Geroderma osteodysplastica

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Geroderma osteodysplastica gehört zu den seltenen genetisch bedingten Erkrankungen. Sie ist durch ein vorzeitiges Altern der Haut und Entkalkung der Knochen gekennzeichnet. Die Lebenserwartung ist aber nicht eingeschränkt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Geroderma osteodysplastica?

Die Geroderma osteodysplastica zeichnet sich dadurch aus, dass bereits Neugeborene eine schlaffe, alt aussehende Haut besitzen. Das wird verursacht durch einen fehlerhaften Aufbau des Bindegewebes.
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Die Geroderma osteodysplastica ist eine Erkrankung des Bindegewebes und der Knochen. Sie ist erblich bedingt und tritt mit einer sehr seltenen Prävalenz auf. So ist nur circa eine von einer Million Personen betroffen. Das Bindegewebe altert vorzeitig. Zumindest erscheint es durch sein faltiges und runzliges Aussehen als gealtert, da es eine Fehlbildung aufweist. Zudem kommt es bereits im Kindesalter zu einer hochgradigen Osteoporose mit häufigen Knochenbrüchen.

Bereits im Namen der Erkrankung sind die Leitsymptome der Erkrankung angedeutet. So bedeutet „Geroderma“ alte Haut und „osteodysplastica“ Knochenmissbildung. Als Synonyme für diese Erkrankungen werden noch der Ausdruck Bamatter-Franceschetti-Klein-Sierro-Syndrom verwendet. Diese Bezeichnung weist auf die Erstentdecker dieser Erkrankung hin.

Zusammen mit dem Augenarzt Adolphe Franceschetti aus Genf, dem Arzt A. Sierro und dem Humangenetiker David Klein wurde dieses Syndrom bereits im Jahre 1950 von dem Schweizer Kinderarzt Frédéric Bamatter beschrieben. Von Wissenschaftlern des Max-Planck-Institutes für Molekulare Genetik in Berlin wurden unter Leitung von Stefan Mundlos 13 Familien untersucht, bei denen diese Erkrankung auftrat. Mitglieder dieser Familien waren besonders unter der Glaubensgemeinschaft der Mennoniten häufig vertreten.

Ursachen

Als Ursache für die Geroderma osteodysplastica kommt ein genetischer Defekt infrage. Dabei ist in vielen Fällen das GORAB-Gen von Chromosom 1 von einer Mutation betroffen. Seltsamerweise findet sich diese Mutation jedoch nicht bei jedem Betroffenen. Der Erbgang ist autosomal rezessiv. Kürzlich wurden auch Patienten entdeckt, die eine Mutation auf dem PYCR1-Gen von Chromosom 17 aufweisen.

Bei dieser Form der Erkrankung tritt besonders stark eine klinische Überschneidung der Symptome mit dem Cutis-Laxa-Syndrom und dem Wrinkly-skin-Syndrom auf. Daher muss davon ausgegangen werden, dass Geroderma osteodysplastica keine einheitliche Erkrankung ist, sondern ein Sammelsyndrom mehrerer klinisch gleichartiger Erkrankungen darstellt. Es wurden circa 13 Familien untersucht, bei denen in der Verwandtschaft mehrere Fälle der Erkrankung auftraten. Somit tritt diese Erkrankung nicht spontan auf.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Geroderma osteodysplastica zeichnet sich dadurch aus, dass bereits Neugeborene eine schlaffe, alt aussehende Haut besitzen. Das wird verursacht durch einen fehlerhaften Aufbau des Bindegewebes. Die Gelenke sind überstreckbar. Außerdem treten Wachstumsstörungen bei Kindern auf. Die Betroffenen leiden an Kleinwuchs. Besonders ausgeprägt ist die Osteoporose.

Sie tritt generalisiert am gesamten Körper auf und sorgt für ständige Knochenbrüche. Zusätzlich besteht eine Hüftdysplasie. Die Ursache der Osteoporose ist in den generalisierten Entkalkungsprozessen innerhalb der Knochen zu suchen. Der Kopf weist eine Brachycephalie mit vorgewölbter Stirn auf. Die Brachycephalie äußert sich durch eine Deformation des Schädels, die zu einer sogenannten Kurzköpfigkeit führt. Auch die Augen sind betroffen.

