteifung zu bestimmten. Eine molekulargenetische Untersuchung sichert die Diagnose. Viele asymptomatisch Patienten haben eine eher geringe Beeinträchtigung und daher eine gute Prognose. Formen mit Obstruktionen des linksventrikulären Ausflusstrakts entwickeln sich oft zu einer Herzinsuffizienz und haben daher eine schlechtere Prognose.

Komplikationen

Komplikationen der hypertrophen Kardiomyopathie entstehen aus den möglichen Symptomen und Folgen. So können zum Beispiel die Herzrhythmusstörungen gefährlich werden. In diesem Fall wird die Einnahme von Medikamenten notwendig, um die Herzrhythmusstörungen zu behandeln. Zudem ist das Risiko für plötzlichen Herztod, Tod durch Herzinsuffizienz und Schlaganfall vergleichsweise hoch, was die hypertrophe Kardiomyopathie zur komplikationsreichsten und schwerwiegendsten Form aller Kardiomyopathien macht.

Plötzlicher Herztod tritt in ein Prozent der Fälle auf und betrifft eher jüngere Patienten. Die Symptome laufen meistens mild ab, was die Diagnose von hypertropher Kardiomyopathie erschwert. Außerdem lässt sich beobachten, dass ein höheres Risiko für Familienangehörige besteht, die von derselben Erkrankung betroffen sind. Bei älteren Betroffenen spielt die Herzinsuffizienz als häufigste Komplikation eine größere Rolle.

Da die linken Ausflussbahnen zunehmend belastet werden, können sie sich im Verlauf der Erkrankung verengen. Dadurch kann sich der Herzmuskel versteifen. Ein steifer Ventrikel hat Vorhofflimmern zur Folge, wovon 25 Prozent der Erkrankten betroffen sind. Als Folgeerkrankung kann zudem Endokarditis, eine Entzündung der Herzinnenhaut, auftreten, die sich auf die Herzklappen ausweitet.

Insgesamt ist die hypertrophe Kardiomyopathie eine nicht heilbare Erkrankung, die in den meisten Fällen komplikationsfrei abläuft und gute Behandlungschancen aufweist. Die Lebenserwartung wird nicht beeinträchtigt, dies ist nur bei schwerem Krankheitsverlauf der Fall.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Auffälligkeiten des Herz-Rhythmus sind von einem Arzt untersuchen zu lassen. Kommt es zu einem Druckgefühl im Oberkörper, einer inneren Schwere oder gibt es Probleme bei der Atmung, wird ein Arzt benötigt. Störungen der Atemtätigkeit, Luftnot oder Aussetzer der Atmung müssen unverzüglich von einem Arzt abgeklärt werden. Es droht eine Unterversorgung des Organismus, die zu einem multiplen Organversagen führen kann. Da die hypertrophe Kardiomyopathie ohne medizinische Behandlung zu einem plötzlichen Herztod führen kann, ist ein Arztbesuch bereits bei den ersten Unregelmäßigkeiten der Herztätigkeit zu empfehlen.

Kommt es zu Herzrasen, einem erhöhten Blutdruck, Schlafstörungen oder einer inneren Unruhe, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei Schmerzen in der Brust, einer verminderten Leistungsfähigkeit oder schneller Erschöpfung sind Untersuchungen einzuleiten, um die Ursache abzuklären. Setzen Störungen des Bewusstseins ein oder tritt eine Bewusstlosigkeit ein, benötigt der Betroffene einen Notarzt. Ein Rettungsdienst ist zu alarmieren und Erste Hilfe Maßnahmen müssen eingeleitet werden. Bei Schwindel, Gangunsicherheiten oder Störungen der Aufmerksamkeit, ist ein Kontrollbesuch bei einem Arzt zu empfehlen. Ein allgemeines Krankheitsgefühl oder ein anhaltendes Unwohlsein sind untersuchen und behandeln zu lassen. Kommt es zu einer Zunahme der Beschwerden, ist ein Arztbesuch unverzichtbar. Setzen zu den körperlichen Unregelmäßigkeiten auch emotionale Probleme ein, wird ein Arzt benötigt.

Behandlung & Therapie

Die hypertrophe Kardiomyopathie ist bisher zwar nicht heilbar, lässt sich mittlerweile aber gut symptomatisch behandeln. Die Prognose verbessert sich daher, je früher die Diagnose gestellt wird. Als konservative Behandlungsmaßnahmen stehen Medikament wie Betablocker zur Herabregulierung des linken Herzventrikels zur Verfügung. Antiarrhythmika vermindern die Herzrhythmusstörungen.

