Monoaminoxidase-A-Mangel

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein ausgeprägter Monoaminoxidase-A-Mangel ist genetisch bedingt und zeichnet sich häufig durch impulsive Aggressivität aus. Dabei kommt es zur Störung des Abbaus von Serotonin, Adrenalin, Noradrenalin oder Dopamin. Das Gen für die Codierung von Monoaminoxidase-A (MAO-A) ist auf dem X-Chromosom lokalisiert.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Monoaminoxidase-A-Mangel?

Monoaminoxidase-A wird vom MAOA-Gen codiert, welches auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms lokalisiert ist. Der genaue Genort lautet Xp11.3. Bei Mutationen dieses Gens kann es zu Einschränkungen oder zum totalen Ausfall der Aktivität von Monoaminoxidase-A kommen.
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Monoaminoxidasen stellen Enzyme dar, die für den Abbau von Monoaminen verantwortlich sind. Dabei werden diese mit Hilfe von Wasser und Sauerstoff desaminiert, wobei Aldehyde, Wasserstoffperoxid und Ammoniak entstehen. Zu den Monoaminoxidasen (MAO) zählen sowohl die Monoaminoxidase-A als auch die Monoaminoxidase-B.

Ausschließlich die Monoaminoxidase-A baut die Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin, Adrenalin und Melatonin ab. Von der Monoaminoxidase-B werden vorwiegend Benzylamin und Phenethylamin abgebaut. Beide Monoaminoxidasen steuern jedoch gleichermaßen die Desaminierung von Dopamin, Tryptamin und Tyramin. Bei einem Mangel an Monoaminoxidase-A reichern sich also Serotonin, Melatonin, Noradrenalin und Adrenalin an.

Das wiederum kann zu Verhaltensänderungen in Richtung aggressiven Verhaltens führen. Ein ausgeprägter Monoaminoxidase-A-Mangel ist auch unter dem Namen Brunnersyndrom bekannt. Dieses Syndrom wurde im Jahre 1993 erstmalig von Brunner an einer Familie beschrieben, deren Mitglieder stark erhöhte Monoaminwerte im Urin aufwiesen und gleichzeitig durch ein aggressives Verhalten auffällig wurden.

Bei anderen psychiatrischen Untersuchungen an weiteren Personen in späteren Jahren konnte jedoch kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Monoaminoxidase-A und Verhalten festgestellt werden. Das Besondere bei den Untersuchungen von Brunner bestand im vollständigen Fehlen von MAO-A.

Eine Studie an Mäusen im Jahre 1995, deren Gen für die Codierung von MAO-A ausgeschaltet wurde, zeigten jedoch erhöhte Serotoninwerte, die mit ängstlichem Verhalten der Jungen und aggressivem Verhalten der ausgewachsenen Tiere korrelierten. Nach der Gabe von Serotoninhemmern normalisierte sich ihr Verhalten wieder.

Ursachen

Monoaminoxidase-A wird vom MAOA-Gen codiert, welches auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms lokalisiert ist. Der genaue Genort lautet Xp11.3. Bei Mutationen dieses Gens kann es zu Einschränkungen oder zum totalen Ausfall der Aktivität von Monoaminoxidase-A kommen. Da Männer nur ein X-Chromosom besitzen, wirkt sich bei ihnen eine solche Mutation stärker aus als bei Frauen.

So käme es bei Frauen erst zu einem Monoaminoxidase-A-Mangel, wenn ihre beiden X-Chromosomen jeweils ein defektes MAOA-Gen enthielten. Das erklärt vielleicht teilweise auch, warum bei Männern häufiger ein aggressives Verhalten beobachtet wird als bei Frauen. In den Studien konnte aber nachgewiesen werden, dass allein ein Mangel an Monoaminoxidase-A noch nicht zu gewalttätigem und aggressivem Verhalten führen muss.

Entscheidend sind auch die Lebensumstände. So wurde festgestellt, dass misshandelte Jungen mit diesem defekten Gen später oft gewalttätig wurden. Wenn dieses Gen nicht mutiert ist, führen auch widrige Lebensverhältnisse nicht automatisch zu gewaltbereitem Verhalten. Andererseits wurden aber Personen mit defektem Gen, die in ihrer frühen Jugend nicht misshandelt wurden, nicht unbedingt gewalttätig.

