Lampenfieber

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Lampenfieber entspricht einer Stresssituation vor öffentlichen Auftritten. Aus dem Phänomen können sich mit der Zeit Angststörungen entwickeln. Falls das passiert, hilft eine kognitive Verhaltenstherapie bei der Neubewertung der negativ empfundenen Situation.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Lampenfieber?

Patienten mit Lampenfieber leiden an einer psychisch körperlichen Symptomatik. Jedes Lampenfieber ist ein vorübergehender Gemütszustand in Situationen mit Erwartungsstress.
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Lampenfieber kann unterschiedlichste Bereiche des Lebens betreffen. In der erweiterten Definition ist bei jeder Art von Anspannung oder Stress vor einem öffentlichen Auftritt, einer Prüfung oder einer Gefahrensituation von Lampenfieber die Rede. Grundsätzlich ist das Lampenfieber mit der Prüfungsangst verwandt.

Weitere Formen des Lampenfiebers sind unter anderem die Kameraangst, die Mikrofonangst und die Sprechangst. Da vor allem die berufliche Reputation von Performance-Künstlern mit der Leistung auf der Bühne immer wieder aufs Neue auf dem Prüfstand steht, ist das Lampenfieber vor allem unter ihnen verbreitet. Die Grundform des Lampenfiebers wird in diesem Zusammenhang nicht als pathologischer Zustand bewertet, sondern oftmals sogar als günstiger Umstand beschrieben.

Durch das Lampenfieber besteht eine Grundspannung, die viele Performance-Künstler als motivierend und leistungssteigernd empfinden. Sobald Lampenfieber mit körperlichen Symptomen öfter auftritt, kann daraus aber eine soziale Phobie entstehen. Nach unangenehmen Auftrittserfahrungen kann Angst davor entstehen, dass die Angst wiederkommt.

Dadurch setzt sich eine Schleife der Angst vor der öffentlichen Bewertung fort, da der Betroffene in Angst vor der Angst abermals keine gute Leistung abliefern wird. Die negative Sicht auf die Situation kann sich so stabilisieren. Jede Art von Lampenfieber entsteht auf Basis des Eindrucks, die eigene Leistung werde von der Öffentlichkeit gesehen und bewertet.

Ursachen

Stress ist eine natürliche Reaktion auf unmittelbar bevorstehenden Aufgaben gewisser Komplexität. Im Laufe der Evolution sollte das Stressempfinden in gefährlichen Situationen das Überleben sichern und durch Hormone wie Adrenalin auf Flucht oder Kampf vorbereiten. Einige Stress-Symptome des Lampenfiebers treffen Gruppen von Künstlern stärker als andere.

Stressbedingt trockener Mund und Rachen, erschwertes Schlucken oder verkürzte Atemspannen können speziell bei Schauspielern und Sängern die Stimme schwächen. Darüber hinaus verlieren Pianisten mit stressbedingt feuchten Händen den sicheren Tastenzugriff. Außerdem kann das neuromuskuläre System stressbedingt beeinträchtigt werden, wodurch für Instrumentalisten, Schauspieler und Sportler die Leistungsqualität erheblich sinkt.

Instrumentalisten leiden vor allem unter stressbedingtem Händezittern, das ihre Leistungsqualität minimiert. Auch bei Sprechangst vor öffentlichen, nicht-künstlerischen Auftritten wie beispielsweise einem Referat kann der empfundene Stress verheerende Folgen auf die Leistung haben. Der Vortragende kann so beispielsweise den Text vergessen oder eine allgemeine Blockade erleben.

Hat der empfundene Stress einmal zu einer Leistungsbeeinträchtigung und einer daraufhin negativen Bewertung durch die beobachtende Öffentlichkeit geführt, so entwickelt sich eine Spirale aus negativen Erwartungen an die eigene Leistung. Durch die Selektivität der Wahrnehmung werden die Betroffenen fortan in der negativen Bewertung ihrer Leistungen bestärkt, da sie nur noch Kritik aufzunehmen scheinen und Lob kaum mehr hören. Eine Sozialphobie entwickelt sich.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten mit Lampenfieber leiden an einer psychisch körperlichen Symptomatik. Jedes Lampenfieber ist ein vorübergehender Gemütszustand in Situationen mit Erwartungsstress. Der Körper des Betroffenen bereitet sich auf die Bewältigung der bevorstehenden Aufgabe vor. Als physiologische Reaktion erhöht sich der Adrenalinspiegel der Betroffenen. Die Durchblutung des Gehirns und der Muskeln steigt und der Betroffene fühlt sich wacher. Das Reaktionsvermögen steigt an.

