Vermännlichung (Androgenisierung)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter einer Vermännlichung oder Androgenisierung versteht man körperlich-männliche Veränderungen einer Frau. Diese treten auf, wenn ein Überschuss an männlichen Hormonen (Androgenen) im Körper einer Frau vorhanden ist.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Vermännlichung (Androgenisierung)?

Es gibt unterschiedliche Ursachen, damit es zu einer Vermännlichung kommt. Meist liegt eine Störung des Hormonstoffwechsels vor, bei der vor allem die männlichen Hormone betroffen sind.
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Die Vermännlichung tritt bei einer Frau auf, bei der sich eine vermehrte Wirkung der männlichen Hormone, der Androgene zeigt. Diese Hormone sorgen beim Mann bzw. beim Jungen dafür, dass sich die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale ausbilden und entwickeln können.

Dazu zählen zum Beispiel die Hoden, der Stimmbruch und die vermehrte Behaarung am Körper ab der Pubertät. Außerdem sorgen Androgene dafür, dass durch Eiweißbildung mehr Muskelmasse aufgebaut wird. Auch Frauen produzieren diese Hormone normalerweise in geringem Maße, bei einer Vermännlichung findet man jedoch einen erhöhten Gehalt im Blut.

Die Symptome zeigen sich hauptsächlich darin, dass ein verstärktes Haarwachstum am ganzen Körper eintritt und die Stimme deutlich tiefer klingt.

Ursachen

Es gibt unterschiedliche Ursachen, damit es zu einer Vermännlichung kommt. Meist liegt eine Störung des Hormonstoffwechsels vor, bei der vor allem die männlichen Hormone betroffen sind. Hierbei können die Androgene beispielsweise nicht richtig abgebaut oder umgewandelt werden; es kommt zu einer Erhöhung des Gehaltes an Androgenen im Blut.

Eine andere Ursache für die gesteigerte Produktion von männlichen Hormonen kann ein Tumor in der Nebennierenrinde sein, welche für die Produktion der Hormone zuständig ist, oder auch an den Eierstöcken. Von der Hirnanhangdrüse (auch Hypophyse) erfolgt die Hormonproduktionssteuerung, indem von ihr wiederum bestimmte Hormone freigesetzt werden. Somit kann auch ein Tumor an der Hypophyse dafür sorgen, dass die Nebennierenrinde oder die Eierstöcke die Androgene vermehrt produzieren, was dann ebenfalls zu einer Vermännlichung führt.

Auch eine Störung der Enzyme und Enzymbildung kann zu einer Vermännlichung führen; dies kann angeboren sein oder auch später im Zeitraum bis zur Pubertät auftreten. Wer als Frau häufig Hormonpräparate einnimmt, zum Beispiel Anabolika, kann sich eine weitere Ursache für eine Vermännlichung herleiten.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Eine Androgenisierung der Frau zeigt sich vor allem durch körperliche Merkmale. Je nach Intensität können diese Symptome variieren und unterschiedlich stark ausgeprägt auftreten. Häufig kommt es zu einer sichtbaren verstärkten Gesichts- und Körperbehaarung (Hirsutismus). Bei den betroffenen Frauen wachsen zunächst dunkle Barthaare im Gesicht, die sich zunehmend verdichten können.

Oft entsteht ein Oberlippenbart. Typischerweise wachsen dabei keine neuen Haare im Gesicht, sondern das bestehende weiche Flaumhaar verdichtet sich sukzessive. Zudem kann es zu verstärkter Brustbehaarung kommen. Zeitgleich zeigt sich bei den betroffenen Frauen ein krankhafter, vermehrter Haarausfall des Kopfhaars in typisch männlichen Haarausfallmustern (Alopezie).

Üblicherweise kommt es zu diffusem Haarausfall im Scheitelbereich in der Form von Geheimratsecken. Manchmal entstehen lichte Stellen am Hinterkopf. Durch den Einfluss der männlichen Hormone verschlechtert sich das Hautbild deutlich. Die Talgdrüsen sondern mehr Talg ab. Es bilden sich daher vermehrt Pickel, Abszesse und Knötchen. Manchmal kommt es zu Akne.