Gelegentlich tritt eine Mikrocornea (zu kleine Hornhaut) auf. Die Hornhaut ist außerdem getrübt und ein Glaukom (Grüner Star) kann auch vorkommen. Des Weiteren werden allgemeine Entwicklungsstörungen beobachtet. Die geistige Entwicklung ist in der Regel normal. Zuweilen kann ein geringes intellektuelles Defizit auftreten.

Den größten Hinweis auf eine Geroderma osteodysplastica liefert die ausgeprägte Osteoporose mit spontan auftretenden Brüchen und eine fehlende offene Fontanelle im Neugeborenenalter. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist nicht eingeschränkt. Im Laufe des Lebens verringert sich sogar die Häufigkeit der Knochenbrüche. Auch sonst kommt es zur Besserung der Symptome.

Diagnose

Die Geroderma osteodysplastica ist differenzialdiagnostisch nicht so leicht von den Cutis-laxa-Syndromen, dem Wrinkly-Skin-Syndrom (WSS) sowie dem De-Barsy-Syndrom abzugrenzen. Das Alleinstellungsmerkmal der Geroderma osteodysplastica ist jedoch die Kombination der generalisierten Osteoporose zusammen mit der fehlenden offenen Fontanelle. Im Gegensatz zu den anderen Syndromen dieses Formenkreises sind die körperlichen Einschränkungen nicht so groß. Des Weiteren ist die geistige Entwicklung in der Regel völlig normal.

Komplikationen

In der Regel kommt es durch die Geroderma osteodysplastica nicht zu einer Verringerung der Lebenserwartung. Der Patient leidet allerdings an einer vorzeitigen Alterung der Haut, wobei allerdings auch die Knochen entkalkt werden. Durch einen falschen Aufbau im Bindegewebe ist es für den Betroffenen möglich, die Gelenke zu überstreichen und damit zu beschädigen.

Vor allem bei Kindern steigt dadurch das Unfallrisiko. Nicht selten sind die Patienten auch an Kleinwuchs erkrankt. Der Schädel ist deformiert und in der Regel relativ kurz. Durch die Fehlbildungen können Kinder an Mobbing und an Hänseleien leiden und dadurch psychische Beschwerden und Depressionen ausbilden.

Es kommt weiterhin auch zu Störungen der Entwicklung, wobei auch eine intellektuelle Störung auftritt. In einigen Fällen ist der Betroffene dann auf die Hilfe anderer Menschen oder Pfleger im Alltag angewiesen. Durch die Beschwerden an den Knochen können auch spontane Brüche erfolgen, die mit sehr starken Schmerzen verbunden sind.

Die Behandlung der Geroderma osteodysplastica ist nur symptomatisch möglich. Beschwerden an den Augen können dabei relativ gut behoben werden, sodass es nicht zu weiteren Komplikationen kommt. Der Patient ist in vielen Fällen auch auf psychologische Therapien angewiesen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei Wachstumsstörungen, Veränderungen des Knochenbaus oder einem Minderwuchs ist ein Arztbesuch erforderlich. Zeigt das Kind im direkten Vergleich mit Gleichaltrigen Entwicklungsstörungen, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei einer Lernschwäche, Verständnisproblemen, einer Minderung der Intelligenz, Konzentrations- oder Aufmerksamkeitsdefiziten ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren.

Treten vermehrt Knochenbrüche aller Art auf, sollte das Gespräch mit einem Mediziner gesucht werden. Können die Gelenke überstreckt werden oder stellen sich Schmerzen bei der Fortbewegung ein, ist ein Arztbesuch erforderlich. Deformationen des Schädels gelten als besorgniserregend. Bei einer vorgewölbten Stirn, einer Kurzköpfigkeit oder optischen Veränderungen im Bereich der Augen ist zur Abklärung ein Arzt aufzusuchen. Können Unregelmäßigkeiten des Bindegewebes bereits in frühen Lebensjahren entdeckt werden, sollte die Beobachtung mit einem Arzt besprochen werden.

