Tumorkachexie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Tumorkachexie bezeichnet die Auszehrung des Körpers in Folge einer Krebserkrankung. Dabei werden sowohl der Fett- als auch der Muskelabbau stimuliert. Die Tumorkachexie ist die häufigste Todesursache im Rahmen der Krebserkrankung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Tumorkachexie?

Innerhalb von zwölf Monaten verringert sich das Körpergewicht um mindestens fünf Prozent. Es kommt zu chronischen Entzündungen, Insulinresistenz und Depressionen.
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Eine eindeutige Definition für die Tumorkachexie gibt es noch nicht. Schon lange wird beobachtet, dass sich im Rahmen einer Krebserkrankung häufig eine Gewichtsreduzierung einstellt, die nur schwer zu behandeln ist. In Folge dieser Gewichtsreduzierung kommt es zu massiven Fett- und Proteinabbau im Körper. Der Organismus kann bis zu 80 Prozent an Körpermasse verlieren.

Die Annahme, dass sich diese Auszehrung nur auf den Verlust des Appetits zurückführen lässt, kann nicht aufrechterhalten werden. Denn selbst bei Aufnahme von kalorienreicher Nahrung konnte zumindest der Abbau der Skelettmuskulatur nicht gestoppt werden. Heute gilt die Tumorkachexie als ein hochkomplexes Syndrom im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung, welches noch nicht richtig verstanden ist.

Das Fehlen einer verbindlichen und standardisierten Definition für dieses Syndrom erschwert Behandlungsansätze enorm. Aufgrund unterschiedlicher Annahmen über die Zusammenhänge verlieren auch klinische Studien an Aussagekraft. Je nach Definition verändert sich auch der Prozentsatz an Patienten, die an der Tumorkachexie leiden. Das liegt daran, dass unterschiedliche Klassifikationskriterien zugrunde gelegt werden.

Ursachen

Die Ursachen für eine Tumorkachexie sind noch nicht eindeutig bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass der Tumor Botenstoffe produziert, die massiv in den Energiestoffwechsel eingreifen. Dabei entwickelt sich ein kataboler Stoffwechsel, wobei Fett- und Proteinabbau der Skelettmuskulatur angeregt werden. Interessant ist dabei, dass im Gegensatz zur Unterernährung neben dem Fettgewebe nur die Skelettmuskulatur betroffen ist.

Die inneren Organe verlieren bei der Tumorkachexie scheinbar nicht an Gewicht. Ein weiterer Faktor ist die Abnahme des Appetits infolge von Übelkeit, Antriebslosigkeit oder Depression. Auch die Ausschüttung appetithemmender Botenstoffe wird diskutiert. Die Tumorkachexie verstärkt sich im Rahmen eines selbstverstärkenden Prozesses immer mehr. Durch den Muskelabbau wird das Erschöpfungssyndrom immer ausgeprägter, was zu einer noch geringeren Nahrungsaufnahme führt und eine Anorexie (Appetitlosigkeit) zur Folge haben kann.

Zusätzlich führt auch eine Malabsorption der Nahrungsmittel im Darm als Folge der Beeinträchtigungen des Verdauungssystems zu einer Unterernährung. Weiterhin wurde festgestellt, weil in einem bestimmten Stadium der Krebserkrankung die Tumorzellen anfangen abzusterben. Dabei werden wiederum Botenstoffe freigesetzt, welche die Tumorkachexie noch befeuern.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Tumorkachexie äußert sich in einer unerklärlichen Gewichtsabnahme, die oft nicht durch eine verringerte Nahrungsaufnahme erklärt werden kann. Der Abbau der Skelettmuskulatur schreitet voran, was zu einer zunehmenden Muskelschwäche führt. In der Folge entwickelt sich ein Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom. Auch der Abbau des Fettgewebes verstärkt sich.

Innerhalb von zwölf Monaten verringert sich das Körpergewicht um mindestens fünf Prozent. Es kommt zu chronischen Entzündungen, Insulinresistenz und Depressionen. Die Lebensqualität ist schwer beeinträchtigt. Auch eine verstärkte Nahrungsaufnahme kann die Tumorkachexie nicht stoppen. Es kommt lediglich zu einer Fettzunahme. Der Abbau der Skelettmuskulatur geht jedoch weiter.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose Tumorkachexie ist in den meisten Fällen sehr schwierig. Voraussetzung für die Diagnose ist zunächst immer eine zugrunde liegende Krebserkrankung. Trotzdem müssen im Rahmen von Differenzialdiagnosen andere Ursachen wie Infektionen, Stenosen, Chemo- und Strahlentherapie oder Depressionen ausgeschlossen werden.

