Langzeit-Potenzierung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Langzeit-Potenzierung ist die Basis für neuronale Plastizität und damit die Umformungen der neuronalen Strukturen oder Verschaltungen im Nervensystem. Ohne den Prozess wären weder die Bildung eines Gedächtnisses, noch Lernerfahrungen möglich. Störungen der Lanzeit-Potenzierung liegen zum Beispiel bei Krankheiten wie Alzheimer vor.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Langzeit-Potenzierung?

Die Langzeit-Potenzierung ist die Basis für neuronale Plastizität und damit die Umformungen der neuronalen Strukturen oder Verschaltungen im Nervensystem.

Neurone arbeiten mit bioelektrischen und biochemischen Aktionspotenzialen. Die Aktionspotenziale sind die Sprache des zentralen Nervensystems und dienen der Übertragung von Erregung. Diese Übertragung ist auch als synaptische Übertragung bekannt. Auf die vermehrte Generierung von Aktionspotenzialen reagieren Nervenzellen mit einer sogenannten Langzeit-Potenzierung.

Die neuronale Plastizität ist eine der wichtigsten Folgen von Langzeit-Potenzierung. Mit dem Begriff der neuronalen Plastizität wird ein Umbau innerhalb der neuronalen Struktur beschrieben, der sie an ihre aktuelle Verwendung anpasst. Sowohl einzelne Nervenzellen, als auch Hirnareale können neuronal umgebaut werden. Mittels der Umbauprozesse werden die Funktionen des zentralen und peripheren Nervensystems erhalten, erweitert und an die aktuelle Nutzungssituation angepasst. Als Grundlage des neuronalen Umbaus hilft die Langzeit-Potenzierung enorm dabei, dem Nervensystem eine möglichst effektive und reibungslose Funktionsweise zu sichern.

Die Langzeit-Potenzierung ist außerdem mit der Gedächtnisbildung assoziiert. Darüber hinaus ist der Umbau der neuronalen Strukturen auch für Lernprozesse ein unausweichlicher Prozess.

Funktion & Aufgabe

Aus Sicht des Gehirns ist eine erlernte Fähigkeit je mit einem morphologischen Korrelat belegt, das einem Netzwerk aus synaptischen Verbindungen entspricht. Solche Netzwerke lassen im Assoziationskortex die Bildung von Ideen zu. Bei der Aussprache eines bestimmten Worts muss zum Beispiel bereits ein spezielles Netzwerk zur Aktivierung gelangen, das wiederum ein spezielles Muster von Aktionspotenzialen zur Folge hat.

Wann immer der Mensch neue Fähigkeiten erlernt oder alte verbessert, entstehen im Gehirn neue Verschaltungen. Nicht verwendete Verschaltungen werden analog dazu wieder aufgehoben. Dieser Umbau entspricht der synaptischen Plastizität. Lernen ist auf neuronaler Ebene also ein aktivitätsabhängiger Umbau von Mustern der neuronalen Verschaltung und von Funktionsabläufen des Gehirns.

Neben der präsynaptischen Verstärkung, der posttetanischen Potenzierung und der synaptischen Depression ist für Lernprozesse auch die Langzeit-Potenzierung relevant. Diese Potenzierung entspricht einer langandauernden Verstärkung von synaptischen Übertragungen. Dieser Prozess besteht aus verschiedenen Teilprozessen.

Die Aktivierung von AMPA-Rezeptoren ist der erste Schritt der Langzeit-Potenzierung. In den postsynaptischen Membranen liegen unzählige Rezeptoren für Glutamat. Eine Untergruppe dieser Glutamat-Rezeptoren sind die des Typ AMPA. Sobald ein Aktionspotenzial generiert wird, wird dabei Glutamat ausgeschüttet. Der körpereigene Stoff zählt mit zu den wichtigsten Neurotransmittern und bindet sich nach der Ausschüttung an AMPA-Rezeptoren, die durch die Bindung zum Öffnen gebracht werden. Nach der Öffnung der Rezeptoren strömen Natriumionen ein. Auf diese Weise entsteht ein exzitatorisch postsynaptisches Potenzial. Dieses Potenzial entsteht bei jeder Depolarisation innerhalb der postsynaptischen Membran. Erregend postsynaptische Potenziale werden aufsummiert und vom jeweils empfangenden Neuron verarbeitet. Wenn ein Schwellenwert überschritten wird, bilden die empfangenden Neuronen wieder ein Aktionspotenzial aus und leiten es über ihre Axone weiter.

