Progressive systemische Sklerodermie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine progressive systemische Sklerodermie (PSS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Bindegewebes und des Gefäßsystems, die durch eine Fehlregulierung der körpereigenen Immunabwehr verursacht wird. Frauen sind häufiger von einer progressiven systemischen Sklerodermie betroffen als Männer.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine progressive systemische Sklerodermie?

Bei Vorliegen einer progressiven systemischen Sklerodermie ist die Konzentration bestimmter immunologischer Eiweißstoffe, der sogenannten antinukleären Antigene, sowie die BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) erhöht.
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Als progressive systemische Sklerodermie (PPS) wird eine chronische Entzündung des Bindegewebes und des Gefäßsystems von Haut und inneren Organen bezeichnet, die auf ein gestörtes Immunsystem (Autoimmunerkrankung) zurückzuführen ist.

Durch ein Fehlregulierung des Immunsystems greift dieses bei einer progressiven systemischen Sklerodermie das körpereigene kollagene Bindegewebe an (Kollagenosen) und verursacht entzündliche Reaktionen, die zu einem Elastizitätsverlust der Haut, im späteren Verlauf auch der Organe und zu Verhärtungen (Sklerosierung) führen.

In der Folge kommt es zu Ödemen in den Fingern und Händen sowie Sklerodaktylie, dem für progressive systemische Sklerodermie charakteristischen Maskengesicht durch Mimikverlust, Schluckstörungen durch eine Verkürzung der Zungenbändchen und entzündeten Gelenken (Arthralgien).

Ursachen

Die für eine progressive systemische Sklerodermie typischen Symptome werden durch eine Störung der Immunabwehr hervorgerufen, wodurch das Immunsystem körpereigene Strukturen, insbesondere das kollagene Bindegewebs- und Gefäßsystem der Haut und inneren Organe, angreift und entzündliche Reaktionen verursacht.

Darüber hinaus liegt bei einer progressiven systemischen Sklerodermie eine Fehlregulation bestimmter Zellen des Bindegewebes (Fibroblasten) vor, wodurch diese vermehrt Kollagen synthetisieren, das sich in der Haut anlagert und die für eine progressive systemische Sklerodermie charakteristischen Haut- und im weiteren Verlauf auch die Bindegewebs- und Gefäßveränderungen an den inneren Organen verursacht.

Die Auslöser für diese Fehlregulation sind bislang nicht bekannt. Neben genetischen Faktoren werden virale und bakterielle Antigene sowie bestimmte Medikamente, Tumoren, UV-Licht und Sexualhormone als Auslöser für eine progressive systemische Sklerodermie diskutiert.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome der progressiven systemischen Sklerodermie lassen sich in drei Stadien aufteilen. Zunächst sind Hautveränderungen und -verdickungen an Händen und Füßen zu bemerken. Das Anfangsstadium der progressiven systemischen Sklerodermie ist außerdem durch Ödeme an den Händen gekennzeichnet.

Das Bindegewebe verhärtet zunehmend. Es baut sich ab. Typisch ist außerdem ein Raynaud-Syndrom. Dieses wird durch weißlich-bläuliche, schlecht durchblutete Hände gekennzeichnet. Manchmal kommt es in diesem Stadium zu Nekrosen der gespannten und durch verhärtetes Narbengewebe belasteten Hautareale.

Die Mimik des Gesichts reduziert sich zunehmend. Die fortschreitende Hautspannung sorgt für maskenhafte Gesichtszüge. Da auch die Lippenregion von zunehmenden Gewebe-Verhärtungen betroffen sein kann, bilden sich oft strahlenförmige Falten rund um die Mundöffnung. Der Mund wird zunehmend kleiner. Medizinisch spricht man von einer Mikrostomie.

Kleine Blutgefäße im Gesicht erweitern sich oft zu Teleangiektasien. Auch die Hautpigmentierung kann auffallend verändert sein. Im zweiten Stadium können die entzündeten und ödembelasteten Gelenke aufgrund der zunehmenden Hautstraffungen nicht mehr uneingeschränkt und schmerzfrei bewegt werden. Die progressive systemische Sklerodermie sorgt für eine Krümmung von Fingern oder Zehen.

