Smith-Magenis-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Smith-Magenis-Syndrom ist die Bezeichnung für eine selten auftretende Erbkrankheit. Es wird durch einen Stückverlust von Chromosom 17 hervorgerufen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Smith-Magenis-Syndrom?

Verursacht wird das Smith-Magenis-Syndrom durch den Mangel an einem winzigen Bestandteil des Chromosoms 17, wodurch auch die dort befindlichen Informationen fehlen. In der Medizin wird das Fehlen dieser Daten als Deletion 17p11.2 bezeichnet.
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Beim Smith-Magenis-Syndrom (SMS) handelt es sich um eine seltene genetische Erkrankung. Dabei mangelt es den betroffenen Personen an einem winzigen Stück des Chromosoms 17. Dieser kleine Abschnitt ist jedoch wichtig, weil er Informationen enthält, die für das gesunde Heranreifen des Kindes im Leib der Mutter von Bedeutung sind.

Als Namensgeber des Smith-Magenis-Syndroms fungieren die beiden Genetik-Spezialistinnen Ann Smith und Ellen Magenis. Die Medizinerinnen beschrieben die Erkrankung erstmals zu Beginn der 80er Jahre. Amerikanischen Studien zufolge liegt die Prävalenz des Smith-Magenis-Syndroms bei 1:25.000 Geburten. In deutschsprachigen Ländern zeigte sich die Erkrankung bislang nur vereinzelt. Zwischen den Geschlechtern bestehen beim Auftreten des Syndroms keine Unterschiede.

Ursachen

Verursacht wird das Smith-Magenis-Syndrom durch den Mangel an einem winzigen Bestandteil des Chromosoms 17, wodurch auch die dort befindlichen Informationen fehlen. In der Medizin wird das Fehlen dieser Daten als Deletion 17p11.2 bezeichnet. Dabei steht das p für „Petit“, was „klein“ bedeutet und auf den kurzen Chromosomenarm hinweist.

Wie viel von dem Chromosomenstück fehlt, ist individuell unterschiedlich. Aus diesem Grund fällt auch die Intensität des Smith-Magenis-Syndroms verschieden aus. In dem fehlenden Chromosomenbestandteil befinden sich mehrere Gene. Die Beschwerden durch das Smith-Magenis-Syndrom werden jedoch in erster Linie durch das Fehlen des RAI1-Gens verursacht.

Einige Mediziner vermuten, dass das Fehlen der anderen Gene zu den individuellen Unterschieden der Krankheitsmerkmale beiträgt. Über die genauen Zusammenhänge werden nach wie vor wissenschaftliche Studien durchgeführt. Nach den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen liegen keine Risikofaktoren wie Einflüsse aus der Umwelt oder ein Fehlverhalten der Mutter während der Schwangerschaft vor.

So kommt es auf spontane Weise zur Entstehung des Smith-Magenis-Syndroms. Die Mutation am 17. Chromosom wird durch Zufall hervorgerufen und setzt noch vor der Befruchtung ein. Eine Mutation ist sowohl bei der Mutter als auch beim Vater möglich. Es kann aber durchaus geschehen, dass die Kinder von betroffenen Eltern trotz der Deletion an Chromosom 17 gesund bleiben und nicht automatisch erkranken.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Smith-Magenis-Syndrom wird von einer Vielzahl von typischen Verhaltensauffälligkeiten begleitet. Dazu zählen Entwicklungsauffälligkeiten wie mäßige bis schwerwiegende mentale Entwicklungsstörungen. Dabei handelt es sich zumeist um Verzögerungen der Sprachentwicklung sowie eine allgemeine Entwicklungsretardierung.

Da das Smith-Magenis-Syndrom ein Dysmorphiesyndrom darstellt, kommt es auch zu dysmorphologischen Auffälligkeiten wie einer Brachyzephalie (Kurzköpfigkeit), einer Mittelgesichtshypoplasie, breiten und kurzen Händen, tiefliegenden Augen, bogenförmigen Oberlippen, in die untere Richtung weisende Mundwinkel, tiefsitzenden Ohren sowie einer breiten Nasenwurzel.

Weiterhin zeigen sich Verhaltensauffälligkeiten, die sich bei Kleinkindern nicht immer in ausreichendem Umfang erkennen lassen. So kommt es bei den Betroffenen zu Selbstverletzungen durch Kopfschlagen an die Wand, das Beißen in Finger oder Hände sowie das Herausziehen der Zehennägel beziehungsweise Fingernägel.

Der Schmerz wird dabei vermindert empfunden. Weil außerdem der Tag-Nacht-Rhythmus gestört ist, leiden die Patienten unter ausgeprägten Schlafstörungen. Darüber hinaus treten gesundheitliche Probleme wie Schallempfindungs- oder Schallleitungsschwerhörigkeit, Minderwuchs oder Skoliose auf.

