Glanzmann-Thrombasthenie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Glanzmann-Thrombasthenie gehört zu den selteneren Blutgerinnungsstörungen. In schwererer Form kann sie sogar tödlich verlaufen, wenn der Patient nicht rechtzeitig mit den richtigen Mitteln behandelt wird. Sie kommt als vererbbare und erworbene Erkrankung vor und kann - je nach Form und Symptomatik - für den Betroffenen eine große psychische Belastung sein. Da Kinder aufgrund ihres Verhaltens ohnehin ein höheres Verletzungsrisiko haben, sind sie besonders gefährdet, wenn es zu Unfällen kommt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Glanzmann-Thrombasthenie?

Patienten, die an der Glanzmann-Thrombasthenie erkrankt sind, haben eine erhöhte Neigung zu Blutungen. Sie werden erst nach längerer Blutungszeit gestoppt oder es bilden sich überhaupt keine Gerinnsel.
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Die Glanzmann-Thrombasthenie wurde nach ihrem Entdecker, dem Schweizer Kinderarzt Eduard Glanzmann, benannt. Die erbliche Form der sehr seltenen Thrombozyten Gerinnungsstörung wird außerdem noch als hereditäre Thrombasthenie, GT, Glanzmann-Naegeli-Syndrom und Morbus Glanzmann Naegeli bezeichnet. Die Blutplättchen Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt und überspringt mehrere Generationen, bevor sie erneut auftritt.

Die Eltern des Neugeborenen wissen oft nicht, dass sie Anlageträger sind, da sie selbst keine Symptome an sich bemerken. Die Patienten haben eine erhöhte Neigung zu Blutungen, die von leichteren Ausprägungen der Krankheit (punktförmige Haut-Unterblutungen) bis zu tödlichen Komplikationen bei operativen Eingriffen reichen können. Daher ist es für die Betroffenen sehr riskant, auch nur geringere operative Eingriffe durchführen zu lassen, wenn sie selbst und/oder der operierende Mediziner nichts von der Erkrankung wissen.

Wie stark die Blut-Erkrankung unter der Bevölkerung verbreitet ist, lässt sich nicht exakt bestimmen. Sicher ist jedoch, dass sie bei Männern und Frauen gleich häufig vorkommt. Frauen, die Anlageträger sind, können ihr Kind normal austragen, sollten sich jedoch vor einer geplanten Schwangerschaft unbedingt beraten lassen. Außer der vererbbaren Form der Glanzmann-Thrombasthenie gibt es noch die erworbene Form.

Ursachen

Bei der ererbten Form der Glanzmann-Thrombasthenie tritt die Krankheit bei dem Kind nur dann auf, wenn beide Elternteile Träger des Gendefekts sind. Ist nur ein Elternteil Träger oder selbst daran erkrankt, dann beträgt die statistische Wahrscheinlichkeit 50 Prozent, dass das Kind selbst krank wird. Ist das Elternpaar miteinander verwandt, ist das Risiko für das Kind sehr groß, an einer Glanzmann-Thrombasthenie zu erkranken.

Die Krankheit betrifft den Glykoprotein-Rezeptor GPIIb/GPIIIa (Alpha-2b/Beta-3-Integrin) auf dem Chromosom 17. Er fehlt entweder vollständig oder arbeitet fehlerhaft. Der Rezeptor auf dem Gen sorgt dafür, dass sich die Blutplättchen dort, wo das Blutgefäß verletzt ist, zusammenballen (Blutgerinnung, Aggregation). Ist der Rezeptor nicht voll funktionsfähig, können das die Thrombozyten miteinander verklumpende Fibrinogen, der Von-Willebrand-Faktor und das Fibronektin dort nicht andocken. Blutungen können überhaupt nicht oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung gestoppt werden.

