Peroxisomale Krankheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Begriff peroxisomale Krankheit werden genetisch bedingte Defekte zusammengefasst, die die Bildung der Peroxisomen, den Transport von Proteinen oder Enzymen durch die Peroxisomenmembran oder die Funktion peroxisomaler Enzyme selbst betrifft. In den Peroxisomen laufen sehr viele sauerstoffabhängige systemisch wirksame Reaktionen ab. Eine Störung der Stoffwechselvorgänge kann beispielsweise gravierende Auswirkungen auf Nerven, Skelett, Netzhaut und Leber haben sowie schwere morphologische Fehlentwicklungen von Gesicht und Kopf verursachen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine peroxisomale Krankheit?

Symptome und Beschwerden der peroxisomalen Krankheit richten sich nach danach, welche Gene verändert sind und mit welchen Krankheitssyndromen sie jeweils assoziiert sind.
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Als peroxisomale Krankheit werden genetisch bedingte Störungen bezeichnet, die im Zusammenhang mit Bildung oder Funktion der Peroxisomen stehen. Es sind insgesamt 15 verschiedene Krankheiten und Syndrome bekannt, die dem Oberbegriff peroxisomale Krankheit untergeordnet werden. Peroxisomen sind winzige Organellen, die wichtige Funktionen im Abbau von Sauerstoffradikalen übernehmen.

Eine ihrer Hauptfähigkeiten besteht darin, giftiges Wasserstoffperoxid in unschädliche Wasser- und Sauerstoffmoleküle umzuwandeln. Das deutet darauf hin, dass es sich bei den Peroxisomen entwicklungsgeschichtlich um die ersten Organellen handelt, die mehrzellige Organismen befähigte, nicht nur den giftigen Sauerstoff zu neutralisieren, sondern auch noch aus dem Oxidationsprozess Energie zu beziehen.

Bei der Krankheit kann es sich um Störungen bei der Entstehung und Vermehrung der Peroxisomen handeln oder um eine Funktionsstörung des Enzymtransports durch die Membran, die die Peroxisomen umgibt. Auch eine Beeinträchtigung der biokatalytischen Fähigkeiten der beteiligten Enzyme selbst fällt unter den Begriff peroxisomale Krankheit.

Die etwa 50 verschiedenen Enzyme, die in Peroxisomen nachgewiesen wurden, deuten bereits auf ihre vielseitigen Funktionen hin und auf die Vielschichtigkeit der möglichen Krankheitsformen der peroxisomalen Krankheit. Sämtliche Krankheitsformen verbindet miteinander, dass sie durch verschiedene Gendefekte verursacht werden, von denen die meisten bekannt sind.

Ursachen

Für die meisten Erscheinungsformen der peroxisomalen Krankheit sind Genmutationen nicht geschlechtsspezifischer Gene, also Autosome, verantwortlich. Eine Ausnahme bildet die Adrenoleukodystrophie, auch Addison-Schilder-Syndrom genannt. Die Krankheit beruht auf einer Veränderung eines Gens auf dem X-Chromosom am Genlocus q28.

Das Gen kodiert ein bestimmtes Protein, das in der Membran der Peroxisomen benötigt wird, um den Transport bestimmter Lipide durch die Membran zu ermöglichen. Auch in einigen anderen Fällen spielen Transportproteine eine Rolle, die bestimmte Proteine in das Innere des Peroxisoms schleusen.

Weil die kleinen Organellen über keine Ribosomen verfügen, müssen die etwa 50 verschiedenen Proteine, die die Peroxisomen benötigen, zunächst im Zytosol der Zelle synthetisiert werden, bevor sie anschließend durch die Membran des Organells geschleust werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Symptome und Beschwerden der peroxisomalen Krankheit richten sich nach danach, welche Gene verändert sind und mit welchen Krankheitssyndromen sie jeweils assoziiert sind. Nicht alle Formen der Krankheit sind hinreichend verstanden. In einigen Fällen machen sich gravierende neurologische Störungen wie eine Enzephalopathie, Epilepsie oder Taubheit bemerkbar.

