Neutropenie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Neutropenie wird eine Verminderung der neutrophilen Granulozyten im Blut bezeichnet. Neutrophile Granulozyten spielen eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen, sodass es bei einer Neutropenie zu schweren Allgemeinerkrankungen kommen kann.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Neutropenie?

An einer Neutropenie Erkrankte sind anfälliger für Infekte und fühlen sich müde, abgeschlagen und schwach. Sie leiden unter Fieber, gelegentlich auch in Kombination mit Schüttelfrost.
© Sonja Birkelbach – stock.adobe.com

Die neutrophilen Granulozyten, kurz auch als Neutrophile bezeichnet, sind die häufigsten weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Die spezialisierten Immunzellen sind Teil der angeborenen Immunabwehr. Sie dienen der Erkennung und der Eliminierung von pathogenen Mikroorganismen. Die Neutrophilen können die Mikroorganismen aufnehmen und verdauen. Sie fungieren dabei als Phagozyten.

Des Weiteren enthalten ihre Granulavesikel verschiedene Stoffe, die Bakterien und andere Erreger zerstören können. Ferner können die neutrophilen Granulozyten die sogenannten NETs (Neutrophile Extracellular Traps) bilden. Es handelt sich dabei um Chromatinstrukturen, die Mikroorganismen binden und somit unschädlich machen können. Diese Funktionen sind bei der Neutropenie aufgrund des Mangels an neutrophilen Granulozyten nur noch eingeschränkt möglich.

Normalerweise beinhaltet ein Mikroliter Blut 1800 bis 8000 Neutrophile. Bei 500 bis 1000 Neutrophilen pro Mikroliter Blut liegt eine moderate Neutropenie vor. Schwere Neutropenien beginnen bei einer Neutrophilenzahl unter 500 pro Mikroliter Blut.

Ursachen

Die Ursache einer Neutropenie kann auf unterschiedlichen Ebenen liegen. Zum einen kann eine verminderte Bildung von Granulozyten für die Neutropenie verantwortlich sein. Wichtigste Ursache für eine solche Bildungsstörung ist eine Schädigung des Knochenmarks. Dabei kann das Knochenmark durch Chemikalien, giftige Pflanzen oder durch Arzneimittel wie Diuretika, Griseofulvin, Chemotherapeutika, Antibiotika, Chloramphenicol oder Sulfonamide geschädigt werden.

Auch Infektionen können Knochenmarksschädigungen hervorrufen. Zu Knochenmarksschädigungen kommt es häufig nach Infektionen mit Parvoviren, bei Panleukopenien oder beim Katzen-Leukämievirus. Auch immunbedingte oder neoplastische Knochenmarksschädigungen können eine Neutropenie bedingen. Neoplasien, die mit einer Schädigung des Knochenmarks einhergehen, sind zum Beispiel Leukämien oder Myelofibrosen.

Auch ein erhöhter Verbrauch der Granulozyten kann zu einer Neutropenie führen. Neutrophile Granulozyten werden insbesondere bei akuten Entzündungen verbraucht. Übersteigt der Bedarf die Produktionskapazitäten des Knochenmarks, kommt es zu einer Abnahme der Neutrophilen im Blut. Dabei tritt kurzzeitig eine sogenannte Linksverschiebung auf, bei der über einen bestimmten Zeitraum nur noch unreife Neutrophile und ihre Vorläuferzellen freigesetzt werden.

Eine Neutropenie aufgrund eines erhöhten Verbrauchs tritt vor allem bei sehr schweren Erkrankungen wie Sepsis, Metritis oder Peritonitis auf. Eine sogenannte Dysgranulopoese kann ebenfalls eine Neutropenie hervorrufen. Bei der Dysgranulopoese ist die Bildung der neutrophilen Granulozyten gestört. Die Ursache kann im Entwicklungszyklus der Immunzellen oder in einer reduzierten Freisetzung liegen.

Einer Dysgranulopoese können akute myeloische Leukämien, AIDS, Katzenleukämie oder Myelodysplasien zugrunde liegen. Eine akute aber nur vorübergehende Neutropenie kann durch eine Verlagerung der neutrophilen Granulozyten in den Neutrophilenpool ausgelöst werden.

Auslöser für eine solche Verlagerung sind Endotoxine oder eine Anaphylaxie im Rahmen einer schweren allergischen Reaktion. Angeborene Neutropenien treten nur selten auf. Beispiele für solche angeborenen Neutropenien sind das Kostmann-Syndrom und die Glykogenose Typ 1b.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der Mangel an neutrophilen Leukozyten verursacht zunächst keine Symptome. Die betroffenen Personen sind allerdings deutlich infektanfälliger, da durch den Mangel das Immunsystem nur eingeschränkt funktioniert. Bei einer schweren Neutropenie kann es somit zu lebensbedrohlichen Infektionen kommen.

