Riedel-Thyreoiditis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 20. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Riedel-Thyreoiditis

Als Riedel-Thyreoiditis wird eine seltene Entzündung der Schilddrüse bezeichnet. Dabei kommt es zur Zerstörung des Schilddrüsengewebes.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Riedel-Thyreoiditis?

Als charakteristisches Merkmal der Riedel-Thyreoiditis gilt die zunehmende Vergrößerung der Schilddrüse. Diese ruft wiederum eine Verengung der Luftröhre hervor, die Atembeschwerden auslösen kann.
© magicmine – stock.adobe.com

Die Riedel-Thyreoiditis ist auch als Riedel-Struma bekannt. Gemeint ist damit eine Schilddrüsenentzündung. Als Namensgeber der Erkrankung diente der deutsche Chirurg Bernhard Riedel (1846-1916). Der Mediziner beschrieb die Thyreoiditisvariante zum ersten Mal im Jahr 1896 in einem Buch.

Die Riedel-Thyreoiditis stellt eine Form der Autoimmunthyreoiditis dar. Zu ihren typischen Merkmalen zählt ein harter bindegewebiger Schilddrüsengewebeumbau. Das Riedel-Struma tritt nur selten auf. So zeigt es sich bei 100.000 Einwohnern lediglich ein oder zwei Mal. Besonders betroffen sind Menschen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Bei vier von fünf Patienten handelt es sich um Frauen.

Ursachen

Wovon die Riedel-Thyreoiditis ausgelöst wird, ließ sich bislang noch nicht ermitteln. Die Erkrankung gehört zu den chronischen Schilddrüsenentzündungen. Dabei wird gesundes Gewebe der Schilddrüse im Verlauf der Krankheit mehr und mehr von dichtem fibrotischen Gewebe verdrängt.

Weil dieser Umbau nicht allein auf die Schilddrüse begrenzt bleibt, erfolgt ein Übergreifen auf benachbartes Gewebe. Aus diesem Grund bildet sich eine eisenharte Struma. Bei rund zwei Dritteln aller Patienten sind Schilddrüsenautoantikörper zu verzeichnen. Deshalb vermuten einige Mediziner, dass ein Zusammenhang zwischen der Riedel-Thyreoiditis sowie Morbus Basedow und der Hashimoto-Thyreoiditis besteht.

Neuen Studien zufolge handelt es sich bei dem Riedel-Struma um die organische Ausprägung einer systemischen IgG4-assoziierten Erkrankung. Unter IgG4 wird eine Unterklasse der Immunglobuline G verstanden. Typisch für eine IgG4-assoziierte Erkrankung ist der fibrotisch-sklerotische Umbau von multiplen Organen und Geweben.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Als charakteristisches Merkmal der Riedel-Thyreoiditis gilt die zunehmende Vergrößerung der Schilddrüse. Diese ruft wiederum eine Verengung der Luftröhre hervor, die Atembeschwerden auslösen kann. Außerdem leiden die betroffenen Personen unter einer Lähmung ihrer Stimmbänder, Heiserkeit und Beschwerden beim Schluckvorgang.

Dadurch, dass die Schilddrüse mit dem benachbarten Halsgewebe verwächst, besteht zudem das Risiko von Bewegungseinschränkungen. So sind manche Patienten nicht mehr in der Lage, ihren Kopf wie gewohnt in sämtliche Richtungen zu bewegen. Des Weiteren haben die Betroffenen das Gefühl, einen Fremdkörper im Hals zu haben oder leiden unter Läsionen der Nerven.

Aufgrund der zunehmenden Zerstörung des gesunden Schilddrüsengewebes tritt im weiteren Verlauf der Riedel-Thyreoiditis eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) ein, die mit entsprechenden Symptomen einhergeht. Dazu gehören unter anderem eine raue Stimme, Verstopfung, Kälteempfindlichkeit, trockene Haut, Appetitlosigkeit, Zunahme an Gewicht und Müdigkeit.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Besteht Verdacht auf eine entzündete Schilddrüse, sollte ein Arzt zu Rate gezogen werden. Dieser nimmt nach der Erfassung der Krankengeschichte (Anamnese) eine körperliche Untersuchung vor, in deren Verlauf sich eine eisenharte Vergrößerung der Schilddrüse ertasten lässt. Als typische Hinweise gelten örtliche Probleme durch die Struma wie das Einengen von Halsgefäßen und Luftröhre.

Darüber hinaus können die Halsnerven derart verdrängt werden, dass dies zu einer Parese des Kehlkopfnervs führt. Außerdem lässt sich die Schilddrüse beim Schlucken nicht mehr verschieben, was dem Arzt einen Hinweis auf eine Verwachsung liefert. Schmerzempfindlichkeit besteht dagegen nur selten.