In anderen Fällen können sich Skelettanomalien sowie schwerwiegende morphologische Entwicklungsstörungen des Kopfes und des Gesichts zeigen. Auch Anomalien der Augen, insbesondere der Netzhaut, sowie Leberfunktionsstörungen direkt nach der Geburt sind häufig auf die peroxisomale Krankheit zurückzuführen. Meist werden bestimmte Symptome, die jeweils auf einem definierten Gendefekt beruhen, zu einem Krankheitssyndrom zusammengefasst.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Eine Diagnose erfolgt üblicherweise über eine Laboruntersuchung mit Nachweis bestimmter peroxisomaler Substanzen im Blut. Es handelt sich im Einzelnen um überlangkettige Fettsäuren wie die Phytansäure, eine langkettige Fettsäure mit mehreren Verzweigungen, die normalerweise durch Alpha-Oxidation in den Peroxisomen verstoffwechselt wird.

Falls die Peroxisomen die Metabolisierung aufgrund fehlender Phytansäureoxidase nicht durchführen können, steigt der Phytansäurespiegel im Blut, und es kommt zu Ablagerungen in verschiedenen Geweben. Das Zellweger-Syndrom zeichnet sich durch ein völliges Fehlen der Peroxisomen aus. Auswirkungen des Syndroms zeigen sich bereits bei Neugeborenen.

Fehlentwicklungen des Kopfes und des Gesichts sowie starke psychomotorische Entwicklungsstörungen und eine Reihe weiterer Symptome sind Anzeichen, die auf die Krankheit hindeuten. Nicht unmittelbar sichtbare Anzeichen wie Zysten im Gehirn lassen sich mittels MRT nachweisen.

Allerdings sollten immer differentialdiagnostisch andere genetisch bedingte Fehlentwicklungen mit ähnlichen Symptomen abgeglichen beziehungsweise ausgeschlossen werden. In einer Kultur mit Fibroblasten und Hepatozyten lässt sich das Fehlen der Organellen gut nachweisen. Eine Behandlung dieser schweren Stoffwechselstörung ist nicht möglich. Die Krankheit verläuft meist tödlich innerhalb weniger Monate nach der Geburt.

Die Adrenoleukodystrophie ist die einzige Form der peroxisomalen Krankheit, die x-chromosomal-rezessiv vererbt wird. Auch diese Art der peroxisomalen Krankheit wird von einer schlechten Prognose begleitet. Meist endet die Krankheit innerhalb der ersten zehn Lebensjahre mit dem Tod.

Komplikationen

Alle peroximalen Erkrankungen haben eine sehr schlechte Prognose. In einigen Fällen können allerdings mit Hilfe palliativer Maßnahmen Lebenslänge und Lebensqualität verbessert werden. Bei allen Erkrankungen zeigen sich schwere Stoffwechselstörungen, die zu unterschiedlichen Komplikationen wie Leberfunktionsstörungen, Skelettanomalien oder Entwicklungsstörungen des Kopfes führen.

Eine besonders schwere Form der peroxisomalen Krankheit stellt das Zellwegersyndrom dar. Diese sehr seltene Erkrankung führt immer innerhalb der ersten Lebensmonate zum Tod. Im Körper kommt es zur Ansammlung von Wasserstoffperoxid. Es zeigen sich sehr viele unterschiedliche Symptome, die gar nicht alle behandelt werden können. So findet ein unregelmäßiges Schädelwachstum statt, wobei es zu Schädeldeformationen kommt. Des Weiteren treten Missbildungen des Gehirns auf.

Auch die anderen Organe sind teilweise missgebildet. So werden Herzfehler, Leberinsuffizienz mit Eisenspeicherdefekten, multizystische Nieren oder unterentwickelte Lungen beobachtet. Lebensgefährliche Komplikationen ergeben sich unter anderem anand starker Atemwegsbeschwerden, Vergiftungen aufgrund der Leberinsuffizienz oder Blutbildungsstörungen aufgrund der Eisenspeicherdefekte. Als weitere Peroximale Krankheit gilt die Adrenoleukodystrophie.