Das dritte Stadium der progressiven systemischen Sklerodermie betrifft innere Organe. Auch diese sind zunehmend von Verhärtungen betroffen. Das führt zu verhärteten Verdauungsorganen, zu Lungenfibrose und zu Schluckbeschwerden durch sklerotische Veränderungen an Speiseröhre und Mundraum.

Diagnose & Verlauf

Eine progressive systemische Sklerodermie wird anhand der vorliegenden Symptome, insbesondere der Hautveränderungen, diagnostiziert. Abgesichert wird die Diagnose durch eine Gewebeentnahme und –analyse (Biopsie) aus den betroffenen Hautbereichen sowie im Rahmen einer Blutuntersuchung.

Bei Vorliegen einer progressiven systemischen Sklerodermie ist die Konzentration bestimmter immunologischer Eiweißstoffe, der sogenannten antinukleären Antigene, sowie die BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) erhöht.

Ferner können durch eine Kapillarmikroskopie am Nagelbett die für progressive systemische Sklerodermie charakteristischen stadienabhängigen Gefäßveränderungen festgestellt werden. Anhand einer Druckmessung im Ösophagus (Speiseröhre) kann eine mögliche Dysphagie diagnostiziert werden. Darüber hinaus geben eine Herzsonographie (Ultraschall) sowie eine Analyse der Lungenfunktion Aufschluss über eine Organbeteiligung.

Eine progressive systemische Sklerodermie kann zwei unterschiedliche Verlaufsformen aufweisen. Die sogenannte akrale Sklerodermie weist einen lokal begrenzten Verlauf auf, bei welchem lediglich kleinere Hautbereiche, insbesondere an Füßen und Händen (Akren), betroffen sind. Die Prognose ist in der Regel gut, wenn keine Lungenbeteiligung vorliegt.

Bei der diffusen Verlaufsform einer progressiven systemischen Sklerodermie sind meistens die inneren Organe (Niere, Lunge, Herz) beteiligt, wodurch Prognose und Verlauf in Abhängigkeit vom Ausmaß der Beteiligung infaust (ungünstig) werden.

Komplikationen

Die meisten Komplikationen bei einer Diagnose wie progressiver systemischer Sklerodermie sind aufgrund der Beteiligung innerer Organe zu befürchten. Bei dieser Form der Sklerodermie ist nicht nur die Haut von Verhärtungen betroffen. Auch das Immunsystem ist bei dieser selten auftretenden Autoimmunerkrankung aufgrund von Überrreaktionen involviert. Umso wichtiger ist es, dass die Betroffenen eine dauerhafte Behandlung erhalten, um Komplikationen zu vermeiden.

Nikotingenuss kann die Beschwerdelage bei einer progressiven systemischen Sklerodermie noch weiter verschlimmern. Bei Rauchern verengen sich die ohnehin verengten Gefäße noch mehr. Die erhöhte Entzündungsneigung wird gesteigert. Die Verengung der Gefäße muss bei dieser schweren Form der Sklerodermie auch mit Maßnahmen gegen Kälteeinflüsse verringert werden. Bei unzureichender Ernährung, Flüssigkeitsversorgung und Hautpflege trocknet die Haut der Betroffenen aus. Es kann aufgrund der Erkrankung zu Schluckstörungen, Durchblutungsstörungen der Finger oder zu einem Maskengesicht kommen.

Entzündliche Schübe, Darmprobleme und Immunschwäche treten bei den Betroffenen häufig auf. Komplikationen können bei Sklerodermie auch am Bewegungsapparat auftreten. Ohne Lymphdrainage oder Krankengymnastik versteifen die Gelenke zunehmend. Moderate Sportarten wie Schwimmen sind zusätzlich ratsam.