Zudem fühlen sich die Patienten müde, abgeschlagen und schwach. Sie leiden unter Fieber, gelegentlich auch in Kombination mit Schüttelfrost. Charakteristisch für eine Neutropenie sind schmerzhafte Ulzerationen an der Mundschleimhaut oder am Zahnfleisch. Häufig werden diese durch eine Pilzinfektion, eine sogenannte Candidose, verursacht.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei einer vermehrten Infektanfälligkeit entsteht schnell der Verdacht auf einen Mangel an Leukozyten. Wenn der Arzt eine Neutropenie vermutet, wird er eine Blutprobe im Labor untersuchen lassen. Im Differenzialblutbild werden die einzelnen Blutzellen gezählt. Bei einer Neutropenie zeigt sich im Blutbild ein deutlicher Mangel an neutrophilen Granulozyten. In schweren Fällen existieren nur noch 500 Neutrophile pro Mikroliter Blut. Normal sind Zahlen zwischen 1800 und 8000.

Steht die Diagnose Neutropenie, muss möglichst schnell die Ursache ausfindig gemacht werden. Hinweise auf die Ursprungserkrankung liefern die Anamnese und die klinische Untersuchung. Weitere Symptome wie Schwäche, Atemnot, Knochenschmerzen oder ein Druckgefühl im Bauch können auf eine Leukämie hinweisen.

Möglicherweise lässt sich sogar eine vergrößerte Milz tasten. Um eine Bildungsstörung im Knochenmark als Ursache auszuschließen, kann aus dem Beckenknochen eine Knochenmarksbiopsie entnommen werden.

Komplikationen

Eine Neutropenie birgt ein hohes Risiko für schwere bakterielle Infektionen, weil die Immunabwehr aufgrund der reduzierten Anzahl der neutrophilen Granulozyten deutlich herabgesetzt ist. Eine Infektion mit Viren wird jedoch nicht wahrscheinlicher. Es handelt sich um ein Krankheitsbild, welches neben angeborenen Ursachen oftmals wiederum eine Komplikation einer zugrunde liegenden Erkrankung darstellt.

Des Weiteren kann es auch eine Folge der Einnahme bestimmter Medikamente oder von bestimmten Behandlungsmethoden sein. Diese Risikofaktoren können sogar zum vollständigen Verlust der neutrophilen Granulozyten mit verheerenden Auswirkungen führen. Die vollständige Abwesenheit der entsprechenden Granulozyten, auch als Agranulozytose bezeichnet, ist von einem sehr schweren Krankheitsbild mit Schüttelfrost, Fieber und stark erhöhter Herzfrequenz gekennzeichnet. Dieses wird durch eine regelrechte bakterielle Invasion des Körpers mit Bakterien hervorgerufen.

Mit dem Fehlen der neutrophilen Granulozyten fehlt auch die Erstabwehr des Körpers gegen diese Eindringlinge. Neben dem Fieber und Schüttelfrost kommt es zum Absterben der Schleimhäute in der Pharynx (Rachen), in den Tonsillen (Mandeln) und gar im Anal- sowie Genitalbereich. Begleitet wird das Ganze durch lokale Lymphknotenschwellungen. Im Mundbereich entstehen schmerzhafte Aphten in Form einer Stomatitis aphtosa.

Im Rahmen der Agranulozytose kann es wiederum zu einer lebensgefährlichen Sepsis kommen. Zur Rettung des Lebens der Patienten sind neben dem Einsatz von Breitbandantibiotika strenger Infektionsschutz und das Absetzen auslösender Medikamente erforderlich.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Niedriger Blutdruck, Fieber und Schüttelfrost sind Anzeichen einer Neutropenie. Wer diese Symptome bemerkt, sollte den Hausarzt konsultieren. Medizinischer Rat ist insbesondere bei Beschwerden gefragt, die scheinbar grundlos auftreten und mit einem körperlichen Unwohlsein verbunden sind. In diesen Fällen liegt womöglich eine Neutropenie zugrunde, die unbehandelt weitere körperliche Probleme bedingen kann. Sollten Anzeichen einer Infektion bemerkt werden, empfiehlt sich ein Krankenhausbesuch. Personen, die in Verbindung mit einer Chemo- oder Strahlentherapie unter den genannten Beschwerden leiden, sollten den zuständigen Arzt informieren.

Auch Menschen mit einer Immunstörung gehören zu den Risikogruppen und konsultieren am besten zügig den Hausarzt. Der Mediziner kann die Neutropenie diagnostizieren und eine Behandlung einleiten. Menschen mit einer entsprechenden Krankengeschichte (niedriger Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, u.a.) sollten ebenfalls ärztlichen Rat einholen. Neben der Hausarztpraxis kann der Kardiologe oder ein Internist aufgesucht werden. Abhängig von der Ursache können außerdem Physiotherapeuten und alternative Ärzte in die Behandlung involviert werden. Kinder werden beim Auftreten der erwähnten Symptome am besten dem Kinderarzt vorgestellt.

