Ruhepotential

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Ruhepotential ist die Spannungsdifferenz von -70 mV, die im nicht erregten Zustand zwischen dem Innenraum und der Umgebung von Neuronen besteht. Das Potenzial ist für die Bildung von Aktionspotentialen relevant. Cyanid-Vergiftungen verhindern die Wiederherstellung des Ruhepotentials und führen zum neuronalen Kollaps.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Ruhepotential?

Das Ruhepotential ist die Spannungsdifferenz von -70 mV, die im nicht erregten Zustand zwischen dem Innenraum und der Umgebung von Neuronen besteht.

Das Ruhepotential ist die Spannungsdifferenz, die zwischen dem Inneren eines nicht erregten Neurons und seiner Umgebung herrscht. Dieser Unterschied der Spannung muss aktiv aufrechterhalten werden und ergibt sich aus einer ungleichen Verteilung von Natrium- und Kaliumionen.

Zwei Elemente der Nervenzellmembran sind mit der Aufrechterhaltung des Ruhepotenzials befasst: zum einen die Natrium-Kaliumpumpen und zum anderen die Ionenkanäle an den Ranvierschen-Schnürringen.

Das Ruhepotential erregbarer Nervenzellen bildet die Grundlage für die saltatorische Erregungsleitung der menschlichen Nervenbahnen. Bei Erregung durch ein Aktionspotential wird die Zelle über ihr Schwellenpotential hinaus depolarisiert und die spannungsabhängigen Ionenkanäle öffnen sich, sodass es mit dem Einströmen bestimmter Ionen zu einer Veränderung des Ruhepotentials kommt. Das Aktionspotenzial wird durch die Ladungsumverteilungen die Nervenbahnen entlang weitergeleitet.

Das Ruhepotential eines menschlichen Neurons weist eine Differenz von -70 bis -80 mV auf. Die Innenseite der Zellmembran ist negativ und die Außenseite ist positiv geladen.

Funktion & Aufgabe

An der Zellmembran einer erregbaren Zelle laufen in der Ruhephase verschiedene Prozesse ab. An den Ranvierschen Schnürringen sind Axone nicht mit Myelin isoliert. An diesen Knoten sitzen Na+/K+-Pumpen, die in der Ruhephase unter dem Verbrauch von ATP Kaliumionen in das Innere des Axons transportieren. Natriumionen werden zur selben Zeit aus der Zelle hinausgepumpt. Somit liegt im Inneren der Axone eine höhere Kaliumkonzentration vor als sie außerhalb gegeben ist.

Die Membranen der Zellen weisen wegen der proteinhaltigen Ionenkanäle eine unterschiedliche Durchlässigkeit für diese Ionen auf. In Ruhe sind die Natriumkanäle in der Regel geschlossen. Die Kanäle für Kalium stehen dagegen offen, sodass es zur Diffusion der Kaliumionen kommt. Die Ionen diffundieren somit also nach außen. Das geschieht solange, bis eine Balance zwischen den elektrischen Kräften und den osmotischen Druckkräften besteht. So wird ein Ladungsunterschied zwischen der Außen- und Innenseite der Zellmembranen gehalten, der auch als Ruhepotential bekannt ist.

Wenn ein Reiz auf einer Nervenfaser eintrifft und die Schwelle überschreitet, öffnen sich die spannungsabhängigen Natrium- und Kaliumkanäle. Dadurch entsteht eine Depolarisation der Zelle, die wiederum ein Aktionspotential auslöst. Der bioelektrische Impuls wird so entlang der Nervenfasern fortgeleitet.

Vereinfacht ausgedrückt, wird beim Aktionspotential durch die Veränderungen des Membranpotentials ein Signal weitergeleitet.

Als Schwellenwert für die Entstehung eines Aktionspotentials gilt ein Wert von -50 mV. Erregungen unter +20 mV lassen also kein Aktionspotential entstehen und Reaktionen bleiben aus.

Nach der Entstehung und Weitergabe eines Aktionspotentials schließen sich zuerst die N+-Kanäle wieder. Die K+-Kanäle öffnen sich dagegen, damit Kaliumionen aus dem Axon heraus diffundieren. Die elektrische Spannung im Innenraum der Zelle sinkt so wieder ab. Dieser Vorgang wird auch als Repolarisation bezeichnet. Danach schließen sich auch die K+-Kanäle und das Potential der Zelle sinkt unter das Ruhepotential. Diese Hyperpolarisation geht ins Ruhepotential über, das die Natrium-Kalium-Pumpen nach ca. zwei Millisekunden wiederhergestellt haben. Das Axon ist somit für neue Aktionspotentiale bereit.


Krankheiten & Beschwerden

Bei Erscheinungen wie der Cyanid-Vergiftung stellen sich lebensbedrohliche Folgen ein, die mitunter am Verlust des Ruhepotentials liegen. Für die Wiederherstellung des Ruhepotentials brauchen die Neuronen Energie. Cyanid-Vergiftungen blockieren die Versorgung mit Energie, sodass für die Wiederherstellung des Ruhepotentials keine bereitgestellt werden kann. Die Nervenzellen bleiben damit permanent depolarisiert und verlieren die Funktionsfähigkeit.

Je nachdem, wie viele Neuronen von einer Unterversorgung mit Energie betroffen sind, kann auf diese Weise die neuronale Regulation des gesamten Organismus zusammenbrechen. Ein solcher Zusammenbruch der neuronalen Regulation führt unweigerlich zum Tod.

Im weiter gefassten Sinn können sich Beschwerden mit dem Ruhepotential eines Neurons auch in Ionenkanalerkrankungen äußern. Diese Erbkrankheiten lösen Erregungsstörungen in der Muskulatur und im Nervensystem aus. Ionenkanalerkrankungen beeinflussen das Schaltverhalten der Ionenkanäle. Veränderungen im Schaltverhalten der Kanäle können wiederum die Wiederherstellungsfähigkeit des Ruhepotentials beeinflussen. Somit haben die Erkrankungen Auswirkungen auf die Erregbarkeit des Gewebes. Bei Ionenkanalerkrankungen handelt es sich im engeren Sinn um Mutationen der Ionenkanäle.

Drei Formen der erblichen Epilepsie sollen laut wissenschaftlicher Erkenntnisse mit diesem Phänomen im Zusammenhang stehen. Auch hemiplegische Migräne und das idiopathische Kammerflimmern werden gemäß der modernen Forschung auf diese Weise erklärt.

Auch die Natrium-Kalium-Pumpen können von Erkrankungen betroffen sein, die Auswirkungen auf das Ruhepotential einer Nervenzelle haben. Die moderne westliche Ernährungsweise sorgt nach Meinung vieler Wissenschaftler für ein unnatürliches Natrium-Kalium-Verhältnis im Körper. Das Übermaß an Kochsalz und ein Kaliummangel durch zu wenig pflanzliche Kost sollen die Natrium-Kalium-Pumpen beeinträchtigen können, da sich auf diese Weise das intrazelluläre Ionenverhältnis verändern kann.

Genetisch bedingte Störungen des Natrium-Kalium-Austausches an der Zellmembran liegen dagegen bei einigen Mutationen vor und wurden von Forschern ebenso mit Formen der Epilepsie in Verbindung gebracht, wie die Ionenkanalerkrankungen. Störungen bei der Wiederherstellung des Ruhepotentials sind somit vermutlich für verschiedene Erkrankungen des Zentralnervensystems relevant.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Weniger, W.: Gehirn und Nervensystem. Facultas, Wien 2019

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