Gähnen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Gähnen ist ein reflexartiges Verhalten bei Mensch und Tier und steht meistens in der Verbindung mit Müdigkeit, mit dem Bedürfnis, schlafen zu gehen oder wach zu werden. Der Mensch gähnt allerdings auch in anderen Situationen, so ist der Vorgang auch ein Symbol für die Langeweile, gar für Faulheit geworden. Sogar mit kulturellen Bedingungen steht das Gähnen im Zusammenhang, so gilt es in westlichen Kulturen als unschicklich, wenn beim Gähnen nicht die Hand vor den Mund gehalten wird. Forscher konnten zudem nachweisen, dass bereits der Fötus im Bauch der Mutter gähnt und sich dabei streckt, was die Annahme nach sich zieht, dass kaum Langweile der Grund zum Gähnen ist, sondern vielmehr die Atemwege auf diese Weise erweitert werden. Was das Gähnen biologisch tatsächlich bewirkt, ist jedoch bis heute nicht wirklich geklärt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Gähnen?

Das Gähnen ist ein reflexartiges Verhalten bei Mensch und Tier und steht meistens in der Verbindung mit Müdigkeit, mit dem Bedürfnis, schlafen zu gehen oder wach zu werden.

Unter den griechisch mythologischen Figuren gab es Nyx, die Göttin der Nacht, die gähnend dem Chaos entstieg und vor der sich sogar Zeus fürchtete. Dabei entstand der Glaube, dass die Seele beim Gähnen den Körper verlassen würde, um zu den Göttern des Olymps aufzusteigen. Ähnliche Vorstellungen finden sich in den Schriften der Mayas oder in keltischen Sagen.

Im Mittelalter glaubte man sogar an Dämonen, die durch den aufgerissenen Rachen eindringen würden, um die Seele zu stehlen. Das führte dazu, dass der Mensch sich den Mund beim Gähnen zuhielt, woraus schließlich eine Umgangsform geworden ist.

Obwohl das Gähnen wie das Lachen reflexartig aufkommt, kann von einem Reflex nicht die Rede sein, da ein Reiz im Grunde fehlt. Der Mensch gähnt in den unterschiedlichsten Situationen. Weshalb genau das Aufreißen des Mundes stattfindet, als müsste dabei tief ein- und ausgeatmet werden, ist auch für Wissenschaftler noch immer ein Rätsel, wenn auch etliche Theorien bestehen. Die Wissenschaft vom Gähnen nennt sich Chasmologie, denn das Gähnen scheint tatsächlich eine äußerst komplexe Sache zu sein.

Funktion & Aufgabe

Dass das Gähnen darum aufkommt, weil das menschliche Gehirn nicht mit genügend Sauerstoff versorgt wird, ist eine der Theorien, die sich allerdings als falsch herausgestellt hat. Ob nun viel oder wenig Sauerstoff eingeatmet wird, der Mensch gähnt dadurch nicht weniger oder mehr. Versuche zeigten, dass die Versorgung mit Sauerstoff oder der Entzug keinen Einfluss auf den Vorgang haben.

Eine weitere These der Chasmologie ist, dass Gähnen die Aufmerksamkeit wieder verstärken soll. Befindet sich der Mensch in einem Zustand der Langeweile, in dunklen Räumen oder ist er ganz einfach müde, gähnt er, um wieder munter zu werden, so die These. In einem Experiment wurde die Gehirnaktivität verschiedener Testpersonen gemessen, die in einem dunklen Raum keinerlei Beschäftigung nachgehen durften. Gegähnt wurde viel, doch die Hirnaktivität blieb unverändert gleich. Dennoch kann behauptet werden, dass der Versuch in einer solchen Lage durchaus dazu dient, sich irgendwie von der trägen Situation zu befreien, etwas zu tun, das den Kreislauf durchbricht, sich auf diese Weise selbst aufzumuntern.

Gegähnt wird dadurch auch häufig in gleichbleibenden Tätigkeiten oder beim Warten. Der Vorgang wird dabei meistens durch ein Strecken des Körpers begleitet, wodurch dieser wieder angeregt wird. So kam auch die Theorie auf, dass Strecken und Gähnen in gleichen Verhaltenssituationen aufkommen, allerdings nicht immer gemeinsam. Der Mensch streckt sich zwar beim Gähnen, gähnt aber nicht zwangsläufig, wenn er sich streckt.

Was Gähnen tatsächlich bewirkt, ist das Lösen von Anspannung. Ein angespannter Körper wird gelöster, wenn der Mensch gähnt und sich auf diese Weise vom inneren Druck befreit. Gähnen ist also gut gegen Stress, Aufregung oder Angst. Solche Emotionen werden durch diesen Vorgang besser reguliert.

Ebenso ist Gähnen ansteckend. Gähnt ein Mensch, beginnen auch andere zu gähnen, besonders, wenn sie einander nahe sind. Dadurch kam die Theorie auf, dass Gähnen auch mit dem Einfühlungsvermögen in Verbindung steht. Mitfühlende Menschen gähnen schneller mit, als Menschen, die selbstfixiert sind oder sich wenig in andere hineinversetzen können. Ebenso ist emotionale Nähe eine Voraussetzung für das ansteckende Gähnen.

Das muss nicht nur bei Familienmitgliedern oder Freunden sein, das kann sich sogar zwischen Mensch und Tier ereignen. Vertraut ein Tier beispielsweise einem Menschen, gähnt es tatsächlich mit, was wiederum bei Katzen oder Hunden die Annahme aufkommen lässt, dass diese ebenfalls über ein gewisses Einfühlungsvermögen verfügen. Auch in Gruppen kommt das Phänomen des gemeinsamen Gähnens auf. Das könnte bedeuten, dass Gähnen dem sozialen Zusammenhalt und der Stimmungsübertragung dient.


Krankheiten & Beschwerden

Eine wichtige neuere These ist die Erklärung, dass Gähnen das Hirn kühlen würde, es also der Thermoregulation dient. Versuche an Tieren, darunter Ratten, zeigten, dass die Temperatur im Gehirn anstieg und durch den Vorgang des Gähnens wieder sank. Beim Menschen wiederum konnte festgestellt werden, dass die Außentemperatur einen großen Einfluss auf das Gähnen hat. War diese höher als die Körpertemperatur, gähnte der Mensch mehr. Ebenso unterscheidet sich die Häufigkeit des Gähnens in Sommer- oder Winterzeiten.

Ähnliches konnte bei körpereigenen Vorgängen festgestellt werden, so steigt die Gähnfrequenz an, wenn der Körper viel Serotonin, Dopamin oder Glutaminsäure ausstößt, und sinkt bei einer erhöhten Endorphinausschüttung.

Selbst in der Psychotherapie wird Gähnen mittlerweile zur Deutung des Patienten in die Behandlung miteinbezogen, so dass die Auffassung vertreten wird, dass Gähnen, wie auch Lachen und Weinen, ein Zeichen für den Weg der Besserung ist und einer Verarbeitung schmerzlicher Gefühle dient. Auch konnte festgestellt werden, dass schizophrene Patienten seltener gähnen, was auf ihre gestörte Selbstwahrnehmung zurückzuführen ist, und Autisten wiederum nicht mitgähnen, wenn andere gähnen, was die Theorie stützt, dass das Gähnen im Zusammenhang mit menschlicher Empathie steht.

Quellen

  • Grillparzer, M.: Körperwissen. Gräfe und Unzer, München 2007
  • Klinke, R. & Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physiologie. Thieme, Stuttgart 2005
  • Poeck, K., Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010

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