Festgestellt wurde lediglich, dass durch einen Monoaminoxidase-A-Mangel das Risiko für kriminelles und aggressives Verhalten erhöht war. Warum es zu erhöhter Aggressivität und verminderter Empathie bei Anreicherung von Serotonin, Noradrenalin und Adrenalin kommt, bedarf weiterer Untersuchungen, zumal Serotonin im Gegenteil für seine beruhigende Wirkung bekannt ist.

Wie bereits erwähnt, wurde jedoch bei Mäusen durch die Gabe von Serotoninsynthesehemmern bei einem Monoaminoxidase-A-Mangel das ängstliche und aggressive Verhalten der Tiere völlig normalisiert.

Symptome, Beschwerden und Anzeichen

Bei einem ausgeprägten Monoaminoxidase-A-Mangel, also dem vollständigen Fehlen von MAO-A, ist die Situation eindeutig. Als Hauptsymptom zeigt sich bereits im Kindesalter impulsive Aggressivität, die bis zur Gewalttätigkeit führen kann. Des Weiteren ist ein leichtes intellektuelles Defizit erkennbar.

Außerdem ist die betroffene Person durch eine ausgeprägte Gefühlskälte gekennzeichnet. Das ist jedoch wahrscheinlich die Spitze des Eisbergs. Bei vielen leichteren Formen des Monoaminoxidase-A-Mangels treten möglicherweise gar keine Symptome auf, weil die Lebensumstände günstig sind.

Diagnose und Krankheitsverlauf

Die Ursache für einen Monoaminoxidase-A-Mangel kann durch einen Gentest festgestellt werden. Dafür wird eine Blutprobe genommen, welche mit der Hilfe von EDTA ungerinnbar gemacht wird. Das MAOA-Gen auf Chromosom Xp11.3 wird dann auf mehrere Mutationen untersucht. So gibt es einerseits eine Punktmutation mit einem vorzeitigen Stoppcodon, welcher zum Abbruch der Monoaminoxidase-A-Synthese führt.

Andererseits gibt es Mutationen, die durch mehrere Wiederholungen (3 bis 5) einer Sequenz in einer polymorphen Region des Gens gekennzeichnet sind. Bei diesen Mutationen kommt es zu einer reduzierten Synthese von Monoaminoxidase-A.

Komplikationen

Nicht in jedem Fall muss sich ein Monoaminoxidase-A-Mangel negativ auf die Gesundheit des Patienten auswirken. In den meisten Fällen kommt es allerdings zu einer erhöhten Aggressivität der Patienten. Diese kann sich sehr negativ auf das soziale Umfeld der Betroffenen auswirken und damit zu einer Ausgrenzung führen.

Vor allem bei Kindern kann der Monoaminoxidase-A-Mangel zu starken Störungen der Entwicklung führen, sodass es im Erwachsenenalter zu Depressionen und zu anderen Komplikationen kommen kann. Die Lebensqualität wird durch die Erkrankung erheblich verringert und eingeschränkt. Ebenso leiden die Kinder an einer verringerten Intelligenz, sodass es in der Schule zu Schwierigkeiten kommen kann.

In vielen Fällen sind auch die Eltern durch den Monoaminoxidase-A-Mangel von psychischen Beschwerden oder Depressionen betroffen. Die Behandlung erweist sich nicht in jedem Falle als einfach. Nicht selten sehen die Betroffenen nicht ein, dass sie an einer Aggressivität aufgrund des Monoaminoxidase-A-Mangels leiden und verweigern daher die Behandlung.

Aus diesem Grund sind vor allem die Eltern und die Angehörigen des Betroffenen für eine rechtzeitige Behandlung verantwortlich. Die Behandlung selbst erfolgt mit einer Psychotherapie und kann dabei zu einem Erfolg führen. Die Lebenserwartung wird durch den Monoaminoxidase-A-Mangel in der Regel nicht eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zeigen Kinder und Heranwachsende Auffälligkeiten und Besonderheiten des sozialen Verhaltens, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Charakteristisch bei einem Monoaminoxidase-A-Mangel ist ein aggressives Auftreten des Betroffenen, das durch ein impulsives und schwer kontrollierbares Verhalten untermauert wird. Können Eltern oder Erziehungsberechtigte nicht ausreichend beschwichtigend auf das Kind einwirken, benötigt das Kind ärztliche Hilfe.