Zeigt das Kind Verhaltensauffälligkeiten, ist es besonders unruhig oder aggressiv, ist ein Arztbesuch notwendig. Bei einem sozialen Rückzug, weinerlichen oder melancholischen Verhaltenszügen sowie einer depressiven Verstimmung wird ein Arzt benötigt. Zeigt das Kind Kontaktschwierigkeiten, hat es aufgrund der Beschwerden vermehrt Ängste und verweigert es eine Teilhabe an sportlichen Aktivitäten, wird ein Arztbesuch zur Minderung der Beschwerden benötigt. Treten Schlafstörungen auf oder kommt es zu Verdauungsproblemen oder Kopfschmerzen, können psychosomatische Beschwerden vorliegen, die untersucht werden müssen.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung der Geroderma osteodysplastica erfolgt symptomatisch. Eine ursächliche Therapie ist nicht möglich, weil es sich um einen genetischen Defekt handelt. Allerdings sind die Einschränkungen nicht so groß wie bei vielen ähnlichen Erkrankungen des Cutis-laxa-Syndroms. Lediglich die generalisierte Osteoporose bedarf einer ständigen Überwachung und Therapie. Hier hat sich die Gabe von Biphosphaten sehr bewährt.

Selbstverständlich müssen die häufig auftretenden Knochenbrüche jederzeit behandelt werden. Im Laufe des Lebens nehmen die Knochenbrüche jedoch allmählich ab. Der Knochenstoffwechsel normalisiert sich. Auch die Augenbeschwerden bedürfen einer ständigen Kontrolle. Hier kann es zur Trübung der Hornhaut und sogar zur Ausbildung eines Glaukoms kommen.

Selbstverständlich muss der Augenarzt die weitere Entwicklung überwachen. Allerdings sind die Augensymptome nicht obligatorisch. Der Betroffene besitzt zwar progeroide Merkmale. Jedoch schreitet der Alterungsprozess nicht wie im Falle der klassischen Progerie so schnell voran. Die runzlige und faltige Haut ist auch kein Ausdruck einer echten Alterung, sondern wird durch die Fehlbildung des Bindegewebes hervorgerufen.

Aussicht & Prognose

Die Geroderma osteodysplastica ist eine Erkrankung, die als nicht heilbar gilt. Daher ist die Prognose wenig optimistisch. Der genetische Defekt kann nicht verändert oder korrigiert werden. Rechtliche Vorgaben verhinderten nach dem derzeitigen Stand einen Eingriff in die Genetik des Menschen. Die Behandlung der Patienten richtet sich aus diesem Grund nach den individuellen Symptomen, wobei nicht alle eine Linderung erfahren können.

Die vorhandenen Beschwerden können zudem zu weiteren Folgeerkrankungen führen und emotionale Probleme auslösen. Aufgrund der optischen Alterung sowie der Einschränkungen der Erkrankung erleiden viele Patienten psychische Störungen. Diese sind therapierbar jedoch meist durch einen langen Heilungsweg gekennzeichnet.

Entwicklungsstörungen sowie eine verminderte Intelligenz sind bei der Geroderma osteodysplastica möglich. Obgleich Förderprogramme erstellt und genutzt werden, stellen diese zumeist lediglich eine Unterstützung bei der Alltagsbewältigung dar. Eine Heilung ist nicht gegeben.

Ziel ist es, das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern und eine gute Lebensführung mit der Erkrankung zu ermöglichen. Dennoch ist in vielen Fällen eine tägliche Betreuung durch Pfleger oder Angehörige notwendig, da keine selbständige Lebensführung absolviert werden kann. Trotz der zahlreichen Beeinträchtigungen der Erkrankung und der Nichtheilbarkeit ist die allgemeine Lebenserwartung bei den Betroffenen nicht herabgesetzt. Ebenfalls besteht eine gute Aussicht auf die Verbesserung des Sehvermögens, sobald dieses eingeschränkt war.


