Walker-Warburg-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Walker-Warburg-Syndrom ist eine äußerst seltene Erbkrankheit, deren Auswirkungen sowohl das Gehirn als auch die Augen und die Muskulatur betreffen. Die bereits bei der Geburt erkennbaren Symptome führen in der Regel nach nur wenigen Monaten zum Tod der davon betroffenen und dadurch schwerstbehinderten Kinder. Bisher gibt es keine Therapieform, um das Walker-Warburg-Syndrom zu behandeln oder gar zu heilen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Walker-Warburg-Syndrom?

Die Ursache des Walker-Warburg-Syndroms liegt in einer mehrfachen Genmutation, wobei der Fehler des Erbguts auf unterschiedliche Chromosoms zurückzuführen ist.
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Das Walker-Warburg-Syndrom (WWS) wurde nach Arthur Earl Walker und Mette Warburg benannt und 1942 erstmals von ihnen beschrieben. Von rund 40.000 neugeborenen Kindern leidet im Schnitt eines an dieser somit sehr selten auftretenden Erbkrankheit.

Das Walker-Warburg-Syndrom ist eine schwerwiegende Form der Lissenzephalie (vom griechischen “lissos“ stammend, was glatt bedeutet), bei der die normalerweise gefurchte Hirnrinde eine glatte Oberfläche aufweist. Bedingt wird das Walker-Warburg-Syndrom durch eine fehlerhafte Entwicklung der Nerven im Kleinhirn. Diese Fehlbildung des Gehirns führt zu schwerwiegenden Symptomen, die bei den betroffenen Neugeborenen häufig die Bildung eines sogenannten Wasserkopfes (Hydrozephalus), aber auch Fehlbildungen der Augen und die sogenannte Lippen-Kiefer-Gaumenspalten sowie Atemprobleme hervorrufen.

Deshalb werden die meisten der unter dem Walker-Warburg-Syndrom leidenden Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt künstlich beatmet. Viele Kinder kommen allerdings, bedingt durch das Walker-Warburg-Syndrom, tot zur Welt.

Ursachen

Die Ursache des Walker-Warburg-Syndroms liegt in einer mehrfachen Genmutation, wobei der Fehler des Erbguts auf unterschiedliche Chromosoms zurückzuführen ist. Das Walker-Warburg-Syndrom zählt zu den autosomal-rezessiven Erbkrankheiten.

Dies bedeutet, dass die veränderten Gene keine geschlechtsspezifischen Merkmale aufweisen (autosomal) und die vorhandene Genveränderung nur dann zum Walker-Warburg-Syndrom führt, wenn sowohl Vater als auch Mutter diese Veranlagung an ihr Kind vererben (rezessiv).

Die Erbkrankheit bricht also grundsätzlich nur dann aus, wenn beide Elternteile über einen Gendefekt verfügen und diesen an das Kind weitergeben, wobei selbst in diesem Fall nur rund 25 Prozent der Neugeborenen tatsächlich am Walker-Warburg-Syndrom erkranken.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Erkrankung zeigt zahlreiche schwere Symptome. Es liegt Lissenzephalie vor, das heißt, es fehlen die Furchen und Windungen der Hirnrinde oder sind nur rudimentär vorhanden. Das Kleinhirn ist deutlich reduziert in seiner Größe. Die Fehlbildungen verursachen ein verringertes Wachstum und ausgeprägte Funktionsstörungen der Muskeln, sodass die Gliedmaßen schlaff am Körper hängen.

Die Kinder lernen nicht, sich zu bewegen, zu krabbeln oder zu laufen und sie können ihre Lage nicht selbstständig verändern. Sie bleiben in ihrer Entwicklung auf der Stufe eines Säuglings stehen. Direkt nach der Geburt treten oft Atemprobleme auf. Die Nahrungsaufnahme ist erschwert, sie müssen immer gefüttert werden.

Da sie das Essen eher einatmen, als schlucken, führt das vermehrt zu Lungenentzündungen (Aspirationspneumonie). Ihre Umgebung nehmen die Kleinen zwar wahr, können aber bewegten Gegenständen oder Bewegungen von Menschen nicht mit dem Blick folgen. Die Augen sind nicht normal entwickelt, häufig sind die Kinder blind oder haben einen Star. Sie können nicht sprechen und meist ist eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vorhanden.

Auch die Hörfähigkeit ist gestört. Bei manchen Betroffenen bildet sich durch übermäßige Flüssigkeitsansammlungen in den Hirnventrikeln ein Wasserkopf (Hydrocephalus). Auch eine flüssigkeitsgefüllte Aussackung am Hinterkopf (Enzephalozele) kann entstehen. Durch die schweren Fehlbildungen am Gehirn sind die geistigen Fähigkeiten stark beeinträchtigt. Oft leiden die Kinder an epileptischen Anfällen.