Hier ist die Prognose zwar etwas günstiger. Aber auch diese Erkrankung führt bis zum zehnten Lebensjahr immer zum Tod. Bei dieser Form der peroxisomalen Krankheit treten hauptsächlich zahlreiche neurologische Symptome auf. Im Rahmen dieser Störung kommt es zu häufigen Krampfanfällen. Eine gewisse Verlängerung des Lebens kann durch eine Knochenmarkstransplantation erreicht werden. Allerdings ist auch hier keine kurative Behandlung möglich.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Krankheit ist der Besuch bei einem Arzt in der Regel immer notwendig, da es nicht zu einer Selbstheilung kommt und die Beschwerden den Alltag des Patienten deutlich einschränken und damit auch die Lebensqualität erheblich verringern können. Der Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer Taubheit oder an Epilepsie leidet.

Bei einem epileptischen Anfall sollte sofort der Notarzt gerufen oder das Krankenhaus aufgesucht werden, um weitere Komplikationen zu vermeiden. Weiterhin können auch Störungen der Leber auf diese Krankheit hindeuten, sodass auch dann ein Arzt aufgesucht werden sollte. Der Betroffene muss sich auch in regelmäßigen Abständen Untersuchungen der inneren Organe unterziehen, um Komplikationen zu vermeiden. Ebenfalls können Anomalien an den Augen oder plötzliche Sehbeschwerden auf die Erkrankung hindeuten und sollten von einem Mediziner untersucht werden.

Die Diagnose der Krankheit kann durch verschiedene Fachärzte gestellt werden, wobei die weitere Behandlung stark von den auftretenden Symptomen abhängt. Ob es dabei zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden.

Behandlung & Therapie

Leider ist bei keiner der 15 bekannten Erscheinungsformen der peroxisomalen Krankheit eine Therapie möglich, mit der eine Ursachenbekämpfung erzielt werden könnte, die über eine reine Symptombekämpfung hinausgeht. Deshalb zielen die bisher bekannten Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten auf Linderung der Symptome ab. Auch palliative Behandlungen kommen zum Einsatz.

Eine Ausnahme bietet die x-chromosomal rezessiv vererbte Adrenoleukodystrophie. Während zur symptomatischen Verbesserung ungesättigte Fettsäuren verabreicht werden, liegt eine Option in einer Knochenmarktransplantation. Die Transplantation des Knochenmarks kann unter Umständen eine deutlich lebensverlängernde Auswirkung haben.

Aussicht & Prognose

Eine Peroxisomale Krankheit ist ein genetisch bedingter Stoffwechseldefekt, der die lebensnotwendige Sauerstoffversorgung im Körper betrifft. Fünfzehn verschiedene Störungen, die in diesem Zusammenhang stehen, werden mit dem Begriff "Peroxisomale Krankheit" zusammengefasst. Die erbliche Komponente und der Störungsort legen schon nahe, dass die Prognose keine Heilungschancen beinhalten kann.

Problematisch ist auch, dass einige der dazu gehörenden Störungen noch zu wenig erforscht wurden. Die mit einem gestörten oder mutierten Gen einhergehenden Symptome und Folgeerscheinungen sind so unterschiedlich, dass für eine Peroxisomale Krankheit keine zusammenfassende Prognose abgegeben werden kann. Klar ist, dass es sich um eine Gruppe sehr gravierender Folge-Defekte handelt, die oft tödlich enden. Die Frage ist lediglich, ob die von einem Facharzt diagnostizierte Peroxisomale Krankheit einige Monate, oder einige Jahre nach der Geburt zum Tode führt.

Mehr als kurative Behandlungsmöglichkeiten gibt es derzeit für keine der 15 bekannten Peroxisomalen Krankheiten. Die Lebensqualität der Betroffenen entspricht meist der kurzen Lebensdauer. Sie ist nicht sehr hoch. In manchen Fällen ist es möglich, beide Parameter durch eine intensive Palliativbetreuung zu verbessern. Die schwerste Peroxisomale Erkrankung ist das Zellweger-Syndrom. Dieses führt aufgrund gravierender Missbildungen binnen kurzer Zeit nach der Geburt zum Tod. Mehr als Symptom-lindernde oder palliative Behandlungen sind bei keiner bekannten Peroxisomalen Krankheit machbar.

