Zwangsstörung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Zwänge oder Zwangsstörungen sind psychische Erkrankungen. Der Erkrankte leidet unter Zwangsgedanken und psychischen Belastungen, sodass er unbewusst Zwangshandlungen (z.B. ständiges Händewaschen) durchführen muss. Man spricht auch von einer psychischen Störung. Ihre Ursache zu bestimmen, ist nicht so einfach, denn diese kann sowohl im psychischen als auch im organischen Bereich liegen. Neben der Psychotherapie kann die Zwangsstörung auch medikamentös behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Zwänge und Zwangsstörungen?

Eine typische Zwangsstörung ist übertriebnes Händewaschen.
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Bei der Zwangsstörung wird unterteilt in Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Die Zwangsgedanken unterscheiden sich von normalen Gedanken in der Art, wie sie von dem Betroffenen erlebt und gedacht werden. Die Gedanken während der Zwangsstörung sind von der ständigen Angst begleitet, anderen Personen Schaden zuzuführen oder selbst in eine peinliche Situation zu geraten.

Sie können nicht bewusst abgestellt oder zu Ende gedacht werden, sodass sie, einem Kreislauf ähnlich, immer wieder auftauchen und schließlich in der Verzweiflung enden. Die Zwangsgedanken sind des Weiteren unterteilt in Zwangsvorstellungen, Zwangsimpulse und Grübelzwang. Bei den Vorstellungen und beim Grübeln durchlebt der Betroffene in Gedanken immer wieder eine negative Situation, z. B. dass dem Ehepartner etwas zustoßen könnte, oder dass er etwas falsch verstanden haben könnte.

Die Zwangsimpulse treiben ihn dazu an, bestimmte Handlungen durchzuführen, auch wenn sie für den Betroffenen selbst oder für Andere negative Auswirkungen haben können. Die Zwangsstörung wird zwar als unsinnig empfunden, doch jeder Versuch, sich dagegen zu wehren, löst noch mehr Angst und Anspannung aus.

Bei der Zwangsstörung kann der Betroffene sich auch gegen die Zwangshandlungen nicht wehren. Diese Handlungen sind Verhaltensweisen, die so oft wiederholt werden müssen, dass sie den Alltagsablauf beeinträchtigen. Ein Beispiel für das Verhalten während einer Zwangsstörung ist das ständige Überprüfen, ob der Herd ausgeschaltet wurde. Der Betroffene unterliegt in dem Fall dem Zwang, dies immer wieder nachsehen zu wollen und kommt so nicht dazu, andere Dinge zu erledigen.

Ursachen

Eine Zwangsstörung kann in unterschiedlicher Form und in verschiedenen Zusammenhängen auftreten. Mehrere Faktoren spielen für die Zwangsstörung eine Rolle. Zum einen kann die Zwangsstörung durch eine organische Fehlfunktion verursacht werden zum anderen durch psychische Störungen.

Die Zwangsstörung tritt häufig in Verbindung mit anderen Erkrankungen auf. Zum Beispiel in Verbindung mit multiple Sklerose oder Epilepsie, aber auch zusammen mit depressiven Störungen, Schizophrenie und Alkoholmissbrauch kann die Zwangsstörung vorkommen. Man spricht von einer Zwangsstörung allerdings nur dann, wenn sie besonders stark ausgeprägt ist und keine andere psychische Erkrankung besteht.

Aus medizinischer Sicht ist die Ursache für eine Zwangsstörung, dass bestimmte Regionen im Gehirn beschädigt sind. Das können die Basalganglien sein, das limbische System oder das Frontalhirn. Wenn in der Familie bereits eine Zwangsstörung vorliegt, ist dieser biologische Faktor als Ursache oft nicht ausgeschlossen.

Typische Zwänge

  • ständiges Händewaschen (Reinlichkeitszwang) nach dem Berühren von Gegenständen oder Personen
  • Kontrollzwänge, z.B. ob der Herd aus ist oder ob man die Tür wirklich abgeschlossen hat
  • Zählzwang - Der Betroffenen muss ständig irgendetwas in seiner Umwelt abzählen. Zum Beispiel die Platten auf dem Bürgersteig oder Stufen einer Treppe
  • Ordnungszwang - alles muss in der Wohnung auf seinem Platz stehen, nichts darf schmutzig oder anders angeordnet sein
  • Berührungszwang - Patienten müssen ständig einen bestimmten Gegenstand anfassen oder das Gegenteil, dass Patienten einen bestimmten Gegenstand gar nicht anfassen können
  • verbale und akkustische Zwänge - Beispielsweise müssen Patienten immer die gleiche Melodie singen oder pfeifen oder bestimmte Ausdrucksweisen wiederholen

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Zwangsstörung manifestiert sich auf unterschiedliche Art und Weise, da es verschiedene Formen dieser Erkrankung gibt. Klassisch ist beispielsweise der Waschzwang, bei denen sich die Betroffenen immer wieder die Hände waschen müssen, weil selbst beim harmlosen Benutzen einer Türklinke die Kontamination mit gefährlichen Bakterien vermutet wird.

