Polydaktylie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Polydaktylie

Eine Polydaktylie beschreibt die Existenz von mehr als fünf Fingern an einer Hand oder mehr als fünf Zehen an einem Fuß. Durch einen autosomal-dominanten Erbgang, erbt der Betroffene diese Deformität von einem Elternteil. Die Polydaktylie existiert in verschiedenen Klassifikationen und Ausprägungen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Polydaktylie?

Ist die zusätzliche Struktur besonders groß und betrifft das komplette Gewebe, kann diese starke Knochenverformungen bilden. Wie in etwa dem Hallux Varus oder Hallux Valgus.
© scio21 – stock.adobe.com

Der Begriff Polydaktylie wird in der Medizin dazu verwendet, zusätzliche Finger oder Zehen in der oberen oder unteren Extremitäten zu beschreiben. Die Anomalie ist bereits bei der Geburt vorhanden und somit eine angeborene Erkrankung. Hervorgerufen wird diese durch eine verstärkte längsseitige Segmentierung während der embryonalen Phase. Die zusätzlichen Zehen und Finger können unterschiedlich ausgeprägt sein.

Sowohl Form und Größe als auch die Lokalisation können enorm variieren. Diese können in etwa sehr klein und funktionsunfähig sein sowie lediglich als Hautlappen existieren. Ein großer Zusatz besitzt meist einen vollständigen Knochenbau und Skelettverbindungen. Polydaktylien treten sehr häufig beidseitig auf und meistens in den oberen Extremitäten. Eine Anomalie auf nur einem Fuß oder nur einer Hand kommt seltener vor, ist jedoch auch möglich. Die Klassifikation kann nach Lokalisation erfolgen.

Auf Seiten der Hände wird zwischen radial, ulnar und zentral unterschieden:

  • Radial, wenn sich der zusätzliche Finger neben dem des Daumen befindet. In diesem Fall handelt es sich also um eine Daumenverdoppelung.
  • Ulnar, wenn dieser neben dem Kleinfinger vorhanden ist.
  • Zentral zwischen dem zweiten bis vierten Finger.

Eine Polydaktylie kann sowohl beim Menschen als auch bei Tieren vorkommen.

Ursachen

In den meisten Fällen ist die Ursache einer Polydaktylie ein autosomal-dominanter Erbgang. Verschiedene Mutationen können an das Kind vererbt werden und die Steuerung der Expression eines Genes manipulieren. Die Vielfalt der Mutationen ist für die unterschiedlichen Lokalisationen und Formen verantwortlich. Während der embryonalen Entwicklung im Leib der Mutter haben die Hände des Embryos zunächst die Form eines Paddels. Erst nach der sechsten Schwangerschaftswoche spaltet sich die Fläche des Paddels in separate Finger.

Dieser Vorgang ist mit Hilfe der Apoptose möglich, dem programmierten Tod von Körperzellen. Die unnötigen Zellen zwischen den Fingern werden demnach zur Selbstzerstörung getrieben. Unregelmäßigkeiten während dieser Phase können eine Polydaktylie bilden. Diese anatomische Anomalie tritt auf, wenn aus einem Finger zwei gespalten werden. Ein hohes Alter der Mutter oder ein erhöhter Testosteronspiegel während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko.

Alternativ kann eine Polydaktylie eines der vielen Begleitsymptome verschiedener Syndrome sein. Beobachtet wird diese oft bei dem Ellis-van-Crevelt Syndrom, Bardet-Biedl Syndrom, Carpenter Syndrom und Down-Syndrom. Sowie bei der Trisomie 13 und 18.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Da bei einer Polydaktylie Zehen oder Finger im Überfluss sind, ist der Fuß oder die Hand verbreitet. Ein verbreiteter Vorfuß kann problematisch beim Erwerb eines Schuhwerkes sein. Eventuell können auch Schwierigkeiten bei der Fortbewegung und Einhaltung der Körperbalance entstehen. Dies kann schließlich zu Rücken- und Hüftbeschwerden führen.

Zusätzliche Strukturen können räumliche Bedrängungen und Achsenabweichungen im Fußraum hervorrufen. Besonders zentral gelegene Polydaktylien sind von dieser Problematik betroffen. Existiert zwischen den angrenzenden Zehen und Fingern nicht genug Freiraum, können Abdruckstellen und übermäßiger Schweiß entstehen. Mögliche Folgen an den Füßen sind Hühneraugen, Pilzinfektionen, Schwielen, Blasen und unangenehmer Fußschweißgeruch.

