Kaufzwang

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein Kaufzwang, auch Kaufwahn oder Kaufrausch genannt, ist der innere Zwang, ständig einzukaufen. Betroffene leiden unter Kontrollverlust, Entzugserscheinungen und Schulden. Der Kaufzwang soll psychosoziale Ursachen haben und kann nur durch eine Psychotherapie behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Kaufzwang?

Zu den Symptomen eines Kaufzwangs zählt der Kontrollverlust über das eigene Kaufverhalten. Denn der Betroffene kauft wahllos Gegenstände.
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Als Kaufzwang wird eine psychische Störung von Konsumenten genannt. Betroffene leiden unter einem ständigen, wiederkehrenden Drang Produkte zu kaufen. Der Zwang führt zu Mehrfachkäufen, da der Betroffene keine Kontrolle über sein Verhalten hat. Die gekauften Gegenstände werden in der Regel nicht benötigt.

Der Akt des eigentlichen Kaufens ist der Mittelpunkt des Zwangs. Er löst die innere Anspannung und sorgt für Befriedigung. Dieser Zustand unterscheidet einen Kaufzwang von einem temporär auftretenden Kaufrausch klinisch gesunder Konsumenten. Die Sinnlosigkeit des Kaufens ist den Betroffenen bewusst. Dennoch kann dem Drang des Kaufens nicht wiederstanden werden. Wird der Drang unterdrückt, kommt es zu Entzugserscheinungen.

Ursachen

Die Ursachen für einen Kaufzwang sind vielfältig. Der Zwang kann eine Ventilfunktion für andere Probleme sein. Zum Beispiel, wenn der Betroffene sich über familiäre oder berufliche Probleme mit dem Kaufen von Gegenständen tröstet. Dieses Trösten stellt eine Befriedigungssituation dar, durch die sich der Konsument gut fühlt. Das Verhalten kann ein Betroffener in seinen Alltag übertragen.

Folglich wird mit jeder Kaufsituation eine kurzweilige Befriedigung entstehen, die zum Zwang werden kann. Eine weitere Ursache können Depressionen und Angststörungen sein. Um Zuneigung zu bekommen, kaufen Betroffene maßlos ein. Die gekauften Gegenstände werden anschließend verschenkt. Betroffene erhoffen sich eine Linderung ihrer depressiven Verstimmungen.

Auch seelische Traumata können ein Auslöser des Kaufzwangs sein. Eine Vernachlässigung oder Überversorgung durch die Eltern kann den Zwang hervorrufen. Zudem kann ein sexueller Missbrauch im Kindesalter eine Ursache für die Zwangsstörung sein. In Deutschland sind 9 Prozent der Bevölkerung kaufsüchtig. Von den Betroffenen sind 60 Prozent Frauen. Der Zwang ist unabhängig von der sozialen Schicht.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Zu den Symptomen eines Kaufzwangs zählt der Kontrollverlust über das eigene Kaufverhalten. Denn der Betroffene kauft wahllos Gegenstände. Hinzu kommt der Zwang zur Wiederholung der Einkaufstouren. Während anfänglich eine Einkaufstour den Zwang befriedigte, reicht die Anzahl bald nicht mehr aus. Daher zählt auch die Steigerung der Einkaufsdosis zu den Beschwerden eines Kaufzwangs.

Dazu kommen Entzugserscheinungen wie Zittern, Depressionen, innere Unruhe und Schweißausbrüche. Auch Schuldgefühle zählen zu den Symptomen. Neben körperlichen Beschwerden treten bei einem Kaufzwang auch weitere Probleme auf. Betroffene geben durch das zwanghafte Kaufen hohe Geldbeträge aus.

Es kann zu Schulden und Insolvenz kommen. Sogar die Beziehung kann unter den inneren, krankhaften Zwang leiden. Schließlich sind auch Probleme am Arbeitsplatz ein Symptom des Kaufzwangs.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Ein Kaufzwang hat einen typischen Krankheitsverlauf. Er ähnelt Impulshandlungen, zählt aus psychiatrischer Sicht aber nicht zu diesen. Der Kaufzwang entsteht in der Psyche der Betroffenen. Es kommt zu einem inneren Drang, der mit der Zeit größer wird. Wer unter einem Kaufzwang leidet wird unruhig und nervös. Der innere Druck führt zu einer Angespanntheit der Konsumenten.

