Verätzung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine Verätzung entsteht, wenn die Haut oder andere Teile des Körpers mit chemischen oder organischen Lösungen in Verbindung kommen, welche eine zerstörende Reaktion hervorrufen. Verätzungen hinterlassen meistens tiefe Wunden, verursachen starke Schmerzen und müssen vor allem in drastischen Fällen fachmännisch versorgt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Verätzung?

Als Erstmaßnahme werden Verätzungen der Haut mit reichlich fließendem Wasser gespült. Klicken, um zu vergrößern.

Von einer Verätzung spricht man in der Fachmedizin, wenn die Haut, die Schleimhäute oder das Gewebe des Körpers durch den Kontakt mit einer chemischen oder organischen Substanz, etwa Laugen und Säuren, in Verbindung kommen.

Je nach Zusammensetzung und Konzentration der Lösung kann diese mehr oder weniger starke Verätzungen hervorrufen. Hier muss unbedingt zwischen den Lösungen und deren Gefahrenpotenzial unterschieden werden, denn es gibt weniger aggressive und extrem aggressive Substanzen. Zwei weitere Rollen, die die Schwere der Verätzung beeinflussen, spielen die Sensibilität der betroffenen Körperstelle und die Dauer, der die Haut der Säure oder Lauge ausgesetzt ist.

Bestimmte Hautpartien sind weniger empfindlich als andere, was weniger starke Wunden und Narben zur Folge haben kann. Die sensibelste Hautpartie sind die Schleimhäute, die eindringenden Säuren und Laugen nur wenig Widerstand leisten.

Ursachen

Die Hauptursache ist der Kontakt mit der Haut, die zweite „Ursache“ ist die Reaktion, welche die Substanz auf dieser entfaltet. Säuren führen zum Beispiel zu einer oberflächlichen Abtötung der Hautzellen, die je nach Säuretyp und Konzentration Wunden verursachen sowie oberflächliche Gerinnungen und Verklumpungen der Zellen hervorrufen kann.

Dies lässt sich am besten mit einer Verbrennung vergleichen, bei der die Hautoberfläche ebenfalls verklumpt und gerinnt. Dadurch kann die Flüssigkeit jedoch nicht mehr tiefer ins Gewebe vordringen. Anders sieht es bei Verätzungen mit starken Säuren aus (etwa Schwefelsäure), welche durch die starke Aggression direkt bis tief ins Gewebe vordringen. Dabei greifen sie das Gewebe und die darüber liegenden Hautschichten an.

Laugen dringen hingegen ebenfalls direkt ins Gewebe ein und töten die darüber liegenden Hautschichten ab. Eine Lauge reagiert jedoch anders auf die Eiweiße der Haut als eine Säure. Hier verklumpt die Oberfläche nicht, sondern sie verflüssigt sich. Das ermöglicht der Lauge, immer tiefer in das Gewebe einzudringen. Problematisch ist hier, dass durch Laugen verursachte Verätzungen erst einmal weniger drastisch erscheinen, aber schwerwiegende Folgen haben können.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die typischen Anzeichen einer Verätzung betreffen die Haut. Chemikalien, Säuren und Laugen können aber auch die Augen schädigen. Wegen des drohenden Sehkraftverlusts gilt dieser Fall als sehr gefährlich. Mediziner klassifizieren die Symptome anhand von drei Schweregraden.

Typischerweise spüren Betroffene stark anhaltende Schmerzen an der jeweiligen Hautoberfläche. Sie weist eine starke Rötung auf. Es bilden sich innerhalb kurzer Zeit Blasen. Bei schweren Fällen einer Verätzung kommt es zu einem Flüssigkeitsverlust. Ätzende Substanzen sorgen dafür, dass Vergiftungen im Blutkreislauf entstehen. Dadurch wird der gesamte Körper in Mitleidenschaft gezogen. Ein Schock ist möglich.

Entsteht eine Verätzung an den Augen, droht oft eine Erblindung. Anfangs kommt es lediglich zur Trübung der Hornhaut. Darüber hinaus treten Rötungen und Schmerzen auf. Das Auge reagiert mit einem starken Tränenfluss. Betroffene kneifen reflexartig die Augen zusammen. Gelangen ätzende Substanzen in den Rachenraum, klagen Patienten regelmäßig über Atemnot.

Die beschriebenen Symptome lassen sich nach einem aufsteigendem Schweregrad klassifizieren. Von Grad 1 spricht man bei einer Rötung der Haut. Grad 2 liegt bei Blasenbildung und der Schädigung der obersten Hautschicht vor. Die Zerstörung sämtlicher Hautschichten ohne die unterste wird mit Grad 3 bezeichnet.

