Ritalinabhängigkeit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Im Medikament Ritalin ist der Wirkstoff Methylphenidat enthalten. Methylphenidat kann eine Sucht und Abhängigkeit erzeugen. Eine Ritalinabhängigkeit sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Ritalinabhängigkeit?

Ritalin kann eine Vielzahl von Nebenwirkungen haben. Diese treten bei Abhängigkeit verstärkt auf, insbesondere wenn die Substanz abgesetzt wird.
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Chemisch ist der Wirkstoff Methylphenidat eng mit dem Kokain verwandt. Ritalin hat eine anregende Wirkung. Deshalb wird es gerne missbräuchlich konsumiert. Der Wirkstoff steigert die Aufmerksamkeit und vertreibt Müdigkeitserscheinungen. Es setzt eine euphorisierende Wirkung ein, die es erlaubt, nächtelang feiern oder lernen zu können.

Unter Drogenabhängigen wird Methylphenidat als Ersatz Speed verkauft. Ritalin wird in Tablettenform eingenommen, durch die Nase als Pulver geschnieft und in Wasser gelöst gespritzt. Durch eine dauerhafte Einnahme verändert sich der Hirnstoffwechsel. Ritalin verstärkt die Dopamin Wirkung, da es ein Eiweiß in der Nervenzellenmembran blockiert.

Im Laufe der Zeit entwickelt sich eine Toleranz gegen den Wirkstoff und es wird immer mehr der Substanz benötigt, um den gezielten Effekt zu erzielen. Nach dessen Absetzen führt dies zu einer Verstärkung der Symptomatik. Daher kann die Einnahme von Ritalin zu einer starken psychischen Abhängigkeit führen.

Ursachen

Eine Ritalinabhängigkeit beginnt häufig mit dem Einsetzen dieses Medikaments zur ADHS Behandlung. Es ist seit 1956 auf dem Markt. Bereits kurz nach der Markteinführung gab es Hinweise, dass Ritalin ein hohes Abhängigkeitspotential besitzt und süchtig machen kann. Die genauen Wirkungsmechanismen der Substanz sind wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt.

Innerhalb der letzten fünf Jahre ist der Absatz von Ritalin um das 40igfache gestiegen. Die WHO stuft Ritalin als abhängig machendes Medikament ein. Von Wissenschaftlern wird es als legales Kokain bezeichnet, da es von den Ärzten gerne verschrieben wird. Immer häufiger wird die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitätssyndrom gestellt.

ADHS wird nicht mehr nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen diagnostiziert. Diese Störung äußert sich durch Hyperaktivität, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und verstärkter Impulsivität. Es wird vermutet, dass diese Störungen mit dem Botenstoff Dopamin zusammenhängen. Dieser ist bei den betroffenen Personen verändert. Dopamin ist im Gehirn für die Denkvorgänge und Bewegungsabläufe wichtig.

Ritalin verbessert die Symptomatik bei ADHS Patienten deutlich. Untersuchungen an der Universität Stony Brook in New York zeigen, dass es bei einer Langzeiteinnahme zu Veränderungen im Nervensystem kommt. Die Dopamin Verfügbarkeit hatte in einigen Hirnarealen des Belohnungszentrums eine Zunahme von 24 Prozent erreicht. Wird Ritalin wieder weggelassen, werden die Symptome verstärkt. Dies führt wiederum zu einer Bedarfssteigerung des Wirkstoffes, der in Ritalin enthalten ist.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ritalin kann eine Vielzahl von Nebenwirkungen haben. Diese treten bei Abhängigkeit verstärkt auf, insbesondere wenn die Substanz abgesetzt wird. Als langfristige Nebenwirkungen sind Nervosität und Reizbarkeit bekannt. Durch die Überstimulierung bestimmter Nervenzellen im Gehirn erschöpft sich der Vorrat an Dopamin.

Mangelnde Impulskontrolle, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen treten nach dem Absetzen von Ritalin stärker auf als vor Einnahme des Medikaments. Epileptische Anfälle können ausgelöst werden. Ritalin vermindert den Appetit. Dies führt zu Gewichtsverlust und Vitamindefiziten. Der Wirkstoff verringert die Gehirndurchblutung um bis zu 30 Prozent. Dadurch werden Blutzellen im Gehirn geschädigt.

Gehirnzellen können absterben. Dies kann dazu führen, dass sich das Gehirn verkleinert. Im Gehirn können sogenannte leere Stellen entstehen, die das Erinnerungsvermögen schädigen. Ritalin darf nicht von Menschen eingenommen werden, die unter Depressionen leiden. Bei diesen kann es zu Selbstmordgedanken und Suiziden führen.