Wird dem Druck nicht mehr stand gehalten, wird wahllos und maßlos eingekauft. Es werden Gegenstände gekauft, die nicht benötigt werden. Daher werden viele gekaufte Dinge gar nicht ausgepackt und gehortet. Es besteht die Gefahr, ein Messie-Syndrom zu entwickeln. Für den Kaufzwang ist die Befriedigung des Drangs wichtig. Durch den Akt des Kaufens löst sich die innere Anspannung und weicht einem Glücksgefühl.

Betroffene sind übermäßig euphorisch. Allerdings hält dieser Zustand nicht lange an. Das ist typisch für den Kaufzwang. Auf eine kurze Befriedigung des inneren Drucks folgt ein schneller, erneuter Anstieg der Anspannung. Der Kaufzwang tritt oftmals in Schüben auf. In einer Phase ist der Drang des Betroffenen klein und aushaltbar.

Während dieser Zeit kann der Betroffene normal leben. Tritt ein Kaufschub ein, hat der Zwang die Kontrolle über den Betroffenen. Im fortgeschrittenen Stadium ist der Zwang kaum steuerbar.

Komplikationen

Die schwerwiegendsten Komplikationen, die einen Menschen mit Kaufzwang betreffen können, sind sozialer und finanzieller Natur. So führt der impulsgesteuerte Einkauf von Dingen, die je nach Schwere und Dauer der Kaufsucht auch immer teurer werden, nicht selten zu einer Verarmung der Betroffenen. Das Sozialleben und andere Felder des persönlichen Lebens werden im Extremfall den finanziellen Abhängigkeiten angepasst und Betroffene finden und entwickeln in einigen Fällen Möglichkeiten, um an weitere Gelder zu kommen.

Überschuldungen durch Kredite - auch im privaten Bereich - werden akzeptiert und einigen Fällen gehen Betroffene auch zum Stehlen von Gütern über. Da es sich hierbei um die finanziellen Spätfolgen handelt, können diese auch noch nach Beginn einer Behandlung der Kaufsucht rechtliche Konsequenzen haben. Selbst dann, wenn es dem Betroffenen gelingt, sein impulsives Kaufverhalten einzudämmen, steht er Schulden und in vielen Fällen einer sozialen Isolierung gegenüber.

Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei der Kaufsucht nicht um eine streng klassifizierte Krankheit handelt, was es für Betroffene schwierig macht, Hilfsangebote aufzusuchen. Die Spirale aus Depressionen und dem kurzzeitigem Glücksgefühl durch das Kaufen verstärkt sich im Laufe der Jahre immer weiter. Zudem kann es bei der Oniomanie, wie bei allen Suchterkrankungen, trotz Behandlung zu einem Rückfall kommen. Eine völlige Abstinenz vom Konsum ist für die meisten Menschen nicht realisierbar.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen, die unter Zwangshandlungen leiden, sollten prinzipiell therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Bei Zwangsgedanken, die vom Betroffenen nicht mehr selbst gesteuert werden können, besteht Anlass zur Besorgnis. Halten die Beschwerden an oder nehmen sie zu, wird ein Arzt benötigt. Kommt es im Alltag aufgrund des Kaufzwangs zu erheblichen Beeinträchtigungen, ist die Konsultation eines Arztes zu empfehlen. Können die üblichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden, stellt sich eine Vernachlässigung der familiären oder beruflichen Aufgaben ein oder empfindet der Betroffene einen Leidensdruck, ist ein Arztbesuch erforderlich.