Die erworbene Glanzmann-Thrombasthenie tritt im Rahmen bösartiger Erkrankungen auf (Hodgkin-Lymphom, Multiples Myelom, Leukämie). Bei dieser Form der Erkrankung bildet der Körper Autoantikörper gegen den GPIIb/IIIa Rezeptor. Das Hodgkin-Lymphom ist ein bösartiger Lymphdrüsen-Tumor. Beim Multiplen Myelom wachsen die bösartigen Krebszellen im Knochenmark so stark, dass es zu Knochenbrüchen kommt. Der dadurch verursachte Thrombozyten-Mangel erhöht zugleich das Blutungsrisiko.

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Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten, die an der Glanzmann-Thrombasthenie erkrankt sind, haben eine erhöhte Neigung zu Blutungen. Sie werden erst nach längerer Blutungszeit gestoppt oder es bilden sich überhaupt keine Gerinnsel. Schon vor dem 5. Lebensjahr kommt es zu den ersten Symptomen. Diagnostiziert wird die Krankheit jedoch meist erst in späten Lebensphasen.

Die leichte Form der Thrombozyten-Funktionsstörung zeigt sich in kleineren Hautblutungen (punktförmig, klein-fleckig), Zahnfleisch- und Nasenbluten, zu starker Monatsblutung bei Frauen und multiplen Hautblutungen (Purpura).

Sie treten im Rahmen von Verletzungen, aber auch oft spontan auf. Größere hämatomartige Haut-Unterblutungen haben eine auffällige kirschrote Farbe. In schweren Fällen kommt es zu blutigem Erbrechen, Magen-Darm-Blutungen (Teerstuhl), Blut im Urin und schweren lebensbedrohlichen Blutungen bei operativen Eingriffen sowie Blutstürzen. Bei Geburten kann es zum Auftreten eines hypovolämischen Schocks kommen. Die meisten Erkrankten leiden an der leichten Form des Glanzmann-Naegeli-Syndroms.

Diagnose

Morbus Glanzmann Naegeli wird anhand des Befundes der Haut-Unterblutungen (Art und Ausmaß) und der ausbleibenden Thrombozyten-Aggregation bei gleichzeitig normaler Anzahl und Form der Blutplättchen diagnostiziert. Mithilfe der Durchfluss-Zytometrie kann der Arzt die Art des genetischen Defekts feststellen. Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt, ist die Prognose für den Patienten günstig.

Komplikationen

Ohne Behandlung kann die Glanzmann-Thrombasthenie zum Tode führen. In den meisten Fällen kommt es neben den physischen Beschwerden auch zu einer starken psychischen Belastung und in den meisten Fällen auch zu Depressionen. Die Betroffenen neigen dabei verstärkt zu Blutungen an unterschiedlichen Stellen des Körpers. Dies kann vor allem bei Kindern zu einem erhöhten Verletzungsrisiko führen, sodass diese von der Erkrankung besonders stark betroffen sind.

Für den Patienten kommt es zu erheblichen Einschränkungen im Alltag. Die Blutungen treten dabei vor allem am Zahnfleisch oder an der Nase auf. Bei Frauen kommt es dabei zu einer verstärkten Blutung während der Periode. Diese kann zu erheblichen Stimmungsschwankungen führen. Nicht selten tritt das Blut auch im Urin oder im Stuhl auf, was bei vielen Patienten in erster Linie zu einer Panikattacke führt.

Innere Blutungen können dabei allerdings lebensbedrohlich sein, sodass eine dringende Behandlung für den Patienten notwendig ist. Eine komplette Heilung und eine kausale Behandlung sind bei der Glanzmann-Thrombasthenie nicht möglich. Allerdings können die Symptome und die Dauer der Blutungen soweit eingeschränkt werden, dass es nicht zu einer verringerten Lebensdauer kommt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Erwachsene oder Kinder, die bereits bei kleinen Verletzungen ungewöhnlich intensiv bluten, sollten einen Arzt aufsuchen. Können die Blutungen offener Wunden nicht oder erst nach einem sehr hohen Blutverlust gestoppt werden, ist ein Arztbesuch notwendig. Es droht ein lebensgefährlicher Zustand, der medizinisch untersucht und abgeklärt werden muss. Tritt aufgrund des Blutverlustes ein Schwindelgefühl ein, kommt es zu Gangunsicherheiten oder einer Benommenheit, ist Vorsicht geboten.

