Amboss

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Im Mittelohr des menschlichen Ohres befinden sich drei Gehörknöchelchen, die gelenkig miteinander verbunden sind und die mechanischen Schwingungen des Trommelfells auf die Gehörschnecke im Innenohr übertragen.

Das mittlere Gehörknöchelchen wird als Amboss bezeichnet. Er nimmt die Schwingungen des Hammers auf und gibt sie unter mechanischer Verstärkung an den Steigbügel ab. Die drei Gehörknöchelchen sind zwar die kleinsten Knochen des Menschen, gleichzeitig aber sind sie auch sehr hart und fest, um Schwingungen möglichst verlustfrei übertragen zu können.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Amboss?

Die Hauptaufgabe und Funktion des Amboss (engl. Incus) besteht darin, im Verbund mit den übrigen Gehörknöchelchen die durch Luftschall verursachten Schwingungen des Trommelfells unter mechanischer Verstärkung an die Gehörschnecke (Cochlea) im Innenohr zu übertragen.
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Der Amboss (Incus) ist mit seinem Gewicht von etwa 27 Milligramm das Schwergewicht unter den insgesamt drei Gehörknöchelchen im Mittelohr. Als mittleres Glied der drei Knöchelchen, die die Schallschwingungen des Trommelfells auf das Innenohr übertragen, ist er mit dem Hammer über das Gelenk Articulatio incudomallearis und mit dem Steigbügel über das winzige Gelenk Articulatio incudostapedia verbunden. Die Übertragung der Schwingungen auf den Steigbügel erfolgt unter Ausnutzung der Hebelwirkung.

Weil der Hebelarm vom Drehpunkt bis zum Steigbügel kürzer ist als der Hebelarm vom Hammergelenk zum Drehpunkt wird die Auslenkung des Amboss an der Verbindungsstelle zum Steigbügel zwar kürzer, aber um den Faktor 1,3 stärker. Eine weitere mechanische Verstärkung um den Faktor 17 erfolgt dann durch die Übertragung der Schwingungen auf das ovale Fenster, das mit einer Fläche von 3,2 qmm nur ein Siebzehntel der Fläche des Trommelfells (55 qmm) erreicht.

Die mechanische Verstärkung mit dem Gesamtfaktor 22 (1,3 x 17) ist notwendig, weil die Schallimpulse von der kompressiblen, gasförmigen, Luft mit großen Amplituden und geringen Schalldrücken auf das inkompressible, flüssige, Medium Perilymphe im Innenohr mit niedrigen Amplituden, aber hohen Schalldrücken übertragen werden muss. Der Amboss setzt sich wie die beiden übrigen Gehörknöchelchen aus härtestem und höchst elastischen Knochenmaterial zusammen, so dass bei der Schwingungsübertragung nur wenig Verluste durch Verformung auftreten.

Anatomie & Aufbau

Der Amboss lässt sich anatomisch in den Körper (Corpus) und zwei Schenkel einteilen, den langen (Crus longum) und den kurzen Schenkel (Crus breve). Die Hauptmasse – und damit auch der Schwerpunkt – ist im Bereich des Körpers konzentriert. Dort befindet sich auch der Drehpunkt, so dass bei der Schwingungsübertragung und Verstärkung sehr wenig Masse beschleunigt werden muss. Der lange Schenkel endet im Linsenbeinfortsatz (Processus lenticularis), der mit dem Steigbügel gelenkig verbunden ist.

Der Amboss ist – wie auch die anderen beiden Gehörknöchelchen – von einer Schleimhaut überzogen. Die beiden winzigen Muskeln im Mittelohr, der Trommelfellspanner (Musculus tensor tympani) und der Steigbügelmuskel (Musculus stapedius) haben nur indirekte Auswirkungen auf den Amboss. Die beiden Muskeln nehmen eine Schutzfunktion des Innenohres gegenüber sehr lauten Geräuschen, wie z. B. einem Knall, wahr.

