Erbkrankheiten

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Krankheiten, die "von den Eltern auf die Kinder übertragen werden", bezeichnet der allgemeine Sprachgebrauch als Erbkrankheiten. Genetisch bedingte Erkrankungen werden in drei Gruppen unterteilt: chromosomale Anomalien, monogene Krankheiten und polygene Erbkrankheiten.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Erbkrankheiten?

Jedes Chromosom und jedes Gen kann beschädigt sein und schwere Erbkrankheiten hervorrufen. Bei chromosomalen Erbkrankheiten kommt es zu einer Anomalie der Chromosomenanzahl oder Struktur.
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Erbkrankheiten sind Krankheitsbilder oder Erkrankungen, die durch Fehler in den Erbanlagen entstehen oder sich durch Mutationen (Spontanmutation aufgrund von Umwelteinflüssen, Infekten in der Schwangerschaft etc.) neu bilden.

Ursächlich für Erbkrankheiten sind immer eine Veränderung einzelner Chromosomen oder Chromosomenabschnitte (Gene). Chromosomen kommen in den Zellkernen aller mehrzelligen Lebewesen vor und beinhalten die Erbinformationen in Form von DNA-Strängen, auf denen sich die einzelnen Gene befinden.

Der Mensch besitzt insgesamt 46 Chromosomen in jedem Zellkern, wovon je zwei Chromosomen geschlechtsbestimmend sind (XX, XY). Die übrigen 44 Chromosomen sind für die Entwicklung und Funktion einzelner Organe ausschlaggebend, wobei die einzelnen Gene spezifizierend wirken.

Ursachen

Jedes Chromosom und jedes Gen kann beschädigt sein und schwere Erbkrankheiten hervorrufen. Bei chromosomalen Erbkrankheiten kommt es zu einer Anomalie der Chromosomenanzahl oder Struktur. Bekannte Erbkrankheiten dieser Kategorie sind Trisomie 21 (Down-Syndrom), Klinefelter-Syndrom (XXY) und Turner-Syndrom (nur ein X-Chromosom). Diese Erbkrankheiten äußern sich oft mit verminderter Intelligenz, veränderter Physiognomie und körperlichen Beeinträchtigungen in unterschiedlichen Schwergraden.

Bei einer monogenen Störung ist nur ein Gen defekt. Diese Erbkrankheiten treten häufig auf, erschweren und behindern z.B. die Bildung von Enzymen und Proteinen und sind für die meisten Stoffwechselerkrankungen verantwortlich. Bluterkrankheit, Sichelzellenanämie und Albinismus gehören ebenfalls zu diesen Erbkrankheiten.

Monogene Defekte können vererbt werden, aber auch spontan entstehen. Bei polygenen bzw. multifaktorialen Erbkrankheiten sind mehrere Gene betroffen, die miteinander in fehlerhafter Weise agieren. Oft sind Umwelteinflüsse zusätzlich ausschlaggebend. Dies betrifft z.B. die Kiefer-Gaumenspalte, vererbbare Formen der Schizophrenie sowie einige Allergien.


Typische & häufige Erbkrankheiten

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Aufgrund der Vielzahl an Erbkrankheiten ist es unmöglich, vereinheitlicht Symptome und Beschwerden zu beschreiben. Die meisten Erbkrankheiten zeichnen sich allerdings dadurch aus, dass die Symptome, die mit ihnen einhergehen, ab einem gewissen Punkt im Leben auftreten und sich schließlich verschlechtern. Sie bedeuten in vielen Fällen eine lebenslange Einschränkung des Betroffenen und können dessen Lebensdauer teils erheblich verkürzen.

Die Symptome umfassen unter anderem Stoffwechselleiden, Nervendegeneration und eine genetisch bedingte Erblindung. Dadurch, dass auch eine genetische Prädisposition für bestimmte Leiden im weitesten Sinne als Erbkrankheit definiert werden kann, fallen in einigen Fällen auch Leiden wie zum Beispiel Herzinfarkte, eine erhöhte Anfälligkeit für Tumorbildung und Osteoporose in den Kreis der Symptome.