Weitere mögliche körperliche Symptome einer Androgenisierung sind eine Vergrößerung der Klitoris, eine sichtbare Zunahme der Muskelmasse, eine tiefer werdende Stimme, zunehmende Rückbildung der Brüste sowie Störungen des Menstruationszyklus. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann es zur Unfruchtbarkeit kommen. Äußerst selten zeigt sich eine Androgenisierung psychisch durch verstärkte Aggressionen oder einen verstärkten Sexualtrieb.

Diagnose & Verlauf

Liegt der Verdacht einer Vermännlichung vor, nimmt der Arzt eine genaue Untersuchung und Befragung vor. Damit die genaue Ursache finden zu können, müssen einige Labortests zur Bestimmung des Hormonhaushalts erfolgen. So kann die Konzentration der verschiedenen Hormone im Körper festgestellt werden.

Wenn es einige Hinweise auf einen eventuellen Tumor im Bereich der Hypophyse, der Eierstöcke oder der Nebennierenrinde gibt, sind bildgebende Untersuchungen notwendig. Vor allem werden im Bauchraum Computertomographien und Ultraschalluntersuchungen durchgeführt, zur Untersuchung der Hypophyse wird eher die Magnetresonanztomographie angewendet, da diese zum befunden des Kopfes genauer ist.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Werden bei geschlechtsreifen Mädchen oder Frauen Auffälligkeiten des Hormonsystems bemerkt, sollte ein Kontrollbesuch bei einem Arzt initiiert werden. Störungen der Monatsblutung, Besonderheiten der Libido sowie optische Auffälligkeiten sollten ärztlich abgeklärt werden. Ein starker Haarwuchs im Bereich des Gesichtes oder ein Bartwuchs gelten als Anzeichen einer vorliegenden Störung. Entsteht ein Oberlippenbart sollte zur Abklärung der Ursache eine medizinische Untersuchung eingeleitet werden. Ein Arztbesuch ist ebenso anzuraten bei Haarausfall, einer Behaarung im Bereich der Brust sowie Unstimmigkeiten des Hautbildes. Eine vermehrte Entstehung von Pickeln, Abszessen sowie eine unreine Haut sind Hinweise, denen nachgegangen werden sollte. Bilden sich starke Geheimratsecken, ist ebenfalls eine Ursachenforschung zu empfehlen.

Besonderheiten des Verhaltens, ein männlich geprägtes Auftreten oder eine besonders tiefe Stimme sollten mit einem Arzt besprochen werden. Treten psychische Probleme auf oder nehmen vorhandene Unregelmäßigkeiten an Intensität zu, benötigt die Betroffene Hilfe und Unterstützung. Ein unerfüllter Kinderwunsch, eine vergrößerte Klitoris sowie eine ungewöhnlich starke ausgeprägte Muskelmasse am Körper sind ebenfalls Anzeichen einer vorliegenden hormonellen Störung. Damit eine Diagnosestellung erfolgen kann, sind medizinische Tests notwendig, die für eine Klärung der Ursache genutzt werden. Zeigt sich eine nicht altersgemäße Rückbildung und damit Verkleinerung der Brust, sollten die Beobachtungen von einem Frauenarzt abgeklärt werden.

Behandlung & Therapie

Die Therapie einer Vermännlichung ist oftmals langwierig und kann sich über mehrere Jahre erstrecken. Wichtig ist es, die Behandlung nicht zu unterbrechen, da die Beschwerden sonst erneut auftreten können. Es bedarf also ein starkes Durchhaltevermögen, um einen Erfolg der Therapie zu erreichen.

Um die richtige Behandlung zu beginnen, muss zunächst die genaue Ursache für die Vermännlichung bekannt sein. Bei einem Tumor beispielsweise ist eine Operation unumgänglich, sowie eine nachfolgende Therapie. Liegt die Ursache für die Vermännlichung hingegen bei einem Defekt der Enzyme, wird eine Hormontherapie eingeleitet, bei der die Produktion der Androgene unterdrückt wird.

Die Wirkstoffe sind dabei ähnliche, wie jene, die in hormonellen Verhütungsmitteln verwendet werden. Je nachdem, wie stark die Vermännlichung ausgeprägt ist, kann sie auch ohne Hormontherapie gelindert werden, zum Beispiel bei Anzeichen an der Haut. Eine dauerhafte Epilation oder eine Behandlung mit Laser kann eine vermehrte Körperbehaarung lindern; die Wurzeln der Haare werden dabei zerstört und das Haarwachstum nimmt mit der Zeit nach und nach ab.


