Still-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Still-Syndrom ist eine Form von Rheuma, die bei Kindern auftritt. Die Krankheit wirkt sich auf den gesamten Körper aus und verursacht Fieber, Hautausschlag und Schwellung von Lymphknoten, Leber und/oder Milz. Dreiviertel der Betroffenen sind als Erwachsene symptomfrei.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Still-Syndrom?

Das betroffene Kind fiebert zunächst täglich, woraufhin sich mindestens ein Gelenk im Körper entzündet. Das Fieber dauert zwei Wochen oder länger, wobei es möglicherweise an- und abschwillt, jedoch täglich wieder auftritt.
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Beim Still-Syndrom handelt es sich um eine rheumatische Erkrankung von Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Jungen und Mädchen erkranken etwa gleich häufig. Die Medizin bezeichnet es auch als systemische juvenile idiopathische Arthritis (sJIA). Der Zusatz „systemisch“ weist darauf hin, dass die Erkrankung sich nicht auf einzelne Körperregionen beschränkt, sondern sich auf den gesamten Organismus ausweitet.

Als Frederic Still das nach ihm benannte Syndrom erstmals beschrieb, waren die Ursachen noch gänzlich unklar („idiopathisch“) – auch heute gibt es nur grobe Theorien über seine Entstehung. Neben dem Still-Syndrom existieren andere Varianten der JIA; von allen Erkrankten leiden etwa 10 bis 20 Prozent unter der systemischen Form.

Ursachen

Obwohl verschiedene Theorien über die Ursachen des Still-Syndroms existieren, gibt es noch immer großen Forschungsbedarf, um die Mechanismen hinter der Entstehung der Krankheit zu verstehen. Die Forschung diskutiert dazu sowohl Gene als auch Umwelteinflüsse. Eine Entstehungstheorie zum Still-Syndrom beschäftigt sich mit dem Immunsystem.

Möglicherweise lösen bestimmte Gene eine Autoimmunreaktion aus, bei der sich das Abwehrsystem des Körpers fälschlicherweise gegen sich selbst richtet. Darauf weisen unter anderem einige Symptome des Still-Syndroms hin; zum Beispiel ist es typisch für Autoimmunkrankheiten, dass die Lymphknoten anschwellen oder sich Hautausschlag bildet.

Darüber hinaus zieht die Medizin jedoch auch äußere Einflüsse als Ursache in Betracht. Sie diskutiert beispielsweise, inwiefern eine Infektion als Auslöser infrage kommt. Der Parvovirus B19 scheint in dieser Hinsicht sehr vielversprechend zu sein. Er befällt in erster Linie Menschen und ruft nach erfolgreicher Infektion die Ringelröteln hervor. Bei dieser Krankheit breitet sich der Hautausschlag (Exanthem) über Gesicht und Rumpf aus.

An Armen und Beinen manifestiert er sich nur an der Streckerseite. Fieber und Juckreiz sind weitere Symptome. Ringelröteln gehören heute zu den seltenen Krankheiten und ziehen meistens keine schwerwiegenden Folgen oder Komplikationen nach sich. Allerdings begünstigt eine Ringelröteln-Infektion das Auftreten von Arthritis – das mögliche Verbindungsglied zwischen dem humanen Parvovirus B19 und dem Still-Syndrom.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das betroffene Kind fiebert zunächst täglich, woraufhin sich mindestens ein Gelenk im Körper entzündet. Das Fieber dauert zwei Wochen oder länger, wobei es möglicherweise an- und abschwillt, jedoch täglich wieder auftritt. Die Gelenkentzündung zeigt sich innerhalb der nachfolgenden sechs Monate. Über die Haut kann sich ein lachsfarbenes Exanthem ausbreiten, das unbeständig und kleinfleckig ist.

Das Still-Syndrom wirkt sich außerdem sehr stark auf die inneren Organe aus. Neben den Lymphknoten schwellen eventuell auch die Milz und die Leber an. Möglicherweise entzünden sich die dünne Haut, welche die Organe umgibt (Serositis), das Herz (Karditis), die Iris und/oder der Zilliarkörper (Iridozyklitis). Des Weiteren leiden Betroffene unter Umständen an Blutarmut.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Das Still-Syndrom beginnt in der Regel schleichend zwischen dem zweiten und achten Lebensjahr, häufig vor dem vierten. Nach dem ersten Fieber manifestieren sich die Gelenkentzündungen in einem Zeitraum von sechs Monaten. Die Fingergelenke entzünden sich oft als erstes; die Medizin spricht von der „Still-Hand“, wenn die Gelenke symmetrisch spindelförmig anschwellen.

