Variables Immundefektsyndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das variable Immundefektsyndrom, auch als Common variable immun deficiency - CVID - bekannt, ist ein angeborener Immundefekt. Im Rahmen des Defekts ist die Immunglobulinsynthese, vor allem das Immunglobulin G, äußerst niedrig.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das variable Immundefektsyndrom?

Die Patienten leider unter einer (manchmal stärker, manchmal geringeren) Verringerung der Antikörperklassen IgA, IgM sowie IgG.
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CVID beziehungsweise das variable Immundefektsystem ist eine angeborene Erkrankung, bei welcher die Betroffenen über sehr wenige oder gar keine Antikörper verfügen. Das Fehlen der Antikörper führt zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Vor allem leiden die Betroffenen vermehrt unter Magen-Darm-Trakt-Beschwerden sowie Infekte der Luftwege; die Auslöser sind Bakterien.

Der Defekt wird deshalb als „variabel“ bezeichnet, da die Defekte nicht immer an derselben Stelle des Immunsystems auftreten müssen. Aus diesem Grund kann sich das Krankheitsbild des CVID unterschiedlich gestalten, was einerseits die Behandlung, andererseits die Diagnose erschwert. CVID kommt in vielen Fällen erst zwischen dem 16. und 25. Lebensjahr zum Vorschein; die Erkrankung ist relativ selten, sodass sie bei 1:25.000 liegt.

Ursachen

Im Rahmen des variablen Immundefektsyndroms sind die B-Zellen zwar oftmals vorhanden, jedoch funktionsunfähig. Aus diesem Grund kann sich keine notwendige Zahl von Antikörpern bilden, die den Körper vor etwaigen Infekten schützt. Die Patienten leider daher unter einer (manchmal stärker, manchmal geringeren) Verringerung der Antikörperklassen IgA, IgM sowie IgG.

Bislang konnten die genetischen Ursachen, aus welchem Grund der Defekt entstehen kann, noch nicht geklärt werden. Jedoch sind Mediziner der Meinung, dass Frauen sowie Männer gleichmäßig von dem variablen Immundefektsyndrom betroffen sind. Familiäre Häufungen wurden bereits beobachtet, wobei die Mediziner derzeit noch die Meinung vertreten, dass das CVID nicht vererbt wird.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome werden in folgende Gruppen unterteilt: Störungen beziehungsweise Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt, Infektionen, Hauterscheinungen, Granulome, chronische Atemwegsinfekte, Veränderungen des lymphatischen Gewebes sowie Tumore und Autoimmunphänomene.

Zu den Infektionen zählen Atemwegsinfektionen durch Bakterien (Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis), Entzündungen des Gehirns durch die Enteroviren (Enzephalitiden) sowie Infektionen des Harntrakts (Mykoplasmen). Durchfall sowie eine ungenügende Nährstoff-Aufnahme sind genauso möglich wie chronische Atemwegserkrankungen (Bronchiektasen).

Im Rahmen der Veränderungen des lymphatischen Gewebes wurden Vergrößerungen der Milz sowie eine vergrößerte Leber dokumentiert (Hepato-Splenomegalie). Granulome sind ebenfalls Symptome und Anzeichen einer CVID; jene äußern sich durch Entzündungsherde im Körper, die vorwiegend die Organe (Lunge, Milz, Leber) sowie das Knochenmarkt betreffen.

Unter den Begriff der Autoimmunphänomene bezeichnet der Mediziner reaktive Gelenksentzündungen sowie auch den immunologisch bedingten Mangel an Blutplättchen; etwa 20 Prozent aller Betroffenen klagen über eine Immunthrombozytopenie. Mitunter kann auch eine immunologisch bedingte sowie perniziöse Anämie auftreten. Weitere Symptome sind Haarausfall, Granulome der Haut sowie auch die Weißfleckenkrankheit. Des Weiteren können sich auch Tumore (Thymome, Magenkrebs, maligne Lymphome) bilden.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Mediziner wird wohl, auf Grund immer wiederkehrender Atemwegsinfektionen, den Verdacht äußern, dass es sich mitunter um ein variables Immundefektsyndrom handeln könne. Jedoch kann auch ein sogenannter Zufallsbefund dazu führen, dass der Mediziner die Diagnose stellt. Nach der Verdachtsdiagnose bestimmt der Mediziner die Immunglobuline im Blut.

Im Rahmen der CVID ist das Immunglobulin G immer niedrig; im Regelfall liegt der Wert unter 3 g/l. In vielen Fällen sind aber auch die Immunglobuline A sowie M vermindert. Der Antikörpermangel ist der wesentliche Baustein und auch das Indiz, dass ein variables Immundefektsyndrom vorliegt. Damit aber tatsächlich die definitive Diagnose gestellt werden kann, muss der Mediziner etwaige andere Krankheiten, die durchaus einen Antikörpermangel verursachen können, ausschließen.

