Kostmann-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Kostmann-Syndrom ist eine kogenitale und schwere Neutropenie, die von der Abwesenheit neutrophiler Granulozyten gekennzeichnet ist. Ohne diese Bestandteile des Immunsystems sind die Patienten des Syndroms für Infektionen weitaus anfälliger als der Durchschnitt. Als Therapiemaßnahme kommt die Langzeitgabe von G-CSF infrage.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Kostmann-Syndrom?

Die Patienten des Kostmann-Syndroms leiden wegen des Mangels an neutrophiler Granulozyten weitaus häufiger an Infektionen als der Durchschnitt. Wegen dieser Immunschwäche wird das Kostmann-Syndrom in den meisten Fällen kurz nach der Geburt erkennbar.
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Als neutrophile Granulozyten ist eine Untergruppe an weißen Blutkörperchen bekannt. Diese Leukozyten zählen zum unspezifischen und angeborenen Immunsystem und sind sowohl an der Phagozytose, als auch der Exozytose von Granula beteiligt. Die neutrophilen Granulozyten nehmen demnach größere, extrazelluläre Partikel auf und beseitigen sie.

Sie schleusen außerdem Fremdstoffe und Schadstoffe aus und übernehmen damit wichtige Aufgaben in der immunologischen Erregerabwehr. Das Kostmann-Syndrom ist ein Symptomkomplex, der durch fehlende neutrophile Granulozyten verursacht wird. Die Krankheit besteht von Geburt an und hat eine genetische Ursache. Das Syndrom wurde im 20. Jahrhundert erstmals vom schwedischen Arzt Kostmann beschrieben.

Der Fall der Erstbeschreibung entsprach einer Familie, innerhalb derer sechs Kinder von der Erkrankung betroffen waren. Kostmann nannte das Syndrom damals infantile genetic agranulocytosis. Die Bezeichnung Kostmann-Syndrom hat sich erst später zu Ehren des Erstbeschreibers eingebürgert. Das Kostmann-Syndrom zählt zu den Neutropenien.

Als solche werden Verminderungen der neutrophilen Granulozyten zusammengefasst. Innerhalb der Neutropenien gilt das Kostmann-Syndrom als schwere und kongenitale Form, die mit einer verminderten Abwehr von Infektionen einhergeht.

Ursachen

Als kogenitale Neutropenie besitzt das Kostmann-Syndrom eine genetisch erbliche Basis. Auf 300.000 Neugeborene gibt es weniger als einen Fall. Der Symptomkomplex wird daher als äußerst selten bezeichnet. Allerdings konnte schon Kostmann selbst Faktoren an den untersuchten Fällen zusammenfassen, die für eine erbliche Basis sprechen.

Der entscheidendste Faktor ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die von Kostmann untersuchte Familie gleich sechs Kinder mit dem Symptomkomplex hatte. Auch spätere Fälle des Syndroms konnten zeigen, dass die Vererbbarkeit der Erkrankung oft zu mehreren Fällen in dergleichen Familie führt. Nur wenige Fälle waren isoliert sporadisch auftretende Erkrankungen. Der deutsche Kinderarzt Klein identifizierte weit nach Kostmanns Erstbeschreibung das ursächliche Gen für das Kostmann-Syndrom.

Bei diesem Gen handelt es sich um das HAX 1, das bei Patienten des Syndroms von einer Mutation betroffen ist und so den festgelegten Ablauf innerhalb von Zellen stört. Das identifizierte Gen reguliert die Apoptose und damit den programmierten Zelltod. Aus diesem Grund entsteht durch die Mutation des Gens eine starke Einschränkung in Zusammenhang mit der Myelopoese und somit der Reifung von weißen Blutkörperchen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Patienten des Kostmann-Syndroms leiden wegen des Mangels an neutrophiler Granulozyten weitaus häufiger an Infektionen als der Durchschnitt. Wegen dieser Immunschwäche wird das Kostmann-Syndrom in den meisten Fällen kurz nach der Geburt erkennbar.

