Juvenile idiopathische Arthritis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die juvenile idiopathische Arthritis ist eine chronische Gelenkserkrankung, die zum rheumatischen Formenkreis gehört. Sie tritt vor dem 16. Lebensjahr auf und dauert mindestens sechs Wochen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine juvenile idiopathische Arthritis?

Die Kinder leiden unter Schmerzen in der Halswirbelsäule, die anfangs vor allem bei der Kopfdrehung auftreten. Nach einigen Wochen bis Monaten kommt es auch zu Entzündungen der kleinen und der großen Gelenke.
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Die juvenile idiopathische Arthritis, auch als Morbus Still bekannt, ist auch unter dem Synonym juvenile rheumatoide Arthritis bekannt. Sie wird JIA beziehungsweise JRA abgekürzt. Es handelt sich dabei um eine chronische entzündliche Gelenkserkrankung, eine sogenannte Arthritis. Die Erkrankung gehört zum rheumatischen Formenkreis und tritt im Kindesalter auf. Die Erkrankung gehört zum Fachgebiet der pädiatrischen Rheumatologie.

Kinderrheuma und kindliches Rheuma sind gebräuchliche Sammelbegriffe für Erkrankungen aus dem Fachgebiet der pädiatrischen Rheumatologie. Allgemein betrachtet gehören die kindlichen Rheumaerkrankungen und damit auch die JIA zu den Autoimmunkrankheiten. Die Inzidenz der JIA liegt bei vier bis fünf Erkrankungen pro 100.000 Kinder. Jedes Jahr erkranken rund 1000 Kinder neu.

Ursachen

Die Ursache der JIA ist noch nicht geklärt. Darauf weist auch das „idiopathisch“ im Namen der Erkrankung hin. Der Begriff Idiopathie wird bei Krankheiten benutzt, bei denen keine Ursache fassbar ist. Vermutlich begünstigen verschiedene Autoimmunmechanismen bei einer vorhandenen genetischen Disposition den Ausbruch der Erkrankung. Möglicherweise spielen Infektionen oder Traumata eine Rolle.

Insbesondere Infektionen mit dem Parvovirus B19 stehen in Verdacht, die Entstehung einer JIA begünstigen zu können. Es wird gemutmaßt, dass der Körper Antikörper gegen das Virus bildet, die sich schlussendlich gegen körpereigenes Gewebe richten. Das liegt womöglich daran, dass die Oberflächenstruktur der Erreger ähnlich ausgebildet ist wie die Oberflächenstruktur bestimmter Körpergewebe. Somit schädigen die Antikörper nicht nur die Viren, sondern auch körpereigenes Gewebe.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Je nach Beschwerden, Alter, Geschlecht und Familienanamnese werden verschiedene Formen der JIA unterschieden. Die systemische juvenile idiopathische Arthritis ist die schwerste Form der kindlichen Rheumaerkrankungen. Die Erkrankung beginnt mit hohem Fieber. Am Körperstamm, an den Oberschenkeln und an den Oberarmen bildet sich ein kleinfleckiger, lachsfarbener Hautausschlag. Dieser kann auch jucken.

Die Kinder leiden unter Schmerzen in der Halswirbelsäule, die anfangs vor allem bei der Kopfdrehung auftreten. Nach einigen Wochen bis Monaten kommt es auch zu Entzündungen der kleinen und der großen Gelenke. Neben den Gelenken können sich auch das Lungenfell, der Herzbeutel und das Bauchfell entzünden.

Die juvenile Polyarthritis mit positivem Rheumafaktor beginnt ähnlich wie die chronische Polyarthritis bei Erwachsenen. Zunächst sind die Handgelenke, die Fingergelenke und die Zehengelenke von den Entzündungen betroffen. Die Entzündungen treten symmetrisch auf. Innerhalb weniger Monate können teils irreversible Schädigungen entstehen. An den Streckseiten von Armen und Beinen können Rheumaknoten auftreten.

Eventuell wird die Erkrankung von Gefäßentzündungen begleitet. Dabei können die kleinen und mittleren Arterien betroffen sein. Zusätzlich kommt es zu Allgemeinsymptomen wie Wachstumsstillstand oder Wachstumsverzögerung, Gewichtsabnahme, Leistungsschwäche oder Labilität. Leber und Milz können geschwollen sein.