Dazu zählt etwa die monoklonale Vermehrung von sogenannten Immunglobulin-Leichtketten (auch als Bence-Jones-Myelom bekannt). Auch das nephrotische Syndrom (Eiweißverlust über die Nieren) und die exsudative Enteropathie (Eiweißverlust über den Darm) müssen im Vorfeld zur Gänze ausgeschlossen werden. Des Weiteren erfolgen auch spezielle immunologische Untersuchungen; so werden etwa die Subklassen der Immunglobulin B-Werte gemessen.

Die Prognose sowie der Krankheitsverlauf sind relativ schwer zu beurteilen. Auf Grund der IVIG-Therapie, welche seit geraumer Zeit angeboten wird, hat sich die Prognose deutlich verbessert. Jedoch bilden sich bei Personen, die an einem variablenImmundefektsyndrom erkrankt sind, mit der Zeit schwere Erkrankungen (etwa Autoimmunphänomene oder Tumore), die mitunter die Lebenserwartung drastisch verkürzen können.

Komplikationen

Im Rahmen des variablen Immundefektsyndroms können vielfältige Komplikationen auftreten, die insgesamt zur Senkung der Lebenserwartung beitragen. Genaue statistische Angaben liegen dazu nicht vor. Es wurde jedoch beobachtet, dass die regelmäßige Infusion mit Immunglobulinen zu einer Verbesserung der Prognose führt.

Als wichtigste Komplikationen treten schwere bakterielle Entzündungen der Atemwege, virale Hirnentzündungen, Durchfallerkrankungen durch Lamblien oder Infektionen der ableitenden Harnwege durch Mykoplasmen auf. Durch die chronischen Atemwegserkrankungen kann es zu Bronchiektasien kommen, die sich durch eine irreversible Ausweitung der Bronchien mit chronisch eiternden bakteriellen Infektionen der Bronchialwand auszeichnen.

An der Bronchialwand kommt es ständig zum Absterben von Gewebe (Nekrosen). Ohne ausreichende antibiotische Behandlung führen diese Infektionen häufig frühzeitig zum Tod. Weitere Komplikationen werden durch verschiedene Autoimmunreaktionen des Immunsystems hervorgerufen. Hierbei kann es zu reaktiven Gelenkentzündungen, Mangel an Blutplättchen, hämolytischer Anämie, perniziöser Anämie oder vielfältigen Entzündungsherden in den inneren Organen kommen.

Der Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) hemmt die Blutgerinnung und führt zu häufigen Blutungen. Hämolytische und perniziöse Anämien sind durch starken Blutmangel gekennzeichnet, der auf einen verstärkten Blutabbau oder eine mangelhafte Blutbildung zurückzuführen ist. Sowohl Thrombozytopenien als auch die Anämien können in schweren Fällen zum Tod führen.

Die Entzündungsherde in Leber, Lunge, Milz oder Knochenmark machen sich als Granulome bemerkbar. Schließlich können sich im Rahmen des variablen Immundefektsyndroms in einigen Fällen auch maligne Lymphome, Thymome oder Magenkrebs entwickeln.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei dieser Krankheit muss in der Regel immer eine Behandlung durch einen Arzt erfolgen. Nur durch eine frühe Diagnose mit der anschließenden Behandlung können weitere Komplikationen oder Beschwerden verhindert werden. Der Betroffene sollte daher schon bei den ersten Anzeichen einen Mediziner kontaktieren und eine Untersuchung durchführen lassen. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an chronischen Atembeschwerden leidet. In der Regel kommt es zu einem starken Husten und damit auch zu einer sehr geringen Belastbarkeit. Auch eine vergrößerte Leber kann auf diese Krankheit hindeuten.

Viele Patienten leiden auch an Haarausfall oder weißen Flecken, die sich auf dem gesamten Körper auf der Haut ausbreiten. Treten diese Symptome dauerhaft auf, so muss ein Arzt aufgesucht werden. Da die Krankheit auch die Wahrscheinlichkeit von Tumoren deutlich erhöht, sollten auch regelmäßige Untersuchungen der inneren Organe durchgeführt werden, um diese frühzeitige zu entdecken.

In der Regel kann die Krankheit durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Internisten erkannt werden. Die weitere Behandlung richtet sich jedoch nach der genauen Ausprägung der Beschwerden, sodass keine allgemeine Voraussage erfolgen kann. In vielen Fällen ist jedoch die Lebenserwartung des Betroffenen verringert.

Behandlung & Therapie

Eine Behandlung erfolgt nur, wenn jene auch notwendig ist beziehungsweise der Patient unter Beschwerden leidet oder mitunter andere Krankheiten aufgetreten sind, die auf Grund des variablen Immundefektsyndroms entstanden sind. Patienten, welche jedoch frei von Beschwerden und Symptomen sind, werden nicht behandelt.

