Proteus-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Proteus-Syndrom wird von genetisch bedingtem Riesenwuchs mit Gefäßmissbildungen und Tumorrisiko geprägt. Die Ursache ist vermutlich eine Mutation im Genmaterial, die bislang allerdings nicht näher bestimmt ist. Weil keine kurative Therapieoption besteht, werden die Patienten bisher vor allem supportiv und symptomatisch behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Proteus-Syndrom?

Da es sich beim Proteus-Syndrom um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, ist eine vollständige Heilung in der Regel nicht möglich. Die Beschwerden werden nur symptomatisch behandelt und der Betroffene ist meist auf eine lebenslange Therapie angewiesen.
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Unter dem Proteus-Syndrom versteht die Medizin eine Erbkrankheit, die sich zunächst vor allem in Riesenwuchs manifestiert. Im weiteren Verlauf kommen Tumore mit individuell unterschiedlichem Ausmaß zum Krankheitsbild hinzu. Die Erstbeschreibung erfolgte im 20. Jahrhundert durch den Briten Michael Cohen, der den Symptomkomplex zunächst nicht benannte.

Der deutsche Kinderarzt Hans-Rudolf Wiedemann prägte in Zusammenhang mit der Krankheit erst Jahre später den Begriff des Proteus-Syndroms, der an den griechischen Meeresgott Proteus angelehnt ist. Sagen zufolge verändert Proteus seine Gestalt, was auf die große Bandbreite der möglichen Krankheitssymptome anspielen soll. Ein spektakulärer Fall der Erkrankung war der Elephantenmensch Joseph Merrick. Seit der Entdeckung der Krankheit sind rund 200 Fälle dokumentiert worden. Damit entspricht das Proteus-Syndrom einer äußerst seltenen Erbkrankheit.

Ursachen

Das Proteus-Syndrom hat genetische Ursachen und zählt damit zu den erblichen Krankheiten. Die genaue Ursache bleibt umstritten. Forschungen zur Entstehung sind bislang zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen. Viele Forschungsergebnisse verweisen auf einen Zusammenhang mit dem PTEN-Gen auf Chromosom 10. Andere deuten auf eine Ursache im Chromosom 16 hin. Ebenso oft haben Wissenschaftler aber Zweifel an der Beteiligung des PTEN-Gens geäußert.

Einige Forscher schlagen eine somatische Mutation als Ursache der Erkrankung vor. 2011 verwies eine Studie auf eine Punktmutation des AKT1-Gens, die ein genetisches Mosaik entstehen lässt und so den Überwuchs verschiedener Körperteile auslöst. Aktuellen Erkenntnissen zufolge, ist das Syndrom noch seltener, als bislang vermutet wurde. In vielen Fällen wurde der Symptomkomplex vermutlich fehldiagnostiziert, da die Diagnosestellung wegen der Bandbreite der Erkrankung ein schwieriges Unterfangen ist.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Der Großwuchs ist das Leitsymptom des Proteus-Syndroms. Neben der Haut und den Knochen kann er die Muskeln, das Fettgewebes und die Blut- und Lymphgefäße betreffen. Meist sind die Patienten bei Geburt noch symptomlos. Im Verlauf entwickeln sich neben dem Großwuchs oft Tumore, deren Schwere und Lokalisation extrem variiert.

Krankheit ist vor allem mit einem erhöhten Risiko für Hodentumoren, einseitige ovarielle Zystadenome, Adenome und Meningeome assoziiert. Der Schädel, die Extremitäten und die Fußsohlen sind besonders oft von den Tumoren betroffen. Tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolien können auftreten. Auch Gefäßmissbildungen sind mit dem Syndrom assoziiert.

Die deformierten Extremitäten weisen ein enormes Gewicht auf und verursachen so Muskel- und Gelenkschmerzen. Die Krankheit ist nicht mit Intelligenzminderungen oder Lernschwächen verbunden, aber der Großwuchs kann sekundäre Schäden im Nervensystem verursachen und so die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Das Proteus-Syndrom ist von relativ spezifischen Symptomen geprägt. Nichtsdestotrotz lässt sich der Symptomkomplex nur schwer zweifellos diagnostizieren. Die genetische Ursache ist bislang nicht eindeutig geklärt. Daher können nicht einmal molekulargenetische Tests eine sichere Diagnose gewährleisten. Die klinische Symptomatik ist für den Arzt daher der einzige Anhaltspunkt zur Diagnosestellung.