Die juvenile Polyarthritis mit negativem Rheumafaktor beginnt mit subfebrilen Temperaturen, Wachstumsstörungen und Gewichtsverlust über mehrere Monate. Die Gelenke sind mäßig geschwollen und leicht überwärmt. Die Kinder sind in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Typischerweise sind die Fingergelenke, die Zehengelenke und die Handgelenke symmetrisch betroffen. Auch die Kiefergelenke und die Gelenke der Halswirbelsäule können funktionelle Defizite aufweisen.

Bei der juvenilen idiopathischen Oligoarthritis ist das Kniegelenk am häufigsten betroffen. Befallene Gelenke sind geschwollen und überwärmt. Die Schmerzen treten erst dann auf, wenn das Gelenk in seinem vollen Bewegungsumfang durchbewegt wird. Bei 20 Prozent der Patienten entwickelt sich eine chronische Iridozyklitis. Insgesamt sind die Symptome aber eher unspezifisch, sodass eine Diagnosestellung schwierig ist.

Die juvenile Psoriasis-Arthritis ist eine Kombination aus Arthritis und Schuppenflechte (Psoriasis). Dabei kann die Schuppenflechte Jahre vor der Arthritis entstehen oder aber die Arthritis entsteht längere Zeit vor der Psoriasis. Typische Lokalisationen für die Schuppenflechte sind die Nabelregion, die Streckseiten der Gelenke und der Haaransatz. Die Arthritis kann hier alle Gelenke befallen. Typisch ist aber ein initialer Befall der Hüftgelenke.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Grundlegend für eine adäquate Diagnosestellung ist eine ausführliche Anamnese und eine eingehende klinische Untersuchung. Im Blutlabor werden CRP, BSG, Rheumafaktoren, ANA und HLA-B27 bestimmt. Zum Ausschluss von anderen Erkrankungen kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz. Die juvenile idiopathische Arthritis muss vor allem von sekundären Arthritiden abgegrenzt werden.

Im Verlauf der Erkrankung müssen regelmäßig Untersuchungen durch den Augenarzt durchgeführt werden. Dabei soll eine Uveitis anterior ausgeschlossen werden. Die Uveitis anterior ist eine Entzündung der Regenbogenhaut im Auge. Sie tritt bei 10 bis 25 Prozent aller Patienten mit juveniler idiopathischer Arthritis auf.

Komplikationen

Durch diese Erkrankung kommt es beim Patienten in erster Linie zu einem relativ starken Fieber. Ebenso kann sich auf der Haut des Patienten ein Ausschlag ausbilden, der in vielen Fällen auch mit einem Juckreiz verbunden ist. Sollte der Betroffene den Ausschlag kratzen, so kann sich der Juckreiz in der Regel auch verstärken. Nicht selten kommt es weiterhin zu Entzündungen an verschiedenen Stellen des Körpers.

Davon sind vor allem das Herz und die Lunge betroffen, sodass diese Entzündungen für den Patienten lebensgefährlich sein können. Weiterhin verliert der Betroffene an Gewicht und leidet auch an einer Schwellung der Milz und der Leber. Die Lebensqualität des Patienten wird durch diese Krankheit deutlich verringert und eingeschränkt. Auch die Gelenke sind angeschwollen, sodass es nicht selten zu einer Bewegungseinschränkung des Patienten kommt.

Kinder leiden dabei ebenso an Wachstumsstörungen. Die Behandlung dieser Krankheit findet vor allem mit Hilfe von Medikamenten statt und kann die Beschwerden relativ gut einschränken. Weitere Komplikationen treten dabei nicht auf. Sollte die Behandlung allerdings keinen Erfolg zeigen, so können auch operative Eingriffe notwendig sein. Ob es zu einer Verringerung der Lebenserwartung kommt, kann in der Regel nicht universell vorausgesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Kinder, die unter hohem Fieber leiden, sollten untersucht und medizinisch versorgt werden. Hält das Fieber über mehrere Tage unvermindert an, ist daher ein Arzt zu konsultieren. Stellen sich Veränderungen des gewohnten Hautbildes ein, besteht Grund zur Besorgnis. Bei einem farbigen Hautausschlag, der Bildung von Pusteln sowie einem unangenehmen Juckreiz sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bilden sich offene Wunden, ist eine sterile Wundversorgung notwendig.