Bei einem Kaufzwang kommt es in vielen Fällen zu einer starken finanziellen Verschuldung, dies sollte für jeden Betroffenen oder nahen Angehörigen ein Warnhinweis sein. Ein nahezu täglicher Konsum von Gegenständen, die zu keinerlei Nutzung führen, sollte mit einer Vertrauensperson sowie einem Arzt oder Therapeuten besprochen werden. Führt ein unterlassener Kauf zu Entzugserscheinungen, ist dies alarmierend. Erleidet der Betroffene in diesen Fällen ein erhöhtes Stresserleben, Schweißausbrüche, eine innere Unruhe oder fällt er in ein aggressives Verhalten, benötigt er Hilfe. Erlebt er bei einem anschließenden Kauf von Gegenständen kurzfristig eine Erleichterung, um anschließend erneut in ein hektisches Treiben und die Suche nach neuen Konsumgütern zu verfallen, sollte ein Arzt konsultiert werden.

Behandlung & Therapie

Den Kaufzwang eigenständig und ohne Hilfe von außen zu bewältigen ist sehr schwer. Als erstes muss sich der Betroffene seinen Zwang eingestehen. Der Kaufzwang kann nur bewältigt werden, wenn die Ursachen bekannt werden. Eine psychotherapeutische Unterstützung ist sinnvoll. Gemeinsam mit einem Psychotherapeuten muss geklärt werden, was der Betroffene mit seinem Kauf kompensieren will.

Es gibt noch keine gezielte Therapie gegen einen Kaufzwang, doch eine psychotherapeutische Gesamtbehandlung für seelische Störungen lindert die Symptome. Anstelle des Kaufens muss der Betroffene ein neues, harmloses Ventil für seinen Drang finden. Betroffene können auch eine Selbsthilfegruppe besuchen. Dort können sich die Betroffenen untereinander austauschen und voneinander lernen. Die medikamentöse Behandlung der Kaufsucht ist in Deutschland nicht üblich.


Aussicht & Prognose

Menschen, die unter einem Kaufzwang leiden, haben in den meisten Fällen eine ungünstige Prognose, wenn sie keine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen. Ohne eine ausreichende Unterstützung, ist mit einer Zunahme der Beschwerden zu rechnen. In den meisten Fällen kommt es zu kriminellen Entwicklungen und letztlich zu einer Straffälligkeit. Auch wenn durch die Veränderung der Lebensumstände gezielt ein Zugang zum Internet, zu Geldquellen oder anderen versorgenden Elementen genommen wird, verschafft sich der Betroffene oftmals ungeahnte Möglichkeiten, um seinen Kaufrausch dennoch zu befriedigen.

Nur wenige Betroffene schaffen es, mit einer starken inneren Disziplin und einer stabilen Umwelt, sich aus eigener Kraft aus einem Kaufzwang zu befreien. Dies ist abhängig von der vorhandenen Persönlichkeit des Betroffenen sowie der Bindungsfähigkeit zu einem nahestehenden Menschen.

Die Mehrzahl aller Erkrankten erleben eine stabile und ausreichende Verbesserung der Zwangsstörung, sobald sie mit einem Therapeuten gezielt an der Problematik arbeiten. Es wird in der Behandlung ein Grundstein gelegt, der es dem Betroffenen ermöglicht, sein eigenes Verhalten zu verstehen und Verhaltensänderungen vorzunehmen. Die Veränderungen kommen schrittweise und in einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Erkrankten und dem Therapeuten. Ohne die Mitarbeit des Patienten schwinden die Erfolgsaussichten. Sofern die Einsicht und der Wunsch nach Veränderung vorhanden sind, bestehen gute Heilungsaussichten.

Vorbeugung

Um einen Kaufzwang vorzubeugen, ist eine emotionale Ausgeglichenheit wichtig. Zur Prävention gehören auch, alle Kreditkarten zurückzugeben. Betroffene sollten immer nur mit Bargeld bezahlen. Damit wird deutlich, wie viel Geld ausgegeben wurde und wann das Portemonnaie leer ist. Ist ein Kaufzwang bekannt, sollten Schlussverläufe und Sonderverkäufe vermieden werden.

Die unausgepackten und unnötigen Produkte, die bereits gekauft wurden, sollten sichtbar in der Wohnung verteilt werden. Diese Gegenstände können mittels einer Liste katalogisiert und in der Tasche mitgeführt werden. Tritt eine Phase des Kaufzwangs auf, kann die vollgepackte Wohnung und die lange Liste eine abschreckende Wirkung haben.