Zur Vermeidung einer erhöhten Unfallgefahr sollte sich der Betroffene ausruhen. Im Anschluss ist ein Arzt aufzusuchen. Kommt es bei körperlichen Betätigungen zu häufigem Nasen- oder Zahnfleischbluten, ist ein Arzt zu konsultieren. Frauen und geschlechtsreife Mädchen, die unter sehr starken Menstruationsblutungen leiden, müssen einen Arzt aufsuchen.

Kommt es während der Monatsblutung zu Schwindel, einer herabgesetzten Leistungsfähigkeit oder Abgeschlagenheit, sollte eine ärztliche Versorgung in Anspruch genommen werden. Bei Blut im Stuhl, blutigem Urin oder einem blutigen Ausfluss ist eine Konsultation bei einem Arzt notwendig.

Wird beim Erbrechen zusätzlich Blut ausgespuckt, besteht Anlass zur Besorgnis. Kommt es bei anhaltenden Blutungen zu Bewusstseinsstörungen oder einem Verlust des Bewusstseins, muss ein Notarzt gerufen werden. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes sollte den Anweisungen des medizinischen Personals Folge geleistet und versucht werden, die Blutung zu stoppen.

Behandlung & Therapie

Die Glanzmann-Thrombasthenie wird mithilfe gerinnungshemmender Medikamente und mit dem Hämostatikum Desmopressin (DDAVP) behandelt, um lebensbedrohliche Folgen vom Betroffenen abzuwenden. Hämostatika wirken auf die Ausschüttung des nicht richtig funktionierenden Rezeptors ein. Kann dem Betroffenen damit nicht geholfen werden, werden Thrombozyten-Konzentrate transfundiert. Das geschieht auch bei Operationen.

Allerdings kommt es bei 15 bis 30 Prozent der Patienten, die so behandelt werden, zur Bildung von Antikörpern. Heute wird häufig alternativ der rekombinierte Gerinnungsfaktor VIIa (Human-Fibrinogen) gegeben. Die bisher als wenig effektiv angesehene Entfernung der Milz bringt dem Patienten ebenfalls eine Verbesserung seines Krankheitszustands. Sogar Betroffene mit fehlender Gerinnsel-Bildung entwickeln keine schweren Symptome mehr und haben eine erhöhte Anzahl von Blutplättchen. Außerdem kann die Blutungsdauer damit verringert werden.

Aussicht & Prognose

Die genetische Erkrankung ist nicht heilbar. Aufgrund rechtlicher Vorgaben darf die Genetik des Menschen nicht verändert werden. Aus diesem Grund findet bei den Erkrankten der Glanzmann-Thrombasthenie eine symptomatische Behandlung statt. Die Blutgerinnungsstörung kann in schweren Fällen einen tödlichen Krankheitsverlauf zeigen. Erkrankte neigen zu stärken Blutungen als sie im Normalfall stattfinden. Findet keine rechtzeitige medizinische Versorgung statt, kann es zum Verbluten des Betroffenen und damit zu einem vorzeitigen Ableben kommen.

Ein besonderes Risiko stellt dabei der Geburtsverlauf dar. Hier besteht die Gefahr eines plötzlichen Todes des Neugeborenen. Aufgrund der Beschwerden und deren Folgen ist die Inanspruchnahme einer ärztlichen Betreuung bei Auffälligkeiten sowie bei einer erhöhten Blutungsneigung im Verlauf des Lebens unbedingt erforderlich. Sie beeinflusst in einem erheblichen Maß die weitere Entwicklung und damit die Prognose.

Obgleich bei der Glanzmann-Thrombasthenie keine Heilbarkeit gegeben ist, kann in einer Langzeittherapie sowie bei einem sofortigen Handeln bei auftretenden Unregelmäßigkeiten eine elementare Verbesserung innerhalb des Organismus des Betroffenen erzielt werden. Verletzungen sind unverzüglich ärztlich behandeln zu lassen, damit Blutungen schnellstmöglich gestoppt werden.

