Gollop-Wolfgang-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Gollop-Wolfgang-Syndrom handelt es sich um einen Komplex aus Fehlbildungen, der durch Symptome wie die Tibia-Aplasie oder die charakteristische Spalthand gekennzeichnet ist. Das Syndrom hat vermutlich eine erbliche Basis. Als Therapie kommen orthopädische, rekonstruktive und prothetische Schritte infrage.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Gollop-Wolfgang-Syndrom?

Die Behandlung der Patienten erfolgt rein symptomatisch. Das wichtigste Ziel dieser symptomatischen Therapie stellt die Herstellung einer Selbstständigkeit dar.
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Das Gollop-Wolfgang-Syndrom zählt zu den angeborenen Fehlbildungen der Extremitäten. Der Komplex aus Symptomen wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts erstmals vom Arzt Thomaz Rafael Gollop beschrieben. Einige Jahre später setzte der US-amerikanische Orthopäde Gary L. Wolfgang diese Beschreibung fort und ergänzte sie. Zu Ehren der beiden Erstbeschreiber erhielt der Symptomkomplex seinen Namen.

Bei der Erkrankung handelt es sich um eine Skelettdysplasie, die sich sowohl an den oberen, als auch unteren Extremitäten manifestiert. Eine kongenitale Abwesenheit der Tibia zeichnet das Syndrom charakteristischerweise aus. Diese Erscheinung ist äußerst rar. Von dem Symptom ist krankheitsübergreifend weniger als ein Mensch unter einer Million betroffen. Auch die Prävalenz des Gollop-Wolfgang-Syndroms ist dementsprechend gering.

Insgesamt sind die Manifestationen des Syndroms äußerst vielseitig und können sich als breite Palette verschiedener Symptome bemerkbar machen. Meist beinhaltet das Syndrom eine Spaltbildung der Hand oder des Fußes, die auch als Ektrodaktylie bezeichnet wird. Die einseitige Spalthand ist häufig mit einer einseitigen Gabelung am Oberschenkelknochen vergesellschaftet.

Ursachen

Bislang sind Ursache und Ätiologie des Gollop-Wolfgang-Syndroms nicht abschließend geklärt. Das hängt vor allem mit der geringen Prävalenz zusammen, die der Forschung kaum Ansatzpunkte gewährt. Trotzdem ist sich die Medizin über einige Zusammenhänge des Syndroms bereits mehr oder weniger einig. So sollen die Fehlbildungen eher selten sporadisch auftreten. Eine familiäre Häufung und somit genetische Basis ist denkbar.

Ob ein autosomal-dominanter oder autosomal-rezessiver Erbgang vorliegt, konnte bisher nicht zweifellos eruiert werden. Auch die Frage nach einem Zusammenhang mit einer bestimmten Gen-Mutation und vor allem die Frage nach dem ursächlichen Gen konnten bisher nicht beantwortet werden. Ebenso wenig sind ursächliche Faktoren bekannt, die die Fehlbildung neben den genetischen Faktoren begünstigen könnten.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten des Gallop-Wolfgang-Syndroms zeigen bereits unmittelbar nach der Geburt die volle Manifestation des Symptomkomplexes. In den meisten Fällen handelt es sich bei den klinischen Merkmalen um multiple Fehlbildungen des Skeletts, die sowohl die unteren, als auch oberen Gliedmaßen betreffen. Neben der Spaltbildung an einer Hand oder einem Fuß liegt beispielsweise oft eine einseitige Gabelung des Oberschenkelknochens vor.

Zusätzlich zur Ektrodyktylie kann eine Femur-Bifurkation im Sinne einer Hohlorgangabelung erkennbar sein. Außerdem liegen oft unterentwickelte oder völlig fehlende Anlagen der Tibia vor. Im Rahmen einer Oligodaktylie fehlen den Betroffenen in der Regel außerdem ein Finger oder eine Zehe. Diese Nichtanlage kann auch mehrere Hand- oder Fußglieder betreffen.

In einigen Fällen reicht dieses Phänomen bei Patienten des Gollop-Wolfgang-Syndroms bis hin zur Monodaktylie im Sinne einer Eingliedrigkeit der Hand- oder Fußglieder. Die Gabelung des Femur ist meist einseitig ausgeprägt. Vermutlich sind noch deutlich mehr Fehlbildungen im Rahmen des Syndroms denkbar, die bisher aufgrund der wenigen Fälle lediglich nicht dokumentiert werden konnten.

Diagnose

Die Diagnose auf das Gollop-Wolfgang-Syndrom stellt der Arzt spätestens nach der Geburt mittels Blickdiagnostik. Um die Diagnose zu sichern, kann eine Bildgebung der Extremitäten erfolgen, die einen Nachweis der multiplen Fehlanlagen erbringt. Auch eine pränatale Diagnosestellung auf das Syndrom ist denkbar.

So kann die moderne Sonographie im Rahmen eines Fehlbildungsultraschalls oder Feinultraschalls bereits vorgeburtlich Fehlbildungen wie Skelettdysplasien nachweisen. Die Prognose für Patienten des Gollop-Wolfgang-Syndroms ist vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Prothetik relativ günstig. Differentialdiagnostisch ist an das hypoplastische Tibia-Polydaktylie-Syndrom und das Tibia-Aplasie-Ektrodaktylie-Syndrom zu denken.

