Gentherapie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Im Rahmen der Gentherapie werden Gene zur Behandlung erbgutbedingter Erkrankungen in ein menschliches Genom eingefügt. Angewendet wird die Gentherapie in aller Regel bei ausgeprägten Erkrankungen wie SCID oder septischer Granulomatose, die durch konventionelle Therapieansätze nicht kontrolliert werden können.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Gentherapie?

Im Rahmen der Gentherapie werden Gene zur Behandlung erbgutbedingter Erkrankungen in ein menschliches Genom eingefügt.

Als Gentherapie wird das Einfügen von Genen bzw. Genomsegmente in menschliche Zellen bezeichnet. Sie zielt auf die Kompensierung eines genetischen Defekts zur Behandlung von erblich bedingten Erkrankungen.

Generell kann zwischen der somatischen Gentherapie und der Keimbahntherapie differenziert werden. Bei der somatischen Gentherapie werden Körperzellen dahingehend verändert, dass lediglich das genetische Material der Zellen des spezifisch zu therapierenden Körpergewebes modifiziert wird. Die veränderte Erbinformation wird entsprechend nicht an die nächste Generation weitergegeben.

Im Rahmen der beinahe in allen Ländern verbotenen Keimbahntherapie findet hingegen eine Veränderung der genetischen Information in Zellen der Keimbahn statt. Darüber hinaus wird in Abhängigkeit von der therapeutischen Strategie zwischen der Substitutionstherapie (Austausch fehlerhafter Genomsegmente), der Additionstherapie (Verstärkung von spezifischen Genfunktionen wie Immunabwehr bei Krebs oder Infektionserkrankungen) sowie der Suppressionstherapie (Inaktivierung pathogen wirkender Genaktivitäten) unterschieden.

Da die Gensequenz dauerhaft oder zeitlich begrenzt in die Zielzelle eingefügt werden kann, kann der Effekt einer Gentherapie zudem permanent oder temporär sein.

Funktion, Wirkung & Ziele

Allgemein zielt eine Gentherapie darauf ab, die Zielzelle durch den Austausch des defekten mit einem intakten Gen in die Lage zu versetzen, für den Organismus essentielle Stoffe (u.a. Proteine, Enzyme) zu synthetisieren.

Die Substitution des Erbmaterials kann außerhalb des Körpers (ex vivo) durchgeführt werden. Hierzu werden dem Betroffenen die Zellen entnommen, die den zu therapierenden Defekt aufweisen, und mit einem intakten Gen ausgestattet. Die modifizierten Zellen werden dem Betroffenen anschließend erneut zugeführt. Der Gentransport in die Zelle kann durch verschiedene Methoden gewährleistet werden.

Bei der sogenannten chemischen Transfektion beeinträchtigt eine elektrische Verbindung die Zellmembran dahingehend, dass das therapeutische Gen in das Zellinnere gelangen kann. Physikalisch kann das modifizierte Erbmaterial durch eine Mikroinjektion oder einen elektrischen Impuls, der eine temporäre Permeabilität der Zellmembran bedingt (Elektroporation), in das Zellinnere gelangen. Zudem können die veränderten Informationen auf kleinen Goldkügelchen in das Zellinnere geschossen werden (Particle gun).

Im Rahmen einer Transfektion mittels Erythrozyten-Ghosts werden Erythrozyten (rote Blutkörperchen) mit den therapeutischen Genen in einer Lösung in Lyse gebracht. Dadurch öffnen sich die Zellmembranen kurzfristig und die Gensequenz kann eindringen. Anschließend werden die veränderten Erythrozyten mit den Zielzellen verschmolzen.

Darüber hinaus können durch eine sogenannte Transduktion genetisch modifizierte Viren injiziert werden. Da Viren zur Vermehrung auf den Metabolismus eines Wirtes angewiesen sind, können sie als sogenannte Gen-Fähren dienen, indem sie das neue, gesunde Erbmaterial in die Zielzellen einschleusen. Für das Verfahren der Transduktion werden DNA-, RNA- und insbesondere Retroviren eingesetzt. Geeignete Zielzellen sind unter anderem Leberzellen, T-Zellen (T-Lymphozyten) sowie Knochenmarkzellen.

Die Gentherapie kommt vor allem bei schweren Immunsystemerkrankungen wie SCID (defekte T-Lymphozyten) oder septischer Granulomatose (defekte neutrophile Granulozyten) zum Einsatz. Ferner stellt sie eine mögliche Therapiealternative bei Tumoren, schwerwiegenden Infektionserkrankungen wie HIV, Hepatitis B und C, Tuberkulose oder Malaria dar, wobei die therapeutischen Möglichkeiten vor allem in Bezug auf HIV und Tuberkulose klinisch noch erforscht werden.

Die gentherapeutische Transduktion mit Retroviren an körpereigenen Blutstammzellen kommt insbesondere für Beta-Thallassämie (gestörte Beta-Globinsynthese) infrage.


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Während nur wenige Erkrankungen durch eine Gentherapie behandelt werden können, lassen sich dagegen die Risiken aufgrund des geringen Entwicklungsstands der Therapie in vielen Fällen nicht vollkommen abschätzen.

Das größte Risiko besteht bei einer Gentherapie in der bislang ungerichteten Integration der therapeutischen Gensequenz in die Zielzelle. Bei einer fehlerhaften Integration in das Genom der Zielzelle können intakte Gensequenzen in ihrer Funktion beeinträchtigt und gegebenenfalls andere schwere Erkrankungen ausgelöst werden. So können beispielsweise an das insertierte Gen angrenzende Protoonkogene aktiviert werden, die das normale Zellwachstum beeinträchtigen und eine Krebserkrankung auslösen können (Insertionsmutagenese).

Entsprechendes konnte unter anderem im Rahmen einer Pariser Studie beobachtet werden. Nach dem anfänglichen Erfolg hatte sich herausgestellt, dass einige gentherapeutisch behandelte Kinder an Leukämie erkrankt waren. Darüber hinaus kann das Immunsystem die modifizierten Zielzellen als fremd markieren und angreifen (Immunogenität).

Schließlich besteht bei einer Transduktion mit Viren die Gefahr, dass der gentherapeutisch Behandelte sich mit einem Wildtypus des bei ihm als Fähre eingesetzten Virus infiziert und dieser die gentechnisch modifizierte Sequenz aus dem Genom soweit mobilisiert (Mobilisierung), dass sich diese an unerwünschter Stelle mit den entsprechenden Konsequenzen integrieren kann.

Quellen

  • Buselmaier, W. et al.: Humangenetik für Biologen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2005
  • Hennig, W.: Genetik. Springer, Berlin 1995
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011

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