Da Riesenwuchserscheinungen mit gleichzeitigen Tumoren aber nicht zwingend mit dem Proteus-Syndrom in Zusammenhang stehen müssen, ist das Risiko einer Fehldiagnose hoch. Der Krankheitsverlauf ist individuell. Die Lebenserwartung gilt wegen der Tumore und den belastenden Gewebswucherungen allerdings als herabgesetzt. Da auch die sozialen Erfahrungen der Betroffenen meist negativ von der Erkrankung beeinflusst werden, gilt für das Syndrom außerdem ein psychisch schwieriger Verlauf.

Komplikationen

Durch das Proteus-Syndrom leiden die Betroffenen in erster Linie an einem Großwuchs. Dabei kann es vor allem bei Kindern zu Hänseleien oder zu Mobbing kommen. Weiterhin sind auch die Gefäße des Betroffenen von verschiedenen Missbildungen betroffen. Durch diese Beschwerden kann das Proteus-Syndrom auch das Risiko der Tumorausbildung deutlich erhöhen, sodass die Patienten möglicherweise auch an einer verringerten Lebenserwartung leiden.

Weiterhin können sich auch Thrombosen in den Venen oder eine Lungenembolie ausbilden, die die Lebensqualität des Patienten erheblich verringern. Die meisten Betroffenen leiden auch an einer Abgeschlagenheit und an Schmerzen an den Muskeln und Gelenken. Dabei kann es in schwerwiegenden Fällen auch zu Bewegungseinschränkungen kommen, sodass die Betroffenen des Proteus-Syndroms auf die Hilfe anderer Menschen in ihrem Alltag angewiesen sind.

Die Intelligenz der Patienten wird durch das Proteus-Syndrom allerdings nicht beeinflusst. Allerdings können die kognitiven Fähigkeiten des Patienten aufgrund des Riesenwuchses möglicherweise negativ beeinträchtigt werden. Eine kausale Behandlung des Proteus-Syndroms ist nicht möglich. Die Therapie zielt dabei auf die Minimierung der Symptome ab. In vielen Fällen ist auch eine psychologische Betreuung notwendig. Besondere Komplikationen treten dabei in der Regel allerdings nicht auf.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Proteus-Syndrom muss in jedem Fall durch einen Arzt untersucht und behandelt werden. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, ist eine vollständige Heilung in der Regel nicht möglich. Die Beschwerden werden nur symptomatisch behandelt und der Betroffene ist meist auf eine lebenslange Therapie angewiesen. Ein Arzt ist beim Proteus-Syndrom dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an Riesenwuchs oder an verschiedenen Tumoren leidet. Je früher die Tumoren erkannt und behandelt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Krankheitsverlaufes.

Ebenso können auch Lungenbeschwerden auf das Proteus-Syndrom hindeuten und sollten von einem Arzt untersucht werden. Die Betroffenen leiden in der Regel an Schmerzen in den Gelenken und den Muskeln und können an ihrem Alltag nicht ohne Weiteres teilnehmen. Eine Behandlung ist beim Proteus-Syndrom daher unerlässlich.

In der Regel erfolgt die Diagnose des Proteus-Syndroms durch einen Allgemeinarzt oder in einem Krankenhaus. Die Behandlung richtet sich allerdings nach den genauen Beschwerden und nach ihrer Ausprägung. In einigen Fällen ist durch das Syndrom auch die Lebenserwartung des Patienten eingeschränkt.

Behandlung & Therapie

Ursächliche oder kurative Behandlungswege gibt es im Fall des Proteus-Syndroms nicht, da die Ursache bislang nicht einmal geklärt ist. Eine supportive Therapie steht bisher im Mittelpunkt der Behandlung. Diese Behandlungsart soll vor allem die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Mit diesem Zweck findet vor allem eine psychotherapeutische Betreuung statt. Sie hilft dem Betroffenen und den Angehörigen bei der Auseinandersetzung mit der Erkrankung und behandelt gegebenenfalls die sozialen Negativerfahrungen und daraus resultierende soziale Defizite.

Auch operative Interventionen und symptomatische Behandlungswege liegen im Fall von Tumoren und Gefäßmissbildungen im Bereich des Machbaren. Studien sind derzeit mit der Suche nach verlaufsverlangsamenden Wirkstoffen befasst. Laut einem Fallbericht könnte der Wirkstoff Rapamycin als Therapeutikum in Frage kommen. Der Wirkstoff zeigt einen positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf, indem er die fortschreitende Symptomatik verlangsamte und die Lebenserwartung so erhöhen konnte.