Kann diese nicht selbständig gewährleistet werden, muss ein Arzt konsultiert werden. Andernfalls droht in schweren Fällen eine Blutvergiftung und damit das frühzeitige Ableben des Kindes. Vergrößern sich vorhandene Wunden, kommt es zu einer Eiterbildung oder Schmerzen, muss ein Arztbesuch erfolgen. Bei Entzündungen der Gelenke, einer Verringerung der körperlichen Leistungsfähigkeit oder Einschränkungen der Mobilität ist ein Arzt aufzusuchen. Beschwerden der Zehen, Finger oder Hände sind Anzeichen für Unstimmigkeiten, die einer Abklärung bedürfen.

Zeigt das Kind eine Teilnahmslosigkeit, ein erhöhtes Schlafbedürfnis oder ein Rückzugsverhalten von alltäglichen liebgewonnen Aktivitäten, empfiehlt sich eine Kontrolluntersuchung. Bei einem allgemeinen Krankheitsgefühl, einer inneren Schwäche, Unwohlsein, einer kontinuierlichen Gewichtsabnahme oder Störungen des Wachstums sollten zur Ursachenabklärung umfassende Untersuchungen eingeleitet werden. Beschwerden der Kiefergelenke und die Entstehung einer Schuppenflechte sind Anzeichen für vorliegende Erkrankungen, die einem Arzt vorgestellt werden sollten.

Behandlung & Therapie

Als Hauptmittel bei der JIA kommen nichtsteroidale Antirheumatika zum Einsatz. Diese wirken entzündungshemmend, schmerzhemmend und senken die Körpertemperatur. Zusätzliche werden Glukokortikoide intraartikulär oder systemisch verabreicht. Aufgrund der teils gravierenden Nebenwirkungen sollte eine systemische Verordnung über längere Zeit vermieden werden. Wenn sich eine längere Glukokortikoidgabe nicht vermeiden lässt, sollte zeitgleich eine Osteoporoseprophylaxe erfolgen.

Stellt sich durch diese Therapie keine Verbesserung ein, können Disease modifying antirheumatic drugs wie Methotrexat zum Einsatz kommen. Methotrexat ist auch als MTX bekannt. Der Arzneistoff gehört zu den Zytostatika. Zusätzlich können Biologicals wie Adalimumab oder Etanercept verabreicht werden. Einige Medikamente aus dieser Gruppe sind jedoch erst für Kinder ab einem bestimmten Alter zugelassen. In schweren Fällen können kinderchirurgische Interventionen wie beispielsweise eine Synovektomie erforderlich sein.


Aussicht & Prognose

Juvenile idiopathische Arthritis ist eine Art "vorgezogene" arthritische Erkrankung der Gelenke und verläuft bereits in jungen Jahren genauso, wie sie es bei einem älteren Patienten tun würde. Die Prognose eines jungen Patienten deckt sich daher weitestgehend mit der eines älteren Betroffenen.

Ausnahmen bestehen, wenn die juvenile idiopathische Arthritis bereits im frühen Kindesalter auftritt, denn dann kann sie sich zur Pubertät hin wieder aufgelöst haben. Diese Form ist bei Mädchen häufiger als bei Jungen. Hinzu kommen bei jungen Menschen begünstigende Faktoren wie ein allgemein besserer Gesundheitszustand in jungen Jahren, eine oft noch höhere Knochendichte und -widerstandsfähigkeit sowie je nach Lebensstil stärkere stützende Muskulatur rund um die Gelenke. Das junge Lebensalter des betroffenen Patienten kann somit dafür sorgen, dass der Gelenkverschleiß nicht so schnell fortschreitet wie bei einem Patienten in dem Alter, in dem üblicherweise Arthritis auftritt.