Komplikationen

Durch das Gollop-Wolfgang-Syndrom kommt es zu unterschiedlichen Fehlbildungen, die verschiedene Regionen des Körpers betreffen können. In den meisten Fällen handelt es sich allerdings um Fehlbildungen am Skelett. An den Händen und den Füßen kommt es dabei nicht selten zu einer Spaltbildung.

Außerdem fehlen dem Patienten oft Zehen oder Finger an den Gliedmaßen, was in vielen Fällen zu einer Einschränkung im Alltag führt. Die Lebensqualität wird durch das Gollop-Wolfgang-Syndrom erheblich verringert. Da die Symptome schon direkt nach der Geburt zu erkennen sind, ist schon eine frühe Diagnose und damit eine frühzeitige Behandlung möglich.

Die fehlenden Zehen und Finger können allerdings nicht rekonstruiert werden, sodass der Betroffene an diesen Beschwerden sein gesamtes Leben leiden wird. Die Behandlung erfolgt aus diesem Grund nur symptomatisch. Sollten die Gliedmaßen dabei sehr starke Fehlbildungen aufzeigen, so können diese auch amputiert werden. Nicht selten ist der Patient dann auf die Hilfe von anderen Menschen im Alltag angewiesen.

Oft wird auch eine psychologische Betreuung benötigt, um Depressionen und Selbstmordgedanken zu vermeiden. Die Intelligenz wird durch das Gollop-Wolfgang-Syndrom in der Regel nicht beeinflusst. Auch die Lebenserwartung sinkt nicht durch das Syndrom.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einer stationären Geburt übernehmen Krankenschwestern und Ärzte unmittelbar nach der Niederkunft automatisch verschiedene Untersuchungen, in denen der Gesundheitszustand des Kindes kontrolliert wird. Dabei wird von den Ärzten die Fehlbildung des Skelettsystems bemerkt und weitere Untersuchungen werden eingeleitet, um die Diagnose stellen zu können.

Bei einer Hausgeburt nimmt die anwesende Hebamme die Veränderungen und Auffälligkeiten des Knochenbaus beim Kind wahr. Sie übernimmt ebenfalls automatisch die nächsten Schritte und hält Rücksprache mit einem Arzt. Gemeinsam wird geklärt, welche näheren Untersuchungen notwendig sind.

Wird die Fehlbildung bereits im Mutterleib diagnostiziert, bereitet der Arzt automatisch eine stationäre Geburt vor. Eine individuelle Geburtsplanung zum Wohl von Mutter und Kind findet in diesen Fällen bereits weit vor dem Geburtstermin statt.

Kommt es zu Komplikationen und eine plötzliche Niederkunft ohne Beisein von Hebammen oder Ärzten tritt ein, muss unmittelbar nach der Geburt ein Arzt gerufen werden. Sobald die Fehlbildung bemerkt wird sollte ein Krankenwagen gerufen werden, damit ein möglichst schneller und reibungsloser Transport in ein Krankenhaus erfolgen kann.

Behandlung & Therapie

Eine kausale Therapie existiert für Patienten des Gollop-Wolfgang-Syndroms nicht. Der Grund dafür ist schon alleine die Tatsache, dass die spezifischen Ursachen des Syndroms nicht abschließend geklärt sind. Sogar wenn die Ursachen aufgeklärt wären, würde als kausale Therapie vermutlich nur eine Gentherapie infrage kommen, die bislang noch nicht zugelassen ist.

Die Behandlung der Patienten erfolgt daher rein symptomatisch. Das wichtigste Ziel dieser symptomatischen Therapie stellt die Herstellung einer Selbstständigkeit dar. Die Betroffenen sollen nach den Behandlungsmaßnahmen zu einem möglichst selbstständigen Leben im Stande sein. Alltägliche Aktivitäten sollten so wenig wie möglich durch die noch vorhandenen Symptome behindert werden. Im Zusammenhang mit dieser Zielsetzung ist es vor allem entscheidend, die Mobilität der Patienten zu verbessern.

Wenn die Betroffenen wegen der Fehlbildungen beispielsweise weder laufen, noch greifen können, kann im Extremfall eine Amputation der fehlgebildeten Gliedmaßen in Erwägung gezogen werden. Auf eine solche Amputation folgt eine prothetische Versorgung, die durch entsprechendes Training umso erfolgreicher sein wird. Idealerweise findet die Einpassung in Prothesen inklusive der rehabilitativen Trainingsmaßnahmen in einem speziell auf Prothetik spezialisierte Reha-Zentrum statt.

Gemeinsam mit einem Physiotherapeuten lernen die Betroffenen, mit den Prothesen umzugehen und sie im Alltag richtig anzuwenden. Die Amputation und die daran anschließenden Maßnahmen können Monate bis Jahre in Anspruch nehmen. Ein möglichst früher Start der Therapie ist aus vielerlei Hinsicht empfehlenswert. Zum einen lernen jüngere Menschen den Umgang mit Prothesen weitaus schneller als ältere Menschen.

