Plötzlicher Kindstod

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der plötzliche Kindstod war lange Zeit ein für die Wissenschaft unergründliches Phänomen, an dem jährlich tausende Säuglinge starben. Doch mittlerweile können zumindest Risikofaktoren benannt und Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, um das Risiko dieses schrecklichen Ereignisses zu verringern. Dennoch ist der plötzliche Kindstod nach wie vor die häufigste Todesart von Kleinkindern vor Vollendung des ersten Lebensjahres in Deutschland, der jährlich rund 300 Babys zum Opfer fallen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein plötzlicher Kindstod?

Fatal am plötzlichen Kindstod ist, dass dieser meist ohne eindeutige Beschwerden oder Anzeichen im Vorfeld eintritt. Die meisten betroffenen Eltern finden die Kinder unerwartet tot im Bett liegend vor.
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Ein plötzlicher Kindstod liegt immer dann vor, wenn ein Säugling ohne vorherige Krankheitszeichen oder ein auffälliges Verhalten völlig überraschend und unerwartet verstirbt und auch eine Autopsie keinerlei Anhaltspunkte für die Todesursache liefern kann.

In der Regel tritt der Tod während der Nacht ein und wird, da das laut- und regungslose Baby von den Eltern als schlafend angesehen wird, erst nach einiger Zeit bemerkt. Nicht als plötzlicher Kindstod bezeichnet werden jene Todesfälle, die zwar überraschend und plötzlich eintreten aber medizinisch erklärbar und nachzuweisen sind, wie ein Herzversagen oder eine schleichende Infektion.

Ursachen

Der plötzliche Kindstod beschäftigt die Medizin seit Jahrzehnten und wirft immer noch mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Jedoch existieren mittlerweile eine Reihe von - wenn auch nicht hundertprozentig belegbarer - Thesen und Vermutungen, die Gründe für das plötzliche Versterben liefern.

Die anerkannteste unter diesen ist die der Erstickung des Kindes durch ein unvermitteltes Aussetzen des natürlichen Atemreflexes. Da dies zumeist während des Schlafes geschieht, wachen die Babys nicht auf und können daher auch keine Warnzeichen von sich geben. Die genauen Ursachen für das Aussetzen der Atmung basieren jedoch weiterhin auf nicht ausreichend belegten Theorien.

So wird z.B. das Schlafen auf dem Bauch als ein erhöhtes Risiko für eine Atemaussetzung genannt. Auch das unfreiwillige, selbst zugefügte Ersticken durch ein Kissen oder eine Decke kommt für viele Mediziner als Todesursache in Frage, da sich die meisten Fälle rund um den 100. Lebenstag ereignen und daher in einer Phase, in der sich die Kinder vermehrt willkürlich und nicht mehr nur rein aus Reflex bewegen und sich dadurch in Kissen oder Decke verfangen können.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Fatal am plötzlichen Kindstod ist, dass dieser meist ohne eindeutige Beschwerden oder Anzeichen im Vorfeld eintritt. Die meisten betroffenen Eltern finden die Kinder unerwartet tot im Bett liegend vor. Beim plötzlichen Kindstod handelt es sich entsprechend um eine Ausschlussdiagnose, wenn keine andere klar fassbare Erkrankung, die den Tod verursacht hat, gefunden werden konnte.

Entsprechend gibt es keine eindeutigen Anzeichen für einen drohenden Kindstod. Dennoch können Experten mittlerweile einige Risikofaktoren identifizieren, die Kinder als potentiell gefährdet erscheinen lassen. Der individuelle Einzelfall muss jedoch immer mit dem Kinderarzt besprochen werden. Viele betroffene Kinder sind im Zusammenhang mit einem Infekt der Atemwege verstorben.

Entsprechend sollten Eltern bei unklaren, anhaltenden oder ständig wiederkehrenden Anzeichen eines Infekts auf eine sorgfältige Abklärung durch einen Facharzt bestehen. Weiterhin hat man herausgefunden, dass Frühgeborene Kinder und solche mit einem generell niedrigen Geburtsgewicht tendenziell eher vom Kindstod betroffen sind. Gleiches gilt für Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft oder auch nach der Geburt geraucht haben.

Treffen solche Risikofaktoren zu, sollten Eltern diese unbedingt offen beim Arzt ansprechen. Dieser kann bei Unklarheiten oder einem individuell erhöhten Risiko einen so genannten Monitor verschreiben, der die Vitalfunktionen im Schlaf überwacht. Da diese aufgezeichnet werden und auch bei Veränderungen schon Alarm geben, können die Geräte auch helfen, mögliche Anzeichen zu erkennen und weiterführende Untersuchungen zu veranlassen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Da eine Todesursache im Falle des plötzlichen Kindstodes auch bei einer Autopsie nicht zu ermitteln ist, kann eine Diagnose eigentlich nur durch das Ausschließen aller anderen möglichen Todesursachen eindeutig gestellt werden.