Anzeichen für Erbkrankheiten bestehen oftmals darin, dass Nachkommen Symptome zeigen, die bereits bei Eltern oder Großeltern bekannt waren. Der Verdacht auf das Vorhandensein einer Erbkrankheit liegt dann nahe. Allerdings ist dies lediglich bei autosomal-dominanten Erbgängen schnell anzunehmen, da autosomal-rezessive Erbgänge eine oder mehrere Generationen ohne Ausprägung einer Krankheit vererbt werden können.

Um einen Überblick über die Symptome und mögliche Anzeichen einer Erbkrankheit zu erhalten, ist es für Nachkommen tendenzieller Träger solcher Gene, sowie die tendenziellen Träger selbst, sinnvoll, sich mit den entsprechenden Vererbungs- und Auftrittswahrscheinlichkeiten vertraut zu machen.

Diagnose & Verlauf

Eine Häufung bestimmter Krankheiten in der Familie kann auf Erbkrankheiten hindeuten. Monogenetische Defekte lassen sich nur schwer diagnostizieren und werden gern als "Veranlagung" und nicht als Erbkrankheit bezeichnet. Ob und wie schwer die einzelnen Krankheitsbilder bei den relevanteren chromosomalen Erbkrankheiten auftreten, hängt davon ab, ob nur Teile eines Chromosoms beschädigt sind, ein Chromosom ganz fehlt oder sogar doppelt auftritt.

Geschlechtsspezifische Erbkrankheiten (X, XXY) gehen oft mit minderer Intelligenz und/oder Unfruchtbarkeit einher. Die meisten Schäden am chromosomalen Erbgut bringen keinen lebensfähigen Organismus hervor. Die Natur hilft sich bei diesen akuten Erbkrankheiten selbst und der Embryo wird abgestoßen.

Viele Erbkrankheiten bleiben somit unerkannt. Träger eines Gendefekts müssen nicht selbst das entsprechende Krankheitsbild aufweisen, doch sie können den Defekt rezessiv oder dominant vererben. Inzestuöse Verbindungen bringen häufig Nachkommen mit Erbkrankheiten hervor.

Komplikationen

Die Komplikationen hängen sehr stark von der Erbkrankheit selbst und ihrer Behandlung ab. In vielen Fällen ist es möglich, die Beschwerden und Komplikationen mit Hilfe iner frühzeitigen Behandlung einzugrenzen und zu bekämpfen. In schwerwiegenden Fällen ist eine Behandlung allerdings nicht direkt möglich, sodass nur die Symptome behandelt werden können, um dem Patienten das Leben und den Alltag zu erleichtern.

In den meisten Fällen kommt es bei Erbkrankheiten zu Problemen mit der Intelligenz und den motorischen Fähigkeiten. Somit kommt es zu einer psychischen und physischen Retardierung. Dies führt vor allem bei Kindern zu starken sozialen Problemen, Mobbing und Hänseleien. Bei einigen Erbkrankheiten kommt es zu einer starken Verminderung der Lebenserwartung durch die Ausprägung unterschiedlicher Krankheiten.

Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Immunsystem erheblich geschwächt ist und keine dauerhafte Abwehr leisten kann. Eine Erbkrankheit kann nicht ursprünglich behandelt werden, sodass die Behandlung nur auf die Reduzierung der Symptome ausgelegt ist. In vielen Fällen sind Therapien möglich, die die Symptome einschränken und dem Patienten ein gesundes Leben ermöglichen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Erbkrankheiten sollten definitiv nicht auf die leichte Schulter genommen werden, sodass auf jeden Fall eine Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt stattfinden sollte. Einige Erbkrankheiten können sogar schon unmittelbar nach der Geburt festgestellt werden, sodass eine nachträgliche Betreuung durch einen Arzt zwingend erfolgen muss. Natürlich ist es immer bedeutsam, was für eine Erbkrankheit vorliegt. Einige Erbkrankheiten erfordern eine regelmäßige Behandlung sowie medizinische Eingriffe, um schwerwiegende Folgeschäden zu vermeiden.