Kommt es im weiteren Entwicklungsprozess zu einer Zunahme der Beschwerden, ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen. Zeigt das Kind ein gewalttätiges Verhalten gegenüber Erwachsenen, anderen Kindern oder Tieren, gilt dies als besorgniserregend. Ein Arzt muss aufgesucht werden, damit eine Ursachenforschung und anschließende Therapie eingeleitet werden kann.

Stammt das Kind zusätzlich aus einer Umgebung, in der es eine Gewalterfahrung erlebt hat, gilt es als zusätzlich gefährdend. Hilfe und Unterstützung sollte stets in Anspruch genommen werden, sobald es in zwischenmenschlichen Beziehungen aufgrund eines handgreiflichen Miteinanders zu Problemen kommt.

Hat der Betroffene eine schwache Impulskontrolle, lässt er sich leicht durch alltägliche Herausforderungen provozieren oder reagiert er besonders intensiv auf Ereignisse des Lebens, gilt dies als ungewöhnlich. Können Konflikte nur mit besonderer Mühe und ohne eine ausreichende Kommunikation gelöst werden, sollte ein Arztbesuch erfolgen. In vielen Fällen ist es den Betroffenen nicht möglich, Streitereien in Ruhe und über ein Gespräch zu klären.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Therapie eines Monoaminoxidase-A-Mangels ist nicht möglich, da das Syndrom genetisch bedingt ist. Oft besteht auch nicht das Bedürfnis einer Behandlung, weil meist die Einsicht in die Krankheit bei den Betroffenen fehlt. Wenn eine leichte Form des Monoaminoxidase-A-Mangels vorliegt, treten häufig gar keine Symptome auf.

Dann kann eine leicht erhöhte Aggressivität zum normalen Spektrum des menschlichen Verhaltens gerechnet werden. Es hat sich gezeigt, dass günstige Lebensumstände die Auswirkungen eines leichten Monoaminoxidase-A-Mangels kompensieren können. Dementsprechend können psychotherapeutische Maßnahmen bei auffälligem Verhalten gewiss zu positiven Verhaltensänderungen führen.

Auch bei den ausgeprägteren Formen des Monoaminoxidase-A-Mangels sollte mit psychotherapeutischen Ansätzen versucht werden, eine Abmilderung der aggressiven Verhaltensweisen zu erreichen. Für medikamentöse Behandlungen liegen noch keine ausreichenden Erfahrungen vor.


Aussicht & Prognose

Die Aussicht auf eine Heilung steht schlecht. Patienten leiden unter einem Gendefekt, der sich nach bisherigem wissenschaftlichem Stand nicht beheben lässt. Allerdings ist die Forschung am Erbgut im vollen Gang, weswegen ein gewisser Grad an Hoffnung besteht. Patienten müssen daher zwangsläufig mit Einschränkungen im Alltag klarkommen. Die Lebensqualität kann auf Grund der anfälligen Aggressivität leiden. Insbesondere das Umfeld kann sich gestört fühlen, was zu sozialen Problemen beiträgt. Hingegen ergibt sich keine Verkürzung der Lebenszeit.

Patienten mit Monoaminoxidase-A-Mangel benötigen eine langfristige Verhaltenstherapie und -kontrolle. Es geht darum, auf Auslöser einer aufkommenden Aggressivität präventiv zu reagieren. Dafür ist ein hohes Maß an Disziplin erforderlich. Es ist zu erwarten, dass eine psychosoziale Therapie die Beschwerden der Erkrankung soweit eindämmt, dass sie im Alltag keine Behinderung mehr darstellen. Zur dauerhaften Symptomfreiheit tragen Entspannungstechniken wie Yoga und autogenes Training bei. Zusätzlich dazu sollte auf Suchtmittel generell verzichtet werden. Stress ist zudem zu meiden. Mit einer ausgesprochenen Selbstdisziplin ergibt sich somit eine günstige Prognose.

Alternativ ist anzunehmen, dass sich die Anzeichen des Monoaminoxidase-A-Mangel mit Medikamenten eindämmen lassen. Allerdings existiert bisher keine wissenschaftliche Studie zum Erfolg bestimmter Arzneien.