Zum anderen kann eine Frühversorgung mit Prothesen die psychische Situation von Betroffenen verbessern. In einigen Fällen sind prothetische Therapieschritte keine zwingenden Schritte. Auch orthopädische und rekonstruktive Maßnahmen zeigen bei milden Formen oft ausreichend Erfolge.

Aussicht & Prognose

Da es sich beim Gollop-Wolfgang-Syndrom um eine genetische Erkrankung handelt, kann dabei keine vollständig und keine kausale Therapie erfolgen. Der Betroffene ist auf eine rein symptomatische Behandlung angewiesen, die die Beschwerden teilweise einschränken kann. In der Regel können die Fehlbildungen an den Extremitäten korrigiert werden, um dem Patienten einen gewöhnlichen Alltag zu ermöglichen.

In schweren Fällen müssen diese jedoch amputiert werden, falls eine Korrektur nicht möglich ist. Auch Prothesen werden dabei nicht selten eingesetzt, um den Alltag zu erleichtern. Die Bewegungen können mit Hilfe von physiktherapeutischen Übungen teilweise wiederhergestellt werden, allerdings ist der Betroffene in seinem Leben häufig auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen.

In der Regel ist die Lebenserwartung des Patienten durch das Gollop-Wolfgang-Syndrom nicht negativ beeinflusst. Je früher die Erkrankung dabei diagnostiziert und behandelt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines positiven Krankheitsverlaufes.

In einigen Fällen kann das Gollop-Wolfgang-Syndrom auch zu psychischen Beschwerden oder zu Depressionen führen. Vor allem bei Kindern kann es dabei zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen, sodass Kinder oft eine psychologische Behandlung benötigen. Da es sich beim Gollop-Wolfgang-Syndrom um eine genetische Erkrankung handelt, wird diese eventuell auch vererbt.


Vorbeugung

Bisher lässt sich dem Gollop-Wolfgang-Syndrom nicht vorbeugen, da die Ursachen nicht abschließend geklärt sind.

Nachsorge

Beim Gollop-Wolfgang-Syndrom sind die Möglichkeiten der Nachsorge sehr stark eingeschränkt. In erster Linie sind Betroffene auf eine Behandlung der Fehlbildungen angewiesen, um weitere Komplikationen zu verhindern. Eine vollständige Heilung dieses Syndroms ist dabei nicht möglich, sodass die Betroffenen meist auf eine lebenslange Therapie angewiesen sind.

Eventuell ist dadurch auch die Lebenserwartung der Betroffenen erheblich verringert. In vielen Fällen ist beim Gollop-Wolfgang-Syndrom auch der Kontakt zu anderen Patienten des Syndroms sinnvoll. Dabei kommt es häufig zu einem Austausch an Informationen, der das Leben und im Allgemeinen den Alltag deutlich erleichtern kann.

Sollten Betroffene ein Kinderwunsch hegen, kann eine genetische Beratung sinnvoll sein. Dadurch kann eventuell auch das Vererben des Syndroms an die Nachfahren verhindert werden. Die meisten Fehlbildungen werden dabei durch operative Eingriffe gelindert. Nach diesen Eingriffen sollten sich Betroffene ausruhen und ihren Körper schonen.

Von anstrengenden Tätigkeiten sollte immer abgesehen werden. Häufig ist auch eine Physiotherapie erforderlich. Viele Übungen aus dieser Therapie können dabei auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden, um die Heilung zu beschleunigen. Auch die Unterstützung der Familie und von Freunden kann sich positiv auf den weiteren Verlauf des Gollop-Wolfgang-Syndroms auswirken.

Das können Sie selbst tun

Da es sich beim Gollop-Wolfgang-Syndrom um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt, kann diese nicht durch Mittel der Selbsthilfe behandelt werden. Es ist lediglich möglich, die Therapie dadurch zu unterstützen und die Beweglichkeit des Betroffenen zu fördern. Eine vollständige Heilung wird dadurch allerdings nicht erreicht.

Die Patienten sind durch das Gollop-Wolfgang-Syndrom im Allgemeinen auf eine dauerhafte Hilfe in ihrem Alltag angewiesen. Diese sollte dabei herzlich durch die eigene Familie oder durch Freunde erfolgen. Sollte es zu einer Amputation der Gliedmaßen gekommen sein, so wird die Beweglichkeit des Betroffenen durch verschiedene Therapien wieder gefördert.

Die Übungen aus der Physiotherapie oder der Krankengymnastik können dabei häufig auch im eigenen Zuhause durchgeführt werden, um die Behandlung zu beschleunigen. In der Regel wirkt sich dabei auch ein früher Start der Therapie sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus.

Bei Kindern oder bei jungen Menschen sollte immer eine vollständige Aufklärung über die Risiken und Komplikationen beim Gollop-Wolfgang-Syndrom erfolgen, um psychische Beschwerden oder Depressionen zu vermeiden. Hilfreich ist auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Syndroms, da es dadurch zum Austausch von Informationen kommen kann, die den Alltag erleichtern können.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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