Im dritten Stadium der Erkrankung kann es zu einer Lungenfibrose kommen. Auch andere Organe können durch zunehmende Gewebeverhärtungen funktionsunfähig werden. Da die Lebenserwartung bei einer progressiven systemischen Sklerodermie herabgesetzt ist, ist die Behandlung entsprechend intensiv.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Veränderungen des Hautbildes, Schwellungen, Verfärbungen oder Wucherungen sollten einem Arzt vorgestellt werden. Entwickeln sich Ödeme, Verdickungen der Hautschichten oder Besonderheiten der Gliedmaßen, ist ein Kontrollbesuch bei einem Arzt anzuraten.

Zunehmende Beschwerden oder anhaltende Unregelmäßigkeiten sind untersuchen und behandeln zu lassen. Bei Auffälligkeiten der Mimik, besteht Anlass zur Besorgnis. Werden maskenhafte Gesichtszüge oder eine Einschränkung der Gesichtsmimik bemerkt, ist ein Arztbesuch vonnöten. Verhärtungen im Bereich der Lippen sind charakteristisch für die progressive systemische Sklerodermie. Die Beschwerden sind abklären zu lassen, damit ein Behandlungsplan erstellt werden kann. Zudem wird die Mundform und insbesondere die Öffnung des Mundes bei Erkrankten im Laufe der Zeit immer kleiner.

Entwickeln sich sichtbare Blutgefäße im Gesicht, Einschränkungen des Schluckaktes oder optische Veränderungen in der Mundhöhle, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Auffälligkeiten der Speiseröhre und eine Abnahme der Nahrungsaufnahme sind ebenfalls untersuchen zu lassen. Allgemeine Funktionsstörungen, Verhärtungen im Körperinnern oder eine Engegefühl sind einem Arzt vorzustellen.

Die Erkrankungen führt zu Veränderungen der Organe, die behandelt werden müssen, damit es zu keinen Komplikationen oder lebensbedrohlichen Zuständen kommt. Störungen der Durchblutung, ein Krankheitsgefühl oder allgemeines Unwohlsein sollten von einem Arzt abgeklärt werden. Sinkt die Leistungsfähigkeit oder werden Störungen des Immunsystems bemerkt, ist ein Arzt zu konsultieren.

Behandlung & Therapie

Die therapeutischen Maßnahmen zielen bei einer progressiven systemischen Sklerodermie auf eine Reduzierung und Beseitigung der symptomatischen Beschwerden sowie eine Verlangsamung des progredienten Verlaufs.

So kommen insbesondere bei Entzündungsschüben Entzündungshemmer wie NSAR (nichtsteoridale Antirheumatika wie Diclofenac) und Glukokortikoide zum Einsatz. Auch Immunsuppressiva (Methotrexat, Cyclophosphamid) werden zur Minimierung und Hemmung der bei einer progressiven systemischen Sklerodermie vorliegenden Fehlregulation des Immunsystems angewandt.

Begleitend werden krankengymnastische, ergotherapeutische, wärmetherapeutische und physikalische Maßnahmen zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit sowie eine umsichtige Hautpflege mit rückfettenden Salben und Lymphdrainagen empfohlen. Bei Vorliegen von Durchblutungsstörungen können darüber hinaus gefäßerweiternde Substanzen (Prostaglandine) sowie Acetylsalicylsäure zur Anwendung kommen, während bei einer progressiven systemischen Sklerodermie mit Nierenbeteiligung auch blutdrucksenkende Mittel (ACE-Hemmer) medikamentös eingesetzt werden.

In einigen Fällen von progressiver systemischer Sklerodermie kann ein operativer Eingriff erforderlich sein, um Hautdefekte oder Gelenkversteifungen zu beseitigen. In einer Erprobungsphase befinden sich Wirkstoffe wie Interferon, das die Neubildung von Bindegewebe hemmt, sowie Tacrolimus, das ein bei der Immunabwehr beteiligtes Enzym (Calcineurin) unterdrückt. Auch mit infundiertem Iloprost konnten bei progressiver systemischer Sklerodermie positive Erfahrungen gemacht werden.