Vorbeugung

Da der Monoaminoxidase-A-Mangel genetisch bedingt ist, kann diesem nicht vorgebeugt werden. Lediglich die Ausprägung der Auswirkungen im Hinblick auf das Verhalten ist durch günstige Lebensumstände positiv beeinflussbar. Das gilt besonders für die leichten Formen des Monoaminoxidase-A-Mangels. Beim Brunner-Syndrom kann eine erhöhte Aggressivität jedoch nicht verhindert wohl aber eingeschränkt werden.

Nachsorge

Betroffene, die an einem Monoaminoxidase-A-Mangel leiden, bilden nicht immer Symptome aus. Die Störung verläuft in vielen Fällen unauffällig mit nur leichten Verhaltensauffälligkeiten, die auch durch Umwelteinflüsse erklärt werden können. Daher ist eine Nachsorge in der Regel nicht notwendig. Selbst in der extremsten Ausbildung der Erkrankung, dem Brunnersyndrom, findet meist keine Nachsorge statt, obwohl eine längerfristige psychotherapeutische Betreuung der Erkrankten hier durchaus zu einer Verhaltensänderung führen könnte.

Allerdings fehlt den meisten Patienten jegliche Einsicht in die Erkrankung. Daher werden sie sich nicht von selbst in eine Therapie begeben. Des Weiteren gibt es kaum Erfahrungen dazu, welche Maßnahmen überhaupt Erfolg versprechend sind. Die Anzahl der bekannten Fälle an Monoaminoxidase-A-Mangel sind zu gering für die Entwicklung eines geeigneten Therapiekonzepts.

Wenn es jedoch im Fall eines extremen Monoaminoxidase-A-Mangels zu schwerwiegenden Straftaten kommt, kann im Rahmen einer Haftstrafe mit Sicherungsverwahrung und der anschließenden Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik versucht werden, zusammen mit dem Patienten langfristige Strategien zu einer positiven Verhaltensänderung zu entwickeln.

Dazu ist aber die konstruktive Mitarbeit des Betroffenen notwendig. In besonders schweren Fällen muss dieser aufgrund seiner Aggressivität dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht bleiben. Bisher bieten sich Behandlung nur psychotherapeutische Therapien an. Angesichts der spärlich auftretenden Fälle von Monoaminoxidase-A-Mangel liegen derzeit keine Erfahrungen für eine eventuelle medikamentöse Therapie vor.

Das können Sie selbst tun

Menschen mit einem Monoaminoxidase-A-Mangel haben einen Gendefekt. Dieser kann mit den derzeitigen Möglichkeiten weder medizinisch noch durch selbständig ergriffene Maßnahmen geheilt werden.

Betroffene Patienten fallen vergleichsweise häufig durch ein aggressives Verhalten auf. Sollten unerwünschte Verhaltensmuster vorhanden sein, kann im Bereich der Selbsthilfe durch verschiedene Möglichkeiten der Verhaltensregulation Abhilfe geschaffen werden. Neben der Teilnahme an einer Verhaltenstherapie können angebotene Seminare für das Training einer Antiaggression als hilfreich empfunden werden. Teilnehmer erlernen schrittweise, wie sie im Alltag besser auf unterschiedliche Stressauslöser reagieren können und trainieren mögliche optimierte Verhaltensweisen. Dadurch wird ein verbesserter zwischenmenschlicher Umgang gefördert und das Bewusstsein für das eigene Auftreten ist geschärft.

Zum Ausgleich des inneren Stresserlebens haben sich vielfach Entspannungstechniken bewährt. Durch Yoga oder Meditation wird ein inneres Gleichgewicht gefördert. Durch die Herstellung einer inneren Harmonie und die Neuausrichtung der Wahrnehmung kann bei vielen eine Verbesserung der Lebensqualität beobachtet werden. Die Methoden können eigenverantwortlich oder durch die Teilnahme an Kursen genutzt werden. Der Betroffene ist dadurch flexibel in der Anwendung der Techniken und kann je nach Bedarf bei aufkommenden Problemen agieren.

Zusätzlich ist ein gesunder Lebenswandel anzuraten. Eine ausgewogene Ernährung sowie die Vermeidung von Giftstoffen wie Nikotin und Alkohol fördern das Wohlbefinden und tragen zu einer verbesserten Gesundheit bei.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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