Unterkiefer

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Unterkiefer (lat. Mandibula) ist ein Teil des menschlichen Gesichtsschädels. Er bildet zusammen mit dem Oberkiefer den Kauapparat. Der Oberkiefer stellt dabei den unbeweglichen und der Unterkiefer den beweglichen Teil beim Kauvorgang dar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Unterkiefer?

Allgemein hat der Unterkiefer die Aufgaben, den Mundraum abzuschließen und die Kaubewegungen durchzuführen. Dies ist nur möglich, weil er aufgrund des Kiefergelenks in alle Richtungen beweglich ist.
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Der Unterkiefer des Menschen wird auch Kinnlade genannt. Er zählt zu den Knochen des Gesichtsschädels. Sein lateinischer Name Mandibula leitet sich vom lateinischen Wort „mandere“ für „kauen“ ab. Dies ist auf seine ausschlaggebende Funktion beim Kauvorgang zurückzuführen. Im Gegensatz zum fest mit den anderen Schädelknochen verwachsenen Oberkiefer ist der menschliche Unterkiefer beweglich.

Er ist mit dem Oberkiefer durch das Kiefergelenk verbunden. Daher kann er durch die Kaumuskulatur geöffnet, geschlossen und auch seitlich in beide Richtungen bewegt werden. Während der embryonalen Entwicklung entsteht der Unterkiefer aus dem ersten Kiemenbogen. Der ihn versorgende Unterkiefernerv Nervus mandibularis entwickelt sich analog dazu aus dem ersten Kiemenbogennerv.

Anatomie & Aufbau

Der eigentliche Unterkieferkörper Corpus mandibulae ähnelt in seiner gebogenen Form einem Hufeisen. Die Mitte des Bogens stützt das Kinn. An beiden Seiten besitzt der Unterkiefer je einen aufsteigenden Unterkieferast (Ramus mandibulae). An jedem Unterkieferast befindet sich ein Muskelfortsatz (Processus coronoideus), der zum Ansatz des Schläfenmuskels Musculus temporalis führt. Die Unterkieferäste münden jeweils in den Gelenkfortsatz Processus condylaris.

Zwischen dem Muskelfortsatz und dem Gelenkfortsatz gibt es eine Einkerbung (Incisura mandibulae). Der Gelenkfortsatz ergibt zusammen mit dem Kiefergelenksköpfchen Caput mandibulae das Kiefergelenk Articulatio temporomandibularis. Zwischen dem Kiefergelenksköpfchen und der Gelenkpfanne am Schädel liegt je eine bewegliche, puffernde Knorpelscheibe (Discus). An den Unterkieferästen setzen auch die Kaumuskeln an. Dabei handelt es sich um vier paarige Muskeln: Der Kaumuskel Musculus masseter, der Schläfenmuskel Musculus temporalis, der innere Flügelmuskel Musculus pterygoideus medialis und der äußere Flügelmuskel Musculus pterygoideus lateralis.

Jeweils an der Innenseite eines Unterkieferastes befindet sich eine Knochenzunge (Lingula mandibulae). Sie verdeckt das Unterkieferloch Foramen mandibulae. Durch die Unterkieferlöcher gelangt der Nerv der Unterkieferzahnfächer (Nervus alveolaris inferior) in den Unterkieferkanal (Canalis mandibulae). Dieser Nerv ist eine Verlängerung des Unterkiefernervs Nervus mandibularis Der Nervus alveolaris inferior zieht sich unter den Wurzelspitzen der Seitenzähne hindurch. Sein Endast ist der Kinnnerv Nervus mentalis. Er tritt durch das Kinnloch Foramen mentale im Bereich der Wurzelspitzen der Prämolaren aus dem Unterkieferkörper aus.

Weitere im Unterkiefer lokalisierte Nerven sind der Kaumuskelnerv Nervus massetericus, der Nervus temporalis profundi sowie der Nervus pterygoideus medialis und Nervus pterygoideus lateralis. Das Unterkieferloch wirkt auch als Durchtrittsstelle für die Untere Zahnfacharterie Arteria alveolaris inferior und die dazugehörige Vene Vena alveolaris inferior.

Funktion & Aufgaben

Allgemein hat der Unterkiefer die Aufgaben, den Mundraum abzuschließen und die Kaubewegungen durchzuführen. Dies ist nur möglich, weil er aufgrund des Kiefergelenks in alle Richtungen beweglich ist. Daneben ist er auch für die Erzeugung spezifischer Laute, wie zum Beispiel der menschlichen Sprache, notwendig.