Ist die zusätzliche Struktur besonders groß und betrifft das komplette Gewebe, kann diese starke Knochenverformungen bilden. Wie in etwa dem Hallux Varus oder Hallux Valgus. Zudem klagen Betroffene über ästhetische Beschwerden. Eine Polydaktylie ist enorm auffällig und erscheint fremdartig. Auch die Deformität kann äußerst stark ausgeprägt sein.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Ist der Fuß oder die Hand von einem Riesenwuchs betroffen, lässt sich die Polydaktylie unkompliziert mit dem bloßen Auge feststellen. In diesem Fall sind die Befunde klinisch sehr eindeutig. Minimale Ausbildungen, Höhe und Form können anhand eines Röntgenbildes diagnostiziert werden. Mit der Sonographie kann die Polydaktylie bereits in der vierzehnten Schwangerschaftswoche identifiziert werden.

Komplikationen

Von Polydaktylie Betroffene leiden an zusätzlichen Fingern oder an zusätzlichen Zehen an den Füßen. In der Regel stellt die Polydaktylie dabei keine besondere gesundheitliche Gefahr dar, sodass auch die Lebenserwartung des Patienten von der Krankheit in der Regel nicht negativ beeinflusst wird. Allerdings kann es zu verschiedenen Beschwerden und Einschränkungen im Alltag des Patienten kommen, sodass gewohnte Tätigkeiten mitunter nicht mehr ohne Weiteres durchgeführt werden können.

Weiterhin leiden die Patienten neben den zusätzlichen Fingern oder Zehen auch an Beschwerden an der Hüfte oder am Rücken. Dadurch kann es unter Umständen auch zu Einschränkungen in der Bewegung kommen. Die Polydaktylie führt auch zu einer übermäßigen Schweißproduktion und weiterhin zu unangenehmen Gerüchen oder zu Pilzinfektionen. Die Lebensqualität des Patienten wird durch diese Krankheit daher deutlich verringert.

Ohne Behandlung treten auch Verformungen an den Knochen auf, die in der Regel mit Schmerzen verbunden sind. Die zusätzlichen Zehen oder Finger können mittels operativer Eingriffe entfernt werden. Dabei treten keine Komplikationen auf. Auch die weiteren Beschwerden können mit verschiedenen Therapien eingeschränkt und gelindert werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Polydaktylie sollte immer durch einen Arzt begutachtet werden. Es kommt bei dieser Krankheit nicht zu einer Selbstheilung. Die Beschwerden schränken das Leben des Betroffenen deutlich ein, sodass eine Behandlung die Lebensqualität erheblich steigern kann. Ein Arzt ist bei dieser Erkrankung dann aufzusuchen, wenn der Betroffene eine übermäßig hohe Anzahl an Zehen oder Fingern aufweist. Die zusätzlichen Zehen oder Finger können dabei entweder an beiden Gliedmaßen oder auch nur an einem der Gliedmaßen auftreten und das Leben erschweren.

Ebenso ist der Arzt bei dieser Erkrankung dann aufzusuchen, wenn es durch die Polydaktylie zu einer starken Absonderung von Schweiß kommt oder wenn sich Blasen und Hühneraugen auf den Gliedern ausbilden. Auch bei psychischen Beschwerden aufgrund der eingeschränkten Ästhetik kann ein Psychologe aufgesucht werden, da es vor allem bei Kindern zu Mobbing und zu Hänseleien kommen kann. Die Polydaktylie kann durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Kinderarzt diagnostiziert werden. Die weitere Behandlung erfolgt dann in der Regel operativ ohne Komplikationen. Auch die Lebenserwartung des Patienten wird durch diese Krankheit nicht negativ beeinflusst.

Behandlung & Therapie

Zur Verbesserung der Ästhetik und Funktion kann eine operative Behandlung durchgeführt werden. Die zusätzlichen Finger und Zehe werden so entfernt. Viele weitere Korrekturen sind erforderlich und gewährleisten den Komfort und die Nutzbarkeit der Hand oder des Fußes. Bewegliche Hautanhängsel werden meist kurz nach der Geburt abgebunden und fallen ab. Bei einer Daumenverdopplung sind Operationen ab dem achten Lebensmonat optimal geeignet.