Die weitere Untersuchung setzt sich aus einer Sonographie (Ultraschalluntersuchung) zusammen, mit der sich infiltriertes Halsgewebe sowie knotige Veränderungen ermitteln lassen. Des Weiteren kann der Arzt eine Szintigraphie durchführen, um die Schilddrüsenfunktionen sowie die Lage bestimmter Organbereiche zu untersuchen. Im Rahmen der Szintigraphie wird zumeist eine niedrigere Technetium-Aufnahme festgestellt.

Lassen sich kalte Knoten bei der Untersuchung ermitteln, besteht Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom. Aus diesem Grund erfolgt eine chirurgische Entfernung, um eine Krebserkrankung entweder auszuschließen oder zu bestätigen. Histologisch lässt sich die Diagnose auch definitiv durch die Entnahme von Gewebe (Biopsie) erstellen.

Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Differentialdiagnose, um die Riedel-Thyreoiditis von der Hashimoto-Thyreoiditis und Schilddrüsenkrebs abzugrenzen. Die Funktionslage der Schilddrüse wird durch das Riedel-Struma in den meisten Fällen nicht eingeschränkt. Jeder dritte Patient leidet allerdings im weiteren Verlauf der Krankheit unter einer Schilddrüsenunterfunktion.

Komplikationen

Die Riedel-Thyreoiditis stellt eine sehr seltene autoimmunologisch verursachte Schilddrüsenentzündung dar, die ohne Behandlung zu verschiedenen schwerwiegenden Komplikationen führen kann. Aufgrund eines bindegewebigen Umbaus verhärtet und vergrößert das Schilddrüsengewebe immer mehr, sodass andere Organe, die sich in der Nähe befinden, verdrängt werden.

In der Folge kommt es oft zur Verengung der Luftröhre, zu Stimmbandlähmungen und zu Schluckbeschwerden. Ohne Behandlung wird die Schilddrüse weiter geschädigt bis zu ihrer eventuell vollständigen Zerstörung. Dabei kann sich in einem Drittel der Fälle eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) entwickeln. Die Schilddrüsenunterfunktion ist durch eine zu geringe Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen gekennzeichnet.

Neben Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Gewichtszunahme treten auch häufige Infekte, Konzentrationsstörungen, Verstopfungen und Krämpfe auf. Da die Erkrankung durch eine autoimmunologische Reaktion des körpereigenen Immunsystems auf die Schilddrüse ausgelöst wird, kann der Krankheitsverlauf durch den Einsatz von Immunsuppressiva wie den Glukokortikoiden zwar etwas verzögert aber nicht geheilt werden.

Um so viel Schilddrüsengewebe wie möglich zu erhalten, sollte daher frühzeitig eine Operation durchgeführt werden, zumal die Behandlung mit Immunsuppressiva zusätzlich zu einer Schwächung des Immunsystems führt. Bei der medikamentösen Behandlung können sich die Symptome des sogenannten Cushingsyndroms mit Stammfettsucht, Vollmondgesicht und erhöhter Infektanfälligkeit ausbilden. Nach der Operation werden dann jedoch keine oder zu wenige Schilddrüsenhormone gebildet. Daher ist dann immer eine Ersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen notwendig.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine Riedel-Thyreoiditis muss immer durch einen Arzt untersucht und behandelt werden. Es kann bei dieser Erkrankung nicht zu einer Selbstheilung kommen, wobei die Beschwerden in der Regel stärker werden, wenn der Patient keine Behandlung einleitet. Hierbei wirken sich eine frühzeitige Diagnose und Behandlung der Riedel-Thyreoiditis immer positiv auf den weiteren Verlauf dieser Krankheit aus.

Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Patient an starken Atembeschwerden leidet. Dabei kann es auch zu einer Heiserkeit oder zu dauerhaftem Husten kommen, wobei einige Betroffene in schwerwiegenden Fällen auch das Bewusstsein verlieren können. Auch Beschwerden beim Schlucken können auf die Riedel-Thyreoiditis hindeuten und sollten untersucht werden, wenn sie ohne einen besonderen Grund und vor allem dauerhaft auftreten und das Leben des Betroffenen erschweren. Weiterhin kann auch eine trockene Haut oder eine dauerhafte Verstopfung auf die Riedel-Thyreoiditis hindeuten und sollte ebenso untersucht werden.

Die erste Untersuchung kann durch einen Allgemeinarzt erfolen. Bei der weiteren Behandlung ist allerdings meist der Besuch bei einem Facharzt notwendig.

Behandlung & Therapie

Die Riedel-Thyreoiditis zählt zu den chronischen Schilddrüsenentzündungen, bei denen nur selten eine spontane Abheilung stattfindet. Aufgrund der bislang unklaren Autoimmunprozesse kann sich die Therapie des Riedel-Strumas als schwierig gestalten. So gibt es bislang keine kausale Behandlung der Riedel-Thyreoiditis.

Da die Krankheit durch eine weiter zunehmende Verhärtung lebensgefährliche Ausmaße annehmen kann, gilt das frühzeitige operative Entfernen der Struma als sinnvollste Option. Zur Verlangsamung des fibrotischen Umbaus lassen sich auch Glukokortikoide verabreichen, was jedoch meist nur einen Aufschub bewirkt. Darüber hinaus liegen keine gesicherten Erkenntnisse über erfolgreiche konservative Behandlungen einer Riedel-Thyreoiditis vor.