Das bedeutet, dass häufig gleich mehrere Sachverständige, wie der Kinderarzt, ein Pathologe, sowie in manchen Fällen auch der Gerichtsmediziner, da ja auch ein Verbrechen nicht immer ausgeschlossen werden kann, das verstorbene Kind auf allerlei mögliche Todesursachen untersuchen müssen.

Erst nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen und auch die medizinische Vorgeschichte des Babys gründlich durchleuchtet wurde, wird der plötzliche Kindstod als offizielle Todesursache angegeben.

Komplikationen

Der plötzliche Kindstod hinterlässt bei den Angehörigen des verstorbenen Kindes - allen voran bei den Eltern - emotionale Wunden, die Komplikationen mit sich führen können. So führen die Schockreaktionen und die entstehenden Depressionen nicht selten zu Arbeitsunfähigkeit, unüberlegten Übersprungshandlungen oder führen in eine Drogensucht oder ähnliches, wenn Betroffene mit ihrem Schock allein gelassen werden.

Es hat sich in Studien gezeigt, dass der plötzliche Kindstod das Risiko für einen selbst verschuldeten Tod bei betroffene Eltern steigert. Die Selbsttötungsrate vervierfacht sich bei den Müttern binnen der ersten Jahre nach dem Ereignis. Bei Vätern wurden ein erhöhtes Unfallrisiko und eine erhöhte Bereitschaft zur Selbsttötung festgestellt.

Zudem ist Lebenserwartung von Eltern, die einen plötzlichen Kindstod durchlebt haben, im Durchschnitt verringert. Das Risiko für diverse Krankheiten ist gesteigert. Darunter fallen Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die noch einmal Folgeschäden und Komplikationen nach sich ziehen.

Dadurch, dass die Ursache des plötzlichen Kindstodes häufig unklar bleibt, ergibt sich eine lebenslange Belastung für die Eltern. Wird das Ereignis nicht verarbeitet - durch psychologische Maßnahmen und Therapien - manifestiert sich die Suche nach der Begründung oder einem vermeintlichen Sinn des Vorfalls psychisch. Dies kann zu einer sehr limitierten Erlebniswelt führen, weil alle Ressourcen auf die Gedanken rund um das verstorbene Kind aufgewendet werden. Dadurch werden soziale Gefüge, Beruf und persönliche Interessen vernachlässigt.


Vorbeugung

Da neben der nächtlichen Bauchlage des Säuglings sowie dem Verfangen in Kissen und Decken auch das Rauchen während der Schwangerschaft das Risiko eines plötzlichen Kindstods, laut Studien, um ein Vielfaches erhöht, raten Experten streng davon ab.

Um eine Bauchlage des Kindes zu vermeiden, sollte darauf Acht gegeben werden, dass es abends auf dem Rücken liegend einschläft. Die Bauchlage sollte dem Kind dennoch nicht völlig abtrainiert, sondern im Gegenteil, bezüglich des richtigen Liegens auf dem Bauch, geübt werden, da es bei einer unwillkürlichen Drehung auf den Bauch sonst zu Komplikationen kommen kann.

Zusätzlich wird die Verwendung eines speziellen Schlafsacks für Kleinkinder empfohlen, der gänzlich ohne frei herumliegende Kissen und Decken auskommt. Ferner hat auch das Stillen einen positiven Effekt auf das Baby und kann das Risiko für den plötzlichen Kindstod ebenfalls leicht herabsetzen.

Durch die neu gewonnenen Erkenntnisse der Forschung und Empirie können heute schon viele Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod erkannt und durch richtiges Verhalten minimiert werden. Dennoch lässt die Aufklärung, vor allem junger Mütter, über derlei Risiken und Methoden der Vorbeugung in Deutschland nach wie vor zu wünschen übrig.

Nachsorge

Eine erste Kontaktstelle nach dem plötzlichen Kindstod ist die Notfallseelsorge. Im Gespräch mit einem ausgebildeten Betreuer erhalten die Angehörigen Unterstützung und Ratschläge hinsichtlich Selbsthilfegruppen und weiterer Maßnahmen. Im Rahmen der Nachsorge erfragt der zuständige Arzt, ob eine Betreuung notwendig ist. Viele Angehörige möchten persönlich von dem Kind Abschied nehmen.