Jedoch folgen oft Bewegungseinschränkungen und eine Instabilität der Gelenke. In einigen Fällen entsteht eine Nageldeformität. Das Ergebnis hängt oft von der Schwere der Anomalie ab. Je größer die Deformität, desto eher ist eine Nachkorrektur erforderlich. Eine zentrale Polydaktylie wird im ersten oder zweiten Lebensjahr operativ behandelt. So wird eine Kontraktur und Abweichung vermieden. Eine postoperative ungünstige Gefäßverteilung kann zu Durchblutungsstörungen mit anschließender Nekrose führen.

Das Ergebnis fällt meist sehr schlecht aus mit vielen nachfolgenden Korrekturen. Entscheiden sich die Eltern des betroffenen Kindes gegen eine operative Behandlung, so muss ab Beginn des Laufalters das passende Schuhwerk orthopädisch angefertigt werden. Der Fuß muss ausreichend Platz besitzen, um Hauterkrankungen und weiteren Knochendeformationen entgegenzuwirken. Spezielle Schuheinlagen sind höchstwahrscheinlich ebenso erforderlich.


Vorbeugung

Da es sich bei der Polydaktylie um eine autosomal-dominante Erberkrankung handelt, existieren keine Vorbeugungsmaßnahmen. Ist ein Elternteil von dieser anatomischen Besonderheit betroffen, besteht für die Nachkommen ein fünfzigprozentiges Risiko, diese ebenfalls zu erben. Die Struktur kann jedoch ab der vierzehnten Schwangerschaftswoche anhand einer Sonographie festgestellt werden.

Nachsorge

In den meisten Fällen stehen Betroffenen bei einer Polydaktylie keine besonderen oder direkten Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollten Betroffene idealerweise schon frühzeitig einen Arzt aufsuchen, damit es im Alltag zu keinen weiteren Komplikationen oder Einschränkungen kommt. Die Krankheit selbst muss dabei nicht immer behandelt werden.

In den meisten Fällen sind Patienten auf einen operativen Eingriff angewiesen, welcher die Beschwerden lindern kann. Dabei sollte der Betroffene sich nach einem solchen Eingriff auf jeden Fall ausruhen und seinen Körper schonen. Hierbei ist von Anstrengungen oder anderen stressigen und körperlichen Tätigkeiten abzusehen, um den Körper nicht unnötig zu belasten.

Sollte die Polydaktylie an den Füßen auftreten, können auch spezielle Schuhe und Einlagen verwendet werden, um den Beschwerden entgegenzuwirken. Ebenso sind regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen von einem Arzt sehr wichtig. Bei Kindern sollten die Eltern die Anzeichen und Symptome der Polydaktylie schon früh erkennen und dann einen Arzt aufsuchen. Weitere Maßnahmen einer Nachsorge stehen dem Patienten in der Regel nicht zur Verfügung und sind dabei auch nicht notwendig.

Das können Sie selbst tun

Eine Polydaktylie muss nicht zwingend ärztlich behandelt werden. Die wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme besteht darin, das betroffene Glied keiner weiteren Belastung auszusetzen. Dies gelingt etwa, indem ein spezieller Verband getragen wird, der die überzähligen Glieder fixiert.

Nach einem operativen Eingriff sollte die betroffene Hand zunächst geschont werden. Physiotherapie und Krankengymnastik unterstützen die Genesung, indem sie die Bewegungsfähigkeit der übrigen Finger optimieren. Eine Polydaktylie ist kein schwerwiegendes Leiden und bedarf deshalb auch keiner weiteren Maßnahmen. Nachdem die überzähligen Glieder operativ entfernt wurden, ist ein Großteil der Patienten beschwerdefrei. Dennoch sollte die betroffene Hand oder der betroffene Fuß beobachtet werden. Wenn es zu einer Entzündung kommt oder sich andere ungewöhnliche Symptome zeigen, muss der Arzt darüber informiert werden.

Sollte sich der optische Makel negativ auf die seelische Verfassung auswirken, muss der Arzt darüber informiert werden. Meist genügt ein psychologisches Gespräch mit einem Therapeuten, um die Unsicherheit zu überwinden. Bei einer stark ausgeprägten Polydaktylie, bei der sieben oder mehr Finger oder Zehen an einer Hand oder einem Fuß auftreten, sind unter Umständen weitere medizinische Maßnahmen vonnöten. Der Patient sollte sich an den zuständigen Orthopäden wenden und gemeinsam mit diesem über geeignete Selbsthilfe-Maßnahmen wie Bewegungsübungen oder Muskelentspannung sprechen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

Das könnte Sie auch interessieren