Ein operativer Eingriff an einem Riedel-Struma wird als schwierig eingestuft. So leiden die Patienten oftmals unter Komplikationen wie einer Unterfunktion der Nebenschilddrüsen (Hypoparathyreoidismus). Das Entfernen der Schilddrüse erfolgt im Rahmen einer Thyreoidektomie. Dabei nimmt der Chirurg einen Querschnitt zwischen fünf und sieben Zentimetern Länge über der Drosselrinne (Jugulum) vor.

Nach dem Entfernen von Haut und Fettgewebe erfolgt das Teilen und Verschieben der Halsmuskulatur. Danach ist die Schilddrüse frei zugänglich und lässt sich vom Operateur entfernen. Im Anschluss an das Einlegen einer Wunddrainage lässt sich die Haut mit einer intrakutanen Nahttechnik verschließen. Durch das Entfernen der Schilddrüse muss die betroffene Person für den Rest ihres Lebens Schilddrüsenhormone einnehmen.


Vorbeugung

Die Ursachen für die Riedel-Thyreoiditis konnten noch nicht festgestellt werden. Maßnahmen, die zur Vorbeugung der Schilddrüsenentzündung dienen, sind daher nicht bekannt.

Nachsorge

Nach der erfolgreichen Behandlung einer Riedel-Thyreoiditis ist eine umfangreiche Nachsorge erforderlich. Wurde die Schilddrüse vollständig entfernt, müssen lebenslang Schilddrüsenhormone zum Ersatz eingenommen werden. Daneben sollten regelmäßige endokrinologische Untersuchungen der anderen Hormonwerte im Körper erfolgen, um etwaige Hormonprobleme, die das fehlen der Schilddrüse verursacht, rechtzeitig zu erkennen.

Zusätzlich dazu sollten regelmäßige Ultraschalluntersuchungen des Halses stattfinden, um mögliche neue Entzündungen in dem Bereich, in dem die Schilddrüse entfernt wurde, frühzeitig zu erkennen. Ist die Schilddrüse (noch) nicht entfernt worden, sollten darüber hinaus die Schilddrüsenwerte im Blut regelmäßig kontrolliert werden, um den Fortschritt der Erkrankung zu dokumentieren und die Medikamentengabe anpassen zu können.

Außerdem sollten Luftröhre und Halsgefäße nach der Behandlung einer Riedel-Thyreoiditis intensiv auf verbliebene Verengungen oder Fehlbildungen hin untersucht werden. Falls eine Verengung oder dauerhafte Fehlbildung verblieben ist, sind gegebenenfalls weitere operative Eingriffe notwendig, um diese zu korrigieren.

Darüber hinaus kann die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten (Macumar) notwendig sein, um die Durchblutung von Gehirn und Kopf zu gewährleisten und die Entstehung von Blutgerinnseln an verengten Stellen zu verhindern. Sind die großen Halsnerven dauerhaft geschädigt worden, kann zusätzlich eine neurologische Behandlung notwendig sein, um die damit verbundenen Symptome zu bekämpfen. Ebenso kann bei verbleibender und dauerhafter Stimmbandlähmung ein Stimmtraining sinnvoll sein.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei der Riedel-Thyreoiditis um eine chronische Erkrankung handelt, haben betroffene Personen oft einen langen Behandlungsweg vor sich. Zurzeit gibt es lediglich symptomatische Therapien, da die zugrundeliegenden Autoimmunprozesse bislang unklar sind. Neben medizinischen Behandlungen können auch Maßnahmen ergriffen werden, die selbst durchgeführt werden.

Eine solche kann das Erlernen von körperlichen Übungen sein. Ärzte und Physiotherapeuten können Anleitungen geben, welche Bewegungen helfen, eine Verhärtung der betroffenen Muskulatur hinauszuzögern. Durch leichte Massagetechniken sowie Entspannungsübungen können symptomatisch bedingte Schmerzen verringert werden. Dabei ist es wichtig, dass diese regelmäßig angewendet werden, um einen Erhalt der Beweglichkeit zu gewährleisten.

Neben physiologischen Erfolgen kann durch solche Übungen auch mentale Entspannung erreicht werden. Die Wahrscheinlichkeit, an einer begleitenden Depression zu erkranken wird somit gesenkt. Auch und vor allem in Anbetracht einer Vielzahl von anstrengenden Operationen, welcher sich der Patient unterziehen muss, ist es wichtig, auch das psychosoziale Gleichgewicht im Auge zu behalten. Ein intaktes soziales Umfeld kann helfen, die Strapazen solcher Operationen zu überstehen, trotz der Erkrankung neue Perspektiven zu gewinnen und den Anschluss an die Mitmenschen nicht zu verlieren.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016

Das könnte Sie auch interessieren