Temporallappen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Anatomie Temporallappen

Bei dem Temporallappen handelt es sich um den zweitgrößten Lappen des Großhirns. Er erfüllt mehrere wichtige Funktionen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist der Temporallappen?

Zu finden ist der Temporallappen innerhalb der mittleren Schädelgruppe, auch Fossa cranii media genannt. Der größte Teil des Schläfenlappens befindet sich im Bereich über den Ohren und knapp vor ihnen.
© jolygon – stock.adobe.com

Der Temporallappen ist auch als Schläfenlappen, Temporalhirn oder Lobus temporalis bekannt. Er bildet einen Teil des Großhirns und ist nach dem Frontallappen dessen zweitgrößter Lappen. Der Temporallappen gilt sowohl in seinen Funktionen als auch anatomisch als abwechslungsreicher Bestandteil des menschlichen Gehirns.

So sind in ihm wichtige Gedächtnisstrukturen, das Wernicke-Sprachzentrum sowie der primäre audiotorische Cortex enthalten. Der Schläfenlappen bildet den unteren und seitlichen Abschnitt des Großhirns. Seine Abgrenzung erfolgt gegen den Frontallappen (Lobus frontalis) und den Scheitellappen (Lobus parietalis). Auf der Hinterseite wird er von dem Hinterhauptlappen (Lobus occipitalis) abgegrenzt.

Anatomie & Aufbau

Zu finden ist der Temporallappen innerhalb der mittleren Schädelgruppe, auch Fossa cranii media genannt. Der größte Teil des Schläfenlappens befindet sich im Bereich über den Ohren und knapp vor ihnen. In Richtung Scheitel und Hinterhaupt geht er in den Scheitellappen und den Hinterhauptlappen über. Die Fissura lateralis, eine tiefe Furche, sorgt für die Trennung zwischen Temporallappen und Frontallappen. In der Tiefe befindet sich die Insula. Die beiden Schläfenlappen rahmen den Hirnstamm ein.

An der seitlichen Oberfläche des Temporallappens gibt es in der Regel drei Gehirnwindungen sowie zwei Furchen. Dabei handelt es sich um den Gyrus temporalis superior, den Gyrus temporalis medius, den Gyrus temporalis inferior sowie den Sulcus temporalis superior und den Sulcus temporalis inferior. Ein ähnliches Oberflächenrelief befindet sich auf der mittleren Fläche des Schläfenlappens. Dies sind der Gyrus parahippocampalis samt Uncus, der Gyrus occipitotemporalis medialis, auch Gyrus forsiformis genannt, sowie der Sulcus collateralis und der Sulcus occipitotemporalis lateralis.

Sowohl der hintere mittlere Teil als auch der Basalteil des Temporallappens erhalten ihre Blutversorgung durch die Arteria cerebri posterior (ACP). Für die Blutzufuhr des vorderen Mittelabschnitts und des seitlichen Teils sind die Äste der Arteria cerebri media zuständig. Das venöse Blut wird über die Vena media superficialis und die Vena superficialis descendentes cerebri im Sinus cavernosus sowie im Sinus transversus angesammelt.

Funktion & Aufgaben

Der Temporallappen übt einige wichtige Funktionen aus. Dazu gehört in erster Linie das Hören. So befindet sich das primäre Hörzentrum innerhalb der tiefen Fissura lateralis. In den Windungen kommt es zum Endabschnitt der Hörbahn. Diese ist für die Übertragung von Signalen der Sinneszellen in der Ohrschnecke verantwortlich.

Das primäre Hörzentrum trägt auch die Bezeichnung Heschl´sche Querwindungen und erreicht lediglich die Größe einer Briefmarke. Deutlich größer fallen die tertiären und sekundären audiotorischen Zentren aus, die sich in der mittleren und oberen Windung des Schläfenlappens befinden. Beinahe die gesamte corticale Fläche des Temporallappens wird von ihnen eingenommen. Am Übergangspunkt zwischen mittlerer und oberer temporaler Windung zu den Cortices des Hinterhautlappens kommt es zur Überschneidung von audiotorischen und visuellen Funktionen. Dort sind auch lexikalische Zentren untergebracht. Sie dienen zum Erkennen von gesprochenen und geschriebenen Worten. Das bekannteste Zentrum stellt das sensorische Wernicke-Sprachzentrum dar. Es befindet sich zumeist in der linken Hemisphäre.

Eine weitere bedeutende Aufgabe des Temporallappens ist das Riechen. Die Riechbahn findet am Uncus (Haken) ihr Ende. Bei dem Uncus handelt es sich um eine kleine Vorwölbung, die sich nach innen richtet. Unter den Riechrinden ist der Mandelkern (Amygdala) zu finden, der funktional zum limbischen System zählt. Unter anderem zeichnet die Amygdala für das Empfinden von Furcht verantwortlich.

Überaus wichtig ist der Schläfenlappen auch für das menschliche Gedächtnis. Dies gilt besonders für den Gyrus parahippocampalis, in dem sich der entorhinale Cortex befindet. Dieser bildet sozusagen eine Schnittstelle zwischen Dingen, die soeben erlebt wurden und der Erinnerung. So sorgen der entorhinale Cortex und die Hippocampusformation für die Eingabe von neuen Gedächtnisinhalten und das Abrufen von schon bestehenden Erinnerungen. Trotz des reichhaltigen Wissens über den Temporallappen, ist noch immer nicht genau bekannt, welche Funktionen in seinen vorderen Bereichen ausgeübt werden.


Krankheiten

Da der Temporallappen zahlreiche wichtige Funktionen wahrnimmt, können traumatische Läsionen zu folgenschweren Störungen dieser Gehirnstruktur führen.

Der erste bekannte Erkrankungsfall war bei dem amerikanischen Arbeiter Henry Gustav Molaison (1926-2008) zu verzeichnen. Molaison litt unter einer Epilepsie, die sich nicht erfolgreich behandeln ließ. Aus diesem Grund kam es in den 50er Jahren zur operativen Entfernung der medialen Abschnitte von beiden Schläfenlappen. Im Anschluss an den Eingriff trat bei Molaison eine erhebliche anterograde Amnesie auf. So konnte der Patient neu erlernte Dinge nicht mehr in sein Langzeitgedächtnis einfügen.

Zu den häufigsten Beeinträchtigungen des Schläfenlappens gehört die Temporallappenepilepsie. Die epileptischen Anfälle entstehen dabei im Mandelkern, dem Hippocampus sowie den angrenzenden Windungen. Mit einem Anteil von 27 Prozent ist die Temporallappenepilepsie die am häufigsten auftretende lokalisationsbezogene Epilepsie. Als typische Merkmale der epileptischen Anfälle gelten das Auftreten von viszeralen Auren sowie von unangenehmen Gefühlen im Magenbereich. Danach kommt es zu schmatzend-kauenden Mundbewegungen, Bewegungen am ganzen Körper und zum Verlust des Bewusstseins. Eine medikamentöse Behandlung der Temporallappenepilepsie gilt als schwierig.

Kommt es zu einer Läsion im assoziativen temporalen Cortex, hat dies oft audiotorische und visuelle Störungen zur Folge. Bemerkbar macht sich dies durch Probleme beim Identifizieren von Gesichtern oder Objekten. Mitunter lassen sich auch keine Melodien, Rhythmen oder Töne mehr erkennen.

Quellen

  • Frotscher, M., et al.: Taschenatlas Anatomie, Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Thieme, Stuttgart 2018
  • Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

Das könnte Sie auch interessieren