Sofern die Gabe von Arzneien erfolgreich ist, stellt sich eine deutliche Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes ein. Das Auftreten der Blutungen wird insgesamt verringert. Zudem wird bei Verletzungen der Verlust des Blutes in einem geringeren Umfang dokumentiert.

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Vorbeugung

Eine Vorbeugung ist bei der Glanzmann-Thrombasthenie nicht möglich, da sie entweder vererbt wird oder im Rahmen bestimmter, später erworbener Erkrankungen syndromal auftritt. Die einzige Möglichkeit, das Auftreten von Blutungen wenigstens mengenmäßig zu verringern, besteht darin, sich möglichst nicht zu verletzen. Spontanes Nasenbluten kann beispielsweise durch Vermeiden heftiger Kopfbewegungen, Zahnfleischbluten durch sanftes vorsichtiges Zähneputzen verhindert werden.

Nachsorge

In der Regel sind bei der Glanzmann-Thrombasthenie keine direkten Möglichkeiten der Nachsorge möglich oder notwendig. Dabei steht im Vordergrund die frühzeitige Erkennung und Behandlung der Beschwerden, um weitere Komplikationen zu verhindern. Da es sich bei der Glanzmann-Thrombasthenie um eine erblich bedingte Krankheit handelt, sollte bei einem Kinderwunsch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um ein Vererben der Krankheit zu verhindern.

Im Allgemeinen müssen sich die Betroffenen der Glanzmann-Thrombasthenie bei Verletzungen oder bei Blutungen besonders schützen. Dabei sollte auch ein Ausweis getragen werden, welcher auf die Krankheit hindeuten, um eine schnelle und richtige Versorgung durch einen Arzt zu garantieren. Auch bei ärztlichen Untersuchungen oder bei operativen Eingriffen müssen dabei die Ärzte über die Glanzmann-Thrombasthenie informiert werden, damit es nicht zu weiteren Komplikationen kommt.

In vielen Fällen kann die Krankheit durch einen operativen Eingriff behandelt werden, wobei dieser Eingriff mehrmals erfolgen muss, um die Beschwerden dauerhaft zu lindern. Nach dem Eingriff sollte sich der Betroffene immer ausruhen und seinen Körper schonen. Weitere Maßnahmen sind meist nicht notwendig. Auch die Lebenserwartung des Patienten ist durch die Glanzmann-Thrombasthenie meist nicht verringert, falls starke Blutungen vermieden werden.

Das können Sie selbst tun

In der Regel kann die Glanzmann-Thrombasthenie nur sehr bedingt durch Maßnahmen der Selbsthilfe behandelt oder unterstützt werden. Die Patienten sind dabei vor allem auf die symptomatische Behandlung durch einen Arzt angewiesen.

Im Allgemeinen müssen Blutungen immer vermieden werden. Dies ist vor allem bei Kindern der Fall, da sich diese leicht verletzen können. Hierbei müssen Eltern auf die Kinder besonders gut aufpassen, um jegliche Blutungen zu vermeiden. Auch spontanes Nasenbluten sollte dabei vermieden werden, indem der Betroffene keine heftigen oder ruckartigen Kopfbewegungen durchführt. Dasselbe gilt auch für das Zahnfleischbluten, wobei dieses durch eine richtige und regelmäßige Pflege der Zähne und durch das Benutzen einer Mundspülung vermieden werden kann.

Im Falle von Operationen muss der Arzt immer über die Glanzmann-Thrombasthenie informiert werden, um Komplikationen zu vermeiden. Kinder sollten über die Krankheit immer vollständig aufgeklärt werden. Dazu gehört auch die Aufklärung über Risiken und Komplikationen, die bei starken Blutungen auftreten können. Durch den Kontakt mit anderen Betroffenen kann es zu einem Erfahrungsaustausch kommen, welcher sich eventuell positiv auf den Alltag und die Lebensqualität des Patienten auswirken kann.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Schänzler, N., Bieger, W.P.: Laborwerte. Gräfe und Unzer, München 2009

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