Auf die Generierung eines exzitatorisch postsynaptischen Potenzials folgt bei der Langzeit-Potenzierung eine Aktivierung der NMDA-Rezeptoren. Sobald zusätzliche Aktionspotenziale auftreten, kommt es zu einer verstärkten Depolarisation der postsynaptischen Membran. Magnesiumionen verlassen den NMDA-Rezeptor und der Rezeptor kann sich öffnen. Die Öffnung der NMDA-Rezeptoren hat den Einstrom von Calciumionen zur Folge und führt zu einer Phosphorylierung der AMPA-Rezeptoren. Die Phosphorylierung erhöht wiederum die Leitfähigkeit der Rezeptoren und steigert darüber hinaus die Proteinbiosynthese in der Zelle.

Zusätzlich schütten sich bei den beschriebenen Prozessen retrograde Botenstoffe aus. Diese Botenstoffe entsprechen zum Beispiel Derivaten der Arachidonsäure oder Gasen wie Stickstoffmonoxid. Diese Botenstoffe bewirken an der präsynaptischen Membran die verstärkte Freisetzung von Neurotransmittern.


Krankheiten & Beschwerden

Neurologische Krankheiten mit Auswirkungen auf die Langzeit-Potenzierung sind ein aktueller Gegenstand der medizinischen Forschung. Eine solche Erkrankung ist zum Beispiel Alzheimer. Auch Morbus Crohn hat Auswirkungen auf die weiter oben beschriebenen Prozesse. Dass diese Erkrankungen die Langzeit-Potenzierung stören, liegt vor allem an der Degeneration der Nervenzellen. Sobald sich die neuronalen Synapsen abbauen, ist keine Langzeit-Potenzierung mehr möglich. So entstehen für die Betroffenen zum Beispiel auch die dunklen Bereiche in ihrer Erinnerung.

Das Gehirn baut sich bei degenerativen Erkrankungen des zentralen Nervensystems Stück für Stück selbst ab. Maßnahmen zur Erhaltung der neuronalen Strukturen sind mittlerweile zu einem Hauptforschungsschwerpunkt in Bezug auf Erkrankungen wie Alzheimer geworden. Bislang konnten noch keine großen Erfolge bei der Erhaltung der Synapsen verzeichnet werden. Lediglich an Tieren mit vergleichbaren Krankheiten wurden bislang bahnbrechende Erfolge verzeichnet. Die Übertragung dieser Erfolge auf den Menschen ist den Wissenschaftlern noch nicht gelungen.

Da die Langzeit-Differenzierung bei den Betroffenen nicht mehr funktioniert, kann kein synaptischer Umbau mehr stattfinden. Lernprozesse sind unmöglich und die allgemeine Funktionalität des Gehirns lässt progredient nach. Neue Nervenzellen oder Verschaltungen zwischen Neuronen können sich nicht mehr bilden. Alte Synapsen werden nicht mehr genutzt und im Rahmen von Umbauprozessen abgebaut.

Um diesen Prozessen entgegenzuwirken, fördert die Medizin mittels spezieller Übungen mittlerweile die Aufrechterhaltung der Synapsen. Je häufiger Synapsen genutzt werden, desto eher erkennt sie das Gehirn als notwendig an. Krankheiten wie Alzheimer oder Morbus Crohn können durch Übungen daher in ihrem Verlauf verzögert werden. Die Krankheiten über Übungen aufzuhalten, ist bislang jedoch unmöglich. Die meisten Betroffenen benötigen daher ab einem bestimmten Stadium der Erkrankungen 24-stündige Betreuung.

Quellen

  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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