Vollständig aufhalten lässt sich der Fortschritt der Erkrankung allerdings dadurch nicht. Positiv beeinflussen lässt sich die Prognose jedoch durch gesunde Ernährung und sanfter Fitness, was bei jüngeren Patienten häufig noch realistischer machbar ist als bei älteren Menschen. Dadurch, dass sie bis auf die Arthritis meist noch gesund und beweglich sind, haben sie mehr Möglichkeiten, die Muskulatur effektiv zu stärken und damit den Gelenken mehr Stabilität zu verleihen.

Vorbeugung

Da die Ursachen der idiopathischen juvenilen Arthritis bisher unbekannt sind, gibt es derzeit keine wirksame Prophylaxe.

Nachsorge

Bei der Nachsorge der juvenilen idiopathischen Arthritis geht es einerseits um die korrekte Medikamenteneinnahme, andererseits um die physio- und ergotherapeutische Nachbehandlung. Die Bewegungstherapie zielt darauf ab, die Muskeln zu entspannen und Schmerzen zu lindern. Dabei kann es sich - je nach Situation - um eine passive Gelenkmobilisation handeln oder um eine unterstützende Behandlung.

Teilweise ist auch die Mitarbeit der Patienten gefragt, um die Gelenke beweglich zu halten und eine Besserung herbeizuführen. Um die Medikamente zu reduzieren, können auch Eispackungen gegen den Schmerz zum Einsatz kommen. Dabei gehen die Betroffenen genau nach der Anweisung des Therapeuten vor. Diese Maßnahmen lassen sich problemlos zuhause durchführen.

Für die spezielle, kindgerechte Wassergymnastik gibt es oft entsprechende Einrichtungen beziehungsweise Kurse. Im Zuge der Langzeitbehandlung lernen die betroffenen Kinder und Jugendlichen viel über die geeigneten Therapieformen. Neben der eigenen Beteiligung bei der Physiotherapie ist es auch wichtig, die Medikamente richtig einzusetzen.

Hier liegt die Verantwortung je nach Alter der Patienten oft erst einmal bei den Eltern. Die Antirheumatika und anderen Mittel dienen vorwiegend der Schmerzlinderung und fördern die Muskelentspannung. Lokale Wärme, Massagen, Bewegungsbäder und Elektrotherapie sind ebenfalls sinnvolle Methoden für die muskuläre Entspannung.

Das können Sie selbst tun

Neben der medikamentösen Therapie spielt auch die physiotherapeutische und ergotherapeutische Behandlung eine wichtige Rolle. Im Rahmen der physiotherapeutischen Behandlung finden Verfahren zur Entspannung und Schmerzlinderung Anwendung. Passive oder assistive Mobilisation der Gelenke sowie die Dehnung betroffener Strukturen führen zur Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit. Die gezielte Aktivierung der Muskulatur sowie die Anwendung von Eispackungen zur Schmerzlinderung gehören ebenfalls zum physiotherapeutischen Spektrum. Viele der angewandten Methoden sind nach Anleitung durch einen versierten Therapeuten auch im häuslichen Bereich gut durchführbar. Indiziert ist auch eine kindgerechte Art der Wassergymnastik zur Kräftigung der Muskulatur.

Die ergotherapeutische Behandlung ist bei Defiziten im Hand-Finger-Bereich angebracht. Ein Schwerpunkt dieser Therapieform ist in diesem Fall ein spielerisches, funktionelles Training. Ebenfalls werden im Rahmen dieser Therapie individuelle Handschienen angefertigt und der Umgang mit den Schienen eingeübt. Die Ergotherapie leistet ergänzend ein Gelenkschutztraining sowie eine Versorgung mit Hilfen für den Alltag bei schwerer betroffenen Kindern und Jugendlichen. Diese Inhalte sind größtenteils nach Anleitung auch gut im häuslichen Bereich durchführbar.

Hilfreich für die gesamte Familie ist eine soziale Betreuung. Ziel ist die Integration des chronisch Kranken in den Alltag sowie in Schule und Ausbildung. Informationen zur Inanspruchnahme sozialer Hilfen und Nachteilsausgleiche sind bei dieser Betreuung ebenfalls inbegriffen. Einen wertvollen Beitrag leisten auch Selbsthilfegruppen.

Quellen

  • Cohen, B.A.: Pädiatrische Dermatologie – Lehrbuch und Atlas. Urban & Fischer, München 2007
  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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