Behandlung & Therapie

Die Therapie ist von der Grunderkrankung abhängig. Zur symptomatischen Behandlung erhalten die Patienten Granulozyten-koloniestimulierende Faktoren (G-CSF). G-CSF ist ein Peptidhormon, das die Bildung von Granulozyten anregt. Der Arzneistoff wird entweder aus E. coli oder aus CHO-Zellen hergestellt.

Die vier großen Krebsfachgesellschaften empfehlen eine präventive Behandlung mit G-CSF, wenn das Risiko einer Neutropenie bei 20 Prozent liegt. Eventuell kann eine Umkehrisolierung erforderlich sein. Bei der Umkehrisolierung werden Menschen mit einem schwachen Immunsystem isoliert. Der Aufenthalt in speziellen Isolierstationen in Krankenhäusern soll die Patienten vor Infektionserkrankungen schützen.

Auf den Isolierstationen gibt es Schleusen vor den Patientenzimmern. Personal und Besucher dürfen die Zimmer nur mit Schutz und nach bestimmten Desinfektionsmaßnahmen betreten. Unabhängig von der symptomatischen Therapie muss eine ursächliche Therapie erfolgen. Liegt der Neutropenie eine schwere Infektionskrankheit zugrunde, so werden sich die Blutwerte nach dem Abklingen der Infektion wieder normalisieren. Erkrankungen des Knochenmarks erfordern hingegen eine spezielle Behandlung.


Aussicht & Prognose

Entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf und damit für die Prognosestellung ist die Klärung der Ursache bei der Neutropenie. Häufig erfolgt eine Feststellung des gesundheitlichen Zustandes erst nach einem längeren Zeitraum. Die Patienten leiden zumeist an einer erhöhten Infektanfälligkeit, sodass die eigentliche Diagnosestellung der Neutropenie meist sehr spät stattfindet.

Je frühzeitiger die Ursache ermittelt werden kann, desto besser ist der weitere Verlauf. Eine spezielle Therapie ist notwendig, um den Patienten bestmöglich zu behandeln. Durch eine medikamentöse Therapie kann eine erhebliche Linderung der Beschwerden erfolgen. Zudem ist in einigen Fällen eine Knochenmarktransplantation notwendig, um eine Verbesserung des allgemeinen gesundheitlichen Zustandes zu erzielen.

Eine vollständige Genesung wird bei vielen Patienten trotz aller Bemühungen nicht erreicht. Die Behandlung ist mit zahlreichen Komplikationen verbunden, sodass eine Heilung nicht immer gegeben ist. Der Patient benötigt eine Langzeitbehandlung sowie regelmäßige medizinische Kontrollen, damit der Organismus bestmöglich unterstützt wird.

Da die Erkrankung mit einer Reihe von Beeinträchtigungen verbunden ist, stellt sie eine immense Belastung für den Patienten sowie dessen Angehörigen dar. Der Alltag muss den körperlichen Gegebenheiten angepasst werden. Dies führt häufig dazu, dass der Betroffene langfristig über ein vermindertes Wohlbefinden berichtet und psychische Folgestörungen möglich sind. Oft sind Aufenthalte in isolierten Stationen notwendig, um Verbesserungen zu erzielen.

Vorbeugung

Den meisten Neutropenien lässt sich nicht vorbeugen. Wenn bei der Chemotherapie ein erhöhtes Risiko besteht, kann präventiv G-CSF verabreicht werden.

Nachsorge

In den meisten Fällen sind die Maßnahmen und die Möglichkeiten der Nachsorge bei der Neutropenie deutlich eingeschränkt. Aus diesem Grund sollte der Betroffene schon bei den ersten Anzeichen und Beschwerden der Erkrankung sofort einen Arzt aufsuchen, um das weitere Auftreten von anderen Komplikationen und Beschwerden zu verhindern. Es kann dabei auch nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, sodass eine medizinische Behandlung unumgänglich ist.

Die meisten Patienten sind während der Behandlung auf regelmäßige Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt angewiesen, um weitere Tumore schon früh zu erkennen und zu entfernen. Dabei sollte sich der Betroffene bei der Neutropenie gegen verschiedene Infektionen besonders gut schützen. Häufig ist dabei auch die Pflege und die Unterstützung durch die eigene Familie sehr wichtig, wodurch die Entstehung von Depressionen und andere psychische Verstimmungen gelindert werden kann.

Der Patient sollte sich ausruhen und schonen, wobei von Anstrengungen und von körperlichen Tätigkeiten abzusehen ist, um den Körper nicht unnötig zu belasten. Die Neutropenie kann dabei in einigen Fällen auch die Lebenserwartung des Betroffenen verringern. Weitere Maßnahmen einer Nachsorge stehen dem Patienten dabei in der Regel nicht zur Verfügung.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011

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