Kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens handelt es sich um eine angeborene Krankheit, bei der die Samenleiter des Mannes auf beiden Seiten fehlen. Die Erkrankung wird oft mit der Abkürzung CBAVD bezeichnet und kommt entweder isoliert oder im Zusammenhang mit einer leichten Mukoviszidose vor. Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens wird auf autosomal-rezessivem Weg an die Kinder vererbt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens?

Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens ist dadurch gekennzeichnet, dass die betroffenen Personen auf beiden Seiten über keinerlei Samenleiter verfügen.
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Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens wird durch eine genetische Mutation hervorgerufen, die sich auf dem CFTR-Gen ereignet. Prinzipiell stellt die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens eine milde Variante der Mukoviszidose dar. Anders als die klassische Krankheitsform fehlen bei der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens allerdings oft nur die Samenleiter.

Die Samenzellen bilden die Hoden bei erkrankten Patienten meist ebenso wie bei gesunden Personen. Bedingt durch das vollkommene Fehlen der Samenleiter sind die Samen bei der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens allerdings kaum in der Lage, nach außen zu fließen. Stattdessen gelangen sie lediglich in die Nebenhoden.

In einigen Fällen fehlen bei der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens nicht nur die Samenleiter, sondern auch die Samenblasen. Teilweise ist der Harntrakt von Missbildungen betroffen. Die Prävalenz der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens liegt bei etwa 0,6 bis einem Prozent. Leiden Personen an einer Azoospermie, so findet sich die Ursache bei circa drei Prozent der Erkrankten in einer kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens.

Ursachen

Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens wird in den meisten Fällen durch bestimmte genetische Mutationen auf dem CFTR-Gen ausgelöst. 75 bis 90 Prozent der Patienten mit kongenitaler bilateraler Aplasie des Vas deferens weisen derartige Genmutationen auf. Darüber hinaus existieren weitere Mutationen, die mitunter eine kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens auslösen. Diese treten jedoch weitaus seltener auf.

Der genaue Mechanismus der Pathogenese der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens ist aktuell noch nicht ausreichend geklärt. So ist bisher nicht bekannt, warum die Mutation auf dem Gen namens CFTR ein Fehlen der Samenleiter auf beiden Seiten bewirkt. Vermutungen von Forschern gehen davon aus, dass die Entwicklung der Samenleiter bei Föten in ihrem Verlauf beeinträchtigt ist. Als weitere Ursache der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens werden verstopfte Kanäle in Betracht gezogen, wobei sich zähe Sekrete bilden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens ist dadurch gekennzeichnet, dass die betroffenen Personen auf beiden Seiten über keinerlei Samenleiter verfügen. Die Samenleiter fehlen bei der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens bereits von Geburt an. Menschen mit einer genitalen Mukoviszidose geben die Erkrankung an ihre Kinder weiter.

Zudem leiden die Nachkommen überdurchschnittlich häufig an einer Mukoviszidose. Typisch für die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens ist, dass der Samen aufgrund der fehlenden Samenleiter kaum nach außen, sondern lediglich in die Nebenhoden transportiert wird.

Diagnose & Krankheitsverlauf

In welchem Alter die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens bei den betroffenen Patienten diagnostiziert wird, ist im Einzelfall verschieden. Früher oder später ergeben sich jedoch bei den meisten an der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens erkrankten Personen Hinweise auf eine Obstruktion der Samenleiter und Samenwege. Der Allgemeinarzt überweist den Patienten nach einer vorläufigen Anamnese und Untersuchung üblicherweise an einen Urologen.

Das Patientengespräch fokussiert in erster Linie auf familiäre Dispositionen für die Erkrankung sowie die vorliegenden Beschwerden. Dadurch grenzt der Arzt die Krankheit immer stärker ein. Bei der klinischen Untersuchung spielt die Durchführung eines Spermiogramms eine entscheidende Rolle. Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens ist vor allem an einer Azoospermie erkennbar, die auf eine Behinderung der Samenwege hindeutet.

Im Spermiogramm zeigen sich zudem ein niedriger pH-Wert sowie eine herabgesetzte Konzentration an Fruktose. Auch das Volumen des Ejakulats ist in der Regel äußerst gering. Grundsätzlich weisen viele der an der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens erkrankten Menschen jedoch einen normalen Hormonstatus auf. Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens wird sicher mittels eines genetischen Tests diagnostiziert. Dabei werden die Mutationen auf dem CFTR-Gen nachgewiesen.