Auch der Kontrollzwang ist sehr häufig. Hier sehen Betroffenen zum Beispiel immer wieder nach, ob ein Herd auch wirklich ausgeschaltet ist, auch wenn sie es zuvor schon mehrere Male getan haben. Das Zählen kann ebenso zum Zwang werden wie die Gewohnheit, immer wieder dieselben Wege zu gehen oder Rituale durchzuführen. Ein weites Feld sind auch die Zwangsgedanken, die immer wieder im Geist durchgespielt werden müssen.

Allen Zwängen gemeinsam ist, das der Betroffene die Unsinnigkeit von Handlungen und Gedanken zwar oft erkennt, aber nichts dagegen tun kann. Oft ist mit dem Wehren gegen einen Zwang der Gedanke verknüpft, es könne etwas Schlimmes passieren, wenn der Zwang nicht korrekt durchgeführt wird.

Oft werden die Zwänge der Betroffenen von Symptomen von Angst und depressiver Verstimmung begleitet, weil der Zwang Scham und Hilflosigkeit auslöst und die Patienten auch nicht selten in die soziale Isolation treibt. Bei einer Zwangserkrankungen wird viel Zeit am Tag für Zwangshandlungen und -gedanken aufgewendet.

Diagnose & Verlauf

Die Zwangsstörung kann dann diagnostiziert werden, wenn der Erkrankte mindestens zwei Wochen lang mit den Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen lebt und diesen Zustand auch als Leiderfahrung schildert und durch diese Situation eine verringerte Lebensqualität erleben muss, sprich: die Zwangsstörung seinen Alltag erheblich beeinträchtigt.

Ein weiterer Aspekt der Zwangsstörung ist, dass der Betroffene Zwangsgedanken als seine eigenen erkennt, und diesen keinen Widerstand leisten kann. Die Vorstellung von der Ausführung des Gedankens oder der Ideen bzw. Impulse sind mit unangenehmen Gefühlen gekoppelt. Bei einer Zwangsstörung kann es auch zu körperlichen Schäden kommen, z. B. beim häufigen Händewaschen bilden sich Ekzeme. Bei starker Ausprägung der Zwangsstörung sind auch Selbstmordgedanken möglich.

Komplikationen

Komplikationen im Zusammenhang mit einer Zwangsstörung können sehr divers sein. So hängt das Ausmaß möglicher Komplikationen unter anderem davon ab, ob die Zwangsstörung auch andere Menschen in Mitleidenschaft zieht oder gar selbstverletztende Elemente aufweist. Eine Therapie senkt das Risiko für Komplikationen.

So sind Zwangsstörungen oftmals ein Grund für eine soziale Isolation, da Betroffene mitunter berufsunfähig werden oder sozial sehr eingeschränkt sind. In Kombination mit der hohen Korrelation an depressiven Verstimmungen, Depressionen und weiteren Persönlichkeitsstörungen, die mit einer OCD einhergehen, steigert sich das Risiko für suizidale Gedanken und die entsprechende Handlung zunehmends.

Weiterhin führt gerade der Waschzwang zu Hautschäden (meist zu Ekzemen), was noch andere gesundheitliche Probleme mit sich führen kann. Zwangsneurosen bergen immer das Risiko, dass der Betroffene andere Lebensbereiche zugunsten seiner Störung vernachlässigt (besonders beim Drang, bestimmte Dinge ständig zu kontrollieren) und so in negative Situationen gerät. Dies ist auch der Fall, wenn es sich um Zwangsgedanken handelt, die vor allem das nähere Umfeld betreffen.

Gerade solche Gedanken, die in Gewaltphantasien oder unangebrachten sexuellen Phantasien bestehen, belasten das Verhältnis zwischen dem Betroffenen und seinem Umfeld ungemein. Zwar besteht kein nennenswertes Risiko, dass diese Gedanken rein aufgrund der OCD umgesetzt werden, aber zahlreiche andere Persönlichkeitsstörungen können zu einem Verlust der Impulskontrolle führen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Nicht jedes Alltagsritual gehört zu einer Zwangsstörung, die medizinisch oder psychotherapeutisch behandelt werden muss. Betroffene sollten jedoch einen Arzt oder Therapeuten aufsuchen, wenn ihr Alltag unter den unangenehmen Zwangshandlungen oder Zwangsgedanken leidet und die Zwänge mindestens zwei Wochen lang andauern. Alltagsrituale, die positiv sind und als angenehm empfunden werden, stellen hingegen keine klinischen Zwänge dar.

Grundsätzlich ist es zu empfehlen, dass sich Personen um eine diagnostische Abklärung kümmern, wenn sie die Symptome einer Zwangsstörung bei sich entdecken und darunter leiden. Eine Diagnose kann von einem Arzt, Psychologen, Psychotherapeuten oder Heilpraktiker vorgenommen werden. Insbesondere Psychologen, Psychotherapeuten und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sind dafür ausgebildet, psychische Krankheiten wie Zwangsstörungen zu diagnostizieren und zu behandeln. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, wenn sich Betroffene vorzugsweise an diese Berufsgruppen wenden. Auch der Hausarzt kann ein erster Ansprechpartner sein und ggf. eine Überweisung ausstellen.

