Schlafmittelvergiftung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine Schlafmittelvergiftung wird vom Patienten in den meisten Fällen bewusst herbeigeführt. Frühzeitige medizinische Maßnahmen können sich lebensrettend auswirken.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Schlafmittelvergiftung?

Eine versehentliche Überdosis Schlafmittel ist zwar potenziell ebenso gefährlich wie ein gewollter Selbstmordversuch. Doch der Patient kann oft gerettet werden.
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Von einer Schlafmittelvergiftung ist in der Medizin die Rede, wenn sich im Organismus eines Betroffenen eine überhöhte Menge von Medikamenten mit Schlaf fördernder bzw. beruhigender Wirkung befindet. Entsprechende Arzneimittel können sich bei Überdosierung toxisch (vergiftend) auswirken.

In den meisten Fällen werden überdosierte Medikamente, die zu einer Schlafmittelvergiftung führen können, von Betroffenen bewusst zu sich genommen. Dabei verfolgen entsprechende Personen häufig die Absicht der Selbsttötung (Selbstmord). Eine nur leicht ausgeprägte Schlafmittelvergiftung kann sich beispielsweise durch Erschlaffung der Muskulatur, unsicheren Gang und/oder Schläfrigkeit ausdrücken.

Zu den möglichen Symptomen einer schweren Schlafmittelvergiftung zählen etwa Blutdruckabfall und Bewusstlosigkeit. Darüber hinaus reagiert der Körper weniger sensibel auf Schmerzreize. Um ein lebensbedrohliches Symptom der schweren Schlafmittelvergiftung handelt es sich vor allem bei der Atemnot.

Ursachen

Zu den Medikamenten, die am häufigsten Ursache einer Schlafmittelvergiftung sind, zählen beispielsweise sogenannte Barbiturate und Benzodiazepine. Beide Medikamentengruppen sind über unterschiedliche Wirkungsweise vor allem Schlaf fördernd bzw. beruhigend.

Benzodiazepine werden in der Medizin meist eingesetzt, um Schlafstörungen oder Angstzustände zu bekämpfen. Barbiturate finden darüber hinaus bei entsprechender Dosierung sogar als Narkotika (Betäubungsmittel) Anwendung. Aufgrund ihres Wirkungsgrades führen Barbiturate in der Regel bereits bei niedrigerer Dosierung zur Schlafmittelvergiftung, als dies bei Benzodiazepinen der Fall ist.

Eine Schlafmittelvergiftung erfolgt darüber hinaus in der Regel dann rascher, wenn eingenommene Schlafmittel mit Alkohol kombiniert werden. Denn Alkohol verstärkt die Wirkung von Barbituraten oder Benzodiazepinen auf das Nervensystem eines Betroffenen.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome einer Schlafmittelvergiftung hängen vom Grad der Vergiftung ab. Außerdem ist entscheidend, wie schnell der Betroffene Hilfe bekommt. Eine versehentliche Überdosis Schlafmittel ist zwar potenziell ebenso gefährlich wie ein gewollter Selbstmordversuch. Doch der Patient kann oft gerettet werden.

Er bemerkt möglicherweise an sich eine ungewöhnliche Benommenheit oder erbricht sich wegen starker Übelkeit. Da der Betroffene nach einer Schlafmittelvergiftung jedoch meistens einschläft, kann es auch sein, dass er die Symptome einer versehentlichen Überdosierung nicht bemerkt.

Anders ist es bei einer absichtlich eingenommenen Überdosis Schlaftabletten. Der starken Benommenheit und Müdigkeit folgt die Bewusstlosigkeit. Es kann zu Atembeschwerden, niedrigem Blutdruck und plötzlichem Blutdruckabfall kommen. Der Atem kann in eine vergiftungsbedingte Kurzatmigkeit übergehen.

Die Vergiftungserscheinungen, die meist durch eine Kombination aus Beruhigungs- und Schlafmitteln oder Alkohol eingeleitet werden, können durch die Entgiftungsorgane nicht mehr bewältigt werden. Die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Kreislaufstillstands beziehungsweise Herz-Kreislauf-Versagens ist hoch. Der Tod tritt aufgrund der selbst induzierten Symptome ein, wenn der Patient nicht rechtzeitig gefunden wird.

Eine Schlafmittelvergiftung hinterlässt bei einer suizidalen Dosis Schlafmittel auch dann Symptome und Beschwerden, wenn der Patient rechtzeitig gerettet wird. Das Auspumpen des Magens kann zu einer Lungenentzündung führen. Durch Wechselwirkungen mit weiteren Medikamenten können schwere Schädigungen der Entgiftungsorgane zu jahrelangen Gesundheitsproblemen führen.

Diagnose & Verlauf

Die Verdachtsdiagnose Schlafmittelvergiftung ist häufig zunächst auf der Grundlage typischer, genannter Symptome möglich. Ist ein Patient ohne Bewusstsein, so können beispielsweise entsprechende Medikamentenpackungen in nächster Umgebung des Betroffenen den Verdacht erhärten.

