Heterotaxie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine Heterotaxie ist durch eine seitenverkehrte Anordnung von Körperorganen im Bauchraum gekennzeichnet. Die Symptome dieser Störung sind je nach Lage der Organe recht unterschiedlich und reichen von Symptomlosigkeit bis zu schweren lebensbedrohlichen Herzfehlern.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Heterotaxie?

Eine Heterotaxie ist durch die Verlagerung von Körperorganen von links nach rechts oder umgekehrt gekennzeichnet. Dabei kann es zu einem völligen Austausch der gesamten Organe auf die jeweilig andere Körperseite kommen.
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Die Heterotaxie ist keine eigenständige Erkrankung, sondern stellt einen Symptomenkomplex bestimmter zugrunde liegender genetisch bedingter Störungen dar. Das Wort Heterotaxie wurde aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet übersetzt „verschiedene Anordnung“. Dieser Begriff bezeichnet also die abweichende Anordnung von Körperorganen.

Dabei handelt es sich um die Verlagerung aller oder bestimmter Körperorgane von der rechten zur linken Körperhälfte oder umgekehrt. Es wird dabei von einem Lateralisationsdefekt gesprochen. Eine vollständige spiegelverkehrte Verteilung der Organe wird auch als Situs inversus bezeichnet.

Dieser Zustand verursacht allerdings keine körperlichen Probleme und bleibt symptomlos. Schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen sind jedoch bei einer teilweisen Verlagerung von Organen zu erwarten. In diesen Fällen kommt es neben schweren Herzfehlern auch zu Anomalien der Gallenwege oder der Nieren. Meist finden sich auch schwerwiegende Mittelliniendefekte.

So richtet sich eine Therapie der Heterotaxie danach, welche Organdefekte vorliegen. Ein vollständiger Austausch der Organe im Rahmen eines Situs inversus bedarf keiner Behandlung, weil keine Störungen auftreten. Eine Heterotaxie ist unabhängig von ihrem Ausprägungsgrad eine sehr seltene Störung. Lediglich eine von 15.000 Personen ist von dieser Anomalie betroffen.

Ursachen

Das Gemeinsame aller Heterotaxien ist die Tatsache, dass diese Störungen ausnahmslos genetisch bedingt sind. Meist stellen sie ein Symptom oder einen Symptomenkomplex bestimmter genetisch bedingter Erkrankungen dar. Für die Ausbildung der Heterotaxie können verschiedene Gene verantwortlich sein, die eine Bedeutung für die Links-rechts-Orientierung der Körperorgane während der Embryonalentwicklung besitzen.

Zu diesen Genen zählen unter anderem ACVR2B, LEFTY A, CFC1 oder ZIC3. Es werden autosomal-rezessive, autosomal-dominante und x-chromosomale Erbgänge gefunden. Am häufigsten kommt die autosomal-rezessive Vererbung vor. Seltener ist bereits ein autosomal-dominanter Erbgang und sehr selten findet eine x-chromosomale Übertragung statt.

Bei der autosomal-rezessiven Vererbung müssen beide Elternteile Träger des defekten Gens sein. Der Nachkomme erkrankt nur, wenn er jeweils die mutierten Gene beider Elternteile erhält. Das ist in Risikofamilien zu 25 Prozent der Fall. In drei Prozent der Heterotaxien ist nur ein Gen betroffen, wobei es sich um eine autosomal-dominante Vererbung handelt.

Entweder tritt die Mutation spontan auf oder das defekte Gen wird von einem betroffenen Elternteil zu 50 Prozent auf das Kind übertragen. Innerhalb der betroffenen Familien kann trotz der gleichen genetischen Ursache der Ausprägungsgrad der Heterotaxie völlig unterschiedlich sein.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Heterotaxie ist, wie bereits erwähnt, durch die Verlagerung von Körperorganen von links nach rechts oder umgekehrt gekennzeichnet. Dabei kann es zu einem völligen Austausch der gesamten Organe auf die jeweilig andere Körperseite kommen. In diesem Fall treten keine Symptome auf, da alle Organe ihre gewohnte Umgebung beibehalten.

Wechseln jedoch nur einzelne Organe die Körperseite, treten häufig schwerwiegende gesundheitliche Probleme auf. In den meisten Fällen liegen diverse Herzfehler vor, die sich aus einer sogenannten Transposition der großen Arterien oder einem Double outlet right ventricle ergeben. Bei der Transposition der großen Arterien sind große Herzgefäße miteinander vertauscht.

Sie entsteht während der Embryogenese durch eine gestörte Drehung der Abflussbahn des Herzens. Bei einem Double outlet right ventricle entspringen Arteria pulmonalis und Aorta ausschließlich aus dem rechten Ventrikel des Herzens. Manchmal ist der Herzfehler auch mit dem Fehlen der Milz (Asplenie) verbunden.

Bei der Asplenie besitzt der gesamte Körper nur die Eigenschaften der rechten Körperhälfte. Besitzt umgekehrt der Organismus ausschließlich Eigenschaften der linken Körperhälfte, liegt immer eine Polysplenie vor. Eine Polysplenie bezeichnet das Vorhandensein vieler kleiner Milzen.

