Stäbchen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Stäbchen werden die für das lichtempfindliche monochromatische Nachtsehen und für peripheres Sehen verantwortlichen Fotorezeptoren der Netzhaut bezeichnet. Die Hauptkonzentration der Stäbchen befindet sich außerhalb des zentral auf der Netzhaut gelegenen Gelben Flecks (Fovea centralis), der für Farb- und Scharfsehen bei Tag und bei heller Dämmerung hauptsächlich mit drei verschiedenen Typen von Zapfen bestückt ist.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Stäbchen?

Die Hauptfunktion der Stäbchen besteht in der Umwandlung (schwacher) Lichtimpulse in elektrische Nervenimpulse. Der Vorgang beinhaltet eine komplexe Signaltransduktionskaskade und läuft hauptsächlich im Außensegment ab.
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Die ca. 110 Millionen Stäbchen auf der Netzhaut sind Fotorezeptoren, die auf Lichtimpulse sehr viel empfindlicher reagieren als die etwa 6 Millionen Zapfen. Die Stäbchen sind daher für das Nachtsehen (skotopisches Sehen) und das Sehen bei dunkler Dämmerung prädestiniert. Weil es nur einen Typus von Stäbchen gibt, die insbesondere auf Licht im blaugrünen Spektralbereich empfindlich reagieren, wird das Sehen unterhalb einer bestimmten Helligkeit monochromatisch.

Verschiedene Farben werden nicht mehr wahrgenommen. Die hohe Lichtempfindlichkeit geht zum Teil zu Lasten des Kontrastes. Weil bis zu 20 Stäbchen Lichtimpulse über Bipolarzellen an das gleiche Ganglion melden, kann das Sehzentrum im Gehirn den Lichtimpuls nicht mehr so genau verorten wie bei den Zapfen, die vielfach im Verhältnis 1:1 mit „ihren“ Ganglien verschaltet sind. Obwohl das Umwandlungsprinzip von Lichtimpulsen in elektrische Nervensignale bei Stäbchen und Zapfen prinzipiell nahezu gleich ist, sind die Meldungen der Stäbchen deutlich schneller als die der Zapfen, weil weniger Zwischenverschaltungen vorhanden sind. Das führt dazu, dass Stäbchen nicht nur auf Licht, sondern auch auf bewegte Objekte im peripheren Gesichtsfeld extrem sensibel reagieren.

Anatomie & Aufbau

Der Aufbau der Stäbchen ist denen der Zapfen ähnlich, allerdings sind die Stäbchen schlanker und verwenden als Sehpigment Rhodopsin, dessen höchste Empfindlichkeit im blaugrünen Bereich bei 498 Nanometer liegt. Die Stäbchen bestehen aus Zellkörper, Synapse, Innensegment, Verbindungscilium und Außensegment.

Das Innensegment sorgt für den Zellmetabolismus und mittels Tausender von Mitochondrien im Nukleus für den Energiestoffwechsel, während im Außensegment die Umwandlung der Lichtimpulse in elektrische Nervensignale, die visuelle Signaltransduktion, stattfindet. Das Außensegment enthält mehr als 1.000 sogenannte Disks, in denen das Sehpigment Rhodopsin bevorratet ist.

Die Disks sind aus ehemaligen Membraneinstülpungen entstanden, die sich im Laufe der Evolution von der Außenmembran gelöst haben. Im Gegensatz dazu sind die Membraneinstülpungen in den Außensegmenten der Zapfen noch als solche erkennbar, weil sie Teil der Membran geblieben sind. Das randständige Verbindungscilium, das aus nonagonalen Mikrotubuli (9-seitiges Polygon) besteht, dient der mechanischen Stabilisierung der Verbindung zwischen Innen- und Außensegment und dem Stofftransport zwischen den beiden Segmenten.