Religiöse Eltern legen oft Wert auf die Segnung des Kindes. Eine Nottaufe kann durch alle getauften Christinnen und Christen erfolgen, insofern das Kind noch nicht lange verstorben ist. Geschwister des verstorbenen Kindes müssen kindgerecht aufgeklärt werden. Hierfür wenden sich die Eltern am besten an den Arzt vor Ort, der anhand seiner Erfahrung die richtigen Worte findet. Langfristig kann für die Eltern des Kindes auch eine Eheberatung sinnvoll sein.

Oft ist die Ehe nach dem Tod des Kindes einer schweren Krise ausgesetzt. Das Aufarbeiten der Trauer ist ein wichtiger Aspekt der Verarbeitung. Angehörige, die sich mit ihrer Trauer allein gelassen fühlen, wenden sich an einen Therapeuten oder an eine Selbsthilfegruppe. Wenn die Mutter nach einiger Zeit erneut schwanger wird, sollten auch Fragen bezüglich der Todesursache des Kindes eindeutig geklärt sein, um den Eltern die Ängste vor einem erneuten Vorfall zu nehmen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Tritt der plötzliche Kindstod ein, kann kein Arzt den Säugling noch retten. Das liegt daran, dass der Tod des Babys in der Regel nicht sofort festgestellt wird, sondern dann, wenn die Eltern das nächste Mal nach ihm sehen - selbst wenige Minuten reichen aus und keine ärztliche Hilfe kann das Baby noch retten. In solchen Fällen muss sofort nach dem Aussetzen von Atmung und Herzschlag ein Arzt einschreiten. Deswegen bleibt als einzige Möglichkeit, Babys mit erhöhtem Risiko des plötzlichen Kindstods engmaschig zu überwachen. Bestenfalls bleiben sie so lange im Krankenhaus, bis das Risiko nahezu nicht mehr vorhanden ist.

Auf diese Weise können sie an medizinische Überwachungsgeräte angeschlossen werden, die sofort Alarm schlagen, wenn das Baby kritische Anzeichen zeigt. Außerdem sind hier die Kinderärzte jederzeit anwesend und können im Ernstfall die Wiederbelebung einleiten. Sobald ein Baby mit erhöhtem Risiko wieder nach Hause darf, besteht die beste Prävention darin, es auch hier zu überwachen und die Eltern anzuleiten, was zu tun ist, wenn es zum Ernstfall kommt. Weiterhin sollte das Baby regelmäßig zum Kinderarzt, bis die riskante Zeit überstanden ist, damit gesundheitliche Probleme rechtzeitig erkannt und behandelt werden können. Der Arzt kann den zu spät bemerkten plötzlichen Kindstod nicht mehr rückgängig machen, aber er kann helfen, Prävention zu leisten. Betroffene Eltern sollten sich psychologische oder seelsorgerische Hilfe suchen.

Das können Sie selbst tun

Der plötzliche Kindstod trifft Familien oft völlig unerwartet. Da es sich bei der Diagnose plötzlicher Kindstod um eine Ausschlussdiagnose handelt, bedeutet dies, dass beim Kind keine anderen Erkrankungen, die den Tod verursacht haben könnten, festgestellt werden konnten. Entsprechend sind im Bereich der Selbsthilfe im Alltag keine Maßnahmen, die eine absolute Sicherheit geben könnten, möglich.

Denn bis heute ist nicht abschließend geklärt, was konkret den Tod des Kindes verursacht haben kann. Auch, wenn über die genauen Ursachen weiterhin keine wissenschaftliche Klarheit besteht, haben sich im Laufe der Jahre durch Studien einige Hinweise ergeben, die einen plötzlichen Kindstod möglicherweise verhindern können. So gilt weiterhin die Rückenlage als deutlich sicherer im Vergleich zur Bauchlage. Solange Eltern die Schlaflage des Kindes beeinflussen können, ist im Alltag also das Schlafen des Babys auf dem Rücken liegend vermutlich sicherer. Auch sollten Eltern vermeiden, ihr Kind im Bett zu warm zuzudecken oder überhaupt Decken, Tücher oder Kuscheltiere mit ins Bett zu legen, die sich das Kind bewusst oder unbewusst über den Kopf oder in den Bereich der Nase ziehen könnte.

Studien haben ergeben, dass Kinder mit geringem Geburtsgewicht und Kinder von Raucherinnen tendenziell häufiger am plötzlichen Kindstod versterben. Solche bekannten Risiken sollten also offen mit dem Kinderarzt besprochen werden. Gegebenenfalls wird dieser einen speziellen Monitor für den Alltag zuhause verordnen, der die Vokalfunktionen des Kindes während seiner Schlafenszeit überwacht.

Quellen

  • Eppinger, M., Müller, M., et al.: Pädiatrie. Für Studium und Praxis. 2013/14. Medizinische Verlags- und Informationsdienste, Breisach 2013
  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011

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