Diagnose & Verlauf

Verätzungen zeigen sich durch starke und verbrennungsähnliche Rötungen, durch rissige und blutige Hautstellen, durch eine aufgelöste Hautoberfläche und gehen mit Schmerzen einher. Jedoch kann nur ein Arzt die Schwere der Verätzung gezielt diagnostizieren und so umgehend die richtige Behandlung einläuten.

Denn je nach Art des Lösungsmittels kann diese bei einer falschen oder ausbleibenden Behandlung sogar die inneren Organe angreifen oder zu Teilen in den Blutkreislauf geraten. Deshalb ist es ungemein wichtig bei schwer einzuschätzenden oder bei schweren Verätzungen sofort den Notdienst zu alarmieren, den Verletzten ruhig zu stellen und die betroffene Haut von Kleidung und Co. zu befreien.

Komplikationen

Aufgrund des Flüssigkeitsverlusts kann es zu einer Dehydration kommen. Insbesondere großflächige Verätzungen rufen dann auch neurologische Ausfallerscheinungen hervor. Ist der Mund- und Rachenraum betroffen, kann es zu einer Atemnot kommen und in schweren Fällen droht sogar das Ersticken.

Verätzungen durch Laugen können vor allem an den Schleimhäuten schwere Schäden hervorrufen. Besonders gefährdet sind Augen-, Mund-, und Rachenraum, denn dort kann eine Verätzung schnell zu einem Durchbruch führen und die unter der Haut befindlichen Muskeln und Nerven schädigen. Anschließend kann die Haut vernarben, wodurch die Organfunktion dauerhaft geschädigt wird.

Kommt das Lösungsmittel in Kontakt mit den inneren Organen oder gerät in den Blutkreislauf, kann dies ernste gesundheitliche Komplikationen hervorrufen. Im Extremfall treten bleibende Organschäden auf oder es kommt zu einer Blutvergiftung. Auch Vergiftungen sind nicht auszuschließen. Bei der operativen Behandlung einer Verätzung besteht immer die Gefahr von weiteren Verletzungen oder Infektionen.

Eine unsachgemäße Nachsorge kann zu Wundheilungsstörungen führen, die oft in Narben resultieren. Werden Schmerzmittel eingesetzt, können Neben- und Wechselwirkungen nicht ausgeschlossen werden. Gelegentlich kommt es zu allergischen Reaktionen auf die verwendeten Materialien und Medikamente.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn eine Verätzung auftritt, sollte sofort ein Arzt konsultiert werden. Eine Verätzung stellt eine Verletzung des Gewebes dar und muss umgehend behandelt werden. Bei Kontakt mit Säuren und ätzenden Stoffen sollte der Rettungsdienst alarmiert werden. Begleitend dazu sollte der Giftnotruf eingeschaltet werden. Bis zum Eintreffen des Notarztes muss die Verätzung gekühlt werden.

Außerdem ist es angezeigt, den Bereich zu verlassen, um weitere Verätzungen zu vermeiden. Je nach Schweregrad der Verätzung sind unterschiedliche Maßnahmen möglich. Bei einer leichten Verätzung, wie sie bereits beim Kontakt mit einem aggressiven Reiniger auftreten kann, genügen ein bis zwei Kontrolluntersuchungen durch den Arzt.

Insofern keine Komplikationen auftreten, sind keine weiteren Arztbesuche vonnöten. Besonders bei Verätzungen im Augen-, Mund-, Rachen- und Schlundbereich muss umgehend ärztliche Hilfe geholt werden. Bei großflächigen Verätzungen wird das Gewebe zerstört, wodurch es zu Perforationen und anderen Komplikationen kommen kann. Der Betroffene sollte sich in die Schocklage begeben.

Sämtliche Verätzungen müssen gründlich mit steriler Flüssigkeit gespült werden. Alternativ kann fließendes kaltes Wasser verwendet werden. Weil hier die Gefahr von Unterkühlung und anderen Beschwerden besteht, sollte diese Aufgabe von einem Notarzt übernommen werden. Auch Salben oder Cremes dürfen nur in Rücksprache mit dem Arzt aufgetragen werden.

Behandlung & Therapie

Je nach Lösungsmittel kann man die entstandenen Wunden mit viel Wasser ausspülen, da das jedoch nicht immer die gewünschte Wirkung zeigt, sollte dies wirklich nur im Notfall ohne fachärztliche Anweisung passieren. Bereits der telefonisch alarmierte Notdienst kann hier übrigens hilfreiche Anweisungen geben. Ein Facharzt wird die Wunde eingehend untersuchen, sich über den Typ der Säure oder Lauge informieren und dann entsprechend weiter vorgehen.