Vorbeugung

Direkt vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung der peroxisomalen Krankheit sind (noch) nicht existent. Derzeit (2017) sind noch nicht alle Genmutationen bekannt, die als Auslöser der peroxisomalen Krankheit gelten. Falls innerhalb der Familie bereits ein Fall von peroxisomaler Krankheit bekannt ist, sollten sich die Eltern über die Wahrscheinlichkeit informieren, mit der eines ihrer Kinder von der Krankheit betroffen sein könnte.

Nachsorge

Da die peroxisomale Krankheit auf einem Gendefekt beruht und meist innerhalb weniger Monate nach der Geburt oder spätestens bis zum Ende des ersten Lebensjahrzehnts tödlich verläuft, können in der Therapie lediglich ein paar wenige Symptome kurzzeitig gemildert werden, ohne die Erkrankung ganz heilen zu können. Aus diesem Grund gibt es in diesem Sinne keine eigentliche Nachsorgebehandlung, dafür intensive Symptombehandlung zur Linderung einiger Leiden.

Im Allgemeinen wird den Betroffenen und Angehörigen zur Unterstützung des Immunsystems zu einer gesunden Lebensweise mit ausgewogener Ernährung geraten. Des Weiteren werden den Eltern des betroffenen Säuglings sowie betroffenen Kindern Gespräche mit einem Psychotherapeuten empfohlen, um die Verarbeitung dieses schweren Schicksalsschlags zu fördern.

Dieser wird zur Stabilisierung auch bestimmte Entspannungs- und Mentaltechniken vorschlagen sowie zu möglichst vielen Freizeitaktivitäten raten, welche der betroffenen Familie viele schöne, gemeinsame Stunden bescheren soll. Da die meisten Kinder an einer stark eingeschränkten Lungenfunktion leiden, wird ihnen empfohlen sich täglich mindestens eine Stunde an der frischen Luft aufzuhalten.

Sollten die bereits einmal betroffenen Eltern einen weiteren Kinderwunsch hegen, wird ihnen eine genaue genetische Untersuchung empfohlen, um die Wahrscheinlichkeit eines weiteren erkrankten Kindes vorab festzustellen.

Das können Sie selbst tun

Der Umgang im Alltag mit der peroxisomalen Krankheit ist für den Betroffenen sowie die Angehörigen nicht immer ganz einfach. Aus diesem Grund sollte eine psychische Stärkung aller Betroffenen stattfinden. Gegenseitiger Zusammenhalt sowie die Förderung von Wohlbefinden sind wichtig, um positive Entwicklungen im weiteren Verlauf verzeichnen zu können.

Neben einer psychotherapeutischen Unterstützung können Mentaltechniken oder Entspannungsverfahren angewendet werden. Die Methoden helfen, um Stress im Alltag abzubauen sowie den Geist zu stabilisieren. Die Freizeitaktivitäten sollten den gesundheitlichen Möglichkeiten angepasst werden. Sie sind wichtig, damit der Fokus der Aufmerksamkeit auf die schönen Bereiche des Lebens gerichtet wird.

Zur Vermeidung von Komplikationen oder Folgeerkrankungen ist eine gesunde Lebensweise essenziell. Mit einer ausgewogenen Ernährung kann das Immunsystem unterstützt werden. Die Aufnahme von Schadstoffen wie Nikotin, Alkohol oder nicht verschriebenen Medikamenten ist zu unterlassen. Dadurch wird der Organismus insgesamt zusätzlich beansprucht, was zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation beiträgt.

Treten Beschwerden der Atmung ein, kann es häufig zu Angstzuständen kommen. Der Betroffene sollte sich darüber informieren, wie er sich im Falle einer aufkommenden Angst optimal verhält. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich der Patient täglich für eine längere Zeit an der frischen Luft bewegt. Dies dient einer Stabilisierung des Immunsystems und hilft der Lunge bei ihrer Funktionstätigkeit.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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