Die mentale Leistungsbereitschaft wird aktiviert. Klinisch stellt sich akuter Stress ein, der mit Symptomen wie Erröten, Herzklopfen, Zittern, Reizbarkeit, Anspannung und körperlicher oder emotionaler Beklemmung einhergeht. Darüber hinaus kann Lampenfieber zu Konzentrationsmangel und zu Vergesslichkeit führen.

Jeder Mensch reagiert auf Stresssituationen unterschiedlich. Aus diesem Grund können sich auch die Symptome von Lampenfieber von Mensch zu Mensch unterscheiden. Während einige Künstler das Phänomen in enger Beziehung zur Verliebtheit erkennen, wird es von anderen als unangenehm empfunden. Sobald sich aus dem Lampenfieber eine soziale Phobie entwickelt, stellen sich oft weitere Symptome wie Übelkeit, Kreislaufbeschwerden oder Bauchschmerzen ein.

In extremen Fällen kann Lampenfieber zu Ohnmachtsanfällen führen. An manch einer Stelle wurde das Phänomen mit dem Kanonenfieber von Soldaten vor dem Kampf verglichen, das als blutdrucksteigernde Erregung aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Gefahr bekannt ist.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Lampenfieber ist nur dann klinisch relevant, wenn es sich zu einer habitualisierten Erscheinung körperlich untragbaren Symptomen oder einer sozialen Phobie entwickelt.

Relevant ist es diagnostisch außerdem im Rahmen von extremen Versagensängsten und Depression, einem geringen Selbstwertgefühls oder einer sozial beeinträchtigenden Angststörung. Die Grenze zwischen positiv empfunden und negativ beeinträchtigend empfundenem Lampenfieber ist fließend. Klinische Relevanz hat ausschließlich letztere Form.

Komplikationen

Die Komplikationen im Zusammenhang mit dem sogenannten Lampenfieber sind, im Falle einer Ausprägung außerhalb des Bereiches einer sozialphobischen Variante, allenfalls peinlicher Natur. So kann durch den gesteigerten Puls und den empfundenen Stress die Körperkontrolle teils eingebüßt werden, was in spontanen Erektionen, dem unkontrollierten Abgang von Harn oder einer schlechten Aussprache ersichtlich werden kann.

Diese Dinge verstärken das Lampenfieber häufig zusätzlich und führen bei Betroffenen zu einer Form von Auftritts- oder Vortragsangst. Eine Komplikation entsteht hieraus nur, wenn dies für die Betroffenen bedeutet, dass sie ihren sozialen oder beruflichen Pflichten hierdurch nicht mehr nachkommen können. Entwickelt sich eine Angst vor dem Lampenfieber aufgrund der Erwartung, zu versagen oder starkem Stress in entsprechenden Situationen ausgesetzt zu sein, ist das Problem gravierender.

Dies kann zu einer Beeinträchtigung der Selbstwahrnehmung führen, da im Kopf der Betroffenen die Vorstellung vorherrscht, dem Publikum nicht zu genügen. So können sich in einigen Fällen Komplexe entwickeln. Rein körperliche Komplikationen treten im Zusammenhang mit Substanzen auf, die Menschen mit Lampenfieber zum Überkommen desselben verwenden.

So kann der übermäßige Gebrauch von Betablockern zu Herzschäden und depressiven Verstimmungen führen. Alkohol und andere Substanzen, die eventuell gewohnheitsmäßig vor Auftritten eingenommen werden, bergen ein Abhängigkeitspotenzial und ziehen noch weitere Komplikationen nach sich.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Gewöhnliches Lampenfieber, welches bei vielen Menschen in passenden Situationen auftritt, ist kein Grund für einen Arztbesuch. Dies ist damit zu begründen, dass eine leichte Anspannung, eventuelle Hemmungen und die sonstigen Symptome nicht zwingend zum Scheitern führen. Stattdessen schaffen es die meisten Menschen dennoch, Prüfungs- und Auftrittssituationen zu meistern - wenngleich sie davor und währenddessen eventuell ein unangenehmes Gefühl beschleicht. Die Betroffenen sind also trotz ihrer leichten Angst noch immer voll funktional.

