Stuhlinkontinenz

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Stuhlinkontinenz oder anale Inkontinenz, im Fachausdruck anorektale Inkontinenz, ist die, in allen Altergsruppen auftretende, Unfähigkeit, den Stuhlgang oder Darmgase zu kontrollieren und führt zu einer spontanen, unwillkürlichen Darmentleerung. Diese Erkrankung, die in drei Schweregraden auftreten kann, ist mit hohen psychosozialen Belastungen verbunden und erfordert umfangreiche therapeutische Maßnahmen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Stuhlinkontinenz?

Das Hauptsymptom einer Stuhlinkontinenz ist ein Unvermögen, Darmgase sowie Stuhl nicht willkürlich im Enddarm behalten zu können.
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Die anorektale Inkontinenz wird in drei Schweregrade unterteilt: Im ersten Grad, dem leichten Stadium, gehen Darmwinde unkontrolliert ab.

Betroffene des zweiten, mittleren, Grades können keinen dünnflüssigen Darminhalt halten und im dritten, dem schweren, Stadium liegt ein völliger Kontrollverlust über die Darmentleerung vor, auch fester Stuhl kann nicht mehr zurückgehalten werden.

Die Einteilung in Schweregrade vernachlässigt wichtige Aspekte der Stuhlinkontinenz wie die Häufigkeit der unkontrollierten Darmentleerung und soziale Probleme der Betroffenen. Bisher wurde keine genaue Einteilung vorgenommen, die diese Aspekte berücksichtigt.

Unter Stuhlinkontinenz leiden circa drei Prozent der deutschen Bevölkerung aller Jahrgänge, wobei sich eine deutliche Häufung im Alter und bei Frauen feststellen lässt. Eine verwandte Kinderkrankheit ist die Enkopresis, das wiederholte, freiwillige oder unfreiwillige Einkoten ab dem 4. Lebensjahr.

Ursachen

Stuhlinkontinenz hat zahlreiche verursachende Faktoren, von denen mehrere zusammenkommen müssen, um die Krankheit auszulösen. Fällt nur ein den Stuhlgang steuernder Mechanismus aus, so hat der Körper ausreichende Kompensationsmechanismen, um die Stuhlinkontinenz zu verhindern.

Die häufigsten Ursachen sind:

Schädigung des Schließmuskels am Anus, zum Beispiel durch den Dammriss, nach operativen Eingriffen, zum Beispiel Fistel- oder Hämorrhoiden-Operationen, und durch "Hervorrutschen" von Analkanal oder Enddarm aus ihrer natürlichen Lage. Eine Beckenbodenschwäche kann ebenfalls zu den Ursachen gehören. Diese wird verursacht durch starkes Übergewicht, Muskel- und Bindegewebsschwäche und kann nach Geburten auftreten. Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn, können die anorektale Inkontinenz ebenfalls auslösen.

Auch bei Nervenschädigungen durch Schlaganfälle, größere Beckenoperationen, Bandscheibenvorfälle, Querschnittslähmung oder Medikamente kann es zu Stuhlinkontinenz kommen.

Eine seltene Ursache sind psychische Probleme wie traumatische Erfahrungen und Psychosen. Auch der Missbrauch von Abführmitteln kann Stuhlinkontinenz verursachen. Zuletzt sind auch Patienten mit Demenzerkrankungen häufig von dieser Belastung betroffen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Hauptsymptom einer Stuhlinkontinenz ist ein Unvermögen, Darmgase sowie Stuhl nicht willkürlich im Enddarm behalten zu können. Charakteristische Anzeichen der Erkrankung sind ein wiederholter unwillkürlicher Stuhlverlust („Stuhlunfälle“), durch Kot verunreinigte Unterwäsche, eine allgemeine Unfähigkeit, den Abgang von Blähungen zu kontrollieren, sowie die unkontrollierte Öffnung des Darms.

Je nachdem, welche Form der Stuhlinkontinenz konkret vorliegt, kann sich die Erkrankung auf unterschiedliche Arten bemerkbar machen. Im Falle einer sensorischen Stuhlinkontinenz bemerken die Betroffenen den Stuhldrang nicht. Betroffene mit Dranginkontinenz bemerken zwar den Stuhldrang, sind jedoch nicht in der Lage, diesen zu kontrollieren, und müssen sich beeilen, es rechtzeitig zu einer Toilette zu schaffen.

Häufig ist die Konsistenz des Stuhls dabei ausschlaggebend. Rund die Hälfte der Betroffenen kann lediglich weichen und breiigen Stuhl nicht halten. Bei einem Drittel tritt dieses Unvermögen auch dann auf, wenn der Stuhl fest ist. In vielen Fällen tritt eine Stuhlinkontinenz in Kombination mit Verstopfung auf.

Die Betroffenen leiden zudem häufig an starken Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlgängen, die viel Zeit in Anspruch nehmen können. Selten tritt auch eine Überlaufinkontinenz auf, bei der die Betroffenen zwar an Verstopfung leiden, aber dennoch Durchfall haben, der sich am harten Stuhl vorbeidrückt.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnostik der Stuhlinkontinenz erfolgt in einer ausführlichen Anamnese zu Beschwerdebeginn, Begleitumständen und vorliegenden Erkrankungen durch einen Proktologen erfolgen. Es folgt die rektale Untersuchung des Enddarmes, um mögliche Veränderungen feststellen zu können.