Komplikationen

Das Fehlen beider Samenleiter des Mannes ist ein angeborener Gendefekt. Dieser gilt als milde Form der Mukoviszidose. Allerdings fehlen bei der genitalen Mukoviszidose die typischen Symptome einer zystischen Fibrose. Festgestellt wird der männliche Gendefekt meist erst beim Hausarzt. Oft ist ein unerfüllter Kinderwunsch der Anlass, zum Arzt zu gehen.

Da die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens (CBAVD) über das Erbgut an die Nachkommen weitergegeben werden kann, sind weitere Arztbesuche schon aus diesem Grund notwendig. Oftmals liegen zudem weitere Symptome vor, die einer Behandlung oder Korrektur bedürfen. Meist ist der Urologe der richtige Ansprechpartner.

Mittels eines Spermiogramms kann der behandelnde Mediziner feststellen, ob eine Azoospermie bei minimalem Spermavolumen vorliegt. Doch erst ein Gentest kann das Vorhandensein einer kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens sicher feststellen. Operativ können die Auswirkungen dieses Gendefektes noch nicht behoben werden. Dazu wäre eine Transplantation von Samenleitern nötig. Insofern ist eine Überweisung zu einem anderen Arzt sinnlos.

Ein Labor für künstliche Befruchtung kann hingegen die Möglichkeiten einer künstlichen Befruchtung aufzeigen. Zu beachten ist dabei jedoch die Übertragbarkeit des Gendefektes. Er kann bei den Nachkommen eine Mukoviszidose auslösen. Noch ist die Gentechnologie nicht soweit, hier einzugreifen. Später wird es vermutlich möglich sein, bei solchen Gendefekten Genreparaturen vorzunehmen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens handelt es sich um eine schwere genetische Erkrankung, die unbehandelt schwere psychische Probleme hervorrufen kann. Betroffene Personen sollten umgehend einen Arzt aufsuchen bzw. das betroffene Kind einem Kinderarzt vorstellen. Wird das Fehlen einer oder beider Samenleiter bemerkt, muss ebenfalls ärztlicher Rat eingeholt werden. Auch andere Fehlbildungen im Bereich des Harntraktes sollten von einem Mediziner untersucht werden.

Falls es infolge der Unfruchtbarkeit zu seelischen Problemen kommt, muss ein Therapeut hinzugezogen werden. Die therapeutische Behandlung kann den Betroffenen bei der Verarbeitung der Erkrankung und des unerfüllten Kinderwunsches unterstützen. Die erste Anlaufstelle für Betroffene ist der Hausarzt oder ein Urologe. Für eine etwaige künstliche Befruchtung muss eine Fachklinik aufgesucht werden. Personen, die an einer genitalen Mukoviszidose leiden, vererben die Krankheit an ihre Kinder. Eine frühzeitige Untersuchung des Kindes zeigt eine mögliche Fehlbildung auf und erlaubt den Eltern frühzeitig die Organisation von Arztterminen und weiteren Therapiemaßnahmen.

Behandlung & Therapie

Grundsätzlich ist es nicht möglich, die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens durch operative Eingriffe zu therapieren oder zu heilen. Den betroffenen Männern steht jedoch die Möglichkeit offen, einen möglichen Kinderwunsch mittels einer künstlichen Befruchtung zu verwirklichen. Dabei wird das Sperma intrazytoplasmatisch injiziert.

Prinzipiell ist eine Behandlung der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens daher nur in Fällen erforderlich, in denen ein Kinderwunsch besteht. Zu bedenken ist allerdings, dass die Nachkommen der Patienten besonders für eine Mukoviszidose-Erkrankung prädestiniert sind.


Aussicht & Prognose

Die seltene unilaterale oder die häufiger auftretende kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens können als Folgeerscheinung einer genitalen Mukoviszidose oder ohne eine erkennbare Ursache auftreten. Das genetisch bedingte Fehlen bzw. eine zystische Veränderung an beiden Samenleitern ziehen Unfruchtbarkeit nach sich. Die männlichen Samenzellen werden zwar völlig normal in den Hoden gebildet. Sie gelangen ohne Samenleiter aber nur in die Nebenhoden.