Anders ist der Fall gelagert, wenn das Lampenfieber den Betroffenen stark einschränkt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Symptome sich körperlich stark bemerkbar machen, das Lampenfieber die Durchführung einer Tätigkeit wirklich verhindert oder es zu einer Angst vor der Angst kommt. Der letzte Fall bedeutet eine schwere Belastung für den Betroffenen. So führt die alleinige Furcht vor den Symptomen des Lampenfiebers zu einem sehr stressigen Zustand und zur Versagensangst. Entsprechend ist auch der Übergang zur Soziophobie fließend, was zusätzliche Einschränkungen bedeuten kann.

Da mit steigender Angst auch die Wahrscheinlichkeit, abhängig machende Substanzen zur Kompensation zu konsumieren, steigt, ist spätestens dann der Gang zum Arzt angeraten. Entsprechend dessen, dass es sich um eine Angststörung handelt, sind Psychotherapeuten oder sonstige, psychologisch geschulte Personen die richtige Anlaufstelle.

Behandlung & Therapie

Patienten mit Lampenfieber haben bei der Behandlung einen großen Vorteil im Vergleich zu den Patienten der meisten anderen Angststörungen. Während die primäre Ursache für die meisten anderen Angstpatienten im Dunklen liegt und therapeutisch erst ausgegraben werden muss, ist die Primärursache für das Lampenfieber bereits bekannt. Damit stehen zahlreiche Bewältigungsstrategien zur Verfügung.

Die Patienten sollten ihre Anspannung und alle damit zusammenhängenden Veränderungen als positiv bewerten und für sinnvoll und förderlich halten. Dies kann mittels kognitiver Verhaltenstherapie erfolgen, die dem Patienten eine neue Bewertungsmöglichkeit seiner bisherigen Erfahrungen eröffnet. Erforderlich ist eine psychotherapeutische oder psychologisch begleitete Therapie im Zusammenhang mit Lampenfieber erst dann, wenn der Zustand Blockaden hervorruft und tatsächliche Angst auslöst.

Solange das Lampenfieber nicht krankhaft wird, kann es vor allem von Bühnenkünstlern durch Freude an der Tätigkeit und die Erwartung von Bewunderung kompensiert werden. Durch selbst-reflexive Techniken, mentale Techniken und körperorientierte Vorgehensweisen sowie Atem- und Entspannungsmethoden kann Lampenfieber unter Künstlern in der Regel gut therapielos bewältigt werden, so zum Beispiel mit der Alexander-Technik oder Feldenkrais-Methode.

Prüfungsangst kann demgegenüber oft durch effizientes Management begegnet werden, so zum Beispiel durch die häufige Konfrontation mit Wettkämpfen, Konkurrenzsituationen, Mutproben. Auch eine systematische Prüfungsorganisation ist in diesem Zusammenhang sinnvoll. Bei Lampenfieber vor Sportsituationen sollte dem Gefahrenmanagement höchste Beachtung geschenkt werden.


Aussicht & Prognose

Die Prognose bei Lampenfieber und Prüfungsangst hängt von mehreren Faktoren ab. Besonders hervorzuheben ist der Aspekt, ob man sich in professioneller Behandlung befindet, oder nicht. Ist dies der Fall, so ist die Chance, das Lampenfieber dauerhaft zu überwinden, relativ gut. Eine Garantie dann für immer frei von Prüfungsangst zu sein, gibt es aber nicht. Rückfälle sind möglich und auch erfolglose Therapien kommen vor.

Aber auch ohne Therapie gibt es Heilungschancen. Hier haben Frauen den Männern gegenüber einen Vorteil. Frauen reden eher über ihre Probleme als Männer. Männern fällt es oft schwer, sich selbst und vor anderen persönliche Probleme einzugestehen. Dadurch verdrängen sie das Problem und das Lampenfieber kann sich sogar verschlimmern. In jedem Fall ist es hilfreich bei Prüfungsangst mit anderen darüber zu reden und sich eventuell auch mit ebenfalls Betroffenen auszutauschen. Dadurch werden Bewältigungsstrategien ausgetauscht und emotionale Krisen schneller bewältigt.