Ein Hinweis ist der verstärkte Abbau von Skelettmuskulatur, der auch bei erhöhter Nahrungsaufnahme nicht zu stoppen ist. Die Laboruntersuchungen sind oft nicht eindeutig. So ist der Gehalt an Humanalbumin im Serum bei Tumorkachexie erniedrigt. Die Werte können aber bei Leber- und Nierenerkrankungen verfälscht sein. In vielen Fällen führt sogar eine ausgeprägte Tumorkachexie erst zum Nachweis der zugrunde liegenden Krebserkrankung.

Komplikationen

Eine Tumorkachexie führt zu schwerwiegenden Komplikationen und Beschwerden. In der Regel hängt der weitere Verlauf sehr stark von der Grunderkrankung ab, sodass hierbei keine allgemeine Prognose gegeben werden kann. In vielen Fällen versterben die Betroffenen allerdings aufgrund der Tumorkachexie. Die Patienten leiden dabei an einem starken Gewichtsverlust und damit auch an Mangelerscheinungen.

Ebenso kommt es zu einem Abbau der Muskulatur und ebenso zu einem Abbau der Knochen. Die Muskeln selbst werden deutlich geschwächt und auch das Fettgewebe wird abgebaut. Weiterhin kann die Tumorkachexie zu einer dauerhaften Müdigkeit und Abgeschlagenheit des Patienten führen.

Diese kann nicht durch Schlaf ausgeglichen werden, sodass die Betroffenen keine anstrengenden Tätigkeiten mehr verrichten können. Weiterhin leiden die Betroffenen durch die Tumorkachexie an verschiedenen Entzündungen und Infektionen. Durch eine erhöhte Nahrungsaufnahme kann die Erkrankung allerdings nicht gestoppt werden.

Die Behandlung der Krankheit richtet sich immer nach der Behandlung des Tumors. Ob es dabei zu Komplikationen kommt, kann nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden. Wird der Tumor besiegt, so werden in der Regel auch die Beschwerden der Tumorkachexie besiegt. In vielen Fällen ist die Lebenserwartung des Patienten durch die Erkrankung allerdings deutlich verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei einer Tumorkachexie ist auf jeden Fall ein Besuch bei einem Arzt notwendig. In den meisten Fällen wird diese Beschwerde im Rahmen einer Krebserkrankung schon direkt durch einen Arzt erkannt und behandeln, sollte jedoch weiterhin überwacht werden, damit der Krebs erfolgreich besiegt werden kann. Je früher die Tumorkachexie erkannt wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf dieser Krankheit.

Ein Arzt ist aufzusuchen, wenn der Betroffene im Rahmen der Tumorkachexie stark an Gewicht verliert. Dabei werden auch die Muskeln stark abgebaut, wobei die Betroffene dauerhaft müde und abgeschlagen wirken. Sie können nicht mehr aktiv am Alltag teilnehmen und benötigen häufig Unterstützung durch ihre Mitmenschen.

Ebenfalls werden die Betroffenen häufig krank und leiden an Entzündungen, sodass auch dabei ein Arzt konsultiert werden sollte. In der Regel können die Beschwerden auch nicht durch eine erhöhte Zunahme von Nahrung gelindert werden. Bei dieser Krankheit sollte der Arzt kontaktiert werden, welcher die Krebserkrankung behandelt. Der weitere Verlauf hängt auch sehr stark vom Zustand des Betroffenen und von der Tumorerkrankung ab, sodass dabei in der Regel keine allgemeine Aussage getrffen werden kann.

Behandlung & Therapie

Die Therapie der Tumorkachexie gestaltet sich derzeit noch als sehr schwierig. Da ihr ein Tumor zugrunde liegt, ist eine Heilung dieses Syndroms nicht möglich, ohne den Krebs zu besiegen. Heute kann die Tumorkachexie nur palliativ behandelt werden, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Oft tritt die Tumorkachexie im Spätstadium des Tumors auf, sodass in vielen Fällen auch die Grundkrankheit (der Krebs) nicht mehr geheilt werden kann.

Nur die Lebenszeit kann durch Behandlung des Tumors mittels Chemo- oder Strahlentherapie verlängert werden. Eine erhöhte Nahrungsaufnahme kann die Tumorkachexie auch nicht stoppen. Es kommt lediglich zur Zunahme des Fettgewebes. Der Skelettmuskelabbau geht weiter. Für künftige Anwendungsmöglichkeiten liegt beispielsweise die Hoffnung auf dem Wirkstoff Ghrelin. Neben der Fettzunahme konnte sogar wieder ein Muskelaufbau erreicht werden. Der Wirkstoff Ghrelin unterliegt derzeit noch der medizinischen Erprobung.