Desweiteren kommt es zu Veränderungen an den Augen wie Kurzsichtigkeit, Schielen oder zu einer zu kleine Hornhaut, einem Herzfehler, Epilepsie, Hirnauffälligkeiten wie eine Ventrikulomegalie oder Beschwerden der Harnblase.

Typisch ist auch eine tiefe und raue Stimme, Müdigkeit am Tag, niedrige Schilddrüsenhormonwerte sowie ein erniedrigter Immunglobulinspiegel auf. Des Weiteren verhalten sich viele Betroffene wie autistische Menschen, sind nicht in der Lage zu sprechen, gehen einem gleichförmigen routinierten Alltag nach und fürchten sich vor Berührungen. Nicht selten kommt es auch zu aggressivem Verhalten bis hin zu Wutausbrüchen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Da die Beschwerden bei einem Smith-Magenis-Syndrom überaus umfangreich ausfallen, reichen sie für eine exakte Diagnose der Krankheit nicht aus. So gibt es einige Erkrankungen, die dem Smith-Magenis-Syndrom ähneln. Dazu zählt unter anderem das Prader-Willi-Syndrom. Auch das Zählen und Betrachten der Chromosomen gilt für eine sichere Diagnose als unzureichend.

Aus diesem Grund führt der Arzt eine genetische Untersuchung durch. Dieses Verfahren trägt die Bezeichnung FISH-Test (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung). Bei diesem Verfahren wird dem Patienten etwas Blut entnommen, um die Blutzellen auf das Fehlen von bestimmten Bestandteilen des Chromosoms 17 zu untersuchen.

Die Diagnose des Smith-Magenis-Syndroms gilt als schwierig. Es wird vermutet, dass dieser Umstand zur niedrigen Fallzahl beiträgt. So erhalten viele betroffene Kinder nicht selten eine andere Diagnose, obwohl sie unter SMS leiden. Dabei handelt es sich zumeist um ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom) oder Autismus.

Das Smith-Magenis-Syndrom gilt als unheilbar. Der Verlauf der Krankheit richtet sich nach ihrem Ausmaß, dem Diagnosealter und geeigneten therapeutischen Maßnahmen. Manche Patienten können ein Lebensalter von mehr als 80 Jahren erreichen.

Komplikationen

Aufgrund des Smith-Magenis-Syndroms leiden die Patienten an verschiedenen geistigen und physischen Beschwerden und Einschränkungen. In vielen Fällen sind dabei auch die Angehörigen oder die Eltern von diesem Syndrom betroffen und benötigen dabei eine psychologische Unterstützung und Behandlung. Die Betroffenen leiden an starken Störungen der Entwicklung und an Verhaltensauffälligkeiten.

Sie benötigen damit eine spezielle Förderung und in der Regel auch Hilfe in ihrem Alltag. Auch der Drang zu Selbstverletzungen kann sich krankheitsbedingt bemerkbar machen, sodass auch eine Behandlung in einer geschlossenen Klinik notwendig sein kann. Weiterhin kommt es zu Schlafbeschwerden oder zu einer Schwerhörigkeit. Aufgrund des Minderwuchses kann es vor allem bei jungen Menschen zu Mobbing oder zu Hänseleien kommen.

Ebenso leiden die Betroffenen an Sehstörungen und an einem Herzfehler. In schwerwiegenden Fällen können dabei auch epileptische Anfälle auftreten, die zum Tode führen können. Aufgrund der starken Beschwerden ist die Lebenserwartung meistens deutlich eingeschränkt. Die Behandlung des Syndroms erfolgt rein symptomatisch. Dabei ist es leider nicht möglich, alle Beschwerden vollständig einzuschränken. Auch eine Vorbeugung des Smith-Magenis-Syndroms ist leider nicht möglich.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Smith-Magenis-Syndrom ist immer eine Behandlung durch einen Arzt notwendig. Da es sich dabei um eine erblich bedingte Krankheit handelt, kann es auch nicht zu einer vollständigen Heilung kommen, sodass die Betroffenen in der Regel auf eine lebenslange Therapie angewiesen sind, um die Beschwerden zu lindern. Sollte beim Betroffenen ein Kinderwunsch vorhanden sein, kann auch eine genetische Beratung durchgeführt werden, um das Vererben des Smith-Magenis-Syndroms an die Nachfahren zu verhindern.

Ein Arzt ist bei diesem Syndrom dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an starken Störungen der Entwicklung leidet oder starke Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Die Betroffenen sind dabei sehr unruhig und können sich nicht konzentrieren. In vielen Fällen deutet auch ein selbstverletzendes Verhalten auf das Smith-Magenis-Syndrom hin und sollte immer von einem Arzt untersucht werden. Weiterhin zeigen die Patienten häufig auch Augenbeschwerden oder Fehler am Herzen. Bei diesen Beschwerden ist ebenfalls ein Arzt aufzusuchen.