Ebenso ist es nicht geeignet für Personen mit Herzrhythmusstörungen und Magersüchtige. Nehmen diese Personengruppen Ritalin missbräuchlich ein, sind die Symptome nach Absetzen des Mittels besonders gravierend.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Unter den Drogenabhängigen nimmt Ritalin den Platz eines billigen Kokains und Speeds ein. Es hat sich nach Haschisch zu einer der beliebtesten und leicht zugänglichen Droge entwickelt. Wird die Zufuhr des Wirkstoffes reduziert oder abrupt nach längerem Gebrauch abgesetzt, stellen sich die charakteristischen Entzugssymptome ein. Diese zeigen sich in einer depressiven Verstimmung, Erschöpfungszuständen und Schlafstörungen. Hinzu kommt ein starkes Verlangen, Ritalin wieder einzunehmen.

Komplikationen

Eine Ritalinabhängigkeit hat schwerwiegende Auswirkungen auf den Körper und die Psyche des Betroffenen. Im Allgemeinen nimmt die konzentrationsfördernde Wirkung des Medikaments bei regelmäßiger Einnahme ab, während die Nebenwirkungen zunehmen. Eine typische Komplikation dieses Verlaufs sind Krämpfe, die oft mehrere Minuten anhalten.

Auch Störungen des Herzrhythmus können sich entwickeln und im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt führen. Bei einer Überdosierung können weitere akute Komplikationen auftreten. Es kommt zu Krämpfen, Fieber, Zittern bis hin zu Atemlähmung und Kreislaufkollaps. Eine Ritalinabhängigkeit erhöht das Risiko dieser lebensbedrohlichen Komplikationen erheblich. Zudem verändert das Medikament die Persönlichkeit.

Langfristig entwickeln sich Psychosen, psychische Störungen und Tics. Zudem nimmt die Libido ab und der Betroffene wird schließlich impotent. In Folge unzureichender Ernährung oder dem Gebrauch von verunreinigtem Injektionsbesteck können außerdem Hautentzündungen und Infektionen auftreten. Begleitend dazu kommt es zu einem Gewichtsverlust und häufig auch zu Mangelerscheinungen.

Ritalinabhängigkeit bei Kindern kann zu Wachstumsstörungen führen. Wird das Medikament schließlich abgesetzt, können ausgeprägte Entzugssymptome auftreten. Die Betroffenen leiden häufig unter Depressionen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Die Schlafstörungen können einige Wochen bis Monate bestehen bleiben.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Ritalinabhängigkeit muss unbedingt durch einen Arzt behandelt werden. Es kann durch diese Erkrankung zu schwerwiegenden Schäden am Körper des Betroffenen kommen, falls die Sucht nicht gelindert werden kann. Aus diesem Grund ist bei den ersten Anzeichen einer Ritalinabhängigkeit auf jeden Fall ein Arzt aufzusuchen. Ein Mediziner ist dabei dann aufzusuchen, wenn der Betroffene ohne Einnahme von Ritalin an einer Reizbarkeit oder an einer starken Nervosität leidet. Dabei kann es sogar zu epileptischen Anfällen oder zu einem starken Gewichtsverlust kommen.

In der Regel verhalten sich die Patienten leicht aggressiv oder wirken unruhig gegenüber anderen Menschen. In den meisten Fällen fallen die Beschwerden einer Ritalinabhängigkeit erst den Freunden oder der Familie auf, sodass diese Gruppen den Betroffenen auf die Symptome hinweisen sollten. In schwerwiegenden Fällen müssen diese Personen eine Behandlung einleiten. Die Ritalinabhängigkeit wird durch einen Facharzt behandelt, wobei eine vollständige Heilung nie garantiert werden kann. Der weitere Verlauf hängt stark von der Art der Abhängigkeit ab. In einigen Fällen kann auch die Einweisung in eine geschlossene Anstalt notwendig sein.

Behandlung & Therapie

Muss das Ritalin abgesetzt werden, kann dies nur unter sorgfältiger ärztlicher Beobachtung geschehen. Nach Absetzen der Substanz treten häufig starke Depressionen auf. Ebenso zeigen sich Effekte einer chronischen Überaktivität. Ein längerer Missbrauch von Ritalin, der zu einer psychischen Abhängigkeit geführt hat, kann während der Einnahme bereits zu Psychosen führen.

Das Risiko von Psychosen bleibt auch nach Absetzen der Substanz. Ein Ausschleichen des Medikaments bei gleichzeitiger psychotherapeutischer Behandlung ist möglich. Anschließend dürfen diese Personen Ritalin nicht mehr einnehmen. Methylphenidat bleibt eine genauso gefährliche Substanz wie Kokain und Heroin. Die Nebenwirkungen erreichen bei Abhängigen dieselben Ausmaße wie bei Crack.