Während der Musculus stapedius den Wirkungsgrad der Schallübertragung durch Anspannung abschwächen kann, setzt eine gute Schwingungsübertragung der Luftschwingung auf das Trommelfell eine Anspannung des Trommelfellspanners voraus – vergleichbar mit dem Anspannen des Fells großer Trommeln und Pauken in einem Sinfonieorchester. Der Amboss selbst spielt dabei als Zwischenglied mehr oder weniger eine passive Rolle.

Funktion & Aufgaben

Die Hauptaufgabe und Funktion des Amboss besteht darin, im Verbund mit den übrigen Gehörknöchelchen die durch Luftschall verursachten Schwingungen des Trommelfells unter mechanischer Verstärkung an die Gehörschnecke (Cochlea) im Innenohr zu übertragen. Das gilt für den hörbaren Frequenzbereich, der – abhängig vom Schalldruck – bei etwa 40 Hz bis unter 20.000 Hz angesiedelt ist. Dabei darf die Frequenz nicht verändert werden und der unterschiedliche Schalldruck (Lautstärke) muss dabei ebenfalls analog berücksichtigt werden.

Über eine Hebelwirkung verstärkt der Amboss die vom Hammer übertragenen Schwingungen um den Faktor 1,3. Weil der Amboss als mittleres Glied innerhalb der Gehörknöchelchen keine direkte Verbindung zu den beiden kleinen Muskeln des Mittelohrs, dem Trommelfellspanner und dem Steigbügelmuskel hat, geschieht die Schwingungsübertragung weitestgehend passiv. Über die bestmögliche Weiterleitung der Schallschwingungen kommt den Gehörknöchelchen auch eine gewisse Schutzfunktion für die Sinneszellen in der Cochlea zu.

Bei sehr lauten Geräuschen, die oberhalb der Schmerzschwelle liegen oder bei einem plötzlich auftretenden Knall, sorgen die beiden Muskeln im Innenohr für eine reflexartige Verschlechterung der Schallübertragung (Stapediusreflex), so dass kurzfristig eine Art Schallleitungschwerhörigkeit zum Schutz der Sinneszellen im Innenohr hergestellt wird. Der Amboss fungiert auch hier als passives Glied einer mechanischen „Zwangskette“.

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Krankheiten

Mittelohrentzündungen bilden die häufigsten Probleme im Zusammenhang mit der Schallleitung der drei Gehörknöchelchen. Die auftretenden entzündlichen Prozesse können die Funktion der mechanischen Schwingungsübertragung im Wirkungsgrad herabsetzen, so dass sich eine vorübergehende Schallleitungschwerhörigkeit einstellt. Die Hörprobleme bilden sich in der Regel wieder zurück, sobald die Mittelohrentzündung ausgeheilt ist und es noch nicht zu irreversiblen Schäden im Mittelohr oder am Trommelfell gekommen ist.

In vielen Fällen stellt sich im Verlauf der Mittelohrentzündung ein Paukenerguss ein, eine Ansammlung von seröser, schleimiger, blutiger oder eitriger Flüssigkeit in der Paukenhöhle unmittelbar unterhalb der Gehörknöchelchen, die die Schwingungsübertragung zusätzlich einschränken kann. Unbehandelt kann eine Mittelohrentzündung zu einer chronischen Schwerhörigkeit führen, wenn die entzündlichen Prozesse zu einer dauerhaften Versteifung der Gehörknöchelchen, zu einer Sklerotisierung, führen. Eine derartige Sklerotisierung, auch als Verkalkung der Gehörknöchelchen bezeichnet, ist häufig die Ursache für Hörprobleme bei älteren Personen.

Falls neuronale Probleme mit dem Nervus trigeminus, dem 5. Hirnnerven auftreten, dessen Seitenäste nicht nur die meisten Gesichtsmuskeln innervieren, sondern auch die beiden winzigen Muskeln im Mittelohr, unterbleibt interessanterweise der Stapediusreflex bei sehr lauten Geräuschen. Sehr laute Geräusche werden dadurch bei deutlich niedrigeren Schalldrücken bereits als schmerzhaft empfunden und es entfällt Schutzmechanismus für die Sinneszellen in der Cochlea.

Typische & häufige Ohrenerkrankungen

Quellen

  • Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Aumüller, G., et al.: Duale reihe Anatomie. Thieme, Stuttgart 2017
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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