Nachsorge

Patienten, bei denen ein Kaufzwang diagnostiziert und erfolgreich therapiert wurde, müssen sich stetig Maßnahmen zur Nachsorge unterziehen. Da der Kaufzwang zu den psychischen Erkrankungen zählt, ist keine abschließende Heilung sichergestellt. Stattdessen besteht andauernd die Gefahr, dass die scheinbar geheilte Person erneut in alte, krankhafte Verhaltensmuster zurückfällt.

Dies geschieht insbesondere durch äußere Stressfaktoren, etwa schwierige Lebenslagen oder Schicksalsschläge. Es liegt daher in der eigenen Verantwortung der Betroffenen, ihr Verhalten selbstkritisch zu beobachten und zu hinterfragen. Sobald sich Tendenzen für einen Rückfall in den Kaufzwang zeigen, sollten die Personen sofort einlenken.

Sie können sich beispielsweise an ihren Psychotherapeuten wenden und erneut Sitzungen in Anspruch nehmen, die der Nachsorge dienen. Dabei werden die aktuellen Stressfaktoren und die Lebenssituation analysiert und einem Rückfall vorgebeugt. Einige Betroffene profitieren auch vom Besuch von Selbsthilfegruppen zur Nachsorge. Durch den Kontakt zu anderen ehemaligen Erkrankten können die Personen ihr Verhalten selbstkritischer und distanzierter betrachten und rückfällige Handlungen besser kontrollieren.

Um Menschen nach einem therapierten Kaufzwang dauerhaft stabil zu halten, ist auch eine Verhaltenstherapie sinnvoll, die auch nach Beendigung des krankhaften Verhaltens noch für einige Zeit weitergeführt wird. Derartige Nachsorge-Maßnahmen stabilisieren den psychischen Zustand der Patienten und verringern das Risiko von Rückfällen in das alte, zwanghafte Verhalten.

Das können Sie selbst tun

Der Kaufzwang als Impulskontrollstörung wird vom Betroffenen selbst bei Einsicht des Problems ergänzend allein therapiert. Hier werden Maßnahmen angewandt, die im Rahmen einer Gesprächstherapie (Gruppentherapie, Selbsthilfegruppe oder therapeutisches Einzelgespräch) erarbeitet werden.

Ein Grundpfeiler der Selbsthilfe ist es zudem, auf die Bezahlung mit Geldkarten zu verzichten. Die bloße Verwendung von Bargeld zeigt bereits Wirkung, da sie den Umgang mit Geld bewusster macht, so finanzielle Grenzen schneller aufzeigt und noch ein wenig mehr Anreiz dazu bietet, die Kaufentscheidung zu überdenken.

Da dem Kaufzwang meist auch eine psychische Belastung anhaftet, ist es für Betroffene sinnvoll, wenn sie sich eine Tätigkeit oder ein soziales Umfeld suchen, in dem sie Anerkennung und Erfolge gewinnen. Dies können Hobbys, Sport und viele andere Dinge sein. Entsprechend der Annahme, dass Kaufzwang auch dazu dient, negative Emotionen zu verdrängen, können positive Erlebnisse dem Entstehen eben jener Gedanken vorbeugen.

Ein entsprechender Therapieansatz hat sich als effektiv erwiesen: Ersatzhandlungen zu finden, reduziert die Notwendigkeit des impulsiven Kaufens. Entsprechend ist das Ausweichen auf eine regelmäßige und befriedigende Beschäftigung von Betroffenen zu forcieren und doppelt effektiv. Zusätzlich sollten Betroffene sich eine Übersicht über die sinnlos gekauften Objekte verschaffen und diese mahnend in der Wohnung platzieren. Eine mitgeführte Liste kann ebenfalls vor dem abermaligen Kauf einer solchen Sache schützen.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M.H.(Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen – ICD 10, Kapitel V (F), klinisch-diagnostische Leitlinien. Huber, Bern 2011
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015

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