Bauchhautreflex

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Bauchhautreflex versteht der Neurologe einen Fremdreflex, der die Bauchdeckenmuskulatur bei Bestreichen der Bauchhaut kontrahieren lässt. Der polysynaptische Reflex ist über das Rückenmark verschalten und sein Ausbleiben kann auf eine pyramidale Schädigung verweisen. Multiple Sklerose kommt als Ursache für eine solche Läsion in Frage.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Bauchhautreflex?

Unter dem Bauchhautreflex versteht der Neurologe einen Fremdreflex, der die Bauchdeckenmuskulatur bei Bestreichen der Bauchhaut kontrahieren lässt.

Der Mensch ist mit verschiedenen Reflexen ausgestattet. Sie alle werden durch bestimmte Reize ausgelöst. Welches Wahrnehmungsorgan mit einem Reflex zusammenhängt, ist von der Art des Reflexes abhängig. Reflexe werden in zwei Hauptgruppen eingeteilt: in Eigenreflexe und Fremdreflexe. Anders als bei den Eigenreflexen liegen die Affektoren und Effektoren bei den Fremdreflexen nicht im selben Organ.

Unter den Effektoren und Affektoren werden die absteigenden und aufsteigenden Nervenfasern bezeichnet. Affektoren transportieren Aktionspotentiale auf einen bestimmten Reiz hin, also zum zentralen Nervensystem hin, während Effektoren Reize vom Zentralnervensystem fort leiten.

Der Bauchhautreflex ist einer von rund zehn Fremdreflexen des Menschen. Die Reflexbewegung wird durch das Bestreichen der Bauchdecke ausgelöst und ist ein wichtiger Bestandteil der neurologischen Untersuchung. Der Reizort des Bauchhautreflexes ist die Haut. Sein Zielorgan sind die Bauchdeckenmuskeln.

Die Neurologie unterscheidet den Bauchhautreflex in einen oberen, mittleren und unteren Reflex. Die neurologische Reflexuntersuchung überprüft den Bauchhautreflex auf allen drei Ebenen.

Funktion & Aufgabe

Wie alle motorischen Reflexe ist auch der Bauchhautreflex in der Wirbelsäule mit dem pyramidalen System verbunden. Diese Verschaltung garantiert eine besonders rasche Reflexantwort, wie sie für die Funktion aller Reflexe entscheidend ist.

An der Reflexbewegung des Bauchhautreflexes sind als auslösende Bahnen die Brustnervenbahnen Th8 bis Th12 beteiligt, die im pyramidalen System des Rückenmarks verschaltet sind. Der Bauchhautreflex ist als Fremdreflex ein polysynaptischer Reflex, dessen Reflexbogen über mehrere Synapsen erfolgt. Die sensiblen Hautnerven sind als auslösende Nerven an dem Reflex beteiligt.

Die motorischen Nervenbahnen der Bauchdeckenmuskulatur sind das Erfolgsorgan und leiten die Kontraktionsbewegung der Muskeln ein. Die glatte Muskulatur der Bauchdecke besteht aus dem Musculus rectus abdominis, dem Musculus transversus abdominis und dem Musculus obliquus externus abdominis. Diese drei Muskeln gehören zur Skelettmuskulatur und sind durch motorische Nerven innerviert, die im Fall des Bauchhautreflexes ein Potenzial aus dem Rückenmark erhalten und daraufhin kontrahieren.

Bei der neurologischen Reflexuntersuchung begibt sich der Patient in Rückenlage. Der Arzt streicht mit einer Nadel zügig von der seitlichen Bauchhaut zur Mitte hin. Diese Streichbewegung findet von beiden Seiten aus statt und wird auf drei unterschiedlichen Höhen der Bauchhaut durchgeführt. In der Regel wird der Reflex sowohl auf der Höhe des Rippenbogens, als auch auf der Höhe des Nabels und über der Leiste geprüft. Wenn der Reflex erhalten ist, kontrahiert auf allen drei Ebenen die Bauchdeckenmuskulatur.

Wie alle anderen Reflexe findet der Bauchhautreflex völlig unwillkürlich statt und hat vor allem Schutzfunktionen. Die Kontraktion der Bauchdeckenmuskeln verhärtet die Bauchdecke und schützt so die inneren Organe.

Wie alle Fremdreflexe gehört der Bauchhautreflex zu den erschöpflichen Reflexen. Die Reflexbewegung lässt sich also nicht beliebig oft hintereinander auslösen. Auch das Alter steht mit dem Reflex in Zusammenhang. Altersphysiologisch ist der Bauchhautreflex daher an manchen Patienten des höheren Lebensalters nicht mehr auslösbar. Im Rahmen der Reflexuntersuchung muss der Arzt diese Parameter beachten, um einen ausbleibenden Bauchhautreflex richtig interpretieren zu können.


Krankheiten & Beschwerden

Auf einer erschlafften Bauchdecke lässt sich der Bauchhautreflex gar nicht oder nur schwer auslösen. Dasselbe gilt auf einer adipösen Bauchdecke.

Wenn sich auf einer physiologisch normalen Bauchdecke die Bauchhautreflexe nicht mehr auslösen lassen, so wird das als sogenanntes Pyramidenbahnzeichen interpretiert. Die Pyramidenbahnzeichen verweisen auf eine Schädigung der Pyramidenbahn, die im Rückenmark das erste mit dem zweiten Motoneuron verbindet. Andere Pyramidenbahnzeichen sind die Reflexe der sogenannten Babinski-Gruppe. Dabei handelt es sich um pathologische Reflexbewegungen, die sich an gesunden Menschen nicht auslösen lassen und auf eine Schädigung der Motoneuronen selbst verweisen.

Der Bauchhautreflex fehlt ein- oder beidseitig oft bei Patienten der Multiplen Sklerose (MS). Immunologisch bedingte Entzündungen demyelinisieren bei dieser Erkrankung das zentrale Nervensystem und nehmen den Nerven somit die Leitfähigkeit. Bei einem akuten MS-Schub können auch Sensibilitätsstörungen der Bauchhaut die Ursache für den ausbleibenden Reflex sein. Denn wenn die Rezeptoren der Bauchhaut keine Erregung registrieren, können sie die auslösenden Informationen auch nicht an das Zentralnervensystem weitergeben und die motorische Reflexantwort bleibt dementsprechend aus.

Ein erloschener Bauchhautreflex ist also nicht zwingend mit einer pyramidalen Läsion verbunden, sondern kann auch an einer peripheren Läsion liegen, wie sie zum Beispiel im Rahmen einer Polyneuropathie vorkommen kann. Polyneuropathien können durch Mangelernährung, Nervenschädigungen im peripheren Nervensystem oder Infektionen und Vergiftungen verursacht werden.

Falls tatsächlich Schädigungen des Rückenmarks mit einem ausbleibenden Bauchhautreflex in ursächlichem Zusammenhang stehen, können diese Läsionen unter Umständen auch durch einen spinalen Infarkt oder eine degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems, wie ALS, verursacht worden sein und gehen oft mit einer spastischen Lähmung einher.

Ein gesteigerter Bauchhautreflex hat in den meisten Fällen keinen Krankheitswert und kann zum Beispiel physiologisch mit einer allgemein lebhaften Reflexantwort in Zusammenhang stehen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

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