Ist eine weitere Untersuchung erforderlich, so veranlasst der Proktologe eine Proktoskopie des Analkanals oder die Rektoskopie des Mastdarmes. Die Spiegelung des gesamten Darmes, die Koloskopie, kann ebenfalls nötig werden, wird jedoch aufgrund des hohen Aufwandes selten genutzt.

Während der Spiegelungen kann der Arzt Gewebeproben von der Darmschleimhaut und/oder Abstriche von der Analschleimhaut entnehmen und mikroskopisch beurteilen. Die Schließmuskelfunktion kann bei einer Druckmessung elektronisch ermittelt werden. Bildgebende Verfahren können sinnvoll sein, darunter die Röntgenuntersuchung des Enddarms unter Kontrastmitteln.

Komplikationen

Stuhlinkontinenz führt vor allem auf der psychischen Ebene zu Komplikationen. So führt der ungewollte Abgang von Darmwinden und Kot oftmals dazu, dass Betroffene sich selbst sozial isolieren. Sie nehmen an Aktivitäten nicht mehr teil und meiden soziale Ereignisse. Zeitgleich verschweigen viele Betroffene ihr Leiden ihrem Umfeld oder auch ihrem Arzt, was bei organischen Ursachen dazu führen kann, dass eine mögliche Behandlung ab einem gewissen Punkt nicht mehr effektiv ist.

Beim Vorliegen von Hämorrhoiden, einer Colitis oder anderer Infektionen und Abzesse im entsprechenden Bereich als Ursache der Stuhlinkontinenz, kann ein Verschleppen zu einer Ausweitung der Entzündung führen und bis zur völligen Zerstörung des Gewebes reichen. Die operativen Maßnahmen zur Behandlung einer Stuhlinkontinenz beinhalten die üblichen Risiken für Komplikationen während oder nach einer Operation.

Ergänzend ist zu nennen, dass Maßnahmen, die auf eine operative Veränderung des Darmausganges hinzielen (mittels Eigengewebe oder durch ein "STARR"-Implantat beispielsweise), zu Schmerzen und Entzündungen des Afters oder Darms führen können. Auch Blutungen können auftreten. Weitere Komplikationen im Zusammenhang mit der Stuhlinkontinenz ergeben sich aus der Vielzahl der möglichen Leiden, die als Ursache in Frage kommen. Hier ist die entsprechende Krankheit zu betrachten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Bei anhaltenden oder wiederholt auftretenden Störungen der Darmentleerung sollte ein Kontrollbesuch bei einem Arzt stattfinden. Kommt es zu Verstopfungen, Durchfall oder Blut im Stuhl, besteht Handlungsbedarf. Kann die Darmentleerung nicht willentlich reguliert werden, liegt eine Störung vor, die untersucht und behandelt werden sollte. Eine Diagnosestellung ist notwendig, damit ein individueller Behandlungsplan erstellt werden kann. Kommt es zu einer spontanen Darmentleerung am Tag oder während des Nachtschlafes, ist ein Arztbesuch anzuraten.

Liegen die Ursachen in einer falschen Ernährung, der Einnahme von Medikamenten oder leidet der Betroffene unter einem starken Stresserleben, sind die Beobachtungen mit einem Arzt zu besprechen. Auffälligkeiten und Besonderheiten, die unmittelbar vor der plötzlichen Darmentleerung stattfinden, sollten dokumentiert und dem Arzt vorgelegt werden. Eine Abnahme des Wohlbefindens sowie eine Zunahme der psychischen Belastbarkeit sind Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Halten die Beschwerden über mehrere Wochen oder Monate an, benötigt der Betroffene eine ärztliche Untersuchung.

Eine verringerte sexuelle Aktivität, zwischenmenschliche Probleme oder ein Rückzugsverhalten des Betroffenen sind Hinweise für Unregelmäßigkeiten. Es können körperliche Erkrankungen vorliegen, die abgeklärt werden müssen. Blähungen oder unangenehme Körpergerüche sind weitere Anzeichen, denen nachgegangen werden sollte. Treten starke Bauchschmerzen oder Unterleibsbeschwerden auf, ist ebenfalls ein Arztbesuch notwendig.

Behandlung & Therapie

Die Ursache der anorektalen Inkontinenz bestimmt ihre Therapie. Eine gesunde Ernährung mit Regulierung des Stuhlganges ist ebenfalls anzuraten, um durch die Regelmäßigkeit der Darmentleerung Kontrolle wiederzuerlangen. An dieser Stelle greifen auch die Gabe von Abführmitteln zu einer bestimmten Zeit und das Toilettentraining. Dieses wird über mehrere Wochen und mit Hilfe eines Stuhltagebuches geführt und soll Darm und Patienten an eine regelmäßige, kontrollierbare Darmentleerung gewöhnen.