Vorbeugung

Zur Vorbeugung vor einer Geroderma osteodysplastica sollte eine humangenetische Beratung in Anspruch genommen werden. Die Geroderma osteodysplastica ist erblich bedingt mit einem autosomalen rezessiven Erbgang. Allerdings kommt das mutierte Gen sehr selten bei einer Prävalenz von eins zu einer Million vor.

Die Wahrscheinlichkeit der Vererbung dieser Erkrankung ist nur innerhalb von Verwandtenehen in den betroffenen Familien erhöht. Bei einem rezessiven Erbgang beträgt für Ehen, bei denen beide Partner Genträger sind, die Wahrscheinlichkeit für die Nachkommen 50 Prozent, mit dieser Krankheit geboren zu werden.

Nachsorge

Bei Geroderma osteodysplastica sind in den meisten Fällen keine besonderen Möglichkeiten zur Nachsorge möglich. Diese sind allerdings auch nicht notwendig, da die Erkrankung nicht vollständig behandelt werden kann. Sollte beim Patienten ein Kinderwunsch vorliegen, kann auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, damit die Krankheit nicht an die potenziellen Nachkommen vererbt wird.

Eine kausale Behandlung ist dabei aufgrund der genetisch bedingten Krankheit nicht möglich, sodass Betroffene auf eine lebenslange rein symptomatische Therapie angewiesen sind. In den meisten Fällen sind die Patienten auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen. Dabei ist auf eine richtige und regelmäßige Einnahme zu achten, um weitere Kompilationen zu verhindert.

Dabei sollten auch die Augen regelmäßig kontrolliert werden, um eine Trübung zu vermeiden. Im schlimmsten Fall kann durch die Geroderma osteodysplastica eine vollständige Blindheit des Betroffenen eintreten. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Krankheit allerdings nicht eingeschränkt oder verringert.

Weiterhin kann der Kontakt zu anderen Patienten der Geroderma osteodysplastica sinnvoll sein. Dabei kommt es nicht selten zu einem Austausch von wertvollen Informationen, welche den Alltag erleichtern können. Auch die Unterstützung der eigenen Familie kann dabei die Beschwerden deutlich lindern.

Das können Sie selbst tun

Obwohl Patienten mit Geroderma osteodysplastica optisch auffällig sind, ist ein soziales Rückzugsverhalten aus Scham kontraproduktiv. Um die Lebensqualität so hoch wie möglich zu halten, pflegen die Erkrankten Sozialkontakte und gehen normalen Aktivitäten im öffentlichen Raum nach.

Besonders hilfreich sind Kontakte zu anderen Menschen mit Geroderma osteodysplastica oder ähnlichen Erkrankungen, um sich gemeinsam über die Erfahrungen auszutauschen und sich einen gegenseitigen sozialen Halt zu geben. Jedoch ist es sinnvoll, nicht ausschließlich mit anderen Erkrankten Zeit zu verbringen, sondern auch mit Menschen ohne derartige Krankheiten.

Bezüglich der Anfälligkeit für Knochenbrüche legen die Patienten im Alltag besonderen Wert auf Unfallvorbeugung und unterlassen riskante Aktivitäten und Bewegungen. Kommt es dennoch zu Knochenbrüchen, gilt es, sich ausreichend Ruhe zu gönnen und damit die Genesung zu fördern.

Wichtig sind zudem krankengymnastische Übungen zur Stärkung von Sehnen und Muskeln, um womöglich bestimmten Unfällen vorzubeugen und die allgemeine Mobilität zu verbessern. Üblicherweise befinden sich die Patienten mit Geroderma osteodysplastica in physiotherapeutischer Behandlung und sind daher mit individuell sinnvollen Trainingsmöglichkeiten vertraut. Die kräftigenden Effekte dieser Übungen erhöhen sich noch, wenn der Patient sie zusätzlich eigenverantwortlich zu Hause ausführt. Regelmäßige Absprachen mit dem Arzt und Physiotherapeuten sind dabei unterlässlich.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Krutmann, J., et al.: Hautalterung, Springer, Heidelberg 2008
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011

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