Die vier Muskelpaare des Unterkiefers haben jeweils spezifische, einander ergänzende Funktionen. Der Kaumuskel (M. masseter) dient dem Kieferschluss, ebenso der Schläfenmuskel (M. temporalis). Letzterer wird außerdem zum Zurückziehen des Unterkiefers benötigt. Auch der innere Flügelmuskel (M. pterygoideus medialis) wirkt am Kieferschluss mit. Der äußere Flügelmuskel (M. pterygoideus lateralis) bewirkt das Öffnen und das Vorschieben des Unterkiefers. Zusätzlich realisiert er die Mahlgleitbewegungen zur linken und rechten Seite.

Die Nerven des Unterkiefers sind ebenfalls genauen Funktionsbereichen zugeordnet: Der Nervus alveolaris inferior ennerviert die Zähne und Zahnfächer des Unterkiefers. Der Kinnnerv dient der Versorgung der Haut von Kinn und Unterlippe. Der Kaumuskelnerv (N. massetericus) leitet Informationen vom und zum Kaumuskel. Die Nervi temporales profundi versorgen die Schläfenmuskeln. Die inneren und äußeren Flügelmuskeln werden jeweils vom Nervus pterygoideus medialis bzw. lateralis motorisch innerviert. Die Untere Zahnfacharterie (A. alveolaris inferior) und die jeweilige Vene (V. alveolaris inferior) dienen der Blutversorgung des Unterkiefers.


Krankheiten

Beschwerden des Unterkiefers treten fast immer kombiniert mit Störungen des gesamten Kauapparates auf. Der Befund bei Beschwerden im Kauapparat lautet daher in Deutschland häufig craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Dies ist eine Zusammenfassung von Störungen aus dem funktionellen, strukturellen, psychologischen und biochemischen Bereich. Sie äußert sich in Fehlregulationen der Gelenk- und Muskelfunktionen der Kiefergelenke.

Aufgrund ihrer weit gefassten und oft kombinierten Ursachen äußert sich die CMD in zahlreichen Symptomen: Die Kiefergelenke können beim Öffnen und Schließen reiben oder knacken. Teilweise ist die Fähigkeit, den Kiefer weit zu öffnen, stark eingeschränkt. Dadurch kann es auch zu Problemen beim Abbeißen, Lachen und Sprechen kommen. Vom Kiefer ausgehende Schmerzen können bis in die Zähne, den gesamten Mundraum, das Gesicht, den Kopf, den Nacken- und Schulterbereich und die Wirbelsäule ausstrahlen.

Manchmal stimmt plötzlich die Passung der Zähne zueinander nicht mehr. Auch Ohrenschmerzen, Tinnitus und Schwindelgefühle können durch (Unter-)Kieferprobleme verursacht werden. Ebenso Augenprobleme und Schluckbeschwerden. Im Allgemeinen geht man bei (Unter-)Kieferbeschwerden von einer entweder auf- oder absteigenden Symptomatik aus. Bei der aufsteigenden Symptomatik wirken sich Verschiebungen der Wirbelsäule auf die Halswirbelsäule und von dort auf die Kiefergelenke aus. Bei der absteigenden Symptomatik führen Ungleichgewichte im Kieferbereich zu Beschwerden in Nacken, Schultern und Wirbelsäule.

Die Ursachen für Störungen im (Unter-)Kieferbereich sind vielfältig. Sie können in bakteriellen und viralen Entzündungen der Kieferknochen und Kiefergelenke liegen. Häufige Ursache ist auch nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) aufgrund von psychischer Anspannung und/oder Zahnfehlstellungen. Da das Kiefergelenk das im Körper am häufigsten benutzte Gelenk ist, können mit zunehmendem Alter auch Verschleißerscheinungen auftreten (Kiefergelenksarthrose). Auch durch eine Verschiebung der Knorpelscheibe des Kiefergelenks können Schmerzen und Abnutzungserscheinungen entstehen.

Ansprechpartner für alle im CMD zusammengefassten Störungsbilder ist zunächst der Zahnarzt. Dieser wird dann bei Bedarf weitere, beispielsweise (kiefer-)orthopädische Leistungen anfordern.

Quellen

  • Schiebler T., Schmidt W., Zilles, K.: Anatomie. Steinkopff-Verlag, Heidelberg 2007
  • Schmidt, R., et al.: Physiologie des Menschen. Springer, Heidelberg 2010
  • Weber, T.: Memorix Zahnmedizin. Thieme, Stuttgart 2016

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