Wenige Tage nach der Geburt treten oft schnell ausbreitende und besonders heftig ausgeprägte Infektionen mit bakteriellen Erregern ein. In den meisten Fällen bilden sich zusätzlich Abszesse. Nach dem zweiten Lebensjahr entstehen oft Begleitsymptome wie eine erosive Gingivitis oder eine aggressive Parodontitis in der Mundhöhle der Patienten. Fieber ist eine verbreitete Begleiterscheinung dieser Prozesse.

Einige der Betroffenen leiden zusätzlich an Osteoporose. Inwiefern zwischen den beiden Erkrankungen ein Zusammenhang besteht, ist bislang nicht abschließend geklärt. Die Abwehrschwäche der Patienten kann auch als allgemeine Schwäche und Abgeschlagenheit in Erscheinung treten, die durch die erwähnte Anfälligkeit für Infektionen lediglich gekrönt wird.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose auf das Kostmann-Syndrom wird mittels Laboruntersuchung gestellt. In der Labordiagnostik äußert sich das Kostmann-Syndrom als schwere Neutropenie. Um den Verdacht auf das Syndrom zu sichern, kann eine molekulargenetische Untersuchung stattfinden, die einen Beweis über die Mutation von Gen HAX 1 erbringt und die Verdachtsdiagnose damit bestätigt.

Für Patienten mit Kostmann-Syndrom gilt mittlerweile eine günstige Diagnose. Dieser Zusammenhang gilt allerdings erst seit der Entdeckung der antibiotischen Therapie. Vor diesem Durchbruch war das Syndrom mit einer ungünstigen Prognose und meist letalem Verlauf assoziiert.

Komplikationen

Aufgrund des Kostmann-Syndroms leiden die Betroffenen in der Regel an einem stark abgeschwächten Immunsystem. Dabei treten häufiger Infektionen und Entzündungen auf, sodass die Lebensqualität der Betroffenen dadurch erheblich verringert wird. Auch die Wundheilung der Patienten wird durch das Kostmann-Syndrom eingeschränkt und verzögert. Nicht selten kommt es durch das Syndrom auch zur Ausbildung von Abszessen.

Die Betroffenen leiden sehr oft an Fieber und sind damit auch in ihrem Alltag eingeschränkt. Vor allem bei Kindern kann das Kostmann-Syndrom zu Einschränkungen in der Entwicklung führen und diese deutlich verzögern. Meistens kommt es auch zu einer allgemeinen Schwäche und zu einer deutlich verringerten Belastbarkeit. Die Betroffenen wirken oft müde und abgeschlagen und nehmen nicht mehr aktiv am Alltag teil.

Die Behandlung des Kostmann-Syndroms findet mit Hilfe von Antibiotika und anderen Medikamenten statt. Dabei treten keine besonderen Komplikationen oder Beschwerden auf. Allerdings sind die Betroffenen auch auf die Transplantation von Knochenmark angewiesen, damit die Behandlung vollständig abgeschlossen werden kann. Die Lebenserwartung des Patienten bleibt bei einer erfolgreichen Behandlung unverändert. Nicht selten leiden allerdings auch die Eltern der Betroffenen an psychischen Beschwerden oder an Depressionen und benötigen ebenfalls eine psychologische Unterstützung.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Kostmann-Syndrom kann bislang nicht ursächlich behandelt werden. Dennoch muss die Erkrankung frühzeitig abgeklärt und therapiert werden, um etwaige Spätfolgen zu vermeiden. Eltern, die bei ihrem Kind Abszesse, wiederkehrendes Fieber und andere Anzeichen des Kostmann-Syndroms bemerken, konsultieren am besten umgehend den Kinderarzt. Sollten weitere Symptome hinzukommen, etwa Gingivits oder Parodontitis, ist ebenfalls ärztlicher Rat gefragt. Bei Anzeichen einer Osteoporose muss ein Facharzt konsultiert werden. Da die Erkrankung eine enorme Belastung für die Kinder darstellt, ist immer auch eine physiotherapeutische Behandlung vonnöten.