Da zweifellos eine genetische Komponente am Riesenwuchs der Patienten beteiligt ist, lässt sich der Gigantismus durch medikamentöse Intervention allerdings nicht vollständig aufhalten. Wegen der wenigen, bisher zweifellos bewiesenen Fälle steht die Forschung nach Therapeutika noch am Anfang. Eventuell werden gentherapeutische Ansätze in Zukunft eine Therapieoption zum Proteus-Syndrom darstellen. Auch gentherapeutische Behandlungen sind bislang allerdings lediglich Zukunftsmusik.

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Vorbeugung

Da Proteus-Syndrom bleibt in seiner genauen Ursache ungeklärt. Vorbeugemaßnahmen gibt es daher bislang keine. Wenn eine Mutation für das Syndrom verantwortlich ist, dann können Umweltgifte in Zusammenhang mit dem Krankheitsausbruch eine Rolle spielen. Auch wenn das tatsächlich der Fall ist, wird sich dem Syndrom aber nur schwer vorbeugen lassen. Den Kontakt mit etwaigen Umweltgiften vollständig zu vermeiden, ist weitestgehend unmöglich.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen beim Proteus-Syndrom in der Regel nur sehr wenige und auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen der direkten Nachsorge zur Verfügung. Aus diesem Grund sollte der Betroffene schon frühzeitig einen Arzt aufsuchen, damit es nicht zum Auftreten von anderen Komplikationen und Beschwerden kommt. Eine Selbstheilung kann sich beim Proteus-Syndrom in der Regel nicht einstellen, sodass schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen der Erkrankung ein Arzt kontaktiert werden sollte.

Da es sich bei dieser Krankheit auch um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, sollte bei einem weiteren Kinderwunsch auf jeden Fall eine genetische Untersuchung und Beratung durchgeführt werden, um das erneute Auftreten der Krankheit bei den Kindern zu verhindern. Die meisten Betroffenen sind auf die Maßnahmen einer Physiotherapie angewiesen, wobei in vielen Fällen eine psychologische Therapie notwendig ist.

Im Allgemeinen wirkt sich die liebevolle Pflege und Unterstützung durch die eigene Familie sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Erkrankung kann sehr sinnvoll sein. In einigen Fällen schränkt diese Krankheit auch die Lebenserwartung des Betroffenen ein.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei dem Proteus-Syndrom um eine Erbkrankheit handelt, müssen Selbsthilfe-Maßnahmen bereits unmittelbar nach der Geburt eingeleitet und im Regelfall über das gesamte Leben des Erkrankten fortgesetzt werden. Betroffene haben die Möglichkeit, den einzelnen Beschwerden durch einen gesunden Lebensstil mit viel Bewegung, einer guten Diät und ausreichend Schlaf vorzubeugen.

Begleitend dazu müssen regelmäßig Arztbesuche durchgeführt werden, damit etwaige Tumoren frühzeitig erkannt und entfernt werden können. Nach einem operativen Eingriff muss der Patient sich zunächst schonen. In Rücksprache mit dem Arzt können verschiedene Produkte zur Wundpflege angewendet werden. Außerdem wird der Arzt eine strikte Körperhygiene und die Vermeidung von schwerer körperlicher Betätigung empfehlen. Welche Maßnahmen im Detail angezeigt sind, hängt von der Art und Ausprägung der Beschwerden ab. So kann bei einer Lungenembolie nur ein Arzt helfen, während Muskel- und Gelenkschmerzen sowie vergleichbare Begleitsymptome oft durch Krankengymnastik gelindert werden können.

Der Großwuchs lässt sich zudem durch den gezielten Einsatz von Hilfsmitteln und orthopädischen Maßnahmen lindern. Zuletzt muss sichergestellt werden, dass sich keine weitere Rezidive bilden. Dies gelingt, indem ein ausführliches Beschwerdetagebuch geführt wird, indem ungewöhnliche Erscheinungen oder Beschwerden notiert werden. Anhand des Beschwerdetagebuchs kann der zuständige Arzt weitere Maßnahmen zur Behandlung einleiten und somit den Heilungsverlauf positiv beeinflussen.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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