Das Smith-Magenis-Syndrom kann durch einen Allgemeinarzt diagnostiziert werden. Die weitere Behandlung erfolgt dann durch den jeweiligen Facharzt und richtet sich stark nach der Ausprägung der Beschwerden.

Behandlung & Therapie

Weil das Smith-Magenis-Syndrom aus genetischen Gründen hervorgerufen wird, ist seine Heilung nicht möglich. Aus diesem Grund beschränkt sich die Behandlung der Erkrankung auf die Symptome. Dabei gelten eine Logopädie, Ergotherapie sowie physiotherapeutische Maßnahmen als hilfreich.

Als sinnvoll wird außerdem ein Kommunikationstraining angesehen, dass Gebärdensprache beinhaltet. Trotz aller Therapiemaßnahmen benötigen die meisten Patienten ihr ganzes Leben lang Hilfe. Auch bestimmte Medikamente können zur Behandlung der Symptome des Smith-Magenis-Syndroms verabreicht werden.

Dadurch lässt sich eine Linderung mancher Beschwerden erzielen. So bessert das Verabreichen des Hormons Melatonin Schlafstörungen. Andere Medikamente wie Risperidal eignen sich dazu, selbstverletzendem Verhalten entgegenzuwirken.


Vorbeugung

Das Smith-Magenis-Syndrom zählt zu den genetischen Erkrankungen. Eine Vorbeugung ist daher nicht möglich.

Das können Sie selbst tun

Die Beschwerden der Erbkrankheit zeigen sich bereits unmittelbar nach der Geburt. Naturgemäß können Säuglinge keine ausreichenden Selbsthilfemaßnamen einleiten. Darüber hinaus sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen derart mannigfaltig, dass es Erkrankten nicht möglich ist, eine Verbesserung der Situation in einem ausreichenden Umfang zu erzielen.

Angehörige sind daher in der Verpflichtung, die Struktur des Alltags und Pflege des Patienten optimal im Sinne des Patienten zu gestalten. Da es zu selbstzerstörerischen Handlungen kommt, muss der Betroffene vor sich selbst geschützt werden. Andernfalls kann es zu schwerwiegenden Komplikationen und einer Verschlechterung der Gesundheit kommen. Da Angehörige häufig mit der Betreuung des Patienten überfordert sind, sollte bei Bedarf eine gute Pflege in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig ist ein stabiles soziales Umfeld wichtig, damit der Patient keinen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt ist.

Bei einer Vielzahl der Erkrankten kommt es zu einem gestörten Schlaf- und Wachrhythmus. Dieser stellt für alle Beteiligten eine besondere Herausforderung dar. Die Verhaltensauffälligkeiten sind ebenfalls im Alltag nicht immer einfach zu handhaben. Sobald Angehörige an ihre emotionalen und körperlichen Grenzen stoßen, sollten sie Veränderungen durchführen. Die Gestaltung der Freizeit oder die Inanspruchnahme einer psychotherapeutischen Begleitung kann dabei helfen, einen entsprechenden Ausgleich zu erleben. Oftmals ist der Umgang mit der Erkrankung derart belastend, dass andernfalls psychische Folgeerkrankungen eintreten.

Nachsorge

Die Nachsorge beim Smith-Magenis-Syndrom (SMS) zielt grundsätzlich auf die Behandlung der Symptome der Erkrankung ab. Denn SMS ist genetisch bedingt. Eine Heilung ist nicht möglich. Der Umfang der Nachsorgebehandlungen und der Nachsorgeuntersuchungen kann bei SMS sehr vielschichtig sein.

Die Bandbreite der möglichen Symptome reicht von körperlichen Auffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen (sowohl körperlicher als auch geistiger Natur) bis hin zu schweren Verhaltensstörungen, geistiger Behinderung und schwerwiegenden Erkrankungen der inneren Organe. Dabei heilen die durch SMS verursachten Symptome grundsätzlich nicht aus. Aufgabe der Nachsorge ist es, hier prioritär für an SMS erkrankte Personen das höchstmögliche Niveau an Lebensqualität zu erzielen und zu erhalten.

Im Fokus der Nachsorgebehandlungen steht daher das Weiterführen der therapeutischen Intervention. Im Ergebnis der Nachsorge müssen an SMS erkrankte Kinder und junge Erwachsene insbesondere erlernt haben, mit den Symptomen der Erkrankung bestmöglich zu leben. Dazu werden neben der lebenslangen medikamentösen Behandlung ärztlich als Nachsorgebehandlungen (regelmäßig wiederholend) auch Kuren und logopädische, ergotherapeutische sowie musiktherapeutische Behandlungen verordnet.

Als Selbsthilfemaßnahme können Angehörige bei der Nachsorge für die an SMS erkrankte Person ein stabiles soziales Umfeld schaffen und den Alltag im Sinne des Erkrankten optimal strukturieren. Bei sich verschlimmernden Symptomen können gegebenenfalls Nachsorgeuntersuchungen bei Fachärzten erforderlich sein.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Kerbl, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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