Funktion & Aufgaben

Die Hauptfunktion der Stäbchen besteht in der Umwandlung (schwacher) Lichtimpulse in elektrische Nervenimpulse. Der Vorgang beinhaltet eine komplexe Signaltransduktionskaskade und läuft hauptsächlich im Außensegment ab. Die erste Stufe besteht in der Reaktion des Sehpigments Rhodopsin, das aus Opsin und dem Carotinoid 11-cis-Retinal besteht. Nach dem Lichteinfall isomerisiert das 11-cis-Retinal zum all-trans Isomer und löst sich wieder vom Rhodopsin.

Anders als bei der Aktivierung anderer Neurone, die in der Regel durch eine kurzzeitige Depolarisierung von -65 mV auf +10 bis +30 mV zur Ausschüttung eines Neurotransmitters angeregt werden, funktioniert das bei den Fotorezeptoren genau anders herum, die mit etwa -40 mV negativ geladenen Synapsen werden kurzzeitig auf -65 mV hyperpolarisiert, so dass sie die Ausschüttung von Glutamat, ihres spezifischen Neurotransmitters, kurzzeitig verringern oder einstellen.

Die Erzeugung des entsprechenden Nervenimpulses erfolgt also nicht durch die Ausschüttung eines Botenstoffes, sondern durch die Verringerung der Ausschüttung. Falls kein Licht auf die Rezeptoren trifft (Ruhestellung), wird an den Synapsen der Fotorezeptoren ständig Glutamat ausgeschüttet. Das hat den Vorteil, dass die nachgelagerten Ganglien den Nervenreiz graduell je nach Stärke des Lichteinfalls variieren können, also eine Art analoges Signal erzeugen, das den Sehzentren nicht nur die räumliche Zuordnung der Lichtpunkte erlaubt, sondern auch noch ihre Helligkeit.

Die Eigenschaft der Stäbchen, gegenüber Objekten im peripheren Gesichtsfeld, die sich gegenüber ihrer Umgebung bewegen, äußerst sensibel zu reagieren, diente ursprünglich unserem Schutz. Sich seitlich nähernde Feinde oder Raubtiere wurden frühzeitig bemerkt. Heute spielt diese Fähigkeit der Stäbchen eine Rolle in der Sichtfliegerei, indem sich seitlich nähernde Objekte frühzeitig bemerkt werden und Ausweichmanöver eingeleitet werden können.


Krankheiten

Funktionsstörungen der Stäbchen machen sich vor allem in eingeschränkter Nachtsichtfähigkeit bemerkbar. Eine weit verbreitete reversible Nachtblindheit stellt sich bei einer Unterversorgung von Vitamin A vor, weil sich dann nicht genügend Sehpigment Rhodopsin an den Disks im Außensegment der Stäbchen einlagern kann.

Symptome einer Funktionsstörung der Stäbchen lassen sich auch an verstärkter Blendungsempfindlichkeit z. B. durch entgegenkommenden Verkehr erkennen. Außer von der Unterversorgung durch Vitamin A und durch Nervenläsionen infolge eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT), eines Hirntumors oder durch andere Verletzungen, sind die Funktionsstörungen der Stäbchen meist auf genetische Defekte zurück zu führen. Es handelt sich meist um Gendefekte, die zu Netzhautdystrophien verschiedener Art führen und eine allmähliche Zerstörung der Fotorezeptoren in der Netzhaut bewirken.

Die Retinitis pigmentosa ist eine Netzhautdystrophie, die von außen nach innen fortschreitet. Das bedeutet, dass die Stäbchen als erstes betroffen sind und sich die typische Nachtblindheit und Blendungsempfindlichkeit einstellt obwohl das Tagsehen hinsichtlich Schärfe und Farbensehen (noch) keine Einschränkungen hat. Andere Netzhautdystrophien wie die Zapfen-Stäbchen-Dystrophie (ZSD) schreiten von innen nach außen voran, so dass zunächst die Zapfen und erst später die Stäbchen betroffen sind.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Kugler, P.: Der Menschliche Körper. Anatomie, Physiologie, Pathologie. Urban & Fischer/ Elsevier, München 2017
  • Sachsenweger, M.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2003

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