Die Krankheit verläuft in der Regel chronisch; Dreiviertel der Patienten leiden im Erwachsenenalter nicht mehr unter den Symptomen. Im ungünstigeren Fall sind jedoch schwere Zerstörungen der Gelenke die Folge. Für die Diagnostik ist eine ausführliche Anamnese von großer Bedeutung. Ärzte untersuchen das Blut und können so Hinweise auf Entzündungen feststellen. Röntgenbilder der potenziell betroffenen Gelenke zeigen nicht nur, wie weit die Gelenkentzündungen über den Körper verbreitet sind, sondern auch wie stark die Zerstörung der einzelnen Gelenke ist.

Komplikationen

Das Still-Syndrom führt zu vielen unterschiedlichen Beschwerden. In der Regel leiden die betroffenen Kinder an einem sehr hohen Fieber. Es kommt zu einer Müdigkeit und zu einer Abgeschlagenheit. Weiterhin tritt auch eine Entzündung auf, die in den meisten Fällen ein Gelenk betrifft. Auch mehrere Gelenke können sich dabei entzünden. Die Kinder leiden an starken Schmerzen und Schwellungen.

Aufgrund der Schmerzen kommt es auch zu Einschränkungen in der Bewegung und damit auch in der Entwicklung. Auch an der Haut kommt es zu Beschwerden, sodass diese rötlich gefärbt und möglicherweise auch von einem Ausschlag bedeckt ist. Sollte das Still-Syndrom nicht behandelt werden, so werden auch Milz und Leber irreversibel geschädigt. An diesen Beschädigungen kann das Kind schließlich versterben.

Auch das Herz kann sich dabei entzünden und die Betroffenen leiden häufig an einer Blutarmut. Bei der Behandlung des Still-Syndroms treten keine besonderen Komplikationen auf. Mit Hilfe von Medikamenten können die Entzündungen behandelt werden. Auch Schmerzen und Schwellungen werden damit gestillt. Weiterhin sind allerdings verschiedene Therapien notwendig, um die vollständige Bewegung der betroffenen Gelenke wiederherzustellen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zeigen Kinder gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Auffälligkeiten, sollten sie grundsätzlich einem Kinderarzt vorgestellt werden. bei einem Kontrollbesuch kann die Schwere oder der Umfang der Besonderheiten besprochen und abgeklärt werden. Schwellungen der Lymphe, Fieber oder Veränderungen des Hautbildes sind untersuchen und abklären zu lassen. Werden Verformungen oder Unregelmäßigkeiten am Oberkörper wahrgenommen, wird ebenfalls ein Arzt benötigt. Entzündungen oder Einschränkungen der Gelenktätigkeit, Störungen der Fortbewegung sowie eine Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit müssen einem Arzt vorgestellt werden.

Zeigt das Kind allgemeine Verhaltensauffälligkeiten, eine Weinerlichkeit oder ein scheinbar grundloses aggressives Auftreten, benötigt es Hilfe. In vielen Fällen stecken körperliche Unregelmäßigkeiten hinter diesem Auftreten. Lustlosigkeit, Teilnahmslosigkeit oder eine Gereiztheit sind weitere Anzeichen einer vorhandenen gesundheitlichen Störung. Ist der Spieltrieb des Kindes herabgesetzt, zeigen sich Schlafstörungen oder ein Rückzugsverhalten, sollte ein Arzt konsultiert werden.

Flecken auf der Haut, die sich ausbreiten oder an anderen Körperstellen ebenfalls ausbilden, gelten als ungewöhnlich. Besonders warme Gelenke oder ein Hitzeempfinden im Körper sind weitere Hinweise des Organismus auf eine bestehende Erkrankung. Schwellungen an Händen oder Füßen sind ungewöhnlich und sollten weiter untersucht werden. Fiebert das Kind über mehrere Tage, besteht Handlungsbedarf. Wenngleich die erhöhte Körpertemperatur sich selbstständig im Verlauf des Tages reguliert, ist ein wiederholtes Auftreten ein Anzeichen für eine Erkrankung.

Behandlung & Therapie

Bei der Therapie des Still-Syndroms verschreiben Ärzte in der Regel entzündungshemmende Schmerzmittel, sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR). Sie lindern die Symptome und sollen die Gelenkdestruktion aufhalten. Im Gegensatz zu den früher weit verbreiteten steroidalen Antirheumatika besitzen NSAR geringere Nebenwirkungen. Die Medizin nutzt NSAR bereits seit den 1950er Jahren.

Nichtselektive NSAR oder COX-1/2-Hemmer sind unter anderem Aspirin, Ibuprofen und Indometacin. Cyclooxygenasen (COX) sind Enzyme, die in der Entzündungsreaktion eine zentrale Rolle spielen. Medikamente, welche die Biokatalysatoren hemmen, unterbrechen dementsprechend die Entzündungsreaktion oder dämpfen sie zumindest. Cyclooxygenasen kommen im menschlichen Körper in zwei Formen vor; für die Behandlung des Still-Syndroms und anderer rheumatischer Erkrankung ist jedoch nur COX-2 entscheidend.