Andere Wirkstoffe wie Cannabinoide oder Megestrol haben nicht die erhoffte Wirkung erbracht. Die Skelettmuskelmasse konnte nicht erhöht werden. Bei den Wirkstoffen zur Inhibierung von Akute-Phase-Proteinen hat sich nur Thalidomid als erfolgsversprechend erwiesen. Die Wirksamkeit wird derzeit noch getestet. Weiterhin werden Wirkstoffe geprüft, welche die Proteasom-Aktivität (Enzyme für Proteinabbau) hemmen. Viele Therapieansätze zur Behandlung von Tumorkachexie haben sich bis heute jedoch als unwirksam erwiesen. Die wirksamste Therapie wäre die Heilung der Krebserkrankung.

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Vorbeugung

Da die Tumorkachexie ein Symptom einer schwerwiegenden Tumorerkrankung ist, besteht nicht die Möglichkeit, ihr als eigenständiger Erkrankung vorzubeugen. So sollten Vorsorgeuntersuchungen zur Erkennung von Brustkrebs oder Darmkrebs vorgenommen werden. Dem Auftreten von Lungenkarzinomen kann durch den Verzicht auf das Rauchen vorgebeugt werden. Allgemein ist eine gesunde Lebensweise zu empfehlen.

Nachsorge

Betroffenen stehen bei der Tumorkachexie oftmals nur eingeschränkte Maßnahmen einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollte in erster Linie schon frühzeitig ein Arzt aufgesucht werden, damit es nicht zu weiteren Komplikationen oder zu anderen Beschwerden beim Betroffenen kommt. Je früher dabei ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung.

Daher sollten Betroffene bei den ersten Anzeichen der Krankheit einen Arzt kontaktieren. Mitunter ist ein operativer Eingriff notwendig. Es kommt dabei nicht zu besonderen Komplikationen, wobei sich Betroffene nach dem Eingriff ausruhen und ihren Körper schonen sollten. Hierbei ist von Anstrengungen oder von stressigen Tätigkeiten abzusehen, um den Körper nicht unnötig zu belasten.

Viele der Betroffenen sind aufgrund der Tumorkachexies auf die Hilfe und die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Dabei ist eine Unterstützung im Alltag sehr wichtig, wobei auch eine psychologische Unterstützung Depressionen und andere psychische Beschwerden verhindern kann. In der Regel verringert diese Krankheit nicht die Lebenserwartung des Betroffenen, wenn sie schon früh erkannt und behandelt wird. Ein allgemeiner Verlauf kann dabei jedoch nicht prognostiziert werden.

Das können Sie selbst tun

Die Tumorkachexie kann den durch die Grunderkrankung Krebs schon geschwächten Patienten weiter auszehren. Der Tumor verbraucht in diesem Stadium mehr Energie, als dem Körper durch eine durchschnittliche Ernährung zur Verfügung steht.

Um der Auszehrung soweit möglich Einhalt zu gebieten, sind im Alltag zunächst hochkalorische Nahrungsmittel sinnvoll. Fettreiche Speisen und viel Eiweiß liefern dem Körper Energie und können helfen, die Kachexie einzudämmen. Hierzu stehen Betroffenen auch Spezialnahrungen zur Verfügung. Diese gibt es auch als Sondenkost oder generell breiförmig oder als Trinknahrung, wenn das Schlucken nicht mehr möglich ist oder Schmerzen bereitet. Im Bereich der Selbsthilfe liegt der Fokus also auf einem sehr umfangreichen Nahrungsangebot, was ein deutliches Mehr an Kalorien verglichen mit dem Bedarf eines gesunden Menschen liefert.

Je nach Ausprägung der Erkrankung kann das Schwächegefühl bedingt durch die Tumorkachexie sehr immens sein. Patienten sollten deswegen regelmäßig vom zuständigen Hausarzt untersucht werden, der gegebenenfalls eine stationäre Einweisung veranlassen kann. Im Endstadium einer Tumorerkrankung können die Patienten oft nicht mehr soviel zu sich nehmen, wie dies nötig wäre, um die Kachexie zu stoppen. Viele Menschen möchten dies auch irgendwann nicht mehr, weil es ihre Kräfte übersteigt. Sie akzeptieren den Verlauf der Erkrankung. Eine gute Beratung und Begleitung der pflegenden Angehörigen im Alltag ist deswegen sehr wichtig.

Quellen

  • Pfeifer, B., Preiß, J., Unger, C. (Hrsg.): Onkologie integrativ. Urban & Fischer, München 2006
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014
  • Sauer, R.: Strahlentherapie und Onkologie. Urban & Fischer, München 2009

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