Diagnose & Verlauf

Um das Walker-Warburg-Syndrom zu diagnostizieren, stellt der Kinderarzt oder sonstiges Fachpersonal bei Verdacht (aufgrund der bereits nach der Geburt vorhandenen, typischen Symptome) mittels Magnetresonanz- oder Computertomographie fest, ob sich dieser verhärtet.

Um eine absolut sichere Diagnose zu erhalten, ob das Kind tatsächlich am Walker-Warburg-Syndrom oder an einer anderen Erkrankung mit ähnlichen Symptomen leidet, erfolgt zusätzlich eine Blutuntersuchung des Kindes. Das Walker-Warburg-Syndrom lässt sich in Fällen, in denen eine Erbguterkrankung beider Elternteile bekannt ist, auch durch eine vorgeburtliche Fruchtwasserentnahme, die sodann genetisch untersucht wird, feststellen.

Ultraschalluntersuchungen werden beim vorgeburtlichen Verdacht auf das Walker-Warburg-Syndrom ebenso angewandt, liefern jedoch nur Hinweise zu einer allgemeinen Fehlentwicklung des Gehirns, nicht aber zur sicheren Diagnose dieser Erbkrankheit.

Das Walker-Warburg-Syndrom verläuft in seiner schweren Form tödlich, wobei viele der betroffenen Neugeborenen bereits tot zur Welt kommen. Die am Walker-Warburg-Syndrom erkrankten Lebendgeborenen bleiben meist nur wenige Monate, bei der milderen Form der Erkrankung maximal zwei bis drei Jahre am Leben.

Komplikationen

Das Walker-Warburg-Syndrom ist mit schweren Fehlbildungen und dadurch auch mit schweren Einschränkungen im Alltag des Betroffenen verbunden. In der Regel leiden die Betroffenen dabei an einer Gaumenspalte, sodass es bei der Einnahme von Nahrung und Flüssigkeiten zu Beschwerden kommen kann. Auch eine Dehydration oder andere Mangelerscheinungen können aufgrund des Walker-Warburg-Syndroms auftreten und den Alltag des Patienten erschweren.

Weiterhin kommt es auch zu einem Wasserkopf und in vielen Fällen zu Atembeschwerden und zu einem deutlich verkleinerten Gehirn. Die meisten Patienten leiden aufgrund der Erkrankung auch an Sehbeschwerden oder an Schmerzen an den Augen. Auch geistige und psychische Beschwerden treten beim Walker-Warburg-Syndrom nicht selten auf und wirken sich sehr negativ auf die Lebensqualität des Patienten aus.

In vielen Fällen sind die Patienten damit in ihrem Alltag auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und können viele Dinge des Alltages nicht mehr ohne Weiteres durchführen. Auch die Eltern oder die Angehörigen können dabei von psychischen Beschwerden betroffen sein. Da eine ursächliche Behandlung des Walker-Warburg-Syndroms nicht möglich ist, können nur die einzelnen Symptome therapiert werden. Besondere Komplikationen treten dabei nicht auf. Ob das Walker-Warburg-Syndrom zu einer verringerten Lebenserwartung beim Patienten führt, kann nicht universell vorhergesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Der Betroffene sollte beim Walker-Warburg-Syndrom auf jeden Fall einen Arzt kontaktieren. Da es sich dabei um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann es nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, wobei eine vollständige Heilung ohnehin nicht möglich ist. Allerdings wirkt sich eine frühzeitige Diagnose immer positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus, sodass der Betroffene schon bei den ersten Symptomen des Walker-Warburg-Syndroms einen Arzt kontaktieren sollte.

In den meisten Fällen versterben die betroffenen Kinder jedoch schon einige Monate nach der Geburt, sodass vor allem die Eltern und die Angehörigen einen Psychologen aufsuchen sollten, um Depressionen und andere psychische Verstimmungen zu verhindern. Die Diagnose des Syndroms erfolgt in der Regel schon vor der Geburt.

Ein Arzt ist dabei dann aufzusuchen, wenn das Kind an Atembeschwerden oder an Hörbeschwerden leidet. Es kommt dabei im Gesicht zu verschiedenen Fehlbildungen und Missbildungen, die ebenfalls auf diese Krankheit hinweisen können. Da die Behandlung dieses Syndroms rein symptomatisch erfolgen kann, können die Beschwerden nicht vollständig gelindert werden, sodass es zu einem frühzeitigen Tode des Kindes kommt.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der vom Walker-Warburg-Syndrom betroffenen Kinder beschränkt sich auf die künstliche Beatmung unmittelbar nach der Geburt durch das medizinische Fachpersonal sowie auf den liebevollen und einfühlsamen Umgang des mit dem Walker-Warburg-Syndrom zur Welt gekommenen Säuglings oder Kleinkinds seitens der Eltern und Angehörigen, da bislang weder für die Ursachen, noch für die Auswirkungen dieser Erbkrankheit eine wirksame Therapieform gefunden wurde.