Da allerdings Symptome einer schweren Schlafmittelvergiftung, wie etwa Bewusstlosigkeit und schwache Atmung, auch von einer großen Anzahl weiterer Ursachen ausgehen können, sind Letztere in weiteren Schritten zu prüfen bzw. auszuschließen.

Sind die Medikamente, die im Einzelfall zu einer Schlafmittelvergiftung geführt haben, unbekannt, so können entsprechende medikamentöse Wirkstoffe im Organismus mithilfe einer Blutuntersuchung identifiziert werden. Der Verlauf einer Schlafmittelvergiftung hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Eine Rolle spielen hier vor allem die Schwere einer Vergiftung und der Zeitraum, der bis zur Ergreifung medizinischer Maßnahmen vergeht. Halten Blutdruckabfall und schwache Atmung in der Folge einer schweren Schlafmittelvergiftung über längere Zeit unbehandelt an, so können Kreislaufversagen und/oder Atemstillstand zum Tod des Betroffenen führen.

Komplikationen

Eine Schlafmittelvergiftung führt zunächst dazu, dass der Betroffene bewusstlos wird. Je nach eingenommener Dosis kann es bereits nach kurzer Zeit zum ernsten Herz-Kreislauf-Beschwerden und schließlich zum Kreislaufstillstand kommen. Erfolgt keine sofortige Behandlung, führt dies fast immer zum Tod. Begleitend dazu fällt der Blutdruck ab und es kommt zu Atembeschwerden. Im weiteren Verlauf setzt schließlich auch die Atmung aus und der Betroffene fällt ins Koma.

Eine Magenspülung verläuft nicht immer ohne Komplikationen. Gelangt die Kochsalzlösung in die Lunge, kann dies unter anderem zu Luftnot oder einer Lungenentzündung führen. Die begleitend verabreichten Beruhigungsmittel können Wechselwirkungen zu den geschluckten Präparaten hervorrufen und dadurch schwere gesundheitliche Probleme auslösen. Eine künstliche Beatmung ruft mitunter Beschwerden wie Lungenentzündung, Magenblähung oder eine Steigerung des Hirndrucks hervor.

Auch Herz, Nieren und Leber sowie die Gefäße werden durch Maske oder Tubus geschädigt. Außerdem kann es zu Hautreizungen und Wunden kommen, die sich infizieren können. Zuletzt können bei einer Schlafmittelvergiftung auch die verabreichten Gegenmittel Komplikationen hervorrufen. Typisch sind Übelkeit und Erbrechen sowie Wechselwirkungen, die vor der Anwendung der entsprechenden Mittel nicht immer abzusehen sind.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Stellen sich nach der Einnahme von Medikamenten Unregelmäßigkeiten oder eine deutliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes ein, sollte die Rücksprache mit einem Arzt gesucht werden. Anzeichen wie Atemnot, Mattigkeit oder Orientierungslosigkeit sind besorgniserregend. In schweren Fällen wird die Unterstützung eines Rettungsdienstes benötigt. Kommt es zu Störungen des Bewusstseins oder einem Verlust der Wahrnehmungen, ist ein Notarzt zu alarmieren. Erste Hilfe sollte von Anwesenden angewendet werden, damit Komplikationen vermieden werden können. Herzrasen, akuter Sauerstoffmangel sowie Angstattacken weisen auf eine Beeinträchtigung hin, die untersucht und behandelt werden muss.

Eine starke Müdigkeit, Kurzatmigkeit sowie ein plötzlicher Abfall des Blutdrucks sind als Warnsignale des Organismus zu verstehen. Sie sollten schnellstmöglich mit einem Arzt besprochen werden. Leidet der Betroffene unter Übelkeit, Erbrechen oder einem unverhofften Durchfall, ist die Abklärung der Beschwerden anzuraten. Schweißausbrüche, Unregelmäßigkeiten des Herz-Kreislauf-Systems, Kopfschmerzen oder Magenkrämpfe sind ebenfalls untersuchen zu lassen.

Da in schweren Fällen das vorzeitige Ableben des Betroffenen eintreten kann, sollte ein Arzt bereits bei den ersten Unstimmigkeiten oder einem Krankheitsgefühl unmittelbar nach der Einnahme der Arznei aufgesucht werden. Bei einer leichten Vergiftungserscheinung ist eine ausreichende Menge Wasser aufzunehmen. Parallel empfiehlt sich der telefonische Kontakt mit einem Rettungsdienst, damit in einem Gespräch über das weitere Vorgehen entschieden werden kann.

Behandlung & Therapie

Medizinische Maßnahmen, die bei einer Schlafmittelvergiftung notwendig werden, orientieren sich unter anderem an der individuellen Symptomatik einer betroffenen Person.