In Amerika wird Ritalin als besonders gefährlich eingestuft. In der amerikanischen Armee wird Rekruten, die Ritalin einnehmen, die Aufnahme in den Militärdienst untersagt. Ebenso werden dort Personen als dienstuntauglich erklärt, die als Kind Ritalin aufgrund einer ADHS Symptomatik eingenommen haben.


Vorbeugung

Da die Wirkung des Mittels Ritalin mit der Zeit nachlassen kann, sollte es nur kurzfristig und sehr vorsichtig eingesetzt werden. Bei einer kurzzeitigen Einnahme baut sich kein kontinuierlicher Wirkungsspiegel auf. Dann ist auch keine Absetzungssymptomatik zu erwarten.

Regelmäßig muss unter der Einnahme von Ritalin ein Differentialblutbild durchgeführt werden. Ebenso sollte in periodischen Abständen die Thrombozytenzahl bestimmt werden. Ritalin darf nicht allein aufgrund einzelner auffälliger Verhaltensmerkmale verschrieben werden.

Bei labilen Patienten und Personen mit einer Vorgeschichte mit Drogenabhängigkeit und Alkoholproblemen ist besondere Vorsicht angezeigt. Diese Personengruppen neigen dazu, die Ritalindosis eigenmächtig zu erhöhen.

Nachsorge

Ritalin wird gegen Aufmerksamkeitsdefizitstörungen verordnet. Die Patienten befinden sich mehrheitlich im Kindesalter. Eine hohe Dosierung ist mit der Gefahr einer Abhängigkeit verbunden, vor allem wenn das Medikament über einen langen Zeitraum hinweg eingenommen werden soll. Ritalin wird zudem als Aufputschmittel von besonders ambitionierten Studenten oder auf privaten Feiern 'missbraucht'.

Es bestehen zwei Möglichkeiten zur Nachsorge: Das Ritalin wird kontrolliert verabreicht, sodass eine Abhängigkeit gar nicht erst entstehen kann. Im zweiten Fall besteht die Abhängigkeit bereits. Hierbei wird ärztlich interveniert. Ziel ist eine Rückbildung der Sucht. Die Nachsorge wird verhaltenstherapeutisch durchgeführt. Der Betroffene soll lernen, seinen Ritalinverbrauch schrittweise zu verringern.

Im Idealfall benötigt er das Medikament nach abgeschlossener Behandlung gar nicht mehr. Wenn noch keine Abhängigkeit vorliegt, soll der Patient mit der bisherigen Dosis im Alltag auskommen können. Eine Ritalinabhängigkeit geht mit körperlichen und seelischen Symptomen einher. Dazu zählen Herzprobleme, Kopfschmerzen, Sinnestäuschungen oder eine aggressive Stimmung. Bei der Nachsorge werden die Beschwerden behandelt.

Eine Überdosierung kann sogar lebensbedrohlich sein. In solchen Fällen bedarf der Patient umgehend einer Krankenhauseinweisung durch den Rettungsdienst. Das Ritalin muss sofort abgesetzt und die Vitalfunktionen überwacht werden. Die klinische Betreuung endet mit der Entlassung. Die Nachsorge wird dennoch fortgeführt, um einen Rückfall zu vermeiden.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Ritalinabhängigkeit gilt es zunächst, das Medikament abzusetzen. Betroffene Personen setzen sich am besten mit ihrem Hausarzt in Verbindung. Der Mediziner kann eine geeignete Alternative zu Ritalin verordnen und im Rahmen einer körperlichen Untersuchung etwaige Folgeschäden feststellen.

Die Ritalinabhängigkeit selbst kann von den Betroffenen selbst behandelt werden, indem diese sich in therapeutische Behandlung begeben. In Zusammenarbeit mit dem Therapeuten kann die Sucht überwunden werden. Zudem kann der Fachmann den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe aufbauen. Wenn das Kind an einer Ritalinabhängigkeit leidet, sollte ein Kinderpsychologe eingeschaltet werden. Womöglich liegt der Sucht eine ernste Ursache zugrunde, die es aufzuarbeiten gilt. In jedem Fall muss das Medikament in Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden.

Inzwischen gibt es einige Alternativen zu Ritalin, etwa Medikinet und Elvanse, die ähnliche Effekte erzielen. Bestenfalls wird der Sucht die Grundlage entzogen, indem die zugrunde liegende Verhaltensstörung behandelt wird. Bei Kindern ist hierfür ein frühzeitiges Gegensteuern wichtig. Eine Verhaltenstherapie, aber auch der Besuch einer geeigneten Sonderschule sowie ein geregelter Tagesablauf sind wichtige Stützpfeiler der Behandlung von ADHS und vergleichbaren Erkrankungen.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015

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