Der Hausarzt kann die Eltern an einen Facharzt verweisen und bei Bedarf auch einen Psychologen hinzuziehen. Notwendig ist dies vor allem bei schweren Erkrankungen, da diese auch den Angehörigen viel Kraft abverlangen. Sollte das Kind das Bewusstsein verlieren oder eine schwere Infektion erleiden, muss der Notarzt gerufen werden. Selbiges gilt bei Stürzen infolge eines Schwächeanfalls. Das Kostmann-Syndrom bedarf in jedem Fall einer sofortigen Abklärung und Behandlung durch den Arzt. Etwaige Depressionen und Persönlichkeitsveränderungen müssen von einem Therapeuten behandelt werden.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Behandlung steht für das Kostmann-Syndrom bislang nicht zur Verfügung. Kausale Therapiewege bei genetischen Mutationen sind mittlerweile aber ein Gegenstand der medizinischen Forschung. Eventuell werden so in Zukunft gentherapeutische Behandlungswege existieren. Bislang wird das Syndrom vor allem symptomatisch behandelt. Bei akuten Infektionen findet eine antibiotische Behandlung statt, um die Erreger außer Gefecht zu setzen.

Als Langzeittherapie kommt für Patienten des Kostmann-Syndroms eine Behandlung mit G-CSF infrage. Dabei handelt es sich um einen Granulozyten-Kolonie stimulierenden Faktor. Dieses Peptidhormon zählt zu den Zytokinen und wird von unterschiedlichen Geweben des menschlichen Körpers produziert. Der G-CSF zeigt vor allem eine stimulierende Wirkung auf die Bildung von Granulozyten, die im Knochenmark stattfindet.

Auf lange Sicht kann eine Knochenmarktransplantation als Therapieweg für Betroffene des Kostmann-Syndroms im Raum stehen. Diese Transplantation findet entweder durch eine Stammzellgewinnung aus Knochenmarkspende, durch eine periphere Blutstammzellspende oder eine Nabelschnurblutspende statt. Knochenmarktransplantationen an immungeschwächten Patienten bergen allerdings ein hohes Infektionsrisiko, so beispielsweise für die Infektion mit dem Zytomegalievirus, mit Pneumokokken oder gastrointestinalen Infekten.

Außerdem können sich Abstoßungsreaktionen einstellen. Aus diesen Gründen muss der Arzt Risiko und Nutzen der Transplantation im Einzelfall genauestens abwägen. Wenn die Lage des Patienten zum Beispiel durch die Langzeit-Therapie mit G-CSF stabil ist, übersteigen die Risiken der Transplantation den Nutzen, den der Betroffene daraus ziehen würde.


Aussicht & Prognose

Bei dem Kostmann-Syndrom handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung. Da Ärzte und Mediziner aufgrund rechtlicher Vorgaben die Genetik des Menschen nicht verändern dürfen, sehen sie sich einem eingeschränkten Handlungsbereich bei der gesundheitlichen Versorgung des Betroffenen ausgesetzt. Die Patienten müssen sich lebenslang in eine ärztliche Behandlung begeben, wenn sie eine Veränderung des gesundheitlichen Zustands erreichen möchten.

Werden gegebene Arzneien im Verlauf des Lebens und ohne die Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt oder ihre Dosierung verändert, ist mit einer sofortigen Verschlechterung der allgemeinen Befindlichkeit und eine Zunahme der Beschwerden zu rechnen. In Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt kann das geschwächte Immunsystem stabilisiert werden. Obgleich eine Heilung nicht eintritt, können verschiedene Beschwerden minimiert werden.