Lampenfieber ist eine Erkrankung, die in den seltensten Fällen plötzlich verschwindet. Die Prognose wird mit jeder bewältigten Situation besser, denn es handelt sich um einen andauernden Lernprozess, sowohl für die Psyche, als auch für den Körper.

Vorbeugung

Lampenfieber komplett vorbeugen zu wollen, hat wenig Sinn. Stattdessen sollte das Lampenfieber als Möglichkeit zur Leistungssteigerung anerkannt und genutzt werden.

Nachsorge

Eine erfolgreiche Therapie gegen Lampenfieber bedeutet nicht, dass dieses nicht dennoch immer mal wieder auftreten kann. Dann ist es wichtig, die bereits zum Einsatz gebrachten Elemente der Bearbeitung von Lampenfieber stets geistig präsent zu haben. Auf diese Weise wird das Lampenfieber wieder wirksam bekämpft.

Diese Maßnahmen sind meist individuell unterschiedlich wirksam. Dazu gehören bestimmte Rituale, deren Angewöhnung in der Regel nur sehr wenig mentalen Aufwand erfordert. Diese sollten ohnehin so intensiv antrainiert werden, dass sie jederzeit abrufbereit zur Verfügung stehen. Insbesondere ist dies der Fall in neuerlich als belastend empfundenen Situationen, die mit Lampenfieber verknüpft sein können.

Die im Training gegen dieses Leiden erworbenen Kenntnisse, Geist und Körper zu entspannen, sollten ebenso sofort zur Verfügung stehen. Hierzu zählt besonders das bewusste und Entspannung fördernde Atmen. Dies ist insofern im Bereich der Nachsorge bei Lampenfieber sehr anzuraten, da es mit minimalem Aufwand erneut eingesetzt werden kann.

Eine entsprechende Vorbereitung darauf, dass der Einsatz von Wegen zur Nachsorge bei Lampenfieber jederzeit nötig werden kann, ist deshalb ratsam. Individuell im Vorfeld erarbeitete Techniken zählen genauso dazu, die sehr voneinander abweichen können. Weiterhin gilt bei der Nachsorge von Lampenfieber an erster Stelle, dass alle Maßnahmen gut antrainiert sein müssen.

Das können Sie selbst tun

Lampenfieber ist in bestimmten Situation durchaus normal und sogar als positiv anzusehen, wenn es nicht überhandnimmt und damit die Leistung beeinflusst. Das Zulassen der Nervosität kann bereits den ersten Schritt zu ihrer Bewältigung darstellen. Betroffene sollten sich bewusst machen, dass ihre Mitmenschen kleine Unsicherheiten in der Regel kaum wahrnehmen und in den seltensten Fällen als negativ empfinden.

Viele Menschen fühlen sich vor einem öffentlichen Auftritt oder einer Prüfung sicherer, wenn sie die gefürchtete Situation vorher in Gedanken mehrmals durchspielen. Diese bildhafte Vorstellung, auch Visualisierung genannt, wird so lange wiederholt, bis der positive Ablauf vollkommen verinnerlicht wurde und die Übung mit einem positiven Gefühl beendet werden kann. Unmittelbar vor dem Ereignis helfen Entspannungs- und Atemübungen, die Nervosität auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Unterstützend können Bachblüten oder homöopathische Mittel zu innerer Ruhe verhelfen. Von Alkohol als Angstlöser ist dagegen abzuraten: Schon kleine Mengen mindern die Konzentration, im Übermaß kann vollständiger Kontrollverlust die Folge sein.

Auch Stress und Hektik können das Lampenfieber verstärken: Vor dem Auftritt sollte daher genug Zeit für die letzten Vorbereitungen und Entspannungsübungen eingeplant werden, bei großer Nervosität kann ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft sinnvoll sein. Langfristig helfen positive Selbstgespräche, das Selbstbewusstsein zu stärken.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009
  • Möller. H.-J., Laux, G., Deister, A., Braun-Scharm, H., Schulte-Körne, G.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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