Wahrnehmungskette

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Wahrnehmungskette ist ein sechsgliedriges Modell zum besseren Verständnis des Wahrnehmungsvorgangs. Ihre sechs Glieder beeinflussen sich gegenseitig und schließen in einem permanenten Kreislauf wieder aneinander an. Eine gestörte Wahrnehmungskette wird mit Phänomenen wie der Halluzination assoziiert.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Wahrnehmungskette?

Die Wahrnehmungskette ist ein sechsgliedriges Modell zum besseren Verständnis des Wahrnehmungsvorgangs.

Die Sensorik beschäftigt sich mit den menschlichen Sinneswahrnehmungen. Der Organismus des Menschen ist mit verschiedenen Sinnesstrukturen zur Informationsverarbeitung und Informationsgewinnung aus der Umwelt ausgestattet. Alle Sinnesstrukturen bedienen sich an Umweltreizen, die in den Organismus in Form von bioelektrischer Erregung aufgenommen werden. Im Körper werden die Teilinformationen aus den einzelnen Sinnesstrukturen gefiltert und zu einer sinnvollen Gesamtinformation zusammengefügt. Gemeinsam bilden die Teilinformationen die Wahrnehmung.

Die Wahrnehmungskette ist das grundlegende Modell des Wahrnehmungsbegriffs. Sie weist sechs verschiedene Glieder auf, die in wechselseitigem Einfluss stehen. Der Wahrnehmungsapparat steht in diesem Modell der Außenwelt gegenüber. Die Wahrnehmungskette ist in sich geschlossen und kann als Kreislauf bezeichnet werden.

An jeder Art der Wahrnehmung ist dieser Kreislauf in derselben Reihenfolge beteiligt. Die sechs Glieder der Kette sind der Reiz, die Transduktion, die Verarbeitung, die Wahrnehmung, die Wiedererkennung und das Handeln.

Funktion & Aufgabe

Leben ist wahrnehmen. Das heißt, dass Wahrnehmungen für jeden Organismus lebenswichtig sind. Jede Handlung ist eine Reaktion auf sensorische Informationen. Wahrnehmungen helfen dem Menschen so bei der Orientierung und der Einschätzung der Umwelt. Dank des Wahrnehmungsapparats kann der Mensch seine Handlungen also auf die Umwelt abstimmen. Ohne den Wahrnehmungsapparat wäre der Mensch von der Außenwelt abgetrennt und könnte nicht mehr sinnvoll handeln.

Am Anfang der Wahrnehmungskette steht der Reiz. Die Objekte der Umwelt erzeugen Signale, die physikalisch messbaren Größen entsprechen. Diese Signale geben dem Menschen ein Bild von seiner Umwelt und lassen ihn sein Verhältnis zum Außerkörperlichen einschätzen.

Die Reize treffen dazu auf die Sinneszellen des jeweiligen Sinnessystems. Die Sinneszellen werden durch die Stimuli von außen erregt und wandeln verschiedene Formen der Energie in einem Transduktionsvorgang in bioelektrische oder biochemische Spannungsänderungen um. So entstehen Aktionspotentiale.

Die Vorverarbeitung der empfangenen Signale findet meist in den Rezeptoren selbst statt. Die eigentliche Verarbeitung der Informationen übernimmt jedoch das Gehirn. Prozesse der Filterung, der Hemmung, der Konvergenz und Divergenz sowie der Integration und Summation dienen in den einzelnen Gehirnregionen der Gewinnung einer Gesamtinformation. Diese Gesamtinformation tritt durch die Kognition in das Bewusstsein des Menschen über. Schall wird hier zu Ton. Elektromagnetische Wellen werden zu Licht. Erst die bewusste Gesamtinformation mündet in ein Verstehen oder Zuordnen der Information.

Durch Prozesse wie das Erinnern, das Kombinieren, das Erkennen, das Assoziieren oder das Urteilen schätzt das menschliche Gehirn die Bedeutung einer bewussten Wahrnehmung ein. Das Endergebnis einer Wahrnehmung ist die Reaktion. Diese Reaktion entspricht in der Regel einer angepassten Handlung. Oft macht erst die Handlung dem Menschen zusätzliche Wahrnehmungsinformationen zugänglich.

Wenn ein Glied der Wahrnehmungskette zum Beispiel gestört ist, dann kann die Reaktion auf diese gestörte Wahrnehmung einer Beseitigung der Störung entsprechen. Der Zusammenhang zwischen einzelnen Reizen und ihrer Repräsentation im zentralen Nervensystem ist dem Menschen dank der Kognition bewusst. Aus diesem Grund erkennt er, wenn ihm zum korrekten Ablauf der Wahrnehmungskette ein Glied fehlt. Er kann Störungen aus diesem Grund erkennen, identifizieren und bewusst beseitigen. Um zusätzliche Informationen zu einer Situation zu sammeln, kann die Reaktion so zum Beispiel ein Abtasten oder eine Bewegung des Augapfels sein.

Die Wahrnehmungskette schließt permanent an sich selbst an. Die Unmittelbarkeit und Geschwindigkeit der einzelnen Schritte dauert nur den Bruchteil einer Sekunde.


Krankheiten & Beschwerden

Die Wahrnehmungskette spielt sowohl in der allgemeinen Medizin, als auch in der Psychologie eine Rolle. Rezeptordefekte der Sinnesstrukturen können zum Beispiel die Wahrnehmungskette stören und dem Betroffenen die angepasste Reaktionsfähigkeit nehmen. Dasselbe gilt für Gehirnläsionen in den Bereichen, die zur Verarbeitung und Einteilung der Wahrnehmung zuständig sind.

Sowohl Rezeptordefekte, als auch Gehirnläsionen sind physiologische Ursachen für Wahrnehmungstäuschungen oder andere Störungen in der Wahrnehmungskette. Andererseits können auch psychische Krankheiten ohne körperliche Ursache Wahrnehmungstäuschungen, Illusionen oder Halluzinationen hervorrufen.

Bei Illusionen werden reale Sachverhalte verändert wahrgenommen. Dieses Phänomen prägt viele Krankheitsbilder aus dem Bereich der Psychologie und ist beispielsweise aus Phänomenen wie dem Spotlight-Effekt bekannt. Die Betroffenen meinen dabei, permanent von der Umwelt beobachtet und verurteilt zu werden. Menschen mit sozialer Phobie leiden besonders oft an dieser Illusion.

Bei Halluzinationen nehmen die Patienten Dinge wahr, die eigentlich nicht vorhanden sind. Ohne die entsprechenden Umgebungsreize können Wahrnehmungen eines oder aller Sinnesgebiete vorliegen. Die Ursache können Psychosen oder Schlafentzug sein. Auch physiologische Veränderungen im Gehirn lösen teilweise Halluzinationen aus. Besonders häufig wurden Halluzinationen als Folge von Gehirnveränderungen im Rahmen von Epilepsie beobachtet.

Wahrnehmungstäuschungen müssen nicht zwingend eine krankhafte Erscheinung sein. So können speziell optische Täuschungen durch bestimmte Farbkombinationen erzielt werden, ohne das eine tatsächliche Veränderung oder Störung in der Wahrnehmungskette vorliegt. Die Grenze zwischen Täuschung und Realität ist speziell für die Augen nur schwer zu erkennen. Sie arbeiten mit zweidimensionalen Bildern und geben dem Menschen dennoch das Gefühl, die Umwelt dreidimensional wahrzunehmen.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013

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