Folgeerscheinungen werden über die Lebensspanne zusätzlich symptomatisch behandelt. Diese können zu Komplikationen führen. Darüber hinaus ist die Gabe von Medikamenten mit Nebenwirkungen und Risiken verbunden. Entscheiden sich Arzt und Patient aufgrund der Gesamtsituation für die Transplantation des Knochenmarkts, verbessern sich die Aussichten auf eine spätere gesundheitliche Entwicklung. Dennoch ist der Eingriff schwierig und mit zahlreichen Komplikationen verbunden. Neben Abstoßungsreaktionen des Organismus und einer längeren Wartezeit auf einen geeigneten Spender, kann es zu weiteren erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität sowie des Wohlbefindens kommen.

Vorbeugung

Da das Kostmann-Syndrom eine kogenitale Erkrankung ist und die eigentliche Ursache für die ursächliche Mutation von HAX 1 bislang nicht geklärt ist, lässt sich dem Symptomkomplex nicht vorbeugen.

Nachsorge

In der Regel erweisen sich die Möglichkeiten der Nachsorge beim Kostmann-Syndrom als relativ schwierig, da es sich dabei um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, die dabei nicht vollständig geheilt werden kann. Dabei sollte allerdings schon sehr früh ein Arzt aufgesucht werden, damit es zu keinen weiteren Komplikationen oder Beschwerden kommen kann, da es bei dieser Krankheit in der Regel auch nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen kann.

Im Fall eines Kinderwunsches sollte der Betroffene eine genetische Untersuchung und Beratung durchführen lassen, damit das Syndrom selbst nicht erneut bei den Nachfahren mehr auftreten kann. Die Betroffenen sind beim Kostmann-Syndrom in vielen Fällen auf die Einnahme von Antibiotika angewiesen. Dabei sollten immer die Anweisungen des Arztes befolgt werden, wobei auch auf eine richtige Dosierung und ebenso auf eine regelmäßige Einnahem zu achten ist.

Weiterhin sind regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt wichtig, um weitere Schäden an den inneren Organen schon früh zu erkennen. Die Betroffenen sollten sich beim Kostmann-Syndrom besonders gut gegen Infektionen und andere Beschwerden schützen. In einigen Fällen ist trotz Behandlung die Lebenserwartung des Betroffenen bei dieser Krankheit verringert.

Das können Sie selbst tun

In den meisten Fällen sind die Betroffenen beim Kostmann-Syndrom auf eine lebenslange Therapie angewiesen, sodass eine Selbsthilfe in der Regel entfällt.

Die Beschwerden des geschwächten Immunsystems können dabei durch die Medikamente relativ gut eingeschränkt werden, sodass es weniger oft zu Erkrankungen und Infektionen kommt. Allerdings können diese Beschwerden auch durch einfache Hygienemaßnahmen gut vermieden werden. Auch das Tragen warmer Kleidung im Winter kann häufige Erkrankungen vorbeugen. Da die Betroffenen im Allgemeinen häufig an einer Müdigkeit oder an einer allgemeinen Schwäche leiden, benötigen vor allem Kinder viel Bettruhe und müssen ihre Körper schonen. Damit können vor allem im Kindesalter Erkrankungen und Komplikationen vermieden werden.

Weiterhin können auch Gespräche mit weiteren Betroffenen des Syndroms gegen psychische Beschwerden oder Depressionen helfen. Bei Jugendlichen oder Kindern kann es durch die Erkrankung zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen, sodass dabei ebenfalls eine Therapie durchgeführt werden kann. In der Regel können die Beschwerden allerdings mit Hilfe von Medikamenten sehr gut eingeschränkt werden, sodass es auch nicht zu einer verringerten Lebenserwartung beim Patienten kommt. Leider kann dem Kostmann-Syndrom nicht vorgebeugt werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murphy, K., Travers, P., Walport, M.: Janeway – Immunologie. Spektrum, Heidelberg, 2010
  • Peter, H.-H., Pichler, W.J. (Hrsg.): Klinische Immunologie. Urban & Fischer, München 2012

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