Die Intensität einer nachträglichen Behandlung ist natürlich stets abhängig von der jeweiligen Erbkrankheit. In einigen Fällen ist lediglich eine Vorsorgeuntersuchung notwendig, sodass eine dauerhafte Behandlung durch einen entsprechenden Arzt nicht erfolgen muss. In anderen Fällen erfordern bestimmte Erbkrankheiten eine regelmäßige Untersuchung bzw. Behandlung, da andernfalls dauerhafte oder sogar tödliche Folgeschäden entstehen können. Aus diesem Grund gilt: Eine Untersuchung auf Erbkrankheiten sollte definitiv bei jeder Person stattfinden. Durch eine solche frühzeitige Untersuchung kann eine eventuelle Erbkrankheit festgestellt werden, sodass eventuelle Komplikationen vermieden werden können.

Behandlung & Therapie

Durch Fruchtwasseruntersuchungen können die meisten chromosomalen Erbkrankheiten bereits im Embryonalstadium erkannt werden. Die betroffenen Eltern müssen schließlich selbst entscheiden, ob sie einem behinderten Kind das Leben schenken wollen.

Die Ursprünge der Erbkrankheiten sind jedoch zur Zeit nicht behandelbar. Nur die Symptome können medikamentös gelindert werden. So dürfen geistig behinderte Kinder mit Trisomie 21 heute ein weitgehend selbstständiges Leben im Erwachsenenalter führen, was u.a. durch gezielte Förderung erreicht wird. Auch die Lebenserwartung von Menschen mit einer Erbkrankheit (z.B. Mukoviszidose) hat sich durch die Forschritte der medizinischen Wissenschaft deutlich erhöht.

Kinder mit einer angeborenen, erblich bedingten Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) wurden früher unweigerlich als "schwachsinnig" klassifiziert und litten unter Minderwuchs. Das Krankheitsbild dieser Erbkrankheit nannte sich Kretinismus. Heute wird die Erkrankung durch die Gabe von künstlichem Thyroxin (Schilddrüsenhormon) und Jod unterdrückt und die Kinder können sich normal entwickeln. Viele Erbkrankheiten haben ihren Makel verloren und sind erfolgreich therapierbar, wenn auch (noch) nicht heilbar.

Aussicht & Prognose

Die Prognose von Erbkrankheiten ist nach der individuellen Erkrankung zu bestimmen. Da in die menschliche Genetik nicht eingegriffen werden darf, sind grundlegende Veränderungen der DNA nicht möglich. Erbkrankheiten können daher lediglich symptomatisch behandelt werden. Es gibt Erkrankungen, bei denen durch die Behandlung der anfallenden Beschwerden gute Erfolge erzielt werden können und eine stabile Lebensqualität erreicht wird.

Durch operative Eingriffe sind unzählige Korrekturmöglichkeiten gegeben, die zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Oftmals müssen jedoch mehrere Operationen im Laufe des Lebens durchgeführt werden, um das Überleben des Patienten zu sichern. Durch den medizinischen Fortschritt gelingt es den Wissenschaftler kontinuierlich, neue Methoden oder Möglichkeiten für eine Behandlung zu finden sowie erfolgreich umzusetzen. Dennoch gibt es parallel dazu Erbkrankheiten, bei denen die Medizin keine oder nur wenige Therapieverfahren anwenden kann.

Oftmals ist die Lebenszeit des Erkrankten bei genetischen Defekten deutlich herabgesetzt. Zudem ist mit einer verminderten Entwicklung, optischen Auffälligkeiten oder geistigen sowie motorischen Einschränkungen zu rechnen. Neben den körperlichen Merkmalen einer Erberkrankungen treten dadurch häufig psychische Erkrankungen auf, die eine Prognose weiter verschlechtern können. In einigen Fällen ist ein Fötus oder ein neugeborenes Kind nicht überlebensfähig. Es stirbt bereits im Mutterleib oder trotz aller Bemühungen kurz nach der Geburt.