Vorbeugung

Einer Vermännlichung kann man nur dann vorbeugen, wenn die Ursache bei der Einnahme von Anabolika zu finden ist. Diese androgen wirkenden Präparate sollten nicht mehr eingenommen werden, damit die Vermännlichung nicht weiter fortschreitet. Es handelt sich dabei vorwiegend um Anabolika und Dopingmittel, welche dafür sorgen, dass Muskelmasse vom Körper rascher aufgebaut wird.

Nachsorge

Eine Vermännlichung stellt für die Patientinnen eine starke seelische Belastung dar. Deshalb wird die primäre Nachsorge in Form von psychotherapeutischen Sitzungen durchgeführt. Das Selbstwertgefühl der Betroffenen soll stabilisiert und psychische Störungen wie Depressionen verhindert werden. Die Erkrankten erfahren in ihrem näheren Umfeld häufig Mobbing oder Diskriminierung.

Eine Psychotherapie kann in diesen Fällen intervenieren und daraus hervorgehenden seelischen Schädigungen vorbeugen. Ein angemessener Umgang mit der Krankheit wird bei der psychologischen Nachbetreuung ebenfalls erlernt. Die Nachsorge bei einer Androgenisierung beschränkt sich nicht allein auf die Patientin. Angehörige können unter der Veränderung ebenfalls leiden und sich überfordert fühlen.

Dann erstreckt sich die psychologische Beratung auch auf sie. Bei der psychotherapeutischen Einrichtung haben sie eine Anlaufstelle, wo sie sich in der belastenden Situation professionellen Rat einholen können. Bei einer betroffenen Frau besteht die Nachsorge neben psychotherapeutischen Ansätzen zudem in der Konsultation eines Gynäkologen.

Die Androgenisierung kann nicht vollständig geheilt, sondern nur eingedämmt werden. Vom Facharzt werden Hormone verabreicht, die den Östrogenhaushalt regulieren sollen. Im Rahmen der Nachsorge werden die Östrogenwerte bei regelmäßigen Blutabnahmen kontrolliert. Ist eine erhöhte oder eine niedrigere Dosierung der Hormone erforderlich, wird die Menge bei der Nachsorge entsprechend angepasst.

Das können Sie selbst tun

Bei der Therapie der Vermännlichung wird zwischen der ursächlichen und der rein symptomatischen Behandlung unterschieden. Die ursächliche Behandlung zielt darauf ab, eine Grunderkrankung zu therapieren. Das beinhaltet beispielsweise ein Absetzen von sogenannten anabolen Steroiden, wie sie Sportlerinnen oftmals verwenden. Liegt bei Betroffenen jedoch eine Tumorerkrankung als Auslöser vor, bildet sich die Vermännlichung bei einer erfolgreichen Therapie danach von selbst langsam zurück.

In vielen Fällen der Betroffenen ist die Therapie einer Vermännlichung langwierig, da vielmals die eigentlichen Ursachen nicht bekannt sind. Im Falle einer Vermännlichung bei der zu viele Androgene in dem betroffenen weiblichen Körper produziert werden, kann durchaus eine spezielle Hormontherapie vielversprechend sein. Eine Einnahme von Hormonpräparaten, wie beispielsweise der Antibabypille ist allerdings nur eine reine symptomatische Therapie. Denn beim Absetzen der Hormone treten die Probleme erneut auf.

Ohne eine solche Hormontherapie müssen alle verschiedenen Symptome behandelt werden. Bei einer deutlichen Akne können spezielle Hautpflegeprodukte und reinigende Masken aus Heilerde verwendet werden. Bei verstärkter Körperbehaarung der Patienten können Techniken wie die Laserhaarentfernung genutzt werden. Die Behandlung einer Vermännlichung ist sehr langwierig und sollte individuell auf die Symptome der Betroffenen abgestimmt sein. Bis auf einen Verzicht auf Anabolikapräparate können betroffene Frauen kaum selber etwas tun, um eine auftretende Vermännlichung zu behandeln.

Quellen

  • Kleine, B., Rossmanith, W.G.: Hormone und Hormonsystem. Springer Verlag, Berlin 2010
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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