Hemmt ein NSAR beide Cyclooxygenasen, treten mehr Nebenwirkungen auf. Im konkreten Einzelfall kann ein nichtselektives NSAR jedoch sinnvoller sein; welches Medikament die größeren Vorteile bietet, kann nur der behandelnde Arzt entscheiden. Medikamente, die nur COX-2 hemmen, sind seit 1999 auf dem Markt. Beispiele für selektive NSAR oder COX-2-Hemmer sind Rofecoxib, Parecoxib, Etoricoxib und Celecoxib.

Neben den NSAR kommen noch weitere Medikamente in Betracht, unter anderem Glukokortikoide und ab einem präparatspezifischem Alter auch Biologicals. Ergotherapie und Physiotherapie ergänzen die Behandlung. Kinder, die unter den Folgen des Still-Syndroms sehr stark leiden oder Verhaltensauffälligkeiten, ungewöhnliche Angst oder depressive Symptome zeigen, sollten außerdem psychologische oder psychosoziale Unterstützung erhalten. Bei schweren und/oder systemischen Erkrankungen wie dem Still-Syndrom sind Betroffene häufig auch psychisch belastet.


Vorbeugung

Da die genauen Ursachen des Still-Syndroms noch im Dunkeln liegen, ist eine gezielte Prävention derzeit nicht möglich. Sollte sich die Theorie bestätigen, dass das humane Parvovirus B19 die Krankheit auslöst, könnten Impfungen einen Fortschritt bringen.

Nachsorge

Das Still-Syndrom bedarf einer umfassenden Nachsorge. Patienten, die am Still-Syndrom leiden, sollten sich mit dem Hausarzt in Verbindung setzen. Der schubförmige Verlauf der Erkrankung muss ärztlich überwacht werden. Bei hohem Fieber und starken Gelenkschmerzen kann der Arzt ein Schmerzmittel oder ein anderes Medikament verordnen. Nach der Genesung informiert der Arzt über die korrekte Ausschleichung des Arzneimittels.

Je nachdem welches Präparat verordnet wurde, müssen zudem etwaige Nebenwirkungen abgeklärt werden. Bei chronischen Beschwerden muss das Morbus Still regelmäßig ärztlich untersucht werden, da ein anhaltendes Risiko von der Erkrankung ausgeht. Insbesondere bei kleinen Kindern ist eine umfassende ärztliche Behandlung notwendig.

Die Nachsorge beim Morbus Still übernimmt der Hausarzt oder der zuständige Facharzt, der bereits in die Behandlung des Syndroms involviert war. Meist ist das ein Internist oder ein Orthopäde. Weitere Ansprechpartner sind Allgemeinärzte oder auch Physiotherapeuten, wenn die Gelenkschmerzen nach der Genesung weiterhin bestehen.

Das Still-Syndrom tritt vornehmlich zwischen dem ersten und vierten Lebensjahr auf. In diesem Zeitraum sollte bei einer entsprechenden Veranlagung ein Arzt konsultiert werden, damit die Erkrankung abgeklärt oder ausgeschlossen werden kann. Der Kinderarzt ist im Normalfall ebenfalls in die Nachsorge involviert.

Das können Sie selbst tun

Zur Unterstützung des Genesungsprozesses sollten Angehörige für ihren Nachwuchs optimale Bedingungen zur Stärkung des Immunsystems schaffen. Die Erkrankung betrifft hauptsächlich Kinder und Jugendliche. Da diese naturbedingt keine ausreichenden Maßnahmen der Selbsthilfe einleiten können, sind sie auf die Hilfe von Angehörigen und Erwachsenen angewiesen.

Diese sind in der Verpflichtung, das erkrankte Kind auf die gesundheitlichen Störung sowie die Beschwerden hinzuweisen. Eine umfassende Aufklärung über den weiteren Verlauf sowie die Vermeidung von Risikofaktoren ist nötig. Zusätzlich ist durch die Ernährung, die Gestaltung des Alltages sowie die Unterstützung der Psyche eine optimale Umgebung für den Patienten zu schaffen. Eine ausgewogene und vitaminreiche Nahrungszufuhr hilft dem Organismus im Umgang mit der Erkrankung. Ausreichende Bewegung und die Förderung von Lebensfreude sind ebenfalls wichtig, um eine Verbesserung der Gesamtsituation herzustellen.

Übergewicht ist zu vermeiden und das Kind sollte sich in keinen Umgebungen aufhalten, in denen geraucht wird oder ein übermäßiger Alkohol konsumiert wird. Die Kleidung des Kindes sollte an die Bedürfnisse des Körpers angepasst werden. Eine ausreichende Wärmezufuhr ist besonders wichtig, damit keine Komplikationen auftreten oder vorhandene Beschwerden zunehmen. Bei Fieber ist auf eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeiten zu achten. Der normale Tagesbedarf muss in diesen Fällen erhöht werden.

Quellen

  • Cohen, B.A.: Pädiatrische Dermatologie – Lehrbuch und Atlas. Urban & Fischer, München 2007
  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009

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