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Vorbeugung

Da die Auslöser für die Fehlregulierung des Immunsystems bei progressiver systemischer Sklerodermie nicht bekannt sind, kann der Erkrankung nicht vorgebeugt werden. Allerdings können durch einige einfache Maßnahmen die Beschwerden gelindert werden. So können speichelanregende Bonbons (Pfefferminzbonbons, Kaugummis) und häufigere, aber kleinere Mahlzeiten vorliegende Schluckbeschwerden lindern und einer Mundtrockenheit vorbeugen. Zur Vermeidung von Kälte wird bei einer progressiven systemischen Sklerodermie empfohlen, den Jahresurlaub in die Wintermonate und in warme Regionen zu verlegen.

Nachsorge

Bei der progressiven systemischen Sklerodermie handelt es sich um eine Untergruppe einer Sklerodermie, die eine unheilbare Autoimmunerkrankung darstellt. Daher ist in dieser Form eine direkte Nachsorge nicht möglich und eine eher dauerhafte Behandlung, der sich zumeist chronisch verschlechternden Erkrankung, notwendig. Nach einer Diagnose und Akutbehandlung muss also die Langzeitbehandlung erfolgen sowie das Vermindern, Hinauszögern oder Verhindern von möglichen Spätfolgen im Verlauf.

Diese Folgen können letztendlich bei schweren Formen der Erkrankung auch zum Tod des Patienten führen. Der Betroffene ist in aller Regel lebenslang auf eine Variation von Medikamenten angewiesen und regelmäßige Vorstellungen bei fachkundigen Medizinern sind unerlässlich. Der konkrete Verlauf und eine direkte Prognose sind nicht absehbar, es gibt hier sehr unterschiedliche Formen.

Letztendlich ist bei dem Punkt der Nachsorge auch die palliative Versorgung zu erwähnen, wenn deutlich wird, dass die Krankheit innerhalb einer bestimmten Zeit unweigerlich zum Tod führen wird. Dem Patienten kann die Lebensqualität gesteigert oder auf einem sehr guten Level längstmöglich erhalten werden. Dabei sollte man sich nicht scheuen, sich rechtzeitig an ausgebildete Mediziner und Pflegepersonen in der Palliativversorgung zu wenden und die Wünsche des Betroffenen entsprechend zu berücksichtigen.

Das können Sie selbst tun

Für Betroffene ist es ganz besonders wichtig, dass sie eine dauerhafte medizinische Versorgung erhalten. Das eigenverantwortliche Absetzen oder Verändern der Medikation von verschriebenen Arzneimitteln kann zu Komplikationen oder einer Zunahme der vorhandenen Beschwerden führen.

Da der Konsum von Nikotin zu einer Verschlechterung der Gesundheit sowie einer Verstärkung der vorhandenen Unstimmigkeiten bewirkt, ist auf diesen vollständig zu verzichten. Ebenso sollten Umgebungen gemieden werden, in denen geraucht wird. Der Organismus des Patienten reagiert, auch wenn der Nikotin nur passiv aufgenommen wird.

Wenngleich die Erkrankung durch eine Störung des Immunsystems ausgelöst wird, sollte dennoch eine ausreichende Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte stattfinden. Eine gesunde Lebensweise sowie eine ausgewogene Ernährung tragen zu einer Stärkung des Wohlbefindens bei. Übergewicht ist zu vermeiden und eine ausreichende Bewegung sollte stattfinden.

Die progressive systemische Sklerodermie geht mit optischen Veränderungen einher. Damit keine seelischen oder emotionalen Probleme auftreten, ist eine Stärkung des Selbstwertgefühls notwendig. Andernfalls kann es zu Entwicklung einer psychischen Erkrankung kommen. Als Ausgleich sollte auf ein stabiles soziales Umfeld geachtet werden und die Freizeitaktivitäten sollten auf die Stärkung der Lebensfreude ausgerichtet sein.

Für den Abbau von Stressoren können Techniken des Yoga oder der Meditation hilfreich sein. Diese können jederzeit vom Betroffenen eigenverantwortlich durchgeführt werden.

Quellen

  • Krams, M., et al.: Kurzlehrbuch Pathologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Luther, B. (Hrsg.): Kompaktwissen Gefäßchirurgie. Springer, Berlin 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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