Liegt eine Funktionsunfähigkeit des Schließmuskels vor, so können Operationen notwendig werden. Entweder legt man dem Patienten einen künstlichen oder körpereigenen Schließmuskelersatz oder es wird ein künstlicher Darmausgang gelegt.

Vielversprechend bei neuronalen Ursachen ist die moderne sakrale Nervenstimulation. Hierbei wird der Schließmuskel durch einen Schrittmacher so stimuliert, dass er sich zusammenzieht und den Stuhl zurückhält und Entleerungen nur zu passenden Zeitpunkten erfolgen.

Zur Therapie gehört des Weiteren die Inkontinenzversorgung mit Hilfsmitteln, die die Beschmutzung von Wäsche und Kleidung verhindern sollen. Nach individuellen Kriterien und Voraussetzungen werden beispielsweise Windeln, Inkontinenzhosen, Analtampons oder Stuhlbeutel bei immobilen Patienten eingesetzt.


Vorbeugung

Es gibt wenige präventive Maßnahmen gegen die Stuhlinkontinenz. Beckenbodengymnastik ist nicht nur während und nach einer Schwangerschaft und Geburt sinnvoll, sie ist grundsätzlich und geschlechtsunabhängig anzuraten. Sie wirkt einerseits präventiv, kann andererseits aber auch funktionelle Ursachen der Stuhlinkontinenz auffangen.

Nachsorge

Stuhlinkontinenz kann wirkungsvoll mit Beckenbodengymnastik begegnet werden - via Beckenbodengymnastik lassen sich die Muskeln im Anal- sowie Beckenbereich gezielt stärken. Das Beckenbodentraining zeigt gute Ergebnisse insbesondere bei Patienten mit Bindegewebsschwäche, aber auch bei Frauen nach mehreren Geburten. Zwecks Training der Beckenbodenmuskulatur kann man Vaginalkonen verwenden.

Auch eine Änderung der Toilettengewohnheiten, ein sogenanntes Toilettentraining, kann Erleichterung verschaffen - mit spezifischen Verhaltenstherapie-Techniken, zum Beispiel mit der Einführung regelmäßiger Zeiten beim Toilettengang. Darüber hinaus stellt das Biofeedback eine effektive Maßnahme im Kampf gegen die Stuhlinkontinenz dar: Hier lernt der Betroffene, seine Schließmuskelspannung bewusst wahrzunehmen sowie entsprechend zu steuern.

Dazu wird ein kleiner Ballon in den Analkanal eingebracht. Dies führt dazu, dass der Patient den Schließmuskel anspannt. Ein Signal zeigt an, sobald sich ein bestimmter Kneifdruck eingestellt hat. Das Biofeedback-Training orientiert sich an einem individuell konzipierten Übungsplan und hilft vielen Patienten. Ein weiteres Verfahren stellt die Elektrostimulation dar: Hier hilft ein schwacher Stromfluss, ein Reizstrom, den Schließmuskel zu stimulieren - letzterer wird auf diese Weise passiv angespannt.

Spürbare Effekte treten allerdings erst nach einigen Wochen auf. Das bedeutet: Die Patienten benötigen Durchhaltevermögen. Und nicht zuletzt hilft in vielen Fällen bereits eine Ernährungsumstellung, beispielsweise die vermehrte Aufnahme ballaststoffreicher Nahrungsmittel. Dadurch lässt sich das Stuhlvolumen erhöhen, die Stuhlkonsistenz normalisieren.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Stuhlinkontinenz empfiehlt sich Beckenboden-Gymnastik. Das tägliche Training der Beckenbodenmuskeln stärkt das Bindegewebe und und die Muskulatur. Dadurch wird im besten Fall die Fähigkeit verbessert, Stuhl zu behalten.

Zu einem guten „Toilettentraining“ gehört auch das Einführen regelmäßiger Toilettenzeiten. Weiß der Patient, wann er den Drang verspürt, kann er seinen Alltag gezielt danach ausrichten. Beim Biofeedback nimmt der Patient seine Schließmuskelspannung bewusst war. Der individuell festgelegte Übungsplan kann von den Patienten Zuhause durchgeführt werden. Begleitend dazu ist eine Elektrostimulation der Schließmuskelfunktion möglich. Hierbei regt ein schwacher Stromfluss die Spannung des Schließmuskels an.

Unmittelbar nach einem Eingriff am Schließmuskel gelten Ruhe und Schonung. Operationen wie die Kolostomie oder die Prolaps-Operation stellen eine größere Belastung für den Körper und insbesondere den Magen-Darm-Trakt dar. Der Patient sollte sich an die verordnete Diät halten und den Schließmuskel keinen unnötigen Belastungen aussetzen, bis die Beschwerden vollständig auskuriert wurden. Zuletzt müssen die Patienten die ärztlich verordneten Maßnahmen einhalten und die Symptome sorgfältig beobachten. Je umfassender die Erkrankung studiert wird, desto gezielter kann der Patient auch selbst dagegen vorgehen.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Messmann, H.: Klinische Gastroenterologie. Thieme, Stuttgart 2012

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