Die Patienten werden dazu angehalten, Leistungssport und Sportarten mit plötzlicher Maximalbelastung zu meiden. Als interventionelle Maßnahmen kann eine Katheterbehandlung der Septumhypertrophie erfolgen. Diese Behandlung erfolgt durch eine transcoronare Ablation der Septumhypertrophie oder eine perkutane transluminal septale Myokard-Ablation. Durch einen Herzkatheter wird der Ramu interventricularis anterior mit einem Ballon geschlossen. Wenn der Gradient im Ausflusstrakt abfällt, wird reiner Alkohol durch den Ballon gejagt und löst einen umschriebenen Infarkt im Obstruktionsbezirk aus.

So verringert sich die Obstruktion. Ein anderes mögliches Behandlungsverfahren ist die endokardiale Radiofrequenzablation der Septumhypertrophie. Die herzkathetergeführte Radiofrequenzablation behandelt Herzrhythmusstörungen. Elektrische Energie wird durch einen Herzkatheter im Bereich der Obstruktion auf das rechte Ventrikel des Septum abgegeben. So verringert sich durch Narbenbildung der Gradient im Ausflusstrakt des linken Ventrikels. Eine invasive Behandlungsmöglichkeit ist die transaortal subvalvuläre Myektomie.

Diese Herzoperation entfernt Muskelgewebe aus dem Ausflusstrakt des linken Ventrikels durch die Aortenklappe. Auch supportive Maßnahmen stehen Patienten der hypertrophen Kardiomyopathie zur Verfügung. So kann beispielsweise die Implantation eines Defibrillators gegen Herzrhythmusstörungen erfolgen.


Vorbeugung

Der hypertrophen Kardiomyopathie lässt sich nicht vorbeugen, da der Krankheit eine genetische Ursache zugrunde liegt.

Nachsorge

Die Nachsorge-Möglichkeiten bei hypertropher Kardiomyopathie konzentrieren sich vorwiegend auf die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen, die sicherstellen sollen, dass der Blutdruck richtig eingestellt ist. Abhängig von der Symptomatik kann der Arzt diese Diagnose ausweiten oder die Intervalle zwischen den Untersuchungsterminen verkürzen. Teilweise stehen den Patienten spezialisierte Fachärzte zur Verfügung, die entsprechende Sprechstunden anbieten.

Im Langzeitverlauf der Nachsorge sollte ein stabiler Verlauf stattfinden, für dessen Kontrolle der behandelnde Arzt verantwortlich ist. Gegebenenfalls ist eine neue Einstellung der Medikamente nötig, um eine Verschlechterung zu vermeiden. Bei erblich belasteten Patienten mit ausgeweiteter linke Herzkammer erhöht sich jedoch das Risiko eines plötzlichen Herztods.

Die Betroffenen sollten auf zu starke körperliche Anstrengungen verzichten und auch beim Sport vorsichtig sein. Wenn sie sich überlasten, steigt die Gefahr sprunghaft an. Wenn die körperliche Belastung unvermeidbar ist, sollten die Patienten nicht abrupt damit aufhören, sondern sie allmählich ausklingen lassen. Die üblichen alltäglichen Unternehmungen sind aber grundsätzlich kein Problem und führen nicht zu Beschwerden.

Auf Schwimmen, Reisen und leichte Aktivitäten müssen die Betroffenen also nicht verzichten. Wenn andere operative oder zahnärztliche Eingriffe nötig sind, muss der verantwortliche Arzt die nötigen Vorsichtsmaßnahmen treffen, um den Patienten zu schützen und die Gefahr zu minimieren.

Das können Sie selbst tun

Im Alltag gilt es vor allem, körperlich stark belastende Situationen zu vermeiden. Je nach der üblichen körperlichen Belastbarkeit der Betroffenen können intensive sportliche Betätigung und Wettkampfsituationen wie etwa ein Fußballspiel oder das Betreiben von Spitzensport darunter fallen. Zu vermeiden sind auch schwere körperliche Arbeiten. Das gilt insbesondere, wenn diese mit starkem Pressen und Stoßen verbunden sind.

Sollte es dennoch zu einer körperlich belastenden Situation kommen, ist es aber am besten, diese nicht abrupt abzubrechen, sondern langsam zu einem Ende kommen zu lassen. Die meisten alltäglichen Tätigkeiten, aber auch Reisen oder Schwimmen sind jedoch bei sonst beschwerdefreien Betroffenen durchaus möglich. Sexuelle Aktivitäten in einem normalen Rahmen sind bei normaler alltäglicher Belastung unproblematisch.

Um der Entstehung weiterer Herzkrankheiten vorzubeugen, sollten Betroffene auf das Rauchen verzichten. Es wird außerdem empfohlen, sich gemüse- und obstreich zu ernähren und nur geringe Anteile cholesterinhaltiger Speisen mit tierischen Fetten sowie Fleisch zu sich zu nehmen. Auch sollten alle Stressfaktoren reduziert werden. Hilfe finden Betroffene außerdem in Selbsthilfegruppen und Internetforen.

Quellen

  • Erdmann, E.: Klinische Kardiologie. Springer, Heidelberg 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Roskamm, H., et al.: Herzkrankheiten. Springer, Heidelberg 2004

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