Vorbeugung

Wichtig ist das frühzeitige Erkennen von Erbkrankheiten, um die Auswirkungen auf Körper und Geist sowie die Beeinträchtigungen der Lebensqualität zu reduzieren. Gendefekte, die den Stoffwechsel betreffen, lassen sich inzwischen gut behandeln. Eine frühzeitige Behandlung verringert den Schweregrad des Krankheitsbildes, das durch solche Erbkrankheiten verursacht wird und ermöglicht den Betroffenen ein weitgehend normales Leben.

Nachsorge

Bei vielen Erbkrankheiten ist die Nachsorge sehr schwierig. Genetische Defekte oder Mutationen können so gravierende Folgen haben, dass Mediziner nur wenige davon abmildern, korrigieren oder behandeln können. In vielen Fällen lösen Erbkrankheiten schwere Behinderungen aus. Mit diesen haben die Betroffenen lebenslang zu kämpfen.

Was in der Nachsorge getan werden kann, besteht oft genug nur in physiotherapeutischen oder psychotherapeutischen Maßnahmen. Bei einer ganzen Reihe von langsam fortschreitenden Erbkrankheiten können jedoch Behandlungserfolge erzielt werden. Wie diese aussehen, hängt von der Erkrankung selbst ab.

Bei Erbkrankheiten wie der Bluterkrankheit, der Mukoviszidose oder dem Down-Syndrom sind jeweils sehr unterschiedliche Krankheitsbilder anzutreffen. Gleiches gilt für die Gaumen-Kiefer-Spalte, die Neurofibromatose oder Zystennieren. Die Nachsorgemaßnahmen müssen sich nach diesen Krankheitsbildern richten.

Verallgemeinernde Aussagen über die Art der Nachsorge sind nur insoweit zulässig, als dass man den betroffenen Patienten das Leben nach Möglichkeit erleichtert. Erbkrankheiten können lebenslang zunehmende oder gleichbleibend starke Beschwerden verursachen. Sie können die Lebensqualität und die Lebensdauer erheblich einschränken. Bei vielen Erbkrankheiten entlasten Operationen nur wenig. Gegebenenfalls wird eine postoperative Nachsorge nötig.

Einige der Symptome oder Störungen von Erbkrankheiten können heutzutage erfolgreich behandelt werden. Psychotherapeutische Betreuung ist bei Erbkrankheiten dann sinnvoll, wo es infolge der Merkmale der Erkrankung zu Depressionen, Minderwertigkeitsgefühlen oder anderen psychischen Störungen kommt.

Das können Sie selbst tun

Erbkrankheiten sind genetisch bedingt und werden von einer Generationen an nachfolgende Generationen weitergegeben. Gegen die Ursachen einer Erbkrankheit kann der Betroffene selbst meist keine Maßnahmen ergreifen. Auch die Schulmedizin ist derzeit in aller Regel nicht in der Lage, eine genetisch verursachte Erkrankung kausal zu behandeln.

Die Betroffenen können aber in vielen Fällen dazu beitragen, die Risiken zu steuern oder die schwere des Verlaufs abzumildern. Was ein Betroffener ganz konkret selbst tun kann, hängt aber davon ab, an welcher Erbkrankheit er leidet bzw. welche Erbkrankheiten in der Familie bereits aufgetreten sind.

Bei zahlreichen Erbkrankheiten lässt sich eine schwere Störung bereits im Rahmen der Pränataldiagnostik feststellen. Werdende Eltern, in deren Familien eine oder mehrere Erbkrankheiten verbreitet sind, sollten von den angebotenen Vorsorgeuntersuchungen deshalb Gebrauch machen. Sie können dann im Fall einer schweren Behinderung entscheiden, ob sie die Schwangerschaft vorzeitig unterbrechen wollen.

Einige Erbkrankheiten zeigen sich dagegen erst im Erwachsenenalter. Hier hängt der Krankheitsverlauf und die Prognose für den Betroffenen oftmals davon ab, dass die Störung frühzeitig erkannt und adäquat behandelt wird. Personen, in deren Familien Erbkrankheiten auftreten, sollten sich mit dem Verlauf und den Begleiterscheinungen der Krankheiten vertraut machen, damit sie bereits erste Symptome richtig deuten und zeitnah medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können.

Quellen

  • Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
  • Hennig, W.: Genetik. Springer, Berlin 1995
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011

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