Manche Substanzen müssen erst einmal neutralisiert werden, bevor die Wunde gereinigt und verarztet werden kann. Hier greift man, wieder je nach Schwere der Verätzung, meistens auf keimfreie Verbände und eventuell auch auf heilungsfördernde Salben und Tinkturen zurück.


Vorbeugung

Verätzungen kann man durch einen bedachten Umgang mit riskanten Lösungsmitteln entgegenwirken und indem man stets geeignete Schutzkleidung trägt. Zudem sollte man sich gerade bei starken Säuren und Laugen über deren Wirkung und Reaktion bei Hautkontakt informieren und ebenfalls in Erfahrung bringen, wie man im Falle einer Verätzung am besten vorgehen sollte. So lässt sich zwar die Gefahr einer Verätzung nicht unbedingt minimieren, aber man weiß im Notfall schneller und gezielter richtig zu handeln, was die Schwere der Verletzung eindämmen könnte.

Nachsorge

Bei einer Verätzung spielen vor allem Sofortmaßnahmen eine bedeutende Rolle. Da die Folgen in kurzer Zeit lebensbedrohlich ausfallen können, liegt der Schwerpunkt auf einer akuten Behandlung. Sie reicht in der Regel aus, um eine Genesung sicherzustellen. Damit eine Verätzung nicht erneut entsteht, müssen Patienten eigene Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.

Diese fallen allerdings nicht in den medizinischen Verantwortungsbereich. Gegebenenfalls kann ein Arzt in Hinblick auf die individuelle Risikosituation über Schutzvorkehrungen informieren. Verbleiben Folgen einer Verätzung, richtet sich die Nachkontrolle nach dem Beschwerdebild. Ist die Speiseröhre betroffen, kann ein bösartiges Geschwulst entstehen.

In seltenen Fällen muss sogar die Speiseröhre ersetzt werden. Gelangen Substanzen in das Auge, ist ein Sehkraftverlust möglich. Der Rhythmus der Nachsorge richtet sich nach den Symptomen. Neben einer ausführlichen Erörterung der Anzeichen, führt der Arzt im Rahmen der Kontrolle meist auch eine Blutuntersuchung durch. Je nachdem, wo die Verätzung erfolgt ist, werden bildgebende Verfahren oder eine Hornhautuntersuchung veranlasst.

Diese Maßnahmen sollen ein rechtzeitiges Einschreiten ermöglichen, sollte sich eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes beziehungsweise Komplikationen abzeichnen. Insofern eine Verätzung zu nicht behebbaren Komplikationen führt, kann auch eine palliative Nachsorge angezeigt sein. Die Schmerzlinderung über Medikamente spielt dann die bedeutende Rolle.

Das können Sie selbst tun

Um bei Verätzungen schlecht heilende Wunden und vor allem Narbenbildung zu verhindern, sollten Betroffene umgehend Maßnahmen ergreifen.

Als wichtigste Maßnahme gilt zuerst, dass sämtliche Kleidung, die mit ätzender Substanz in Kontakt kam, entfernt werden sollte. Als nächstes sollte die Verätzung für mindestens 15 Minuten mit sauberem lauwarmem Wasser gespült werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass dadurch die Säure nicht zusätzlich an gesunde Hautpartien gelangt. Anschließend muss die verätzte Stelle keimfrei verbunden werden. Betroffene sollten auf Salben, Puder oder Ähnliches unbedingt verzichten, denn diese führen zu einer Verschlechterung des Zustands.

Gerät eine ätzende Substanz in die Augen, droht ein Verlust des Augenlichts. Deshalb sollte das betroffene Auge sehr gründlich mit sauberem Wasser ausgespült werden. Der Patient sollte dafür am besten auf dem Rücken liegen mit dem Kopf zur Seite geneigt und dem betroffenen Auge geöffnet. Dann sollte aus circa 10 Zentimeter Höhe sauberes Wasser in den inneren Augenwinkel gegossen werden, sodass das Wasser nach außen abfließt. Dabei sollte unbedingt darauf geachtet werden, die Substanz nicht auch noch auf andere Gesichtsregionen zu verteilen. Anschließend sollte das betroffene Auge steril verbunden werden.

Wurde eine ätzende Chemikalie verschluckt, wird Betroffenen empfohlen in kleinen Schlucken Wasser zu trinken. Keinesfalls aber sollten die Betroffenen Erbrechen.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Müller, S.: Notfallmedizin. Thieme, Stuttgart 2011
  • Ziegenfuß, T.: Notfallmedizin. Springer, Heidelberg 2011

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