Ist der Betroffene bewusstlos, so dient die stabile Seitenlage (eine Körperposition im Rahmen der Ersten Hilfe) zunächst dazu, die Atemwege frei zu halten. Darüber hinaus kommen häufig Decken zum Einsatz, die zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur eines Betroffenen verwendet werden.

Liegt beim Patienten eine schwere Schlafmittelvergiftung durch Barbiturate vor, müssen häufig Gegenmittel verabreicht werden. Da hier in Verbindung mit einer Bewusstlosigkeit außerdem die Gefahr gegeben ist, dass Inhalte des Magens in die Lunge gelangen, kann auch eine künstliche Beatmung notwendig sein. Im Rahmen weiterer medizinischer Maßnahmen bei vorliegender schwerer Schlafmittelvergiftung erfolgt meist eine Stabilisierung des Kreislaufs mithilfe von Medikamenten.

Um verschiedene aufgenommene Gifte aus dem Magen eines Patienten zu entfernen, zählt auch eine Magenspülung häufig zu den Therapiebausteinen bei schwerer Schlafmittelvergiftung. Ergänzt werden kann diese Maßnahme durch den Einsatz harntreibender Arzneimittel. Bei sehr schwerer Symptomatik kann eine Schlafmittelvergiftung schließlich auch eine Blutwäsche notwendig werden lassen.


Vorbeugung

Vorzubeugen ist einer Schlafmittelvergiftung in erster Linie durch die Unterlassung einer Überdosierung von Schlaf fördernden Medikamenten. Schweren Auswirkungen einer Schlafmittelvergiftung kann durch frühzeitige medizinische Maßnahmen entgegengewirkt werden. Äußert eine Person konkrete Selbsttötungsgedanken, so können vor allem psychotherapeutische Maßnahmen dazu beitragen, eine Stabilisierung des Betroffenen zu erreichen. So kann das Risiko einer beabsichtigten Schlafmittelvergiftung gesenkt werden.

Nachsorge

Dem Betroffenen stehen bei einer Schlafmittelvergiftung in den meisten Fällen nur wenige Maßnahmen einer direkten Nachsorge zur Verfügung. Aus diesem Grund sollte möglichst frühzeitig ein Arzt aufgesucht werden, um das erneute Auftreten dieser Beschwerden zu verhindern. Es kann dabei keine Selbstheilung eintreten. Im schlimmsten Fall kommt es zum Tod des Betroffenen, falls keine Behandlung eingeleitet wird.

Die Betroffenen sind in der Regel auf eine intensive Therapie angewiesen, damit es nicht erneut zu einer Schlafmittelvergiftung kommt, sofern diese nicht aufgrund eines Selbstmordversuchs zustande gekommen ist. Dabei ist in vielen Fällen die Hilfe und Unterstützung der eigenen Familie notwendig, damit es nicht zu Depressionen und zu anderen psychischen Verstimmungen kommt.

Der weitere Verlauf kann im Allgemeinen nicht vorhergesagt werden. In einigen Fällen kann die Schlafmittelvergiftung einige Organe beschädigen, sodass diese Schäden nicht mehr behandelt werden können. Dabei kann auch die Lebenserwartung des Betroffenen in einigen Fällen eingeschränkt sein. In erster Linie sollte dabei die Ursache für diese Vergiftung erkannt werden, damit diese nicht erneut auftritt.

Das können Sie selbst tun

Bei Verdacht auf eine Schlafmittelvergiftung muss sofort der Notarzt gerufen oder der Patient ins nächste Krankenhaus gebracht werden. Bis zum Eintreffen des Notarztes bzw. des Erreichens des Krankenhauses sollte der Betroffene unbedingt wach gehalten werden. Ging die Vergiftung mit Erbrechen oder starken Durchfällen einher, sollte der Patient nach Möglichkeit Flüssigkeit, am besten Wasser oder Früchtetee, zu sich nehmen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Medikamente, die eingenommen wurden, sichergestellt und mit ins Krankenhaus gebracht werden. Erfolgte der Konsum des Schlafmittels gemeinsam mit Alkohol oder besteht zumindest der Verdacht darauf, muss der behandelnde Arzt darauf hingewiesen werden.

Sofern es sich bei der Vergiftung um eine versehentliche Falschdosierung handelte, sollte sich der Patientn nach dem Vorfall umgehend von einem Arzt oder Apotheker über die korrekte Einnahme des Schlafmittels aufklären lassen, um erneuten versehentlichen Vergiftungen vorzubeugen. Die Einnahme von Schlafmitteln gemeinsam mit Alkohol ist lebensgefährlich und muss unterbleiben.

Vergiftungen mit Schlafmitteln stellen oft einen Suizid-Versuch dar. Sofern nicht bereits der behandelnde Arzt entsprechende Maßnahmen in die Wege leitet, ist es wichtig, dass sich der Betroffene, und falls dieser nicht dazu im Stande ist, die Angehörigen, um die erforderliche psychologische Unterstützung kümmern. Der Beginn einer Psychotherapie ist nach einem Suizidversuch dringend geboten.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015

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