Heutzutage kann eine Sterilitätsbehandlung die Prognose von einer kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens betroffenen Männer verbessern. Dabei wird eine intracytoplasmatische Spermieninjektion vorgenommen, nachdem eine Hodenbiopsie ausgeführt wurde. Alternativ können einzelne Spermien aus dem Ejakulat entnommen werden, um festzustellen, welcher Schweregrad der Aplasie vorliegt.

Bei einer vollständigen Degeneration der Samenleiter ist die Prognose aus zwei Gründen schlecht. Zum einen können die Männer mit einer kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens nicht mit herkömmlichen Methoden zeugungsfähig gemacht werden. Einen komplett funktionsunfähigen Samenleiter zu entfernen und einen neuen zu transplantieren, wäre technisch zwar möglich. Vorgenommen wird diese Operation jedoch nur sehr selten.

Zum anderen ist die Erkrankung erblich. Sie kann daher auch auf den männlichen Nachwuchs übertragen werden. Insofern ist es fraglich, ob beim Auftreten der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens überhaupt an Nachwuchs gedacht werden sollte.

Vorbeugung

Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens entsteht aktuellen Kenntnissen zufolge durch genetische Mutationen, vor allem solche auf dem CFTR-Gen. Aus diesem Grund fehlen die Samenleiter schon bei neugeborenen Babys. Optionen zur Prävention der kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens sind daher nicht vorhanden. Die medizinische Forschung arbeitet derzeit allerdings an Möglichkeiten, diverse genetisch verursachte Krankheiten zu behandeln.

Nachsorge

Da es sich bei dieser Krankheit um eine angeborene Erkrankung handelt, kann diese in der Regel nicht vollständig geheilt werden, sodass der Betroffene dabei immer auf eine medizinische Untersuchung und Behandlung angewiesen ist, damit es nicht zu weiteren Komplikationen und auch nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden kommt. Sollte es beim Betroffenen oder bei den Eltern zu einem Kinderwunsch kommen, kann eine genetische Untersuchung und Beratung Aufschluss bringen, damit die Krankheit bei den Nachfahren nicht erneut auftreten kann.

Eine frühe Diagnose wirkt sich dabei in der Regel immer positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus. Die Beschwerden können in den meisten Fällen mit Hilfe von operativen Eingriffen wieder gelöst werden. Dabei sollte sich der Betroffene nach einem solchen Eingriff auf jeden Fall ausruhen und keine körperlichen oder stressigen Tätigkeiten durchführen.

Um einen Kinderwunsch zu verwirklichen, kann eine künstliche Befruchtung genutzt werden. Allerdings ist dabei eine genetische Untersuchung durchzuführen, bevor dem Kinderwunsch nachgegangen wird. In der Regel sind keine weiteren Maßnahmen einer Nachsorge mehr notwendig. Die Krankheit verringert meistens auch nicht die Lebenserwartung des Betroffenen und schränkt diese auch nicht ein.

Das können Sie selbst tun

Die kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens ruft in aller Regel keine körperlichen Beschwerden hervor. Die Therapie sowie etwaige Selbsthilfe-Maßnahmen konzentrieren sich darauf, die Unfruchtbarkeit zu akzeptieren und Auswirkungen auf die Psyche der Patienten zu minimieren. Dies gelingt durch Therapiegespräche, Selbsthilfegruppen und Beratungsgespräche in einer Fachklinik.

Männer, die unfruchtbar sind, geraten häufig auch mit der Ehepartnerin in Konflikt. Eine Eheberatung kann bei der Schlichtung der Konflikte helfen und den betroffenen Personen Möglichkeiten für eine Erfüllung des Kinderwunschs aufzeigen. Eine erfolgreiche Adoption oder vergleichbare Alternativen helfen enorm bei der Linderung der psychischen Beschwerden, die nicht nur die Männer betroffen, sondern auch deren Partnerinnen.

Wenn der Kinderwunsch trotz aller Maßnahmen unerfüllt bleibt, sind die Betroffenen meist niedergeschlagen und frustriert. Etwaige seelische Probleme sollten unbedingt mit einem Therapeuten besprochen und aufgearbeitet werden. Eine therapeutische Behandlung sollte auch von Betroffenen in Anspruch genommen werden, die durch die Fehlbildung an Minderwertigkeitskomplexen und anderen psychischen Problemen leiden. Welche Maßnahmen und Schritte im Detail sinnvoll sind, wird am besten mit dem Psychologen oder dem zuständigen Hausarzt besprochen.

Quellen

  • Hautmann, R.: Urologie. Springer, Berlin Heidelberg 2014
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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