Vor geraumer Zeit wurde eine neue Behandlungsmethode gefunden, welche auf der subkutanen oder intravenösen Infusion von Immunglobulinen beruht. Der Mediziner spricht im Rahmen der Behandlung von einer IVIG-Therapie. Bei der IVIG-Therapie verabreicht der Mediziner - alle zwei bis sechs Wochen - eine, je nach Körpergewicht, 200 bis 600 mg starke Dosierung. Entscheidet sich der Mediziner für eine subkutane Infusion, erfolgt eine geringere Dosierung, welche jedoch wöchentlich verabreicht wird.

Das Ziel der IVIG-Therapie besteht darin, dass der Wert des Immunglobulin G über 5 g/l gehalten wird. Treten des Weiteren Erkrankungen auf, welche typisch für das variable Immundefektsyndrom sind, werden die bakteriellen Infektionen mittels Antibiotika behandelt. Die Dosierung ist höher; die Einnahme dauert wesentlich länger als bei gesunden Personen.


Vorbeugung

Auf Grund der Tatsache, dass bislang keine Gründe, die einen Ausbruch des Immundefekts verursacht haben, gefunden werden konnten, sind keine vorbeugenden Maßnahmen bekannt.

Nachsorge

Das variable Immundefektsyndrom zählt zu den seltenen Immundefekten. Es ist erblich bedingt und wird durch mutierte Chromosome verursacht. Der Defekt löst unterschiedliche Folgeerkrankungen aus, die behandlungsbedürftig sind. Aus diesem Grund ist eine Nachsorge notwendig. Das Immundefektsyndrom als solches kann nicht therapiert werden. Daher erstreckt sich die Behandlung und Nachsorge auf die daraus resultierenden Krankheiten.

Das Ziel ist einerseits eine Ausheilung der vorliegenden Erkrankung, andererseits soll ein Rückfall vermieden und weitere körperliche Beschwerden verhindert werden. Die Lebensqualität des Betroffenen steht im Vordergrund. Weist der Patient keine Symptome auf, sind weder Therapien noch nachsorgende Kontrollen nötig. Die Form der Nachsorge hängt von der Krankheit an den betroffenen Organen ab. Der Patient wird mit entsprechenden Medikamenten behandelt, im Rahmen der Nachsorge werden die Verträglichkeit und die Heilung überprüft.

Die Nachsorge endet mit der erfolgreichen Beseitigung der Beschwerden. Bei der Vergabe von Antibiotika ist besondere Vorsicht geboten, da sie nicht über einen bestimmten Zeitraum hinweg eingenommen werden dürfen. Stellt das Immundefektsyndrom für den Betroffenen eine erhebliche seelische Belastung dar, empfiehlt sich neben der medizinischen Versorgung eine Psychotherapie. Depressionen oder affektive Störungen müssen unterbunden werden, die Lebensqualität des Patienten soll trotz chronischer Erbkrankheit erhalten bleiben.

Das können Sie selbst tun

Das Immundefektsyndrom ist durch die Schwächung des Immunsystems vor allem gegenüber viralen und bakteriellen Infekten, immer wieder eine Herausforderung im Leben der Patienten. Die Gammaglobuline der Betroffenen machen den Hauptteil aller Antikörper im Blutplasma aus. Diese sind jeweils auf einen ganz bestimmten Erreger ausgerichtet, von dem das Immunsystem schon einmal angegriffen wurde und die passende Immunantwort über die Immunglobuline M zeigt. Die Anpassung des alltäglichen Verhaltens sowie wirksame Selbsthilfemaßnahmen setzen dabei voraus, dass verursachende Faktoren dieser Erkrankung bereits bekannt sind. Die Krankheit kann genetisch verursacht sein oder auch aufgrund von bestimmten Umständen wie starkem Proteinmangel oder auch durch Chemotherapie ausgelöst werden.

Sollte die Erkrankung genetische Faktoren als Ursache haben, bestehen Selbsthilfemaßnahmen darin, sich von möglichst allen Infektionsherden deutlich fern zu halten. Das heißt, dass Kontakt mit beispielsweise erkälteten Mitmenschen vermieden werden muss, da das Immunsystem die aufgenommenen infektiösen Keime nicht abwehren kann. Das selbe Verhalten ist auch bei dem erworbenen Immundefektsyndrom zielführend um keine Verschlechterung des Krankheitszustandes herbeizuführen.

In solchen Fällen, in denen als Verursacher des Immundefektsyndroms andere ernstzunehmende gesundheitliche Störungen, wie beispielsweise Autoimmunerkrankungen oder Krebs in Betracht kommen, müssen diese schnellstmöglich abgeklärt werden. Denn nur dann kann frühzeitig wie möglich mit der effizienten Behandlung gegen das Immundefektsyndrom begonnen werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murphy, K., Travers, P., Walport, M.: Janeway – Immunologie. Spektrum, Heidelberg, 2010
  • Schütt, C., Bröker, B.: Grundwissen Immunologie. Spektrum, Heidelberg 2011

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