Bei Mittelliniendefekten, welche oft x-chromosonal bedingt sind, werden häufig Arhinenzephalie (Fehlen des Riechhirns), Spaltbildungen der Wirbelsäule, Gaumenspalten, Fehlbildungen des Afters und des Steißwirbels sowie Harnwegsanomalien beobachtet. Eine besondere Erkrankung ist das sogenannte Kartagener-Syndrom.

Diese genetisch bedingte Erkrankung ist durch die drei Symptomenkomplexe Situs inversus, Aussackungen der Bronchien (Bronchiektasen) und eine chronische Sinusitis gekennzeichnet. Einzig das Auftreten des Situs inversus (vollständiges Vertauschen der Organe) gibt einen Hinweis auf die genetische Ursache der Atemwegsprobleme. Wenn dieses Symptom fehlt, handelt es sich um die Erkrankung PCD, deren Diagnose sich bedeutend schwieriger gestaltet.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose einer Heterotaxie erfolgt durch bildgebende Verfahren. Im besonderen Fall der x-chromosomalen Vererbung kann auch der Gendefekt im ZIC3-Gen festgestellt werden. Auch pränatale Untersuchungen auf Heterotaxie im Falle einer familiären Häufung sind möglich.

Komplikationen

Durch die Heterotaxie kommt es zu einer falschen Anordnung der Organe im Körper des Patienten. Dabei hängen die Beschwerden und Komplikationen allerdings von der genauen Anordnung der inneren Organe ab, sodass keine allgemeine Voraussage in diesem Fall möglich ist. Allerdings kommt es in der Regel zu schwerwiegenden Komplikationen, die für den Betroffenen lebensgefährlich sein können.

In der Regel leiden die Betroffenen an einem Herzfehler, der im schlimmsten Falle zum Tode führen kann. Weiterhin kann es zu Beschwerden und zu Schmerzen an der Milz kommen. Nicht selten leiden die Patienten an der sogenannten Gaumenspalte und an Beschwerden der Atemwege. Dabei kann es zu einer Schnappatmung kommen, die in vielen Fällen zu einer Panikattacke führt. Die Lebensqualität des Betroffenen in durch die Heterotaxie extrem eingeschränkt.

Weiterhin ist die Behandlung auch nicht notwendig, wenn der Austausch der Organe komplett vorliegt. Dabei kommt es nicht zu einer verringerten Lebenserwartung oder zu weiteren Beschwerden. Sollte es zu Fehlbildungen an den Organen kommen, so müssen eventuell operative Eingriffe durchgeführt werden, um diese zu lösen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einer Heterotaxie muss nicht unbedingt ein Arztbesuch erfolgen. Besteht Symptomfreiheit und erlebt der Patient keinerlei Beeinträchtigungen im Alltag, wird kein Arzt benötigt. In einigen Fällen muss die Heterotaxie lebenslang zu keiner Behandlung führen. Leidet der Betroffene jedoch unter Herzproblemen, besteht Anlass zur Besorgnis. Kommt es zu Herzrasen, einem erhöhten Blutdruck oder einem Druckgefühl in der Brust, ist ein Arztbesuch anzuraten.

Bei Schlafstörungen, Schweißausbrüchen, innerer Unruhe oder Störungen der Durchblutung sollten weiterführende Untersuchungen eingeleitet werden. Setzen Schmerzen ein, kommt es zu Schwindel, einem allgemeinen Krankheitsgefühl oder Unwohlsein, ist ein Arzt zu konsultieren. Bei einer Zunahme oder Ausbreitung der Beschwerden sollte grundsätzlich ein Arztbesuch erfolgen. Sinkt das allgemeine Leistungsniveau, kommt es zu Störungen der Konzentration oder Aufmerksamkeitsdefiziten, wird ein Arzt benötigt. Probleme der Atmung, die Entstehung einer Angststörung oder Panikattacken bedürfen einer ärztlichen Untersuchung und Therapie.

Ohne deren Inanspruchnahme kommt es zu einer weiteren Verschlechterung der Gesundheit und einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Bei Beschwerden der Milz oder wiederholten Verdauungsproblemen ist ein Arzt aufzusuchen. Die Heterotaxie kann zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen. Daher ist ein Arztbesuch unverzüglich einzuleiten, sobald der Betroffene unter Funktionsstörungen leidet oder eine plötzliche Veränderung seiner gesundheitlichen Verfassung wahrnimmt.

Behandlung & Therapie

Die Heterotaxie kann nicht ursächlich behandelt werden, weil es sich um eine genetisch bedingte Störung handelt. Oft ist eine Therapie auch nicht nötig, besonders bei einem Situs inversus, denn bei dem völligen Austausch der Organe treten keine Symptome auf.

Lediglich die Organe sind seitenverkehrt angeordnet. Sind die Organe von schwerwiegenden Fehlbildungen betroffen, müssen diese selbstverständlich einer spezifischen Therapie unterzogen werden. Der eigentliche Lateralisationsdefekt, also die Verlagerung der Organe, muss jedoch nicht behandelt werden.