Während des meist sehr kurzen Lebens ihres Kindes und vor allem danach können die vom Walker-Warburg-Syndrom betroffenen Eltern und Hinterbliebenen sich in Selbsthilfegruppen Trost spenden, Halt geben und Hilfe anbieten lassen, denn innerhalb dieser durch ähnliche Erfahrungen und Trauerprozesse entstandenen Gruppen fällt das Verarbeiten der durch das Walker-Warburg-Syndrom bedingten Auswirkungen wesentlich einfacher, um in ein “normales“ Leben zurückzufinden.


Vorbeugung

Grundsätzlich existieren für das Walker-Warburg-Syndrom keine vorbeugenden Maßnahmen, um die Erkrankung zu vermeiden. Allerdings kann im Falle eines bei beiden Elternteilen bereits bekannten Erbgutdefekts, aber auch bei etwaigen Auffälligkeiten innerhalb der Familie sowie bei Risikoschwangerschaften eine vorgeburtliche Diagnostik dazu beitragen, dass das Walker-Warburg-Syndrom frühzeitig erkannt wird, sodass sich die Eltern und das Umfeld auf den bevorstehenden Verlauf der Erkrankung und die damit einhergehenden, unvermeidbaren Folgen vorbereiten können.

Nachsorge

Da ein Walker-Warburg-Syndrom bisher nicht ursächlich behandelbar ist und zwangsläufig innerhalb der ersten Lebensjahre zum Kindstod führt, ist bei den betroffenen Patienten auch keine Nachsorge möglich. Die Entstehung des Walker-Warburg-Syndroms ist allerdings erblich bedingt. Die Nachsorgebehandlung richtet sich daher an die Eltern und enge Verwandte des betroffenen Kindes, insbesondere Geschwister.

Bei einer erneuten Schwangerschaft sollten die Eltern eine Pränataldiagnostik vornehmen lassen, um frühzeitig erkennen zu können, ob das Kind ebenfalls vom Walker-Warburg-Syndrom betroffen ist. Ist dies der Fall, kann frühzeitig ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden, falls die Eltern dies wünschen. Bei der Unterstützung einer Entscheidungsfindung helfen spezielle Beratungsstellen für Schwangerschaftskonfliktberatung.

In jedem Fall bringt eine Pränataldiagnostik aber Gewissheit über den Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes. Zusätzlich kann für die Eltern eines vom Walker-Warburg-Syndrom betroffenen Kindes eine psychotherapeutische Begleitung hilfreich sein, um mit der persönlichen Belastung zurechtzukommen, die für die Eltern aus der Erkrankung des Kindes resultiert.

Entstehen bei einem Elternteil Depressionen, kann zusätzlich eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva angezeigt sein. Gesunde Verwandte und Geschwister einer vom Walker-Warburg-Syndrom betroffenen Person sollten einen Gentest durchführen lassen, um herauszufinden, ob sie Merkmalsträger sind. Ist dies der Fall, sollten auch bei allen Schwangerschaften von Geschwistern eines betroffenen Kindes Pränataldiagnostiken durchgeführt werden.

Das können Sie selbst tun

Diese schwerwiegende genetisch bedingte Erkrankung bietet für alle Betroffenen kaum Spielraum für eine Verbesserung der Gesamtsituation. Vielmehr liegt die Selbsthilfe im Bereich des Umgangs mit der Erkrankung. In den meisten Fällen kommt es aufgrund der vielfältigen Beschwerden innerhalb weniger Lebenswochen oder -monate zum Tod des Patienten.

Zur Linderung vorhandener gesundheitlicher Unregelmäßigkeiten ist die Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten wichtig. Die Unterstützung eines Psychotherapeuten kann bei der Bewältigung der Erkrankung insbesondere von den Angehörigen als hilfreich empfunden werden. Der offene Umgang mit den eigenen Gefühlen und Vorstellungen ist anzuraten, damit das Verhalten der Eltern für alle Beteiligten besser zu verstehen ist. In vielen Fällen kommt es zu Konflikten und zwischenmenschlichen Problemen der Familienangehörigen, da die emotionale Belastung enorm ist. Diese sollten dennoch unter allen Umständen vermieden werden, damit die Gestaltung der verbleibenden Lebenszeit für den Patienten optimiert werden kann.

Empfehlenswert ist bei dem Treffen weiterer medizinischer Behandlungsschritte eine harmonische Lösungsfindung. Das verfolgen eigener Interessen kann zu Komplikationen und einer zusätzlichen Verschlechterung der gesundheitlichen Entwicklungen führen. Bei Situationen der Überforderung sollten die Angehörigen unverzüglich Hilfe in Anspruch nehmen. Es kann jederzeit zu einer akuten gesundheitlichen Entwicklung kommen, auf die alle Beteiligten innerlich vorbereitet sein sollten.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Kerbl, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2011
  • Speer, C.P., Gahr, M. (Hrsg.): Pädiatrie. Springer, Berlin 2013

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