Der subjektive Leidensdruck ist bei einer Zwangsstörung sehr individuell. Auch eine starke subjektive Belastung stellt einen Grund dar, ärztliche oder psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus kann professioneller Rat erforderlich sein, wenn die Zwangshandlungen zu körperlichen oder anderen Problemen führen – zum Beispiel bei Hautproblemen infolge eines Waschzwangs.

Behandlung & Therapie

Eine frühzeitige Behandlung der Zwangsstörung ist empfehlenswert. Zunächst sollte der Hausarzt oder ein Neurologe aufgesucht werden, denn eine Schädigung der Hirnregionen kann mit Medikamenten, die die Aufnahme von Serotonin hemmen, behandelt werden. Das sind in aller Regel Antidepressiva oder Neuroleptika.

Des Weiteren hilft es dem Betroffenen, als auch den Angehörigen, mit der Zwangsstörung besser umgehen zu können, wenn sie therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Eine konginitive Therapie, in der der Betroffene auf das Ziel, seine Gedankenmuster zu verändern, hinarbeitet, ist sehr verfolgsverprechend.

In diesem Zusammenhang lernt der Erkrankte mit Stresssituationen umzugehen, eine passende Strategie für die Bewältigung des Alltags sowie u. a. auch im zwischenmenschlichen Bereich neue Verhalensmuster.


Vorbeugung

Eine Zwangsstörung kommt meistens unerwartet. Wenn sich der Erkrankte zusammen mit den Angehörigen jedoch intensiv über die Zwangsstörung informiert, ist einer Wiedererkrankung bestens vorgebeugt, dazu sollte die Zwangsstörung allerdings akzeptiert werden.

Nachsorge

Wurde die Zwangsstörung erfolgreich behandelt und ist nicht mehr offen für andere erkennbar, liegt es nun am Betroffenen selbst, erste Anzeichen selbstständig zu entdecken und sofort bei stärkerem Verdacht einen geeigneten (Psycho-)Therapeuten aufzusuchen, um einen langwierigen Therapieverlauf zu verhindern. Des Weiteren sollten mögliche Auslöser, wie beispielsweise permanente, extreme Stress-Situationen (auch in der Arbeit) gemieden und stattdessen regelmäßig das eigene Verhalten und Gedanken kontrolliert werden.

Auch aus dem Affekt heraus sollten keine beiläufigen, harmlosen Gewohnheiten zur temporären Beruhigung entwickelt werden, da diese sich später zu einem unkontrollierbaren Zwang entwickeln können. Ist der Zwang jedoch nicht geheilt und besteht auch keine Aussicht auf Heilung, ist es für den Betroffenen essentiell, seinen Zwang zu akzeptieren und wenn möglich Orte oder andere Plätze zu vermeiden, an denen der Zwang nicht kontrollierbar ist.

Nicht nur bei verbalen Zwängen, sondern auch bei Gedanken- oder Verhaltenszwängen ist es von Vorteil, Bekannte und Freunde über das eigene Verhalten aufzuklären, um unangenehmen Situationen oder Missverständnissen vorzubeugen. Des Weiteren sollte der Zwang - auch in der Öffentlichkeit - nicht gewaltvoll übergangen werden, da dies nicht nur einen Kontrollverlust sondern auch ein starkes Unwohlsein des Betroffenen hervorrufen kann.

Das können Sie selbst tun

Zuerst ist es wichtig, dass die eigene Zwangsstörung grundlegend verstanden wird. Dies kann die Situation für den Betroffenen erleichtern. Dem Betroffenen muss bewusst sein, wie sich seine Störung genau bemerkbar macht und wie sie sich auf ihn und sein Leben auswirkt.

Außerdem kann es eine große Erleichterung sein, zu wissen, dass er mit seinen Erfahrungen nicht alleine ist. Betroffene müssen Stress akzeptieren und lernen, ihn nicht als Störfaktor, sondern als Teil des Lebens anzunehmen. Sie sollten sich andere Strategien aneignen, um mit Stress umzugehen. Beispielsweise kann genug Schlaf, ausreichendes und gutes Essen, Meditation und genug Bewegung eine Verminderung der Symptome zur Folge haben. Vor allem Laufen kann eine deutliche Verbesserung bewirken. Das Anwenden von Entspannungstechniken (z.B.: tiefes Durchatmen oder meditative Übungen zur Achtsamkeit) ist ebenfalls hilfreich.

Der nächste Schritt wäre die Akzeptanz und Konfrontation seiner Ängste. Negative Gedanken zu der Zwangsstörung auszuformulieren und positiv zu belegen ist nachgewiesenermaßen eine effektive Methode zur Reduzierung der Störung und kann auch ohne therapeutische Hilfe angewendet werden. Oft ist es sinnvoll sich mit seinen Befürchtungen auf analytische und logische Weise auseinanderzusetzen und sich Strategien für das Eintreffen des Worst-Case Szenarios zu überlegen. All diese Techniken sind leicht in Alltag und Freizeit einzubauen.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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