Aussicht & Prognose

Die Prognose der Heterotaxie ist sehr unterschiedlich und wird nach individuellen Vorgaben des Patienten erstellt. Grundsätzlich kann die im Entwicklungsprozess angelegte Ordnung der Organe im Körper nicht im Nachhinein vollständig verändert werden. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Entsprechend werden der weitere Verlauf und die Aussicht auf eine Linderung der Beschwerden beurteilt.

Es gibt eine Vielzahl von Patienten, die lebenslang trotz der Heterotaxie frei von Beeinträchtigungen sind und keinerlei Einschränkungen der Lebensqualität im Alltag verspüren. Die Betroffenen erhalten eine günstige Prognose, wenngleich regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig sind, um den allgemeinen Gesundheitszustand und mögliche Veränderungen frühzeitig zu dokumentieren.

Bei Menschen, die nur einige anatomische Verlagerungen der Organe oder Gefäße aufweisen, verschlechtert sich meist die gute Prognose. Die Transposition von großen Blut- sowie Herzgefäßen kann für den Patienten lebensbedrohlich sein und in schweren Fällen zu einer Verkürzung der allgemeinen Lebenserwartung führen. Treten Spaltbildungen auf, besteht in den meisten Fällen die Notwendigkeit von chirurgischen Eingriffen und Korrekturen. Eine allgemeingültige Prognosestellung ist nicht möglich, da es zu Komplikationen und Folgeerscheinungen kommen kann.

Liegen Beschwerden der Atemwege vor, drohen neben den körperlichen Einschränkungen auch psychische Erkrankungen. Angstzustände, Depression sowie Verhaltensauffälligkeiten können zu einer weiteren Verschlechterung der Prognose führen. Einigen Patienten sind lebenslang auf Hilfe angewiesen.

Vorbeugung

Eine Vorbeugung vor einer Heterotaxie ist aufgrund ihrer genetischen Ursache nicht möglich. Allerdings werden beim Auftreten einer Heterotaxie in der Familie immer auch pränatale Untersuchungen auf eine Lateralisationsstörung mittels Sonografie durchgeführt. Auch humangenetische Beratungen können bei familiären Fällen in Anspruch genommen werden, um das Risiko für die Nachkommen einzuschätzen.

Nachsorge

Bei einer Heterotaxie stehen dem Betroffenen in der Regel nur sehr wenige oder sogar gar keine Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Betroffene sind bei dieser Erkrankung in erster Linie auf eine schnelle und vor allem auf eine frühzeitige Diagnose angewiesen, damit es zu keinen weiteren Komplikationen und auch nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden kommt. Daher steht bei der Heterotaxie im Vordergrund die frühzeitige Erkennung mit einer anschließenden Behandlung.

Im schlimmsten Fall kann es durch diese Krankheit jedoch zum Tod kommen, falls die inneren Organe von der Krankheit betroffen sind. Eine Selbstheilung kann dabei auch nicht eintreten. Da es sich um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann auch keine vollständige Heilung erfolgen. Sollte beim Betroffenen ein Kinderwunsch vorhanden sein, kann eine genetische Beratung sinnvoll sein, damit kann eine weitere Vererbung der Heterotaxie verhindert werden.

In einigen Fällen können die Fehlbildungen an den Organen korrigiert werden. Nach einem solchen operativen Eingriff sollte sich der Betroffene jedoch immer ausruhen und seinen Körper schonen. Dabei ist von Anstrengungen oder von stressigen Aktivitäten abzusehen. Die Lebenserwartung des Betroffenen ist durch die Heterotaxie erheblich verringert.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei der Heterotaxie um eine genetisch bedingte Störung behandelt, erfolgt in der Regel eine rein symptomatische Behandlung. In manchen Fällen ist überhaupt keine Therapie nötig, da keine schwerwiegenden Symptome auftreten.

Personen, die an einer Heterotaxie leiden, sollten sich regelmäßig ärztlich untersuchen lassen, damit etwaige gesundheitliche Probleme rasch erkannt und gegebenenfalls behandelt werden können. Sollten sich Komplikationen einstellen, ist ein Arztbesuch erforderlich. Die wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme besteht darin, auf die Signale des Körpers zu achten und etwaige Auffälligkeiten zu dokumentieren. Ist ein operativer Eingriff vonnöten, müssen die Vorgaben des zuständigen Arztes eingehalten werden. Der Betroffene muss sich vor und nach dem Eingriff schonen und sollte eine geeignete Diät ohne Genussmittel durchführen.

Je nachdem, welches Organ operativ verlagert werden muss, können weitere Maßnahmen ergriffen werden. So ist bei einem Eingriff an der Leber darauf zu achten, dass der rechte Oberbauch geschont wird. Die Operationswunde muss gut versorgt werden, damit es nicht zu Narben und Wundheilstörungen kommt. Eine umfassende Nachsorge ist bei einem Eingriff an den inneren Organen in jedem Fall angezeigt.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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